VfGH G318/2018

VfGHG318/20186.3.2019

Zurückweisung des Individualantrags einer Gebietskrankenkasse auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend die "Ausgabenbremse" für Sozialversicherungsträger infolge zwischenzeitiger Änderung der angefochtenen Bestimmungen

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
ASVG §716 Abs2, Abs3, Abs5, Abs6, Abs7
SV-OG

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2019:G318.2018

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, begehrt die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, "der Verfassungsgerichtshof möge […] folgende Teile von §716 ASVG idF BGBI I 2018/59 […]:

[…] 1. in §716 Abs2 ASVG:

a) die Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' im 1. Satz, in eventu

b) die Buchstabenfolge '- und Bau' im 1. Satz, in eventu

c) §716 Abs2 ASVG zur Gänze;

[…] 2. betreffend §716 Abs3 ASVG:

a) in §716 Abs3 Z1 ASVG die Wortfolge 'und des höheren', in eventu

b) §716 Abs3 Z1 ASVG zur Gänze, in eventu

c) §716 Abs3 Z1 ASVG zur Gänze und in §716 Abs4 ASVG die Wortfolge 'leitenden Angestellten oder', in eventu

d) §716 Abs3 ASVG zur Gänze, in eventu

e) §716 Abs3 und 4 ASVG zur Gänze;

[…] 3. §716 Abs5 ASVG zur Gänze;

[…] 4. §716 Abs6 ASVG zur Gänze;

[…] 5. in §716 Abs7 ASVG:

a) in Satz 2 die Wortfolge 'und sonstigen Vereinbarungen' sowie Satz 3 zur Gänze, in eventu

b) §716 Abs7 ASVG zur Gänze"

 

als verfassungswidrig aufheben.

 

II. Rechtslage

1. Art10 Z2 BGBl I 59/2018 hat dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl 189/1955, folgenden §716 samt Überschrift angefügt (die mit den jeweiligen Hauptanträgen angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Schlussbestimmungen zu Art10 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018

 

§716. (1) Die Abs2 bis 7 sowie die §§86 Abs3 Z1 und 106 Abs1 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018 treten mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft.

 

(2) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen. Nicht davon betroffen sind Maßnahmen der Neuorganisation der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Dies gilt auch nicht für Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Schadens für den Versicherungsträger oder den Hauptverband unbedingt erforderlich sind.

 

(3) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 dürfen die im Abs2 genannten Versicherungsträger und der Hauptverband

1. Leiter/innen des gehobenen und des höheren Dienstes sowie Angestellte des bereichsleitenden und des leitenden Dienstes nach der DO. A, soweit diese im Verwaltungsdienst tätig sind, und

2. Ärzte und Ärztinnen, die nach §37 Z1 und 2 DO. B eingereiht sind,

nur befristet (wieder)bestellen, und zwar längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.

 

(4) Fällt der Beendigungszeitpunkt einer befristeten Bestellung eines/einer leitenden Angestellten oder leitenden Arztes/leitenden Ärztin sowie von deren ständigen Stellvertretern/Stellvertreterinnen eines der im Abs2 genannten Versicherungsträger oder des Hauptverbandes in die Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 31. Dezember 2019, so verlängert sich diese befristete Bestellung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.

 

(5) Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind bei den im Abs2 genannten Versicherungsträgern und beim Hauptverband keine Personalaufnahmen im Verwaltungsbereich zulässig. Nachbesetzungen von Personalabgängen im Verwaltungsbereich können jedoch erfolgen, wenn diese von dem zum 1. Jänner 2018 gültigen Dienstpostenplan gedeckt sind.

 

(6) Höherreihungen außerhalb der am 30. Juni 2018 gültigen Dienstpostenpläne sind bis zum Ablauf des Jahres 2019 unzulässig.

 

(7) Für die nach §342 abzuschließenden Gesamtverträge oder bei Änderungen von Gesamtverträgen ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung gegenüber den im §342 Abs2a sonst angeführten Zielsetzungen der Vorrang zu geben. Dies gilt auch für alle anderen Gesamtverträge und sonstigen Vereinbarungen mit Anbieter/inne/n von Gesundheitsdienstleistungen. Honorarabschlüsse, durch die das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) stärker ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung des jeweiligen Trägers, sind unzulässig. Kommt im Falle eines befristeten Ablaufes kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht.

 

(8) Rückwirkend mit 1. Jänner 2014 treten die §§143a Abs1, 255b, 273b und 280b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018 in Kraft."

 

2. Mit Art1 Z191, 192 und 193 des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes (SV-OG), BGBl I 100/2018, kundgemacht am 22. Dezember 2018, werden mit Wirkung vom 1. April 2019 die Absätze 2, 3, 5 und 6 in §716 ASVG aufgehoben und §716 Abs7 leg. cit. dahingehend abgeändert, dass er künftig wie folgt lautet:

"(7) Kommt im Falle des Erlöschens eines befristet abgeschlossenen Gesamtvertrages nach §342 oder eines anderen Gesamtvertrages oder einer sonstigen Vereinbarung mit Anbieter/inne/n von Gesundheitsdienstleistungen kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht."

 

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Gebietskrankenkasse legt die Zulässigkeit ihrer Anträge sowie ihre Bedenken wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"1. Allgemeines

1.1 Zu den angefochtenen Regelungen allgemein

(2) Die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Teile von §716 ASVG gehen wie bereits oben erwähnt auf die Novelle BGBI I 2018/59 zum ASVG zurück.

(3) Durch sie (und andere, im vorliegenden Antrag mangels unmittelbarer Betroffenheit nicht angefochtene Teile des §716 ASVG) wurde die sog 'Ausgabenbremse' in der Sozialversicherung eingeführt. Diese beruht auf einem Abänderungsantrag in der 36. Sitzung des NR in der 26. Gesetzgebungsperiode zur RV des Erwachsenenschutz-AnpassungsG (191 BIgNR 26. GP). Durch diesen Abänderungsantrag (AA-39 26. GP ) wurde die ursprünglich geplante Übergangsbestimmung des §716 ASVG insofern erweitert, als in den Abs2 bis 7 gewisse Verwaltungsmaßnahmen der Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes bis 31.12.2019 verboten wurden (die spätere Hinzufügung eines weiteren Abs8 durch den Abänderungsantrag AA-40 26. GP ist im vorliegenden Kontext ohne Relevanz).

(4) Der im vorliegenden Fall relevante Abänderungsantrag AA-39 26. GP betreffend die Einfügung von §716 Abs2 bis 7 ASVG wird dabei wie folgt begründet:

'Vor dem Hintergrund der im Regierungsprogramm vorgesehenen und im Ministerratsvortrag vorn 23. Mai 2018 präzisierten umfassenden Neuordnung der Sozialversicherungsorganisation sollen die Versicherungsträger und der Hauptverband angehalten werden, streng nach den Grundsätzen einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik vorzugehen, um den Fusionierungsprozess nicht zu konterkarieren.'

(5) Im Ministerratsvortrag vom 23.5.2018, auf den der Abänderungsantrag Bezug nimmt, war das Ziel erklärt worden, die sich aus der Struktur der derzeit bestehenden 21 Sozialversicherungsträger ergebenden hohen Verwaltungskosten zu senken und dazu die Anzahl der Sozialversicherungsträger auf vier, maximal fünf zu senken (BKA-351.000/0030-MRD/2018, BMöDS-11220/0012-1/A/5/2018; BMASGK-21117/0001-11/A/1/2018).

1.2 Zur Antragstellerin

(6) Die Antragstellerin ist gemäß §23 Abs1 Z1 ASVG Trägerin der Krankenversicherung nach dem ASVG, wobei sich ihr örtlicher Wirkungsbereich gemäß §23 Abs2 ASVG auf das Bundesland Niederösterreich und ihr sachlicher Wirkungsbereich gemäß §26 ASVG auf jene Versicherten bezieht, für die nicht ein anderer Krankenversicherungsträger zuständig ist. Derzeit verfügt die Antragstellerin über rund 1,227 Mio Anspruchsberechtigte (davon 936.000 Versicherte)

[…]

(7) Die Sozialversicherung nach dem ASVG ist entsprechend den Prinzipien der nicht territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B‑VG organisiert (zB VfSlg 11.013, 16.585; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 64f; dementsprechend handelt es sich bei der Antragstellerin um einen Selbstverwaltungskörper.

(8) Der Aufgabenbereich der Antragstellerin ergibt sich insb aus den §§116 bis 168 ASVG betreffend die Leistungen der Krankenversicherung sowie aus dem 6. Teil des ASVG betreffend die Regelungen über die Beziehungen zu den Vertragspartnern (Sicherstellung der Sachleistungsversorgung).

(9) Gemäß §434 Abs1 ASVG bedarf der vorliegende Individualantrag eines Vorstandsbeschlusses. Dieser wurde in der Vorstandssitzung der Antragstellerin vom 19.9.2018 gefasst.

[…]

2. Zum Aufbau des vorliegenden Individualantrags

(10) Der vorliegende Individualantrag richtet sich gegen mehrere Teile des §716 ASVG. Da schon die Frage der Antragslegitimation im Hinblick auf jeden einzelnen Teil des §716 ASVG gesondert zu prüfen ist, ist der vorliegende Antrag so aufgebaut, dass die einzelnen angefochtenen Teile nacheinander abgehandelt werden, wobei jedoch dort, wo dies zur Vermeidung von Wiederholungen zweckmäßig ist, auf Ausführungen weiter vorne verwiesen wird.

3. §716 Abs2 ASVG

3.1 Antragslegitimation

3.1.1 Unmittelbare Betroffenheit

(11) Ein Antrag auf Gesetzesprüfung nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist nur zulässig, wenn der Antragsteller unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

(12) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt:

(13) §716 Abs2 ASVG idF der Novelle BGBI I 2018/59 ist gemäß §716 Abs1 ASVG mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung im BGBI in Kraft getreten. Dies war, da die Kundmachung am 14.8.2018 erfolgt ist, sohin mit Ablauf des 14.8.2018.

(14) §716 Abs2 ASVG lautet wie folgt:

'Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind Beschlüsse der Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz, dem GSVG, dem BSVG, dem B-KUVG und dem NVG sowie des Hauptverbandes in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur dann zulässig, wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen. Nicht davon betroffen sind Maßnahmen der Neuorganisation der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Dies gilt auch nicht für Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Schadens für den Versicherungsträger oder den Hauptverband unbedingt erforderlich sind.'

(15) Die Antragstellerin ist, wie oben in Rz 6 ausgeführt, Trägerin der Krankenversicherung iSd ASVG und damit einer der in §716 Abs2 ASVG angeführten 'Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz'. Sie ist sohin Normadressat der Bestimmung.

(16) Durch §716 Abs2 ASVG wird der Antragstellerin bis Ende 2019, dh bis 31.12.2019, die Fassung von Beschlüssen in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten grundsätzlich verboten. Vom Verbot ausgenommen sind bloß Beschlüsse, die die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen, sowie Beschlüsse, die zur Abwendung eines drohenden Schadens unbedingt erforderlich sind (§716 Abs2 2. Satz ASVG ist auf die Antragstellerin hingegen nicht anwendbar, da Normadressat nur die AUVA ist).

(17) Die Antragstellerin ist durch das Verbot des §716 Abs2 ASVG nicht bloß theoretisch, sondern aktuell betroffen, weil die Bestimmung die Antragstellerin derzeit an einer konkreten Beschlussfassung in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten hindert, nämlich am Beschluss betreffend die Sanierung und Adaptierung ihrer Außenstelle Neunkirchen ('Servicecenter Neunkirchen').

(18) Beim Servicecenter Neunkirchen handelt es sich um eine Außenstelle der Antragstellerin iSd §418 Abs1 ASVG, demzufolge die Verwaltung der Versicherungsträger durch Hauptstellen, Landesstellen und Außenstellen zu führen ist. Nach §418 Abs4 ASVG können die Versicherungsträger Außenstellen führen, soweit eine im Verhältnis zu den Versicherten und den Dienstgebern örtlich nahe Verwaltung zweckmäßig ist. Die Zweckmäßigkeit des Servicecenters Neunkirchen erklärt sich daraus, dass der politische Bezirk Neunkirchen ca 86.000 Einwohner hat und dass es zahlreichen Leistungsempfängern die Erreichbarkeit eines Servicecenters innerhalb von 30 Minuten ermöglicht (andernfalls müssten zahlreiche Leistungsempfänger zum zweitnächstgelegenen Servicecenter eine Anfahrtszeit von weit über 30 Minuten auf sich nehmen, was deshalb von großer Bedeutung ist, weil der politische Bezirk Neunkirchen mit einem Anteil der über 60-jährigen von 27,3 % einen Wert aufweist, der über dem Nö-Durchschnitt von 25,5 % liegt). Im Jahr 2017 wies das Servicecenter mehr als 38.000 persönliche Kundenkontakte auf, insb zu den Themen Krankengeld, Wahl(zahn)arztrechnungen, chefärztliche Bewilligungen, Kinderbetreuungsgeld und Case-Management (individuelle, qualifizierte Beratungsgespräche). Nur der Vollständigkeit halber sei zudem darauf hingewiesen, dass aufgrund der hohen Nachfrage in der Region in den Räumlichkeiten des Servicecenters Neunkirchen auch dreimal wöchentlich ein Sprechtag der Pensionsversicherungsanstalt stattfindet und dass im Servicecenter laufend Präventionsprogramme ('Schlank mit der NÖGKK', 'ambulante Raucherentwöhnung', 'Rücken-Fit') durchgeführt sowie Präventionsvorträge und Workshops abgehalten werden.

(19) Hintergrund der geplanten Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen ist, dass auf Grund des Alters des Gebäudes eine Fülle an baulichen und wärme‑ sowie brandschutztechnischen Mängeln vorliegt (zB Risse und Schäden im Mauerwerk, Sprünge in den Wandfliesen, keine Brandabschnitte, altes Wärmedämmverbundsystem, Fenster- und Türkonstruktionen nicht Stand der Technik, fehlende Be‑ und Entlüftungsmöglichkeiten, usw); außerdem können derzeit die organisatorischen Anforderungen an ein modernes Kundencenter durch die räumlichen Gegebenheiten nicht optimal gelöst werden.

(20) Die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters geht dabei über die laufende Instandhaltung und Instandsetzung klar hinaus: Auszugehen ist nämlich davon, dass die Terminologie in §716 Abs2 ASVG an die Weisungen für die Rechnungslegung und Rechnungsführung bei den Sozialversicherungsträgern und dem Hauptverband – Rechnungsvorschriften RV ('RechnVorschrSV')anknüpft. Dies folgt daraus, dass in §716 Abs2 ASVG wie in den RechnVorschrSV von 'laufender' Instandhaltung und Instandsetzung die Rede ist. Dementsprechend ist für den vorliegenden Fall die Abgrenzung zwischen laufender Instandhaltung und Instandsetzung einerseits und Herstellung andererseits nach den Abs4 und 8 des mit 'Erläuterungen zum Kontenrahmen' übertitelten §22 RechnVorschrSV wie folgt vorzunehmen:

 §22 Abs4: 'In den Fällen von Zu-, Um- bzw Ausbauten und sonstigen Investitionen ist aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand anzunehmen, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1. Ein Vermögensgegenstand wird in seiner Substanz vermehrt. Unter Vermehrung der Substanz ist nicht nur eine Vergrößerung der Kubatur, sondern auch eine qualitative Verbesserung zu verstehen.

2. Die Gebrauchs- oder Verwertungsmöglichkeit eines Wirtschaftsgutes wird verändert.

3. Die Lebensdauer des Vermögensgegenstandes wird verlängert.

Aufwendungen im Zusammenhang mit einem umfangreichen Herstellungsaufwand sind zur Gänze als Herstellungsaufwand anzusehen, auch wenn einzelne Ausgaben für sich betrachtet zum Erhaltungsaufwand zählen.'

 §22 Abs8: 'Zum Erhaltungsaufwand (erfolgswirksam) gehören ausschließlich die Aufwendungen für die laufende Instandhaltung und Instandsetzung (Nachholung zurückgestellter Instandhaltungsarbeiten), durch die ein Gebäude in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten wird. Diese Aufwendungen werden im allgemeinen durch die gewöhnliche Benützung des Gebäudes veranlasst.'

[…]

(21) Die Anknüpfung von §716 Abs2 ASVG an die Terminologie der RechnVorschrSV hat zur Folge, dass die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen keine laufende Instandhaltung und Instandsetzung iSd §716 Abs2 ASVG darstellt. Die für die Beseitigung der oben in Rz 19 beschriebenen Mängel erforderlichen Maßnahmen sind vielmehr deshalb als eine über eine laufende Instandhaltung bzw Instandsetzung hinausgehende Herstellung zu qualifizieren, weil durch sie zweifellos eine qualitative Verbesserung iSd §22 Abs4 Z1 RechnVorschrSV erfolgt, durch sie aber auch die Gebrauchsmöglichkeit des Gebäudes iSd §22 Abs4 Z2 RechnVorschrSV verändert wird und schließlich dessen Lebensdauer iSd §22 Abs4 Z3 RechnVorschrSV verlängert wird.

(22) Auch handelt es sich bei der Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen nicht um eine Maßnahme, die iSd §716 Abs2 letzter Satz ASVG zur Abwendung eines drohenden Schadens für die Antragstellerin unbedingt erforderlich ist: Dies ergibt sich schon daraus, dass laut ursprünglicher Beschlussvorlage für die Vorstandssitzung vom 16.8.2018 die unaufschiebbaren Reparaturarbeiten bereits in den letzten Jahren stattgefunden haben.

(23) Die Beschlussvorlage für betreffend die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen war von der Antragstellerin bereits vor Inkrafttreten des §716 ASVG mit Ablauf des 14.8.2018 aufbereitet worden und sollte in der Vorstandssitzung der Antragstellerin vom 16.8.2018 beschlossen werden. Im Hinblick auf das Inkrafttreten von §716 ASVG mit Ablauf des 14.8.2018 musste dieser Tagesordnungspunkt jedoch wieder von der Tagesordnung dieser Vorstandssitzung abgesetzt werden.

[…]

(24) Die Organe der Antragstellerin werden sohin durch den §716 Abs2 ASVG daran gehindert, einen bereits zuvor geplanten Beschluss in einer konkreten Liegenschafts- und Bauangelegenheit zu fassen, nämlich betreffend die Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen. Darin liegt ein unmittelbarer und aktueller Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin: Die Antragstellerin wird durch §716 Abs2 ASVG daran gehindert, im Rahmen ihres Rechts auf Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben autonom in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten zu entscheiden. Dadurch wird auch in ihr Recht auf Führung von Außenstellen nach §418 Abs4 ASVG eingegriffen, welches, da dieses Recht Ausfluss der Selbstverwaltung der Antragstellerin ist, auch das Recht inkludiert, solche Außenstellen entsprechend zu adaptieren und zu sanieren.

(25) Die Unmittelbarkeit des Eingriffs in die Rechtssphäre der Antragstellerin ergibt sich daraus, dass §716 Abs2 ASVG in den von ihm erfassten Fällen bereits die Beschlussfassung in Liegenschafts-und Bauangelegenheiten als solche verbietet Die Antragstellerin hat dieses Verbot sohin ex lege zu befolgen, ohne dass es dazu einer Effektuierung durch einen anderen behördlichen oder gerichtlichen Rechtsakt, etwa einen aufsichtsbehördlichen Bescheid, bedarf.

3.1.2 Keine Umwegzumutbarkeit

(26) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende Individualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs2 ASVG geltend zu machen.

(27) Zu erwägen wäre zwar, dass die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen einen gesetzwidrigen Beschluss fasst und ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §716 Abs2 ASVG über ein aufsichtsbehördliches Verfahren mit anschließender Beschwerde an das BVwG und folgender Erkenntnisbeschwerde gemäß Art144 Abs1 B‑VG an den VfGH heranträgt. Im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 stellt diese Vorgangsweise jedoch aus mehreren Gründen keinen zumutbaren Umweg dar:

(28) Bei der Sanierung und Adaptierung des Servicecenters Neunkirchen handelt es sich weder um die Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden noch um einen Umbau, mit dem eine Änderung des Verwendungszwecks verbunden wäre, soll doch die bisherige Widmung als Servicecenter samt Zahnambulatorium erhalten bleiben. Somit ist für einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungskörpers der Antragstellerin insoweit keine aufsichtsbehördliche Genehmigung nach §447 Abs1 ASVG erforderlich. Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Ein solcher Einspruch kann durch die Antragstellerin jedoch nicht erzwungen werden. Wie der VfGH im Erk VfSlg 18.257/2007 zu einer ähnlichen Konstruktion eines Aufsichtsrechts nach dem damaligen §195 Abs3 ÄrzteG 1998 entschieden hat, wird dadurch aber nicht sichergestellt, dass die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit an den VfGH herangetragen werden kann.

(29) Dazu kommt, dass die wissentliche Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch den Verwaltungskörper der Antragstellerin die realistische Gefahr birgt, dass die dem Beschluss zustimmenden Mitglieder des Verwaltungskörpers durch Vernachlässigung ihrer Pflichten nach §424 ASVG zivilrechtlich haftbar sind und darüber hinaus den Tatbestand des Amtsmissbrauchs iSd §302 StGB verwirklichen (zur Anwendbarkeit dieses Tatbestands auf Handlungen der Organe von Selbstverwaltungskörpern siehe nur Jerabek/Reindl-Krauskopf/Ropper/Schroll in Höpfel/Ratz [Hrsg], WK2 StGB §74 Rz 7 [Stand 1.1.2017, rdb.at]; Bertel in Höpfel/Ratz [Hrsg], WK2 StGB §302 Rz 2 [Stand 1.5.2010, rdb.at]). Laut VfSlg 18.257/2007 ist es aber Organen von Selbstverwaltungskörpern unter Umständen drohender strafrechtlicher Sanktionen nicht zumutbar, sich rechtswidrig zu verhalten, nur um einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erwirken, mit dem alleinigen Ziel, die behauptete Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Verpflichtung geltend zu machen.

(30) Schließlich wäre die Fassung eines gesetzwidrigen Beschlusses, um auf diese Art und Weise ein aufsichtsbehördliches Verfahren zu provozieren, auch deshalb nicht zumutbar, weil die Aufsichtsbehörde dies zum Anlass für eine schriftliche Verwarnung des Verwaltungskörpers iSd §451 Abs1 ASVG nehmen könnte. Hierdurch setzt sich die Antragstellerin dem Risiko aus, dass dies letztlich in die vorübergehende Bestellung eines vorläufigen Verwalters mündet. Nach §451 Abs1 ASVG ist nämlich die Aufsichtsbehörde berechtigt, die Verwaltungskörper, wenn sie ungeachtet zweimaliger schriftlicher Verwarnung gesetzliche oder satzungsmäßige Bestimmungen außer acht lassen, aufzulösen und die vorläufige Geschäftsführung und Vertretung vorübergehend einem vorläufigen Verwalter zu übertragen. Die Gefahr der Bestellung eines solchen Verwalters ist nicht zuletzt deshalb realistisch, weil die Antragstellerin vor derselben Problematik auch im Zusammenhang mit den übrigen hier angefochtenen Teilen des §716 ASVG steht. Würde die Antragstellerin zu jeder der hier angefochtenen Bestimmungen — es sind immerhin vier – einen rechtswidrigen Beschluss fassen, so würde sie mehr als genug Gründe für die Bestellung eines vorläufigen Verwalters setzen.

3.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen

3.2.1 Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Selbstverwaltung

3.2.1.1 Zum Prinzip der Selbstverwaltung

(31) Wie bereits oben in Rz 7 ausgeführt, ist die Sozialversicherung nach dem ASVG entsprechend den Prinzipien der nicht territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B‑VG organisiert und handelt es sich bei der Antragstellerin um einen Selbstverwaltungskörper. Bei den Art120a ff B‑VG, welche auf die B‑VGN BGBl I 2008/2 zurückgehen, handelt es sich im Wesentlichen um eine Klarstellung dessen, was im Lichte der zuvor ergangenen Rsp des VfGH für die nichtterritoriale Selbstverwaltung bereits zuvor gegolten hat (Stolzlechner in Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar, Vorbem zu B. Sonstige Selbstverwaltung [6. Lfg 2010] Rz 12; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 42).

(32) Zwar ist es iZm der nicht territorialen Selbstverwaltung grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, ob er einen Selbstverwaltungskörper einrichtet oder nicht (VfSlg 19.919/2014). Richtet der Gesetzgeber allerdings — wie im Fall der Antragstellerin — einen solchen Selbstverwaltungskörper ein, so ist er dabei an die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art120a ff B‑VG gebunden.

(33) Die wesentlichen Eckpunkte dieser Strukturprinzipien sind:

(34) Der von den Selbstverwaltungskörpern in (relativer) Autonomie zu besorgende eigene Wirkungsbereich: Dieser ergibt sich bereits aus Art120a Abs1 B‑VG, wonach Personen 'zur selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die in ihrem ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse gelegen und geeignet sind, durch sie gemeinsam besorgt zu werden', durch Gesetz zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefasst werden können. Noch deutlicher ist freilich Art120b Abs1 1. Satz B‑VG, der den Selbstverwaltungskörpern das Recht einräumt, ihre Aufgaben 'in eigener Verantwortung frei von Weisungen' zu besorgen und im Rahmen der Gesetze Satzungen zu erlassen. Der in Art120b Abs2 und 3 B‑VG angesprochene übertragene Wirkungsbereich ist für Selbstverwaltungskörper dagegen nicht konstitutiv, da es sich hierbei um Aufgaben handelt, die bloß zusätzlich eingeräumt werden können.

(35) Die staatliche Aufsicht über den eigenen Wirkungsbereich der Selbstverwaltungskörper: Dabei handelt es sich im Regelfall um eine Rechtsaufsicht, eine Zweckmäßigkeitsaufsicht ist nur unter besonderen Voraussetzungen vorgesehen. Dies folgt aus Art120b Abs1 2. Satz B‑VG, wonach dem Bund oder dem Land gegenüber den Selbstverwaltungskörpern nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung ein Aufsichtsrecht zukommt. Eine Zweckmäßigkeitsaufsicht ist nach Art120b Abs1 3. Satz B‑VG, wonach sich das Aufsichtsrecht auch auf die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung erstrecken kann, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist, hingegen nur ausnahmsweise dann vorgesehen und bedarf der zusätzlichen Rechtfertigung im Lichte der besonderen Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers. Diesen Ausnahmecharakter der Zweckmäßigkeitsaufsicht betont auch der AB zur B‑VGN BGBI I 2008/2, 370 BIgNR 23. GP, 5, wo es dazu heißt:

'Das Aufsichtsrecht ist zur Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungskörper und der ihnen zukommenden autonomen Handlungsspielräume auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung eingeschränkt, doch kann in Sonderfällen in Abhängigkeit von der Art der wahrzunehmenden Aufgaben (vgl §449 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl Nr 189/1955, in der Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003, BGBl I Nr 145) — soweit erforderlich — auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle vorgesehen werden.'

(36) Anhand dieser Aussagen im AB zur B‑VGN BGBI I 2008/2, welche die 'Eigenverantwortlichkeit' und die 'autonomen Handlungsspielräume' der Selbstverwaltungskörper hervorheben, wird deutlich, dass die Aufsicht über nicht territoriale Selbstverwaltungskörper ihrem Anspruch nach 'die Existenz von Autonomie' voraussetzt (so auch schon Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 387). In diese Autonomie soll nur bei Rechtsverstößen und nur in Sonderfällen auch aus Gründen der Zweckmäßigkeit eingegriffen werden dürfen.

(37) Was speziell die Zweckmäßigkeitsaufsicht anlangt, so ist zudem zweierlei wesentlich:

 Zum einen, dass eine solche nach Art120b Abs1 3. Satz B‑VG nur vorgesehen werden darf, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers 'erforderlich' ist; an das Kriterium der Erforderlichkeit ist dabei, wie die Rsp des VfGH zu anderen diesen Begriff verwendenden Bestimmungen wie Art14 Abs2 und Art15 Abs9 B‑VG zeigt, ein strenger Maßstab anzulegen.

 Zum anderen gibt der AB zur B‑VGN BGBl I 2008/2 selbst Hinweise, was als erforderliche und mit dem Prinzip der nicht territorialen Selbstverwaltung zu vereinbarende, mit Art120b Abs1 B‑VG im Einklang stehende Zweckmäßigkeitskontrolle angesehen werden kann, indem der AB auf §449 ASVG verweist: Dort wird die Zweckmäßigkeitsaufsicht in §449 Abs1 Satz 2 ASVG dahingehend geregelt, dass die Aufsichtsbehörden ihre Aufsicht zwar auf Fragen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erstrecken können; sie sollen sich aber in diesen Fällen auf wichtige Fragen beschränken und in das Eigenleben und die Selbstverantwortung der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) nicht unnötig eingreifen.

(38) Aus den vorstehenden Vorgaben ergibt sich somit, dass eine Zweckmäßigkeitsaufsicht, wenn überhaupt, so nur sehr zurückhaltend zum Einsatz kommen darf: Die Zweckmäßigkeitsaufsicht muss auf wichtige Fragen beschränkt sein und darf nicht unnötig in das Eigenleben der Selbstverwaltung eingreifen. Der VwGH nimmt in diesem Sinne an, dass den Organen der Selbstverwaltung bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahmen und Vorhaben eine Einschätzungsprärogative zukommt, der die Aufsichtsbehörde — abgesehen von der ihr in erster Linie obliegenden Rechtmäßigkeitsaufsicht — nur dann mit Erfolg entgegenzutreten vermag, wenn sie eine grobe Verfehlung der von der Selbstverwaltung nach dem Gesetz grundsätzlich eigenverantwortlich zu berücksichtigenden Zielvorgaben darzulegen vermag (VwGH 18.12.2003, 2003/08/0134; siehe dazu auch Hauer, Aufsicht und Kontrolle, in ÖVG [Hrsg], Selbstverwaltung in Österreich [2009] 75 [86]).

(39) Die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht die Eigenverantwortlichkeit des Selbstverwaltungskörpers zu wahren hat und nur zulässig ist, soweit sie erforderlich ist, beinhaltet aber auch das verfassungsrechtliche Verbot, die Autonomie der Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich durch zu enge gesetzliche Vorgaben für die zweckmäßige Verwaltungsführung zu determinieren. Dies folgt aus der Überlegung, dass andernfalls der Gesetzgeber die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckmäßigkeitskontrolle leicht unterlaufen könnte. Dies gilt insb dann, wenn der Gesetzgeber die Verwaltungsführung von Selbstverwaltungskörpern durch Verbote oder Gebote determiniert, die sich auf Zweckmäßigkeits-erwägungen gründen, weil auf diese Weise Kriterien der Zweckmäßigkeit als solche der Rechtmäßigkeit 'getarnt' werden; einzelne Teile des §716 ASVG sind, wie noch näher dargelegt werden wird, ein Paradebeispiel dafür.

(40) Auch verstößt es nach Ansicht der Antragstellerin gegen die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach die Zweckmäßigkeitsaufsicht auf Sonderfälle und das Erforderliche beschränkt sein muss und die autonomen Handlungsspielräume der Selbstverwaltungskörper zu wahren hat, wenn der einfache Gesetzgeber gewisse Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich generell verbietet oder gebietet, ohne dabei im Einzelfall eine Prüfung anhand des strengen Maßstabs der Erforderlichkeit des Eingriffs in die Autonomie der Selbstverwaltung zu ermöglichen.

3.2.1.2 Konkret zu den Bedenken gegen §716 Abs2 ASVG

(41) Im Lichte der in Unterkapitel 3.2.1.1 herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Kriterien ist §716 Abs2 ASVG deshalb verfassungswidrig, weil er die Antragstellerin in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B‑VG zu besorgen, unzulässig einschränkt. Die in §716 Abs2 ASVG normierten Beschränkungen der Verwaltungsführung in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten betreffen wesentliche Elemente der Selbstverwaltung im eigenen Wirkungsbereich der Antragstellerin, was sich schon allein daraus ergibt, dass zahlreiche Aufgaben der Antragstellerin die Verfügung über Liegenschaften und Bauten erfordern; zu erwähnen sind hier insb der Betrieb von Haupt- und Außenstellen iSd §418 ASVG sowie der Betrieb der in den §§131, 132a, 132b, 135 und 338 ASVG angesprochenen eigenen Einrichtungen einschließlich der in §339 ASVG genannten Ambulatorien. Seine Bestätigung findet dies auch in §447 Abs1 ASVG, der gewisse Liegenschafts- und Baumaßnahmen einem aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt unterwirft.

(42) Indem §716 Abs2 ASVG, vom in Satz 2 geregelten, hier nicht relevanten Sonderfall betreffend die AUVA abgesehen, Beschlüsse der Verwaltungskörper in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nur gestattet, soweit diese die laufende Instandhaltung oder Instandsetzung betreffen oder zur Abwendung eines drohenden Schadens unbedingt erforderlich sind, macht der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Liegenschafts- und Baumaßnahmen in einem größeren Ausmaß von Zweckmäßigkeitsüberlegungen abhängig als verfassungsrechtlich zulässig und erforderlich ist. Hierdurch werden nämlich alle nicht in §716 Abs2 ASVG ausdrücklich erwähnten Baumaßnahmen generell als unzweckmäßig deklariert, ohne dass insoweit eine Einzelfallprüfung durch die Aufsichtsbehörde ermöglicht wird.

(43) Eine derartige Regelung kann selbst vor dem Hintergrund des Ziels des §716 ASVG, wonach die von der BReg geplante Neuordnung der Sozialversicherung durch Reduktion der Träger und daraus angeblich resultierende Kosteneinsparungen nicht durch Beschlüsse der Verwaltungskörper der aktuellen Träger konterkariert werden soll, nicht als erforderlich angesehen werden: Nicht jeder Beschluss in einer Liegenschafts- und Bauangelegenheit, der über die laufende Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht oder zur Abwehr eines drohenden Schadens unbedingt erforderlich ist, ist nämlich schon allein aus diesem Grund mit der geplanten Reform inkompatibel und daher unzweckmäßig. Dies beweist schon allein der 2. Satz des §716 Abs2 ASVG, wonach Maßnahmen der Neuorganisation der AUVA betreffend Liegenschafts- und Bauangelegenheiten unabhängig von der Art der Maßnahme sehr wohl zulässig sind, sofern sie nur zur Hebung von Synergien und Strukturbereinigungsmaßnahmen notwendig sind. Mit anderen Worten: Durch den Gesetzgeber der ASVG-Novelle BGBl I 2018/59 selbst wird sohin im Kontext der AUVA anerkannt, dass in gewissen Fällen über die laufende Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgehende Liegenschafts- oder Baumaßnahmen die geplante Reform nicht konterkarieren.

(44) Ist es nun aber so, dass nicht jeder Beschluss in einer Liegenschafts- und Bauangelegenheit, der über die laufende Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht, die Ziele der geplanten Reform der Sozialversicherung konterkariert, so erweist es sich auch nicht als erforderlich, derartige Beschlüsse generell zu verbieten. Dies gilt umso mehr, da §449 Abs1 ASVG bereits zuvor geltender Rechtslage eine Zweckmäßigkeitsaufsicht in wichtigen Fragen vorgesehen hat, welche auch die Aufhebung von Beschlüssen der Verwaltungskörper ermöglicht; eine geplante Neuorganisation der Sozialversicherungsträger im Sinne eines mit zu berücksichtigenden Aspektes wird man dabei wohl als eine 'wichtige Frage' anzusehen haben.

(45) Dazu kommt, dass zahlreiche Vorstandsbeschlüsse der Sozialversicherungsträger in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten schon auf Grund der bisher geltenden Rechtslage einem komplexen Genehmigungsverfahren unterliegen, in welchem die Zweckmäßigkeit geprüft wird: So bedürfen solche Beschlüsse des Vorstands nach §437 Abs1 Z2 ASVG der Zustimmung der Kontrollversammlung. Ebenso erforderlich ist nach §31 Abs7 Z1 ASVG die Zustimmung des Hauptverbands, der dabei den Bedarf zu prüfen hat und die Zustimmung nur bei gegebenem Bedarf erteilen darf. Für gewisse Beschlüsse in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten ist schließlich nach §447 Abs1 ASVG die Genehmigung des zuständigen Bundesministers erforderlich.

(46) Ein gelinderes Mittel gegenüber dem generellen und undifferenzierten Verbot der Beschlussfassung in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten nach §716 Abs2 ASVG, das die Autonomie und Einschätzungsprärogative der Selbstverwaltung respektiert, hätte vor diesem Hintergrund darin bestanden, das bisherige Genehmigungsinstrumentarium in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten um einen speziell auf die geplante Reform zugeschnittenen Tatbestand zu ergänzen. Dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Zweckmäßigkeitsaufsicht auf das Erforderliche zu beschränken, hätte sohin dadurch entsprochen werden müssen, dass als weiteres Genehmigungskriterium festgelegt wird, ob die geplante Liegenschafts- bzw Baumaßnahme die Ziele der Reform konterkariert. Dies wäre schon möglich gewesen: Wie die in Rz 4 zitierte Begründung der Regelung im Abänderungsantrag AA-39 26. GP und deren Bezugnahme auf den Ministerratsvortrag vom 23.5.2018 zeigt, waren diese Ziele im Zeitpunkt der Erlassung des §716 ASVG nämlich bereits derart konkret, dass hieraus ein gesetzlich festgelegter Maßstab für einen aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt ableitbar gewesen wäre. Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B‑VG zu besorgen, verletzt.

3.2.2 Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht

(47) Unabhängig von den in Kapitel 3.2.1 aufgezeigten Bedenken im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Selbstverwaltung wird die Antragstellerin dadurch, dass ihr durch §716 Abs2 ASVG die Sanierung und Adaptierung ihres Servicecenters Neunkirchen verboten wird, auch in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG, Art1. 1. ZPMRK) verletzt (zum Schutz juristischer Personen des öffentlichen Rechts durch dieses Grundrecht vgl nur VfSlg 17.232/2004). Konkret stellt das Verbot eine Eigentumsbeschränkung dar; diese ist im Lichte der stRsp des VfGH nur zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse gelegen und nicht unverhältnismäßig und nicht unsachlich ist (zuletzt etwa VfGH 14.3.2018, G248/2017ua).

(48) Es mögen zwar Gründe dafür ins Treffen geführt werden können, dass das mit der 'Ausgabenbremse' iSd §716 ASVG verfolgte Ziel, die Ausgaben der Sozialversicherungsträger einzudämmen, im öffentlichen Interesse gelegen ist; das sich aus §716 Abs2 ASVG ergebende, kategorische Verbot von Liegenschafts- und Baumaßnahmen, die über die laufende Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen, ist aber weder verhältnismäßig noch sachlich. Ganz im Gegenteil stellt sich die Regelung des §716 Abs2 ASVG, ungeachtet ihrer Befristung bis Ende 2019, als überschießend und unsachlich dar, weil durch sie ohne Prüfung im Einzelfall auch Maßnahmen verboten werden, die in keinster Weise die von der BReg geplante Reform der Sozialversicherungsträger konterkarieren. Eine dem Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechende Regelung hätte vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie darin bestehen müssen, dass ein auf die Ziele der geplanten Reform zugeschnittener Genehmigungsvorbehalt für die betreffenden Maßnahmen geschaffen wird, was, wie schon in Rz 46 ausgeführt, möglich gewesen wäre.

3.3 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen

(49) Nach der Rsp des VfGH ist iZm Anträgen iSd Art140 Abs1 B‑VG darauf zu achten, dass einerseits alle belastenden Rechtswirkungen durch ihre Aufhebung auch wirklich entfallen (zB VfSlg 14.526/1996) und andererseits der verbliebene Rest keinen völlig veränderten Inhalt hat (zB VfSlg 15.031/1997). Zudem ist die Aufhebung aller Bestimmungen, die miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, zu beantragen (zB VfSlg 16.121/2001).

(50) Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass diesen Kriterien durch den Antrag entsprochen wird, in §716 Abs2 ASVG die Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' im 1. Satz aufzuheben, sodass dieser Antrag als Hauptantrag gestellt wird. Da die Antragstellerin Träger der Krankenversicherung nach dem ASVG ist (siehe dazu bereits oben Rz 6), ergibt sich der Eingriff in ihre Rechtssphäre durch die verfassungswidrige Regelung des §716 Abs2 ASVG nach Ansicht der Antragstellerin daraus, dass §716 Abs2 ASVG auch 'Versicherungsträger nach diesem Bundesgesetz', sohin Versicherungsträger nach dem ASVG, in seinen Anwendungsbereich miteinbezieht; der verfassungswidrige Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin kann sohin bereits durch Aufhebung der vorbezeichneten Wortfolge beseitigt werden (vgl dazu die stRsp des VfGH, etwa zu Systemnutzungsentgelt-VO, insb VfSlg 19.840/2013).

(51) Gegen die Aufhebung der Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' in §716 Abs2 ASVG könnte allerdings sprechen, dass eine Aufhebung dieser Wortfolge insoweit auch auf den Anwendungsbereich der Abs3 bis 5 des §716 ASVG durchschlägt, weil diese als Normadressat jeweils insb die in Abs2 genannten Versicherungsträger vorsehen. Solcherart könnten die Abs3 bis 5 des §716 ASVG durch die Aufhebung der Wortfolge 'diesem Bundesgesetz,' einen völlig veränderten Inhalt bekommen, weil eine Aufhebung der Wortfolge 'diesem Bundesgesetz' in §716 Abs2 ASVG die Versicherungsträger iSd ASVG automatisch auch dem Anwendungsbereich der Abs3 bis 5 des §716 ASVG entziehen würde. Daher wird als erster Eventualantrag (zu b)) die Aufhebung der die Buchstabenfolge '- und Bau' im 1. Satz des §716 Abs2 ASVG beantragt; dies vor dem Hintergrund dessen, dass es im vorliegenden Fall, wie sich aus den Ausführungen oben in Rz 19 ergibt, um einen Rechtseingriff in einer Bauangelegenheit geht (ein weitergehender Antrag ist in diesem Fall nach Ansicht der Antragstellerin deshalb entbehrlich, weil sich die Wortfolge ', wenn sie die laufende Instandhaltung und Instandsetzung betreffen' auch auf Liegenschaftsangelegenheiten bezieht, die keine Bauangelegenheiten sind, sodass dieser Wortfolge auch bei Aufhebung der Wortfolge '- und Bau' weiterhin ein Anwendungsbereich verbleibt).

(52) Nur in eventu wird schließlich aus Vorsichtsgründen beantragt, dass der VfGH den gesamten §716 Abs2 ASVG aufhebt (Eventualantrag zu c)); dies auch mit Blick auf die jüngste Rsp des VfGH, wonach ein zu weit gefasster Antrag auf Gesetzesaufhebung nicht mehr zur Zurückweisung führt, sondern dem Antrag gegebenenfalls teilweise stattzugeben ist (zusammenfassend dazu etwa VfSlg 20.108/2016). Dies gilt umso mehr, da die einzelnen Sätze des §716 Abs2 ASVG in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

4. §716 Abs3 ASVG

4.1 Antragslegitimation

4.1.1 Unmittelbare Betroffenheit

(53) §716 Abs3 ASVG lautet wie folgt:

'Bis zum Ablauf des Jahres 2019 dürfen die im Abs2 genannten Versicherungsträger und der Hauptverband

1. Leiter/innen des gehobenen und des höheren Dienstes sowie Angestellte des bereichsleitenden und des leitenden Dienstes nach der DO. A, soweit diese im Verwaltungsdienst tätig sind, und

2. Ärzte und Ärztinnen, die nach §37 Z1 und 2 DO. B eingereiht sind, nur befristet (wieder)bestellen, und zwar längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019.'

(54) Die Antragstellerin ist von der Regelung des §716 Abs3 ASVG, die mit Ablauf des 14.8.2018 in Kraft getreten ist, deshalb unmittelbar betroffen, weil sie als Träger der Krankenversicherung iSd ASVG (siehe dazu bereits oben Rz 6) zu den in §716 Abs2 ASVG genannten Versicherungsträgern zählt, sodass sie vom Anwendungsbereich der Regelung umfasst ist. Die Betroffenheit der Antragstellerin ist dabei auch konkret, da die Antragstellerin durch die Regelung daran gehindert wird, eine konkrete Leitungsperson iSd §716 Abs3 Z1 ASVG zeitlich unbefristet zu bestellen, nämlich den Leiter der Abteilung Organisation & IT. Beim Leiter der Abteilung Organisation & IT handelt es sich laut Dienstordnung A um einen Posten der Gehaltsgruppe F, Dienstklasse III; die Nachbesetzung fällt daher in die Kategorie 'Leiter des höheren Dienstes' iSd §716 Abs3 Z1 ASVG.

(55) Da der derzeitige Leiter der Abteilung Organisation & IT der Antragstellerin Mitte 2019 in Pension gehen wird, wurde die Nachbesetzung dieses Dienstpostens in der Sitzung des Vorstands der Antragstellerin am 15.7.2018 unbefristet ausgeschrieben. Bei Ausschreibungen, die länger im Voraus stattfinden, handelt es sich um eine Vorgangsweise, die nicht nur bei der Antragstellerin, sondern auch bei anderen Sozialversicherungsträgern übliche Praxis ist; sie dient dazu, einen reibungslosen Übergang zu schaffen und wurden derartige Vorstandsbeschlüsse der Antragstellerin auch nie in der Vergangenheit durch die Aufsichtsbehörde beeinsprucht. Dementsprechend wurde die Notwendigkeit der zeitgerechten Nachbesetzung im vorliegenden Fall gegenüber der Vertreterin der Aufsichtsbehörde auf deren Nachfrage bereits vor der Sitzung per Mail wie folgt begründet:

'Der Leiter der Abteilung Organisation & IT wird mit 1.7.2019 seine Pension antreten. Auch hier ist auf Grund eines offenen Urlaubsanspruches mit einer deutlich früheren Abwesenheit zu rechnen. Um eine reibungslose Übergabe und eine adäquate Einschulung auf den umfangreichen Tätigkeitsbereich gewährleisten zu können, ist die Ausschreibung des Postens bereits jetzt erforderlich. Auf Grund der der Ausschreibung folgenden Bewerbungsfrist und einem allfälligen Hearing ist die Beschlussfassung über die Bestellung im Herbst geplant und deswegen eine Ausschreibung bereits jetzt notwendig.'

(56) Das Inkrafttreten von §716 Abs3 ASVG mit Ablauf des 14.8.2018 hatte allerdings zur Folge, dass die Bestellung des neuen Leiters der Abteilung Organisation & IT, welche in der Vorstandssitzung vom 16.8.2018 erfolgt ist, anders als noch in der Ausschreibung vorgesehen, nur noch befristet bis 31.12.2019 erfolgen konnte. Wäre §716 Abs3 ASVG nicht in Kraft getreten, so wäre der neue Leiter der Abteilung Organisation & IT bei der Antragstellerin zeitlich unbefristet bestellt worden. Dies ergibt sich auch aus dem Sitzungsprotokoll, wo es explizit heißt, dass der Antrag auf Besetzung des betreffenden Dienstpostens dahingehend geändert wird, dass diese bis 31.12.2019 befristet wird.

[…]

(57) Darin, dass die Antragstellerin durch §716 Abs3 ASVG daran gehindert wurde und nach wie vor wird, den neuen Leiter der Abteilung Organisation & IT zeitlich unbefristet zu bestellen, liegt ein Eingriff in das aus ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörper erfließende Recht der Antragstellerin, ihr Personal autonom zu bestellen (zu diesem Recht vgl nur VwGH 22.1.1986, 85/09/0266; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 249 f). Der Eingriff ist dabei deshalb unmittelbar, weil §716 Abs3 ASVG ein unmittelbar an die von der Regelung erfassten Versicherungsträger (und den Hauptverband) adressiertes Verbot enthält, über den 31.12.2019 hinausgehende oder zeitlich unbefristete Bestellungen der dort angeführten Leitungsfunktionen vorzunehmen. Verboten ist sohin bereits die Beschlussfassung über Bestellungen, die über den 31.12.2019 hinausgehen oder zeitlich unbefristet sind, als solche.

4.1.2 Keine Umwegzumutbarkeit

(58) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende lndividualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs3 ASVG geltend zu machen. Es gilt hier das Gleiche wie oben in Rz 26 ff zu §716 Abs2 ASVG im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 ausgeführt wurde:

 Die Bestellung von Leitern des höheren Dienstes von Sozialversicherungsträgern bedarf nach dem ASVG keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde, da diese nicht leitender Angestellter bzw leitender Arzt iSd §460 Abs4 ASVG sind. Daher besteht für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihre gegenständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken über einen vor dem BVwG zu bekämpfenden aufsichtsbehördlichen Bescheid letztlich im Wege einer Erkenntnisbeschwerde iSd Art144 B‑VG an den VfGH heranzutragen.

 Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Erzwungen werden kann diese Vorgangsweise durch die Antragstellerin jedoch nicht.

 Schließlich würden sich die Mitglieder des Vorstands der Antragstellerin bei wissentlicher Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch Vernachlässigung ihrer Pflichten gem §424 ASVG zivilrechtlich haftbar machen sowie der Gefahr einer Verfolgung wegen Amtsmissbrauch iSd §302 StGB aussetzen und bestünde das Risiko einer schriftlichen Verwarnung iSd §451 Abs1 ASVG, was zusammen mit weiteren rechtswidrigen Beschlüssen und einer weiteren Er-mahnung zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters führen könnte.

4.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen

(59) Hier ist zunächst auf die Ausführungen im Kapitel 3.2.1 zum verfassungsrechtlichen Prinzip der nicht-territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B‑VG zu verweisen. Danach gehört zu den wesentlichen Strukturprinzipien der Selbstverwaltung, dass die Selbstverwaltungskörper in ihrem eigenen Wirkungsbereich, wozu auch die Personalhoheit zählt (VwGH 22.1.1986, 85/09/0266; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 249 f), über Eigenverantwortlichkeit und autonome Handlungsspielräume verfügen und insoweit nur einer Rechtmäßigkeitsaufsicht und nur soweit erforderlich auch einer Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegen. Da Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG eine Zweckmäßigkeitsaufsicht nur gestattet, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist, darf diese nur zurückhaltend und nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Anwendung kommen. Daraus ergibt sich auch das verfassungsrechtliche Verbot, die Autonomie der Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich durch zu enge gesetzliche Vorgaben für die zweckmäßige Verwaltungsführung zu determinieren, könnte doch andernfalls der Gesetzgeber die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckmäßigkeitskontrolle leicht unterlaufen.

(60) Genau diesen vorbezeichneten Vorgaben entspricht die Regelung des §716 Abs3 ASVG betreffend das Verbot über den 31.12.2019 hinausgehender Bestellungen in die dort bezeichneten gehobenen Funktionen, selbst unter Berücksichtigung des damit verbundenen Ziels, den geplanten Fusionierungsprozess der Sozialversicherungsträger nicht zu konterkarieren, jedoch nicht: Nicht jede unbefristete Bestellung in eine Funktion iSd §716 Abs3 ASVG ist mit diesen Zielen schon per se inkompatibel. Auch könnte den Zielen der geplanten Fusionierung von Sozialversicherungsträgern genauso gut dadurch entsprochen werden, dass die Bestellungen dem gelinderen Mittel eines aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalts unterworfen werden, der auf Ziele der geplanten Reform ausgerichtet ist; angesichts der entsprechenden Konkretisierung der Ziele der Reform bei Beschlussfassung des §716 ASVG wäre dies ohne weiteres möglich gewesen (siehe dazu bereits oben Rz 46). Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich tauenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B‑VG zu besorgen, verletzt.

4.3 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen

(61) Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der durch die verfassungswidrige Regelung des §716 Abs3 ASVG bewirkte Eingriff in ihre Rechtssphäre bereits durch Aufhebung der Wortfolge 'und des höheren' in §716 Abs3 Z1 ASVG beseitigt werden kann, sodass dieser Antrag als Hauptantrag gestellt wird. Dies deshalb, da es, wie oben in Rz 54 ausgeführt, anlassbezogen um die Bestellung eines Leiters des höheren Dienstes geht.

(62) Nur in eventu wird zudem aus Vorsichtsgründen beantragt, dass der VfGH den gesamten §716 Abs3 Z1 ASVG, in eventu den gesamten §716 Abs3 ASVG aufhebt (Eventualanträge b) und d)); dies auch mit Blick auf die jüngste Rsp des VfGH, wonach ein zu weit gefasster Antrag auf Gesetzesaufhebung nicht mehr zur Zurückweisung führt, sondern dem Antrag gegebenenfalls teilweise stattzugeben ist (zusammenfassend dazu etwa VfSlg 20.108/2016). Dies gilt umso mehr, da die einzelnen Teile des §716 Abs3 ASVG in einem untrennbaren Zusammenhang stehen.

(63) Im untrennbaren Zusammenhang mit §716 Abs3 ASVG steht allerdings womöglich §716 Abs4 ASVG, da letztere Regelung an den §716 Abs3 ASVG anknüpft und ohne diesen womöglich sinnlos wäre: Fällt der Beendigungszeitpunkt einer befristeten Bestellung eines leitenden Angestellten oder leitenden Arztes sowie von deren ständigen Stellvertretern eines der im §716 Abs2 ASVG genannten Versicherungsträger oder des Hauptverbandes in die Zeit vom 1.7.2016 bis zum 31.12.2019, so verlängert sich nämlich gemäß §716 Abs4 ASVG diese befristete Bestellung bis zum Ablauf des 31.12.2019. Insoweit wird in eventu zu den in der vorigen Rz bezeichneten Eventualanträgen jeweils auch die Aufhebung der dazu korrespondierenden Teile des §716 Abs4 ASVG beantragt (Eventualanträge c) und e)).

(64) Nur angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Verbindung des Hauptantrages auf Aufhebung der Wortfolge 'und des höheren' in §716 Abs3 Z1 ASVG mit einem Eventualantrag auf Aufhebung von §716 Abs4 ASVG bzw Teilen dieser Bestimmung nicht angezeigt ist, weil sämtlichen Teilen des §716 Abs4 ASVG nach Aufhebung der Wortfolge 'und des höheren' in §716 Abs3 Z1 ASVG auch weiterhin ein Anwendungsbereich verbleibt.

5. §716 Abs5 ASVG

5.1 Antragslegitimation

5.1.1 Unmittelbare Betroffenheit

(65) §716 Abs5 ASVG lautet wie folgt:

'Bis zum Ablauf des Jahres 2019 sind bei den im Abs2 genannten Versicherungsträgern und beim Hauptverband keine Personalaufnahmen im Verwaltungsbereich zulässig. Nachbesetzungen von Personalabgängen im Verwaltungsbereich können jedoch erfolgen, wenn diese von dem zum 1. Jänner 2018 gültigen Dienstpostenplan gedeckt sind.'

(66) Als unter §716 Abs2 ASVG fallender Krankenversicherungsträger (siehe dazu bereits oben Rz 6 und 15) ist die Antragstellerin auch von dieser Regelung, die ebenfalls mit Ablauf des 14.8.2018 in Kraft getreten ist, ebenfalls unmittelbar und konkret betroffen:

(67) Die Betroffenheit ist unmittelbar, weil sich aus der Regelung für die Antragstellerin bis 31.12.2019 ein ohne Mediatisierung durch einen Bescheid oder eine Gerichtsentscheidung unmittelbar wirkendes Verbot für Neuaufnahmen von Personal im Verwaltungsbereich ergibt, soweit die Neuaufnahme nicht die Nachbesetzung eines Dienstpostens betrifft, der im am 1.1.2018 gültigen Dienstpostenplan bereits vorgesehen war.

(68) Ebenso ist die Betroffenheit aber auch konkret, weil die Antragstellerin die konkrete Absicht hat, gegenüber ihrem am 1.1.2018 gültigen Dienstpostenplan konkrete zusätzliche Dienstposten im Verwaltungsbereich zu schaffen. Dies war, wie die Entwicklung des Dienstpostenplans der Antragstellerin in den letzten fünf Jahren zeigt, auch bisher so, weil sich zusätzlicher Arbeitsbedarf schon in den letzten Jahren nicht ausschließlich durch Umschichtungen hat decken lassen.

[…]

(69) Die konkrete Absicht, gegenüber ihrem am 1.1.2018 gültigen Dienstpostenplan zusätzliche Dienstposten im Verwaltungsbereich zu schaffen, erklärt sich aus den zuletzt abgeschlossenen Art15a-Vereinbarungen zur Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens und der Zielsteuerung Gesundheit, dem Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz ('G-ZG') sowie dem Zielsteuerungsvertrag auf Bundesebene und dem Landeszielsteuerungsübereinkommen für Niederösterreich, durch die eine Fülle an neuen Aufgaben sowie eine Intensivierung von bestehenden Aufgaben für die Antragstellerin entstanden sind. Diese können nur durch die Aufstockung von bestehendem Personal bewältigt werden, eine Umschichtung von Dienstposten ist hierfür nicht möglich. Daher war für den Dienstpostenplan 2019 geplant, entsprechende Dienstposten für Fachpersonal zu schaffen und folgende Personen neu aufzunehmen, wobei von der Neuaufnahme jedoch jeweils Abstand genommen werden musste:

 Neuschaffung eines Dienstpostens in der Abteilung Ärztereferat, Innenrevision und Controlling: Bzgl Primärversorgung sehen die Art15a-Vereinbarung und der Zielsteuerungsvertrag auf Bundesebene die Schaffung von 75 Primärversorgungseinheiten (PVE) bis 2021 für ganz Österreich vor. Davon entfallen 14 auf Niederösterreich. Der Auf- und Ausbau der PVE in Niederösterreich erfordert eine zusätzliche Arbeitskraft für die Verhandlungen mit der NO Ärztekammer und den einzelnen PVE-Betreibern für das Auswahl- und Vertragsvergabeverfahren, die laufende Begleitung der PVE beim Aufbau, Betrieb, Monitoring und Evaluation. Diese Aufgaben können mit dem bestehenden Personal nicht mehr bewältigt werden. Daher wäre geplant, im Dienstpostenplan 2019 einen zusätzlichen EIII-Dienstposten vorzusehen.

 Neuschaffung eines Dienstpostens in der Abteilung Gesundheitsreform-Koordination: Nach der Art15a-Vereinbarung und dem G-ZG ist ein Regionaler Strukturplan Gesundheit für Niederösterreich zu erstellen und in der Folge dessen die Umsetzung voran zu treiben. Trotz der Begleitung durch eine externe Firma sind die Vorbereitungsarbeiten, die Verhandlungen mit Vertretern des Landes sowie nach Inkrafttreten die Erarbeitung der konkreten Umsetzung extrem arbeitsintensiv. Dazu kommt die Umsetzung einer Reihe von Projekten aus dem Landeszielsteuerungsübereinkommen. Diese Aufgaben können mit dem bestehenden Personal nicht mehr bewältigt werden. Daher wäre geplant, im Dienstpostenplan für 2019 einen zusätzlichen EIII‑Dienstposten vorzusehen.

[…]

(70) Durch §716 Abs5 ASVG wird der Antragstellerin sohin verboten, die zuvor angeführten neuen Dienstposten zu schaffen, sodass die Regelung unmittelbar und konkret in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreift (konkret in das aus ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörper erfließende Recht der Antragstellerin, ihr Personal autonom zu bestellen; siehe dazu auch schon oben Rz 57).

5.1.2 Keine Umwegzumutbarkeit

(71) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende lndividualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs5 ASVG geltend zu machen: Es gilt hier das Gleiche wie oben in Rz 26 ff zu §716 Abs2 ASVG im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 ausgeführt wurde:

 Weder die Erweiterung des Dienstpostenplans noch die Besetzung konkreter Dienstposten (außer im Fall des hier nicht einschlägigen §460 Abs4 ASVG betreffend den leitenden Angestellten bzw leitenden Arzt) bedarf nach dem ASVG der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Daher besteht Für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihre gegenständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken über einen vor dem BVwG zu bekämpfenden aufsichtsbehördlichen Bescheid letztlich im Wege einer Erkenntnisbeschwerde iSd Art144 B‑VG an den VfGH heranzutragen.

 Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Erzwungen werden kann diese Vorgangsweise durch die Antragstellerin jedoch nicht.

 Schließlich würden sich die Mitglieder des Vorstands der Antragstellerin bei wissentlicher Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch Vernachlässigung ihrer Pflichten gem §424 ASVG zivilrechtlich haftbar machen sowie der Gefahr einer Verfolgung wegen Amtsmissbrauch iSd §302 StGB aussetzen und bestünde das Risiko einer schriftlichen Verwarnung iSd §451 Abs1 ASVG, was zusammen mit weiteren rechtswidrigen Beschlüssen und einer weiteren Er-mahnung zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters führen könnte.

5.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen

5.2.1 Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Selbstverwaltung

(72) Auch hier ist zunächst auf die Ausführungen im Kapitel 3.2.1 zum verfassungsrechtlichen Prinzip der nicht-territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B‑VG zu verweisen. Danach gehört zu den wesentlichen Strukturprinzipien der Selbstverwaltung, dass die Selbstverwaltungskörper in ihrem eigenen Wirkungsbereich, wozu auch die Personalhoheit zählt, über Eigenverantwortlichkeit und autonome Handlungsspielräume verfügen und insoweit nur einer Rechtmäßigkeitsaufsicht und nur soweit erforderlich auch einer Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegen. Da Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG eine Zweckmäßigkeitsaufsicht nur gestattet, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist, darf diese nur zurückhaltend und nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Anwendung kommen. Daraus ergibt sich auch das verfassungsrechtliche Verbot, die Autonomie der Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich durch zu enge gesetzliche Vorgaben für die zweckmäßige Verwaltungsführung zu determinieren, könnte doch andernfalls der Gesetzgeber die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckmäßigkeitskontrolle leicht unterlaufen.

(73) Genau diesen vorbezeichneten Vorgaben entspricht die Regelung des §716 Abs5 ASVG betreffend das Verbot neuer Personalaufnahmen, soweit diese über den Dienstpostenplan zum 1.1.2018 hinausgehen, jedoch gerade nicht: Dies folgt schon allein daraus, dass die 'Einfrierung' des Dienstpostenplans per 1.1.2018 grob unzweckmäßig ist, soweit die Antragstellerin hierdurch bei der Erfüllung ihr gesetzlich zukommender Aufgaben gehindert wird; zu verweisen ist hier auf die oben angesprochenen, einen erhöhten Personalbedarf auslösenden zusätzlichen Aufgaben der Antragstellerin in den Bereichen Primärversorgungszentren und G‑ZG. Indem §716 Abs5 ASVG völlig einseitig den Personalstand einfriert, ohne dabei auf die Aufgaben der betroffenen Sozialversicherungsträger Bedacht zu nehmen, ist die Regelung sohin nicht einmal vom Ansatz her geeignet, dem Ziel einer Zweckmäßigkeitskontrolle Rechnung zu tragen, sodass es ihr an der Erforderlichkeit iSd Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG schon aus diesem Grund fehlt.

(74) Unabhängig davon ist die Erforderlichkeit der Regelung auch aus dem folgenden Grund nicht gegeben: Auch bei §716 Abs5 ASVG könnte den Zielen der geplanten Fusionierung von Sozialversicherungsträgern genauso gut dadurch entsprochen werden, dass Ausweitungen des Dienstpostenplans einem aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden, der auf Ziele der geplanten Reform ausgerichtet ist; angesichts der entsprechenden Konkretisierung der Ziele der Reform bei Beschlussfassung des §716 ASVG wäre dies ohne weiteres möglich gewesen (siehe dazu bereits oben Rz 46). Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B‑VG zu besorgen, verletzt.

5.2.2 Verstoß gegen den Gleichheitssatz

(75) Nach stRsp des VfGH ergibt sich aus dem Gleichheitssatz (Art2 StGG, Art7 B‑VG) ein allgemeines Sachlichkeitsgebot (ZB VfSlg 7720/1975, 8215/1977, 8934/1980; zuletzt VfGH 18.6.2018, G57/2018ua; Holoubek, ÖZW 1991, 72 ff; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 433 ff). Auch dieses Sachlichkeitsgebot wird durch die Regelung des §716 Abs5 ASVG verletzt, indem dieser den Sozialversicherungsträgern wie insb der Antragstellerin völlig einseitig und undifferenziert über den Personalstand laut Dienstpostenplan zum 1.1.2018 hinausgehende neue Personalaufnahmen verbietet, ohne dabei auch nur in geringster Weise auf zusätzliche Aufgaben und einen daraus resultierenden zusätzlichen Personalbedarf der von der Regelung betroffenen Selbstverwaltungskörper Bedacht zu nehmen. Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung auch in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

5.2.3 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen

(76) Nach Ansicht der Antragstellerin kann jener Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin, der durch das in §716 Abs5 ASVG verankerte Verbot der Aufnahme von zusätzlichen Personals im Verwaltungsgereich, das nicht durch den Dienstpostenplan zum 1.1.2018 gedeckt ist, bewirkt wird, nur durch die vollständige Aufhebung von §716 Abs5 ASVG beseitigt werden. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass es im vorliegenden Fall um Neuaufnahmen im Verwaltungsbereich bei der Antragstellerin geht, die eine Erweiterung der Zahl der Dienstposten gegenüber dem Dienstpostenplan zum 1.1.2018 erforderlich machen, sodass insofern jedenfalls der 1. Satz der Regelung aufzuheben ist. Andererseits ergibt sich dies daraus, dass §716 Abs5 2. Satz ASVG in einem untrennbaren Zusammenhang zu §716 Abs5 Satz 1 ASVG steht, weil er diesem gegenüber eine Ausnahme vom Verbot für Personalaufnahmen im Verwaltungsbereich normiert, die bei bloßer Aufhebung von Satz 1 sinnlos wäre.

6. §716 Abs6 ASVG

6.1 Antragslegitimation

6.1.1 Unmittelbare Betroffenheit

(77) §716 Abs6 ASVG lautet wie folgt:

'Höherreihungen außerhalb der am 30. Juni 2018 gültigen Dienstpostenpläne sind bis zum Ablauf des Jahres 2019 unzulässig.'

(78) Als unter §716 Abs2 ASVG fallender Krankenversicherungsträger (siehe dazu bereits oben Rz 6 und 15) ist die Antragstellerin auch von dieser Regelung, die ebenfalls mit Ablauf des 14.8.2018 in Kraft getreten ist, ebenfalls unmittelbar und konkret betroffen:

(79) Die Betroffenheit ist unmittelbar, weil sich aus der Regelung für die Antragstellerin ein ohne Mediatisierung durch einen Bescheid oder eine Gerichtsentscheidung unmittelbar wirkendes Verbot für Höherreihungen bis zum Ablauf des Jahres 2019 ergibt, soweit die Höherreihung nicht durch den am 30.6.2018 gültigen Dienstpostenplan gedeckt ist.

(80) Ebenso ist die Betroffenheit aber auch konkret, weil die Antragstellerin dadurch an der Nachbesetzung von zwei Heilmasseuren im Physikoambulatorium St. Pölten der Antragstellerin gehindert wird. Hintergrund sind dabei die nunmehr geänderten Ausbildungsvorschriften für Heilmasseure durch das MMHmG, BGBI I 2002/169, die sich in der Einstufung bei der Antragstellerin niederschlagen: Während Heilbademeister bzw Heilmasseure, die eine Ausbildung noch iSd MTF-SHD-G, BGBl 1961/102, absolviert haben und auf Grund der Übergangsbestimmung des MMHmG weiterhin berufsberechtigt sind, gemäß §38 Abs3 Z1 DO.A in Gehaltsgruppe I, Dienstklasse B, einzureihen sind, ist für medizinische Masseure/Heilmasseure, welche eine Ausbildung nach dem MMHmG erworben haben, in §38 Abs4a Z1 DO.A eine Einreihung in Gehaltsgruppe I, Dienstklasse D, vorgesehen. Hierdurch wird die Antragstellerin an der Aufnahme von zwei Heilmasseuren deshalb gehindert, weil eine der betreffenden Personen im Jahr 2018 gekündigt hat und eine weitere Person 2019 pensioniert wird, gleichzeitig aber am Bewerbermarkt — wie die Erfahrungen der Antragstellerin zeigen — nur Personen mit neuer Ausbildung nach dem MMHmG (BGBl I 2002/169) verfügbar sind, die im Lichte der DO.A höher einzustufen sind als die bisherigen Dienstposteninhaber. Eine Einstufung dieser Bewerber wie bisher in Gehaltsgruppe I, Dienstklasse B, wäre unzulässig. Die daher erforderliche und für 2018 geplante Aufwertung der Dienstposten ist auf Grund der 'Ausgabenbremse' nun nicht mehr möglich und sind daher auch Höherreihungen außerhalb der am 30.06.2018 gültigen Dienstpostenpläne gemäß §716 Abs6 ASVG nicht zulässig. Somit können diese Stellen im Physikoambulatorium St. Pölten trotz des unmittelbaren Personalbedarfes nicht nachbesetzt werden. Dadurch kann das bisherige Behandlungsspektrum nicht im bisherigen Umfang zur Verfügung gestellt werden, was sich letztlich auch in der Rentabilität des Physikoambulatoriums St. Pölten niederschlägt.

[…]

(81) Durch §716 Abs6 ASVG wird die Antragstellerin sohin daran gehindert, zwei Dienstposten als Heilbademeister bzw Heilmasseur nachzubesetzen, sodass die Regelung unmittelbar und konkret in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreift (konkret in das aus ihrer Stellung als Selbstverwaltungskörper erfließende Recht der Antragstellerin, ihr Personal autonom zu bestellen; siehe dazu auch schon oben Rz 57).

6.1.2 Keine Umwegzumutbarkeit

(82) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende Individualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs6 ASVG geltend zu machen. Es gilt hier das Gleiche wie oben in Rz 26 ff zu §716 Abs2 ASVG im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 ausgeführt wurde:

 Die Höherreihung von Dienstposten bedarf nach dem ASVG keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Daher besteht für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihre gegenständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken über einen vor dem BVwG zu bekämpfenden aufsichtsbehördlichen Bescheid letztlich im Wege einer Erkenntnisbeschwerde iSd Art144 B‑VG an den VfGH heranzutragen.

 Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Erzwungen werden kann diese Vorgangsweise durch die Antragstellerin jedoch nicht.

 Schließlich würden sich die Mitglieder des Vorstands der Antragstellerin bei wissentlicher Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch Vernachlässigung ihrer Pflichten gem §424 ASVG zivilrechtlich haftbar machen sowie der Gefahr einer Verfolgung wegen Amtsmissbrauch iSd §302 StGB aussetzen und bestünde das Risiko einer schriftlichen Verwarnung iSd §451 Abs1 ASVG, was zusammen mit weiteren rechtswidrigen Beschlüssen und einer weiteren Ermahnung zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters führen könnte.

6.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen

6.2.1 Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Selbstverwaltung

(83) Auch hier ist zunächst auf die Ausführungen im Kapitel 3.2.1 zum verfassungsrechtlichen Prinzip der nicht-territorialen Selbstverwaltung iSd Art120a ff B‑VG zu verweisen. Danach gehört zu den wesentlichen Strukturprinzipien der Selbstverwaltung, dass die Selbstverwaltungskörper in ihrem eigenen Wirkungsbereich, wozu auch die Personalhoheit zählt, über Eigenverantwortlichkeit und autonome Handlungsspielräume verfügen und insoweit nur einer Rechtmäßigkeitsaufsicht und nur soweit erforderlich auch einer Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegen. Da Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG eine Zweckmäßigkeitsaufsicht nur gestattet, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist, darf diese nur zurückhaltend und nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Anwendung kommen. Daraus ergibt sich auch das verfassungsrechtliche Verbot, die Autonomie der Verwaltungsführung im eigenen Wirkungsbereich durch zu enge gesetzliche Vorgaben für die zweckmäßige Verwaltungsführung zu determinieren, könnte doch andernfalls der Gesetzgeber die strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckmäßigkeitskontrolle leicht unterlaufen.

(84) Genau diesen vorbezeichneten Vorgaben entspricht die Regelung des §716 Abs6 ASVG betreffend das Verbot für Höherreihungen bis zum Ablauf des Jahres 2019, soweit die Höherreihung nicht durch den am 30.6.2018 gültigen Dienstpostenplan gedeckt ist, jedoch gerade nicht: Der konkrete Fall der Antragstellerin, in dem diese an der Nachbesetzung konkreter Stellen als Heilbademeister und Heilmasseur gehindert wird, zeigt besonders deutlich, dass die durch die Regelung bewirkte 'Einfrierung' von Einstufungen laut Dienstpostenplan per 30.6.2018 grob unzweckmäßig ist, wird doch die Antragstellerin hierdurch an der Erfüllung ihr gesetzlich zukommender Aufgaben gehindert. Indem §716 Abs6 ASVG völlig einseitig Höherreihungen gegenüber dem Dienstpostenplan per 30.6.2018 verbietet, ohne dabei auf die Aufgaben der betroffenen Sozialversicherungsträger Bedacht zu nehmen, ist die Regelung sohin nicht einmal vom Ansatz her geeignet, dem Ziel einer Zweckmäßigkeitskontrolle Rechnung zu tragen, sodass es ihr an der Erforderlichkeit iSd Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG schon aus diesem Grund fehlt.

(85) Unabhängig davon ist die Erforderlichkeit der Regelung auch aus dem folgenden Grund nicht gegeben: Auch bei §716 Abs6 ASVG könnte den Zielen der geplanten Fusionierung von Sozialversicherungsträgern genauso gut dadurch entsprochen werden, dass Höherreihungen gegenüber dem am 30.6.2018 gültigen Dienstpostenplan einem aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden, der auf Ziele der geplanten Reform ausgerichtet ist; angesichts der entsprechenden Konkretisierung der Ziele der Reform bei Beschlussfassung des §716 ASVG wäre dies ohne weiteres möglich gewesen (siehe dazu bereits oben Rz 46). Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B‑VG zu besorgen, verletzt.

6.2.2 Verstoß gegen den Gleichheitssatz

(86) Nach mittlerweile stRsp des VfGH ergibt sich aus dem Gleichheitssatz (Art2 StGG, Art7 B‑VG) ein allgemeines Sachlichkeitsgebot (ZB VfSlg 7720/1975, 8215/1977, 8934/1980; zuletzt VfGH 18.6.2018, G57/2018ua; Holoubek, ÖZW 1991, 72 ff; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 433 ff). Auch dieses Sachlichkeitsgebot wird durch die Regelung des §716 Abs6 ASVG verletzt, indem dieser den Sozialversicherungsträgern wie insb der Antragstellerin völlig einseitig und undifferenziert Höherreihungen gegenüber dem Dienstpostenplan zum 30.6.2018 verbietet, ohne dabei, wie der konkrete Anlassfall der Antragstellerin betreffend Heilbademeister und Heilmasseure zeigt, auch nur in geringster Weise auf die Aufgaben und den damit verbundenen Personalbedarf der von der Regelung betroffenen Selbstverwaltungskörper Bedacht zu nehmen. Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung auch in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

6.2.3 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen

(87) Nach Ansicht der Antragstellerin kann jener Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin, der durch das in §716 Abs6 ASVG verankerte Verbot für Höherreihungen bis zum Ablauf des Jahres 2019 ergibt, soweit die Höherreihung nicht durch den am 30.6.2018 gültigen Dienstpostenplan gedeckt ist, nur durch die vollständige Aufhebung von §716 Abs6 ASVG beseitigt werden, da die Regelung ein einheitliches Ganzes bildet.

7. §716 Abs7 ASVG

7.1 Antragslegitimation

7.1.1 Unmittelbare Betroffenheit

(88) §716 Abs7 ASVG lautet wie folgt:

'Für die nach §342 abzuschließenden Gesamtverträge oder bei Änderungen von Gesamtverträgen ist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung gegenüber den im §342 Abs2a sonst angeführten Zielsetzungen der Vorrang zu geben. Dies gilt auch für alle anderen Gesamtverträge und sonstigen Vereinbarungen mit Anbieter/inne/n ein von Gesundheitsdienstleistungen. Honorarabschlüsse, durch die das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) stärker ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung des jeweiligen Trägers, sind unzulässig. Kommt im Falle eines befristeten Ablaufes kein neuer Gesamtvertrag zustande, so bleibt der bisherige Gesamtvertrag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 aufrecht'.

(89) Als unter §716 Abs2 ASVG fallender Krankenversicherungsträger ist die Antragstellerin auch von dieser Regelung, die ebenfalls mit Ablauf des 14.8.2018 in Kraft getreten ist, unmittelbar und konkret betroffen:

(90) Die Betroffenheit ist unmittelbar, weil sich aus der Regelung für die Antragstellerin ein ohne Mediatisierung durch einen Bescheid oder eine Gerichtsentscheidung unmittelbar wirkendes Verbot für den Abschluss von Gesamtverträgen und sonstigen Vereinbarungen ergibt, die den Kriterien des §716 Abs7 ASVG widersprechen.

(91) Auch ist die Betroffenheit der Antragstellerin konkret, weil die Antragstellerin durch die Regelung des §716 Abs7 ASVG daran gehindert wird, konkret geplante Verträge abzuschließen:

(92) Im Jahr 2017 haben die Sozialversicherungsträger ein Konzept zur psychotherapeutischen Sachleistungsversorgung und multiprofessionellen psychischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen auf Grund eines Regierungsauftrages vorgelegt, wonach die psychotherapeutische Sachleistungsversorgung bis 2019 um 25 % auszubauen ist. Hintergrund ist, dass gerade in diesem Bereich ein besonderes Versorgungsdefizit besteht, das sich in langen Wartezeiten manifestiert. Auf dieser Grundlage wurde vom Hauptverband gemeinsam mit den Krankenversicherungsträgern ein Bericht mit dem Titel 'Bericht zur Erweiterung des Sachleistungsprogramms Psychotherapie' erstellt, in welchem die Träger ihre Ausbaupläne für den Sachleistungsbereich der Psychotherapie bekannt gegeben haben. Der Bericht wurde in der Trägerkonferenz am 13.6.2017 beschlossen.

(93) Die Antragstellerin hat in diesem Bericht bekannt gegeben, dass sie ihre Leistungen speziell für die Personengruppe der Suchtkranken sowie für Kinder und Jugendliche bei bestehenden spezialisierten Vereinen ausbauen bzw Verträge mit weiteren spezialisierten Vereinen abschließen wird, Oberstes Ziel ist es, dass dadurch die Stundenkontingente der großen Vereine entlastet werden. Die Antragstellerin ist deshalb angehalten, das psychotherapeutische Angebot weiter auszubauen, dies vor allem durch den Abschluss zielgruppenorientierter Verträge.

(94) Dieser Ausbau wurde von der Antragstellerin auch bereits in Angriff genommen: Einige Projekte wurden in der Vorstandssitzung der Antragstellerin vom 22.2.2018 bereits beschlossen; weitere vertragliche Regelungen sind in der Zwischenzeit ausverhandelt worden und hätten in der Vorstandssitzung der Antragstellerin am 19.9.2018 beschlossen werden sollen (Änderung des bestehenden Vertrages mit Kidsnest; jeweils neuer Vertrag mit dem Psychosozialen Dienst NÖ und dem Hilfswerk NÖ; mit weiteren Vereinen wurden Gespräche über Vertragsanpassungen bzw den Abschluss neuer Verträge geführt). Es handelt sich dabei und 'sonstige Vereinbarungen' iSd §716 Abs7 2. Satz ASVG und nicht um Einzelverträge auf Grund eines Gesamtvertrags: Nach §349 Abs3 ASVG können zwar die Beziehungen zwischen den Sozialversicherungsträgern und nicht freiberuflich tätigen Psychotherapeuten wie den zuvor in der Klammer bezeichneten Einrichtungen durch Gesamtvertrag geregelt werden, müssen aber nicht.

[…]

(95) Das Inkrafttreten des §716 Abs7 ASVG hat die Antragstellerin veranlasst, eine Berechnung der Steigerung der Patientenanzahl (= Frequenzen) sowie der Kosten für das Jahr 2018 hinsichtlich des bereits bestehenden Leistungsangebotes im Bereich Psychotherapie vorzunehmen. Daraus ergibt sich bereits ohne Berücksichtigung des weiteren geplanten Versorgungsausbaues eine Erhöhung des Jahresaufwandes im Bereich Psychotherapie um € 402.139,55, was einer Erhöhung von 5,15 % im Vergleich zu 2017 entspricht und über der prognostizierten Steigerung der Beitragseinnahmen iHv 4 % für 2018 bzw 4,3 % für 2019 liegt. Zu beachten ist auch, dass aufgrund der Leistungsharmonisierung der Kostenzuschuss für Psychotherapie auf € 28,‑ erhöht wird, was zu einem zusätzlichen Mehraufwand von rund € 500.000,‑ führt.

[…]

(96) Vor diesem Hintergrund sah sich die Antragstellerin veranlasst, von der geplanten Ausweitung des Leistungsangebotes durch den Abschluss von neuen Verträgen im Bereich Psychotherapie Abstand zu nehmen, weil sie erhebliche Zweifel hat, ob dies mit §716 Abs7 ASVG vereinbar wäre. Daher wurden die neuen Vertragsabschlüsse nicht auf die Tagesordnung der Vorstandssitzung der Antragstellerin am 19.9.2018 genommen.

[…]

7.1.2. Keine Umwegzumutbarkeit

(97) Auch steht der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg als der vorliegende Individualantrag zur Verfügung, um die Verfassungswidrigkeit des §716 Abs7 ASVG geltend zu machen. Es gilt hier das Gleiche wie oben in Rz 26 ff zu §716 Abs2 ASVG im Lichte des Erk VfSlg 18.257/2007 ausgeführt wurde:

 Weder der Abschluss bzw die Änderung von Gesamtverträgen noch von sonstigen Vereinbarungen mit Gesundheitsdienstleistungsanbietern bedarf nach dem ASVG der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Daher besteht für die Antragstellerin keine Möglichkeit, ihre gegenständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken über einen vor dem BVwG zu bekämpfenden aufsichtsbehördlichen Bescheid letztlich im Wege einer Erkenntnisbeschwerde iSd Art144 B‑VG an den VfGH heranzutragen.

 Die Antragstellerin hat insoweit nicht die Möglichkeit, selbst ein aufsichtsbehördliches Verfahren einzuleiten. Ein aufsichtsbehördliches Verfahren könnte sohin nur von Amts wegen dadurch eingeleitet werden, dass der Vertreter der BMASGK nach §448 Abs4 ASVG gegen den betreffenden Beschluss Einspruch erhebt, sodass der Vorsitzende des Verwaltungskörpers die Entscheidung der Aufsichtsbehörde einzuholen hat. Erzwungen werden kann diese Vorgangsweise durch die Antragstellerin jedoch nicht.

 Schließlich würden sich die Mitglieder des Vorstands der Antragstellerin bei wissentlicher Fassung eines rechtswidrigen Beschlusses durch Vernachlässigung ihrer Pflichten gem §424 ASVG zivilrechtlich haftbar machen sowie der Gefahr einer Verfolgung wegen Amtsmissbrauch iSd §302 StGB aussetzen und bestünde das Risiko einer schriftlichen Verwarnung iSd §451 Abs1 ASVG, was zusammen mit weiteren rechtswidrigen Beschlüssen und einer weiteren Ermahnung zur Bestellung eines vorläufigen Verwalters führen könnte.

7.2 Darlegung der Bedenken im Einzelnen

7.2.1 Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben der nicht-territorialen Selbstverwaltung

(98) Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen Träger der laut ASVG nach den Prinzipien der Selbstverwaltung organisierten Krankenversicherung. In diesem Zusammenhang zählt es nicht nur zum eigenen Wirkungsbereich der Antragstellerin, sondern zum Kernbereich ihrer Tätigkeit, ja zum Tagesgeschäft der Antragstellerin, die Leistungen der Krankenversicherung (§§116 ff) im Rahmen des Systems der Sachleistungsversorgung (§§338 ff ASVG) durch Abschluss von Einzel- und Gesamtverträgen mit Vertragspartnern sicherzustellen. Zu den in Betracht kommenden Vertragspartnern zählen dabei auch die in Rz 94 aufgezählten psychotherapeutischen Vereine und sonstigen Einrichtungen, weil §135 Abs1 ASVG im Rahmen der Versicherungsleistung der Krankenbehandlung unter den dort bezeichneten Voraussetzungen die psychotherapeutische Behandlung der ärztlichen Hilfe gleichstellt.

(99) Aus dem Charakter der Krankenbehandlung als Kernbereich der Aufgaben der Antragstellerin in ihrem eigenen Wirkungsbereich folgt, dass der Gesetzgeber insoweit die Vorgaben der Art120a ff B‑VG betreffend die nicht-territoriale Selbstverwaltung zu beachten hat. Zu diesen zählt, wie bereits oben in Kapitel 3.2.1 ausgeführt, insb auch die Pflicht, die Autonomie und Eigenverantwortung der Selbstverwaltungskörper zu wahren.

(100) Genau in diese Autonomie und Eigenverantwortung wird jedoch bei der Antragstellerin durch die Regelung des §716 Abs7 ASVG massiv und auf verfassungswidrige Weise eingegriffen:

 Zum einen wird die Antragstellerin durch §716 Abs7 2. Satz ASVG darauf festgelegt, der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung gegenüber den im §342 Abs2a ASVG sonst angeführten Zielsetzungen den Vorrang zu geben. Dadurch wird die der Antragstellerin bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit beabsichtigter Maßnahmen und Vorhaben zukommende Einschätzungsprärogative (zu dieser siehe bereits oben Rz 38) massiv beschnitten, indem das Ziel der ausgeglichenen Gebarung den übrigen acht in §342 Abs2a ASVG angesprochenen Zielsetzungen gänzlich übergeordnet wird. Selbst wenn man davon ausgeht, dass §342 Abs2a ASVG auf Vereinbarungen wie mit psychotherapeutischen Einrichtungen wie im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, bringt §342 Abs2a ASVG nur ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck, nämlich dass die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie eines Selbstverwaltungskörpers eben auch darin besteht, innerhalb gesetzlicher Vorgaben Raum für eine eigene Entscheidung zu haben. Nicht umsonst normiert deshalb etwa §16 Abs8 G-ZG, dass die Sozialversicherungsträger eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik bloß 'anzustreben' haben.

 Zum anderen verbietet §716 Abs7 3. Satz ASVG der Antragstellerin Honorarabschlüsse, durch die das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) stärker ansteigt als ihre prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung. Dies ist nach Ansicht der Antragstellerin so zu verstehen, dass hierbei auf den einzelnen Honorarabschluss abzustellen ist und nicht auf die Summe aller Honorarabschlüsse. Dies ergibt sich daraus, dass die Regelung von 'Honorarabschlüsse[n]' spricht und eben nicht von der Summe der Honorarabschlüsse; zudem kann dem im Klammerausdruck angesprochenen Kriterium, wonach auch die Frequenzentwicklung zu berücksichtigen ist, wohl immer nur in Bezug auf den jeweils isoliert betrachteten Honorarabschluss (und nicht alle Honorarabschlüsse insgesamt) Rechnung getragen werden. Somit wird aber durch §716 Abs7 3. Satz ASVG die der Antragstellerin verfassungsrechtlich garantierte Autonomie noch stärker eingeschränkt als sich dies bereits aus §716 Abs7 2. Satz ASVG ergibt, weil der Antragstellerin hierdurch die Möglichkeit genommen wird, durch Umschichtung der ihr zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehenden Mittel Prioritäten zu setzen.

(101) Am Ergebnis der Verfassungswidrigkeit der vorbeschriebenen Regelungen ändert auch hier nichts der Umstand, dass Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG den einfachen Gesetzgeber dazu ermächtigt, eine Zweckmäßigkeitsaufsicht vorzusehen, wenn dies auf Grund der Aufgaben des Selbstverwaltungskörpers erforderlich ist. Wie bereits in Kapitel 3.2.1 dargelegt, muss nämlich auch eine allfällige Zweckmäßigkeitsaufsicht die innere Autonomie des Selbstverwaltungskörpers wahren und einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten, was angesichts der Ausführungen zuvor jedoch nicht der Fall ist; dasselbe gilt freilich auch für die gesetzliche Determinierung des Handelns von Selbstverwaltungskörper anhand angeblicher Zweckmäßigkeitskriterien wie im Fall des §716 Abs7 ASVG.

(102) Im vorliegenden Fall ist es aber ganz im Gegenteil so, dass das Regime des §716 Abs7 ASVG durch die völlig einseitige Festlegung auf die Vermeidung von nicht durch Beitragseinnahmenerhöhungen gedeckte Kostensteigerungen den Zielen der Zweckmäßigkeit völlig zuwiderläuft, sodass die Regelung insoweit auch nicht als erforderlich iSd Art120b Abs1 letzter Satz B‑VG angesehen werden kann. Indem §716 Abs7 ASVG völlig einseitig auf die Vermeidung von Kostensteigerungen abstellt, wird nämlich außer Acht gelassen, dass die in §716 Abs7 ASVG angesprochenen Gesamtverträge und sonstigen Vereinbarungen sowie Honorarabschlüsse Ausfluss der Erfüllung gesetzlicher Leistungspflichten der Antragstellerin sind, die diese auf Grund des ASVG im Rahmen des Systems der Sachleistungsversorgung zu erfüllen hat; die Vorgaben des §716 Abs7 ASVG kollidieren insoweit mit anderen gesetzlichen Verpflichtungen der Antragstellerin. Besonders hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang §133 Abs2 ASVG, wonach die Krankenbehandlung – zu der auch die Psychotherapie zählt, siehe oben Rz 98 - ausreichend und zweckmäßig sein muss, dabei jedoch nicht das Maß des Notwendigen überschreiten darf.

(103) Mit anderen Worten: Die Regelung des §716 Abs7 ASVG läuft sohin darauf hinaus, dass die Antragstellerin an der Erfüllung von sich aus anderen Bestimmungen des ASVG ergebenden Verpflichtungen gehindert wird. Dies kann niemals erforderlich im verfassungsrechtlichen Sinn sein, zumal auch hier gegenüber den Verboten des §716 Abs7 ASVG das gelindere Mittel bestanden hätte, einen speziellen, auf die Ziele der geplanten Reform der Sozialversicherung zugeschnittenen aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt zu schaffen, mit welchem überprüft wird, inwieweit Vertragsabschlüsse, die zu Kostensteigerungen führen, nicht doch im Einzelfall gerechtfertigt sind, etwa weil in bestimmten Bereichen Versorgungsdefizite bestehen (so wie im vorliegenden Fall bei der Psychotherapie, vgl dazu bereits oben Rz 92).

(104) Schließlich kann die durch §716 Abs7 ASVG bewirkte völlig einseitige Festlegung auf die Vermeidung von Kostensteigerungen, die nicht durch Beitragseinnahmenerhöhungen gedeckt sind, auch nicht mit dem in den Materialien angesprochenen Ziel einer einnahmenorientierten Ausgabenpolitik gerechtfertigt werden. Dies folgt aus Art120c Abs2 B‑VG, wonach eine sparsame und wirtschaftliche Erfüllung der Aufgaben der Selbstverwaltungskörper nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen durch Beiträge ihrer Mitglieder oder durch sonstige Mittel sicherzustellen ist, Im Lichte der Materialien (AB 370 BIgNR 23. GP 5) und nach hL (zB Mayer/Muzak, B‑VG [2015] 420; Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung [2014] 188; Rebhahn, Finanzierungsverantwortung des Bundes für die Gesetzliche Krankenversicherung [2008] 38 ff) verpflichtet nämlich Art120c Abs2 B‑VG den Gesetzgeber dazu, im Falle der Einrichtung eines Selbstverwaltungskörpers ein Finanzierungssystem zu normieren, das den Selbstverwaltungskörper in die Lage versetzt, seine Aufgaben effektiv zu erfüllen; für die Universitäten hat der VfGH eine derartige Verantwortung in der Rsp sogar bereits ausdrücklich bestätigt (VfSlg 19.775/2013).

(105) Die Antragstellerin wird daher durch die gegenständliche Regelung in ihrem Recht, die in ihren eigenen Wirkungsbereich fallenden Angelegenheiten entsprechend den Vorgaben der Art120a ff B‑VG zu besorgen, verletzt.

7.2.2 Gleichheitssatz

(106) Indem §716 Abs7 ASVG die Sozialversicherungsträger beim Abschluss von Verträgen und bei Honorarabschlüssen völlig einseitig auf die Vermeidung von nicht durch Beitragseinnahmenerhöhungen gedeckte Kostensteigerungen festlegt, ohne dabei die gesetzlich festgelegten Aufgaben und Pflichten der Sozialversicherungsträger (wie etwa nach §133 Abs2 ASVG, siehe dazu oben Rz 102) zu berücksichtigen, erweist sich die Regelung des §716 Abs7 ASVG überdies als unsachlich, sodass insoweit auch ein Verstoß gegen den als allgemeines Sachlichkeitsgebot zu verstehenden Gleichheitssatz (Art7 B‑VG, Art2 StGG) vorliegt. Die Antragstellerin wird daher durch §716 Abs7 ASVG auch in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

7.2.3 Bestimmtheitsgebot

(107) Schließlich verstößt §716 Abs7 ASVG auch gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG, da der Regelung nicht klar und eindeutig entnommen werden kann, welche Vertrags- und Honorarabschlüsse zulässig sind und welche nicht. Das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG verlangt nämlich ua auch, dass Regelungen dermaßen klar sind, dass Normunterworfene ihr Verhalten danach ausrichten können (zB VfSlg 13.460/1993; vgl dazu etwa auch Mayer/Muzak, B‑VG5 [2015] 137). Genau dies trifft auf §716 Abs7 ASVG jedoch gerade nicht zu:

 Soweit §716 Abs7 ASVG in Satz 1 und 2 die Sozialversicherungsträger beim Abschluss von Gesamtverträgen und sonstigen Vereinbarungen zunächst auf das Ziel einer nachhaltig ausgeglichenen Gebarung festlegt, ist unklar, was dieser Vorrang der ausgeglichenen Gebarung überhaupt bedeutet und wie das Verhältnis zu Satz 3 zu lesen ist. So bleibt völlig im Dunkeln, ob §716 Abs7 in Satz 1 und 2 ASVG jeden Vertragsabschluss per se verbietet, der nicht zum Abbau eines allfälligen Defizits des betroffenen Sozialversicherungsträgers beiträgt, oder ob die Bestimmung nur im Zusammenhalt mit Satz 3 zu verstehen ist, sodass Neuabschlüsse so lange zulässig sind, als die Honorarsteigerungen hinter der Beitragsentwicklung zurückbleiben.

 Was §716 Abs7 Satz 3 ASVG anlangt, ist hingegen unklar, worauf iZm dem Kriterium abzustellen ist, dass Honorarabschlüsse das Honorarvolumen (einschließlich Frequenzentwicklung) nicht stärker ansteigen lassen dürfen als der prognostizierten Beitragseinnahmenentwicklung entspricht: Zum einen kann der Regelung nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, ob damit die Summe aller Honorarabschlüsse eines Trägers gemeint ist oder jeder einzelne Honorarabschluss (die Antragstellerin hat oben nur aus Vorsichtsgründen letzteres angenommen); zum anderen ist unklar, was der Klammerausdruck 'einschließlich Frequenzentwicklung' ausdrücken möchte: Ist hier auf die Frequenz der Leistungsinanspruchnahme durch die Versicherten des Trägers insgesamt abzustellen oder auf die Frequenzentwicklung auf Grund des jeweiligen Vertrages? Schließlich ist unklar, ob beim Kriterium der prognostizierten Beitragseinnahmenentwicklung nur auf das Folgejahr abzustellen ist (das selbstredend zu berücksichtigen ist) oder ob darüber hinaus auch spätere Jahre eine Rolle spielen; für letzteres könnte man eventuell ins Treffen führen, dass Verträge im Rahmen der Sachleistungsvorsorge typischerweise für mehrere Jahre abgeschlossen werden.

(108) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Antragstellerin auch durch §716 Abs7 ASVG auch deshalb in ihren Rechten verletzt wird, weil §716 Abs7 ASVG nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG entspricht.

7.2.4 Zuordnung der Bedenken zu den Anträgen

(109) Die von der Antragstellerin zu §716 Abs7 ASVG vorgebrachten Bedenken betreffen zum einen die Regelung des §716 Abs7 Satz 1 ASVG, die sich in ihrem ursprünglichen Anwendungsbereich nur auf Gesamtverträge iSd §342 ASVG mit den Ärztekammern bezieht, deren Anwendungsbereich jedoch durch Satz 2 auch auf Gesamtverträge und sonstige Vereinbarungen mit anderen Anbietern von Gesundheitseinrichtungen erstreckt wird. Da der Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin im vorliegenden Fall darin besteht, dass diese am Abschluss einer sonstigen Vereinbarung mit Anbietern von Psychotherapie gehindert wird (vgl oben Rz 94), genügt zur Beseitigung des Rechtseingriffs die Aufhebung der Wortfolge 'und sonstigen Vereinbarungen' in Satz 2 des §716 Abs7 ASVG, sodass dies Teil des Hauptantrages ist.

(110) Andererseits richten sich die Bedenken der Antragstellerin zu §716 Abs7 ASVG gegen Satz 3 der Bestimmung. Hier kann der Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin allerdings nur durch Aufhebung des gesamten 3. Satzes des §716 Abs7 ASVG beseitigt werden, sodass dies ebenfalls Teil des Hauptantrages ist.

(111) Nur in eventu wird schließlich aus Vorsichtsgründen beantragt, dass der VfGH den gesamten §716 Abs7 ASVG aufhebt, sodass ein entsprechender Eventualantrag gestellt wird. Dies auch mit Blick auf die jüngste Rsp des VfGH, wonach ein zu weit gefasster Antrag auf Gesetzesaufhebung nicht mehr zur Zurückweisung führt, sondern dem Antrag gegebenenfalls teilweise stattzugeben ist (zusammenfassend dazu etwa VfSlg 20.108/2016). Dies gilt umso mehr, da §716 Abs7 Satz 4 ASVG mit den übrigen Teilen des §716 Abs7 ASVG insoweit in einem untrennbaren Zusammenhang steht, als er ohne diese übrigen Teile sinnlos wäre; die Regelung in Satz 4 knüpft nämlich thematisch an die Sätze 1 bis 3 an, indem sie für den Fortbestand befristeter Gesamtverträge bis 31.12.2019 für den Fall Vorsorge trifft, dass die Sätze 1 bis 3 einem neuen Vertragsabschluss als Hindernis entgegen stehen."

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

II. Zur Zulässigkeit:

Die Antragstellerin begründet die Zulässigkeit des Individualantrags auf Gesetzesprüfung damit, dass die angefochtene Bestimmung es ihr untersage, näher bezeichnete rechtsgeschäftliche Handlungen vorzunehmen. Dabei ordnet die Antragstellerin die rechtsgeschäftlichen Handlungen den einzelnen Anordnungen der angefochtenen Bestimmung zu und legt dar, weshalb sie von der angefochtenen Bestimmung aktuell betroffen ist.

Voraussetzung eines Individualantrags auf Normenkontrolle ist, dass die Antragstellerin durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar in ihren Rechten verletzt sein kann. Eine solche Möglichkeit der Verletzung in Rechten ist jedoch nicht gegeben, wenn die angefochtene Bestimmung aufgehoben wird. Maßgeblich für diese Frage der Zulässigkeit ist nicht, ob die angefochtene Bestimmung ihre unmittelbare Wirksamkeit im Zeitpunkt ihrer Anfechtung, sondern ob sie diese im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs entfaltet (siehe etwa VfSlg 9868/1983, 12.182/1989, 12.413/1990, 17.826/2006, 18.486/2008, 19.541/2011; VfGH 9.12.2015, G25/2013, V14/2013).

Der angefochtene §716 Abs2, 3, 5 und 6 entfaltet ab 1. April 2019 für die Antragstellerin keine Rechtswirkungen mehr. Bei formaler Betrachtung gilt dies auch für die angefochtene Fassung des §716 Abs7; darüber hinaus entfaltet aber auch (bei einer materiellen Betrachtungsweise) §716 Abs7 in seiner ab dem 1. April 2019 geltenden Fassung nicht mehr jene Rechtswirkungen, die Anlass für den vorliegenden Individualantrag auf Gesetzesprüfung gegeben haben.

Sollte daher die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nach dem 1. April 2019 ergehen, erweist sich der Antrag nach Ansicht der Bundesregierung als unzulässig.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:

III. In der Sache:

[…]

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung:

1.1. Die angefochtene Bestimmung enthält mehrere Anordnungen, die es der Antragstellerin untersagen, bestimmte rechtsgeschäftliche Handlungen vorzunehmen, nämlich Beschlüsse betreffend Liegenschafts- und Bauangelegenheiten zu fassen (§716 Abs2 ASVG), Leiter des gehobenen und des höheren Dienstes zu bestellen (§716 Abs3 Z1 ASVG), Personal im Verwaltungsbereich aufzunehmen (§716 Abs5 ASVG), Höherreihungen vorzunehmen (§716 Abs6 ASVG) und bestimmte Vereinbarungen abzuschließen (§716 Abs7 zweiter Satz ASVG). Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich demnach nicht um einen (einzigen) Individualantrag auf Gesetzesprüfung, sondern um mehrere in einem Schriftsatz zusammengefasste Anträge, die jedoch zum Teil auf Grund derselben Bedenken gestellt werden.

1.2. Nach Auffassung der Antragstellerin würde die angefochtene Bestimmung die Autonomie und Eigenverantwortung der Selbstverwaltung in unzulässiger Weise beschränken. Begründet wird dies damit, dass die Antragstellerin gemäß Art120b Abs1 B‑VG das Recht habe, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung frei von Weisungen zu besorgen. Dem Bund komme hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung lediglich ein Aufsichtsrecht zu. Eine Aufsicht hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung sei auf das erforderliche Ausmaß beschränkt. Die angefochtene Bestimmung stehe dazu im Widerspruch.

Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass es der Gesetzgebung obliegt, nicht-territoriale Selbstverwaltungskörper zur Erfüllung bestimmter, durch die Gesetzgebung festzulegender, Aufgaben einzurichten. Nichtterritoriale Selbstverwaltungskörper sind bei Erfüllung ihrer Aufgaben – wie jede andere Verwaltungsbehörde (wie auch Gemeinden) – durch das Legalitätsprinzip gebunden. Voraussetzung der Vollziehung von 'Aufgaben' ist demnach, dass eine entsprechende gesetzliche Grundlage besteht.

Richtet das Gesetz einen nichtterritorialen Selbstverwaltungskörper ein und weist es diesem bestimmte Aufgaben zu, folgt aus Art120b Abs1 B‑VG, dass der Selbstverwaltungskörper diese Aufgaben frei von Weisungen erfüllen kann. Bei dieser Anordnung handelt es sich um eine Ausnahme von Art20 Abs1 B‑VG, wonach die Verwaltung von Organen geführt wird, die ihren Vorgesetzten und den obersten Organen weisungsgebunden sind. Von dieser in Art120b Abs1 B‑VG vorgesehenen weisungsfreien Verwaltungsführung (die eine Ausnahme darstellt), sieht Art120b Abs1 B‑VG wiederum eine Ausnahme vor, nämlich dass die weisungsfreie Verwaltungsführung unter der Aufsicht (hier:) des Bundes steht. Diese Aufsicht ist grundsätzlich auf eine Rechtmäßigkeitsaufsicht beschränkt; gesetzlich kann aber auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht vorgesehen werden, wenn dies im Hinblick auf die zu besorgende Aufsicht erforderlich ist.

Die Argumentationskette der Antragstellerin vermag die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung jedenfalls nicht aufzuzeigen, würde doch der Hinweis auf das Aufsichtsrecht und die weisungsfreie Aufgabenbesorgung durch Selbstverwaltungsorgane gerade das Gegenteil von der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung nahelegen, nämlich, dass Art120b Abs1 B‑VG nicht ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht statuiert, bestimmte Aufgaben (frei von Weisungen) zu besorgen, sondern dass Art120b Abs1 B‑VG den Selbstverwaltungskörpern lediglich das Recht zuerkennt, die auf Grund konkreter gesetzlicher Bestimmungen zu besorgenden Aufgaben frei von Weisungen zu besorgen. Für sonstige Selbstverwaltungskörper gibt es nach der Bundesverfassung keiner ihrer vorbehaltenen, weisungsfrei zu besorgenden Aufgaben. Diese Aufgaben regelt die einfache Gesetzgebung.

Es kann daher hier dahinstehen, in welchem Umfang der Antragstellerin ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Selbstverwaltung zukommt.

1.3. Einen solchen Eingriff in das Recht auf Selbstverwaltung sieht die angefochtene Bestimmung jedoch nicht vor.

Zwar greift die angefochtene Bestimmung unzweifelhaft in die Gestaltungsmöglichkeiten der Antragstellerin und damit auch in die Selbstverwaltung ein, dieser Eingriff ist allerdings zeitlich begrenzt (ursprünglich bis Ende 2019, nunmehr bis Ende März 2019) und vor dem Hintergrund der durch das SV-OG vorgesehenen Reform der Organisation der gesetzlichen Sozialversicherung auch inhaltlich gerechtfertigt.

Diese gesetzliche Einschränkung der Handlungsoptionen der Selbstverwaltung ist aber nicht nur zeitlich befristet. Sie gilt darüber hinaus auch inhaltlich nur für solche Bereiche, in denen Entscheidungen nachhaltige Folgewirkungen entfalten würden. Es handelt sich um Entscheidungen in Bau- und Liegenschaftsangelegenheiten, die über laufende Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen, diverse Maßnahmen im Personalbereich (Neuaufnahmen nur als Nachbesetzung, keine nachhaltige Besetzung leitender Positionen etc.) sowie Vertrags-und Honorarabschlüsse im Gesundheitsbereich, für die präzisierende Vorgaben festgelegt werden. Gerade ohne die bekämpften Regelungen käme es zu einer im Lichte der bevorstehenden Organisationsänderungen im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung unerwünschten Bindung bzw Präjudizierung der künftigen Selbstverwaltung, die für die nachhaltige Gestaltung des Sozialversicherungssystems verantwortlich ist.

1.4. Sämtliche von der Antragstellerin – als Beleg der aktuellen Betroffenheit durch die Abs2, 3, 5 und 6 des §716 ASVG – angeführten Beispiele zeigen, dass es bei der angefochtenen gesetzlichen Bestimmung primär um diesen nachhaltig und in die Zukunft wirkenden Aspekt geht. Es lassen sich für die konkret angesprochenen Situationen aber unschwer auch im Rahmen der weiterhin bestehenden Handlungsmöglichkeiten zulässige Lösungen des jeweils adressierten Problems durch die Selbstverwaltung finden:

Servicecenter Neunkirchen (§716 Abs2 ASVG):

Die angesprochene Außenstelle der Antragstellerin ist im Vollbetrieb. Wie den Ausführungen im Antrag zu entnehmen ist, ist sie weder von Schließung noch auch nur von einer Einschränkung der dort bereitgestellten Leistungen für die Versicherten bedroht. Es bestehen zwar bauliche Mängel und es sind offenbar die 'räumlichen Gegebenheiten nicht optimal gelöst'. Dieser Zustand besteht aber offenbar nicht erst seit kurzem. Es wird von der Antragstellerin auch nicht dargelegt, weshalb mit einer Entscheidung über die Sanierung und Adaptierung nicht noch ein wenig länger zugewartet und diese damit von der künftigen Selbstverwaltung unter Einbeziehung aller relevanten Entscheidungsgrundlagen (zu denen auch die bestehende Planung gehört) getroffen werden sollte.

Der Betrieb der Außenstelle und die Versorgung der Versicherten (als primäre Aufgabe der Antragstellerin als Selbstverwaltungskörper) wären dadurch jedenfalls in keiner Weise gefährdet.

Zur unbefristeten Bestellung des Leiters der Abteilung Organisation & IT (§716 Abs3 ASVG):

Gerade bei der (unbefristeten!) Bestellung von Leitungspositionen zeigt sich der Sinn der angefochtenen Bestimmung sehr klar: Mit einer solchen Bestellung werden evident bestehende organisatorische Strukturen bekräftigt und auf Jahre hin festgelegt. Angesichts der bevorstehenden Fusion wäre das aber für den künftigen Träger und für die von diesem zu treffenden organisatorischen und strukturellen Entscheidungen eine einschränkende Vorgabe.

Da es weiterhin zulässig ist, zumindest eine befristete Bestellung dieser Positionen vorzunehmen, ist der Betrieb in den betroffenen Organisationseinheiten gewährleistet und die Aufgabenerfüllung ist uneingeschränkt weiterhin möglich.

Zur Schaffung zusätzlicher Dienstposten im Zusammenhang mit der Umsetzung der 'Zielsteuerung-Gesundheit' (§716 Abs5 ASVG):

Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass der aktuelle Rahmenzeitraum der 'Zielsteuerung-Gesundheit' die Jahre 2017 bis 2021 umfasst (sowohl das Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz – G-ZG, BGBl I Nr 26/2017, als auch die angesprochene Vereinbarung gemäß Art15a B‑VG zur Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens und der Zielsteuerung Gesundheit, BGBl I Nr 98/2017, sind bereits mit 1. Jänner 2017 in Kraft getreten). Der entsprechende Personalbedarf konnte also offenbar auch bisher aus den bestehenden Ressourcen bedeckt werden.

Auch hier ist daher davon auszugehen, dass der ordnungsgemäße Betrieb durch den temporären und nur auf neue Stellen begrenzten Aufnahmestopp nicht gefährdet ist.

Zur Höherreihung im Zusammenhang mit der Nachbesetzung von zwei Heilmasseuren (§716 Abs6 ASVG):

Personalaufnahmen und damit auch Nachbesetzungen von Personalabgängen im Gesundheitsbereich unterliegen keiner Beschränkung durch §716 ASVG. Die Restriktionen des §716 Abs5 ASVG gelten nach dem eindeutigen Wortlaut nur für Personal im Verwaltungsbereich. Die Ausführungen der Antragstellerin, wonach die Nachbesetzung der medizinischen Masseure/Heilmasseure auf Grund des §716 Abs5 ASVG nicht möglich sei, kann daher nicht nachvollzogen werden.

Hinzu kommt, dass fraglich ist, ob am Bewerbermarkt tatsächlich nur mehr Personen mit neuer Ausbildung verfügbar sind.

Zur Schaffung von Rahmenbedingungen für den Abschluss von Verträgen mit Vertragspartnern bzw für Honorarabschlüsse (§716 Abs7 ASVG):

Nach den weiteren Ausführungen werde die Antragstellerin durch §716 Abs7 ASVG daran gehindert, den ihr nach dem ASVG zukommenden Aufgaben – nämlich die Versorgung der Versicherten im Falle der Krankheit sicherzustellen – nachzukommen. Dem Ziel der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung werde unzulässiger Weise der Vorrang gegenüber anderen Zielsetzungen eingeräumt. Darüber hinaus könne aufgrund der angefochtenen Bestimmung auch keine Umschichtung innerhalb des Trägers vorgenommen werden. Im Übrigen sei der Gesetzgeber verpflichtet, ein Finanzierungssystem zu normieren, das es einem Selbstverwaltungskörper ermöglicht, seinen Aufgaben nachzukommen.

§716 Abs7 ASVG schränkt die Entscheidungsfreiheit der Selbstverwaltung insofern ein, als Vertragsabschlüsse mit Vertragspartnern und Honorarabschlüsse sich in einem gewissen, vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen halten müssen. Von den in §342 Abs2a ASVG genannten Zielen ist der 'nachhaltig ausgeglichenen Gebarung' der Vorzug zu geben. Dies bedeutet aber nicht, dass die anderen dort genannten Ziele (qualitativ hochwertige Versorgung und angemessene Honorarentwicklung) gänzlich unbeachtlich wären. Vielmehr ist 'nachhaltig' eine ausgeglichene Gebarung sicherzustellen. Es handelt sich also nicht um eine kurzfristige Betrachtung, sondern es ist die Entwicklung der Gebarung über einen längeren Zeitraum ins Kalkül zu ziehen.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass schon aufgrund der bisher in §342 Abs2a ASVG festgelegten Zielsetzungen und Kriterien für Honorarabschlüsse die wirtschaftliche Situation der Träger der Krankenversicherung beachtlich war. Die angefochtene Bestimmung präzisiert dies, indem die Zielsetzung der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung betont und eine Orientierung an der Entwicklung der Beitragseinnahmen vorgesehen ist.

Gemäß §716 Abs7 dritter Satz ASVG sind Honorarabschlüsse, durch die das Honorarvolumen stärker ansteigt als die prognostizierte Beitragseinnahmenentwicklung, unzulässig. Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Honorarabschlusses ist das gesamte vom Träger zu erbringende Honorarvolumen in absoluten Zahlen heranzuziehen. Eine prozentuelle Betrachtung nur einzelner Honorarpositionen wäre nicht aussagekräftig: Eine Erhöhung des Honorarvolumens könnte zwar prozentuell die Beitragseinnahmenentwicklung bei weitem Überschreiten, aber dennoch im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Versicherungsträgers liegen, weil der Betrag in absoluten Zahlen gering ist.

Dass bei der Frage der Zulässigkeit eines Honorarabschlusses das gesamte Honorarvolumen in Betracht zu ziehen ist, ergibt sich auch aus dem Normzweck, wonach insgesamt eine nachhaltig ausgeglichene Gebarung anzustreben ist. Umschichtungen innerhalb eines Trägers sind daher – anders als von der Antragstellerin angenommen – möglich und zulässig. Mit der angefochtenen Bestimmung wird das Recht auf Selbstverwaltung nur insofern berührt, als bei Vertragsabschlüssen für einen bestimmten Zeitraum vorrangig das Ziel einer nachhaltig ausgeglichenen Gebarung zu beachten ist und die Honorarentwicklung der Entwicklung der Beitragseinnahmen entsprechen muss.

Die angefochtene Bestimmung normiert somit gewisse Vorgaben an die Selbstverwaltung, indem die Rahmenbedingungen für den Abschluss von Verträgen mit Vertragspartnern bzw Honorarabschlüssen präzisiert werden. Die Vertragsabschlüsse haben sich im Rahmen der dem jeweiligen Sozialversicherungsträger zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu halten. Dies stellt jedenfalls keine Untersagung der Besorgung einer Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich dar. Vielmehr handelt es sich um eine Präzisierung der schon bisher geltenden Rechtslage.

1.5. Angesichts der von den Trägern der Sozialversicherung wahrzunehmenden Aufgaben ist es dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt, Kriterien der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltungsführung in seine Überlegungen einzubeziehen. Es verbleibt der Selbstverwaltung durch die angefochtene Bestimmung ausreichend Spielraum, die Besorgung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

1.6. Die Bundesregierung verkennt nicht, dass die angefochtene Bestimmung die Dispositionsmöglichkeiten der Antragstellerin einschränkt. Wie soeben aufgezeigt, handelt es sich aber um sachlich begründete Anordnungen. Die Behauptung der Antragstellerin, die angefochtene Bestimmung sei verfassungswidrig, wäre nach Ansicht der Bundesregierung nur dann zutreffend, wenn den Bestimmungen des B‑VG betreffend die nichtterritoriale Selbstverwaltung entnommen werden könnte, dass es der Gesetzgebung verwehrt sei, Regelungen zu treffen, die die Selbstverwaltung bei ihrer Aufgabenbesorgung beschränken. Eine solche Anordnung enthält das B‑VG aber nicht (siehe auch Stolzlechner, Art120c B‑VG, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg., 2010, Rz. 35).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, die vor der verfassungsrechtlichen Regelung der nichtterritorialen Selbstverwaltung ergangen ist, die Auffassung vertreten, dass den Selbstverwaltungskörpern eine vollständig autonome Gebarung verfassungsrechtlich nicht gewährleistet ist (VfSlg 11.013/1986). Daran hat sich nach Ansicht der Bundesregierung durch die Art120a ff B‑VG nichts geändert.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind sogar weitaus weitergehende Eingriffe in das Recht auf Selbstverwaltung und Eigentum zulässig, die nicht bloß die Dispositionsfreiheit beschränken, sondern die Sozialversicherungsträger zur Leistung von Zahlungen verpflichten (vgl die Darstellung bei Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung, 2014, 190 ff).

Die angefochtene Bestimmung steht daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht in Widerspruch zu den Art120a ff B‑VG.

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Eigentumsgarantie (§716 Abs2 ASVG):

Die Antragstellerin ist […] als Trägerin des Rechts auf Eigentum anderen Trägern verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte insofern nicht gleichzustellen, als es sich bei ihr um eine Behörde handelt, die gesetzlich vorgesehene Aufgaben erfüllt; die angefochtene Bestimmung betrifft die Besorgung dieser Aufgaben.

Ungeachtet dessen ist die angefochtene Bestimmung im öffentlichen Interesse gelegen, da sie sicherstellt, dass die Sozialversicherungsträger unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Beginns der Neuorganisation der gesetzlichen Sozialversicherung keine Dispositionen treffen, die die künftigen Sozialversicherungsträger bei Ausübung ihrer Tätigkeit in unzweckmäßiger Weise einschränken. Die angefochtene Bestimmung ist insofern auch verhältnismäßig, weil sie es – wie im Einzelnen dargelegt – den Sozialversicherungsträgern weiterhin ermöglicht, ihren gesetzlichen Aufgaben ordnungsgemäß nachzukommen und Instandhaltungen und Instandsetzungen in Liegenschafts- und Bauangelegenheiten zulässt.

3. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (§716 Abs5, 6 und 7 ASVG):

Gemäß §716 Abs5 ASVG sind Aufnahmen von (zusätzlichem) Personal im Verwaltungsbereich nicht zulässig. […]

Wie bereits dargelegt, vermag die Antragstellerin jedoch nicht aufzuzeigen, dass auf Grund der Aufgaben im Zusammenhang mit der Gesundheits-Zielsteuerung ein erhöhter Personalbedarf gegeben wäre, dessen Abdeckung die angefochtene Bestimmung entgegenstehen würde.

Selbst wenn ein solcher erhöhter Personalbedarf bestehen würde, ist die angefochtene Bestimmung vor dem Hintergrund der Neuorganisation der gesetzlichen Sozialversicherung und ihrer zeitlichen Begrenzung nicht unsachlich.

Gemäß §716 Abs6 ASVG sind Höherreihungen außerhalb der Dienstpostenpläne unzulässig.[…]

Weshalb Höherreihungen zur Erfüllung der Aufgaben der Antragstellerin erforderlich sein sollen, ist nach Ansicht der Bundesregierung von vornherein nicht ersichtlich.

Gemäß §716 Abs7 ASVG ist im Vertragspartnerrecht eine nachhaltig ausgeglichene Gebarung gegenüber sonstigen Zielsetzungen der Vorrang zu geben. […]

Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei §716 Abs7 ASVG um eine Zielbestimmung, die es den Sozialversicherungsträgern nicht verwehrt, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.

3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip (§716 Abs7 ASVG):

[…]

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes richtet sich die Beurteilung, ob eine gesetzliche Vorschrift dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG entspricht, nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach der Entstehungsgeschichte, dem Inhalt und dem Zweck der Regelung (vgl VfSlg 8209/1977, 9883/1983 und 12.947/1991). Bei der Ermittlung des Inhalts einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Eine Regelung verletzt die in Art18 B‑VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse dann, wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt (VfSlg 11.859/1988, 16.137/2001, 18.738/2009 und VfGH 20.9.2012, B783/12).

Dies trifft aber auf die angefochtene Bestimmung nicht zu. Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, ist §716 Abs7 ASVG einer Auslegung zugänglich. Im Zusammenhang mit dem Zweck des §716 Abs7 ASVG, eine künftig neu organisierte gesetzliche Sozialversicherung nicht durch finanziell schwerwiegende Abschlüsse zu belasten, ist klar erkennbar, dass durch die angefochtene Bestimmung solche Honorarabschlüsse zulässig bleiben, die sich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Sozialversicherungsträgers bewegen. Wie bereits oben ausgeführt, kommt es für die Beurteilung eines Honorarabschlusses auf das Honorarvolumen des Trägers insgesamt in absoluten Zahlen an. Dies entspricht auch der im ersten Satz der angefochtenen Bestimmung aufgestellten Forderung, dem Ziel der nachhaltig ausgeglichenen Gebarung den Vorrang einzuräumen. §716 Abs7 ASVG ist daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu unbestimmt.

4. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

IV. Zulässigkeit

1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. Die antragstellende Gebietskrankenkasse hat ihre unmittelbare rechtliche Betroffenheit durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sowie die Unzumutbarkeit, ihre Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen anders als in einem Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, dargelegt. Die Bundesregierung hat der behaupteten unmittelbaren Betroffenheit – bis zum Ablauf des 31. März 2019 – und dem Fehlen eines anderen zumutbaren Weges zur Abwehr des behaupteterweise rechtswidrigen Eingriffs nichts entgegengehalten. Auch der Verfassungsgerichtshof vermag der antragstellenden Gebietskrankenkasse in dieser Hinsicht nicht entgegenzutreten.

3. Die Antragslegimitation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG setzt unter anderem auch voraus, dass das bekämpfte Gesetz für den Antragsteller nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof, sondern auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirksam ist. Eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift entfaltet für die Rechtssphäre des Antragstellers in der Regel nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist vielmehr mit ihrem Außerkrafttreten schon erreicht (vgl zB sinngemäß VfSlg 16.618/2002 mwN, 17.400/2004, 17.653/2005, 18.284/2007; VfGH 2.10.2013, V42/2013).

4. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfGH 2.12.2016, G105/2015). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, welche nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar und aktuell eingreifen, aber mit den unmittelbar und aktuell eingreifenden Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014; VfGH 11.10.2016, G418/2015), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

5. Die Anfechtung des §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 59/2018 durch die einschreitende Gebietskrankenkasse ist aus den nachfolgenden Gründen unzulässig.

5.1. Die antragstellende Gebietskrankenkasse beantragt die Aufhebung der Abs2, 3, 5, 6 und 7 des §716 ASVG idF BGBl I 59/2018. Diese Bestimmungen standen zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags der einschreitenden Partei (6. November 2018) in dieser Fassung in Kraft. Bei den angefochtenen Bestimmungen handelt es sich – wie der Gesetzgeber in der Überschrift zu §716 ASVG ("Schlussbestimmungen zu Art10 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 59/2018") zum Ausdruck bringt – um Übergangsbestimmungen zur ASVG-Novelle BGBl I 59/2018.

Nach der Einbringung des auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG gestützten (Individual-) Antrages durch die einschreitende Gebietskrankenkasse erließ der Gesetzgeber das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz – SV-OG, BGBl I 100/2018. Dieses Gesetz wurde am 22. Dezember 2018 im Bundesgesetzblatt kundgemacht.

5.2. §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 59/2018 enthält der Sache nach Anordnungen an die in §716 Abs2 leg. cit. genannten Versicherungsträger, ihre Tätigkeit auf das zu beschränken, was zur Fortführung des laufenden Betriebes unbedingt erforderlich ist. Diese Anordnungen sollten (ursprünglich) bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 gelten, weil der Gesetzgeber bei Erlassung des §716 ASVG idF BGBl I 59/2018 von der Erwartung ausging, dass bis dahin eine gesetzliche Neuordnung der Sozialversicherungsträger erfolgt sein werde.

Der am 22. Dezember 2018 im Bundesgesetzblatt kundgemachte Art1 des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes, BGBl I 100/2018, sieht umfassende Änderungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (89. Novelle zum ASVG) vor. Durch dieses Gesetz wird unter anderem auch der Inhalt der angefochtenen Bestimmungen ausdrücklich geändert. Im vorliegenden Zusammenhang sind insbesondere Art1 Z191 und 192 sowie Art1 Z193 des SV‑OG von Bedeutung. In Art1 Z193 leg. cit. ist die unter der Überschrift "Schlussbestimmungen zu Art1 des Bundesgesetzes BGBl I Nr 100/2018 (89. Novelle)" stehende Neuregelung des §718 ASVG enthalten.

Art1 Z191 SV-OG legt einerseits fest: "§716 Abs2, 3, 5 und 6 wird aufgehoben." Andererseits ordnet der Gesetzgeber (in Art1 Z193) in §718 Abs2 Z2 ASVG idF des SV-OG, BGBl I 100/2018, an: "(2) Es treten außer Kraft: […] 2. mit Ablauf des 31. März 2019 §716 Abs2, 3, 5 und 6; […]". Unter Art1 Z192 SV-OG, BGBl I 100/2018, regelt der Gesetzgeber §716 Abs7 ASVG zur Gänze neu. Unter Art1 Z193 SV-OG ordnet der Gesetzgeber in §718 Abs1 Z2 ASVG idF BGBl I 100/2018, an, dass §716 Abs7 ASVG idF BGBl I 100/2018 mit 1. April 2019 in Kraft tritt.

5.3. Die vorgenannten (Übergangs-)Regelungen (insbesondere) des §718 ASVG idF des SV-OG, BGBl I 100/2018, sind dahin zu verstehen, dass der Gesetzgeber direkt die (Übergangs-)Bestimmungen des §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF der Novelle BGBl I 59/2018 und die darin getroffenen Anordnungen geändert hat. §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF des SV-OG, BGBl I 100/2018, hat den Inhalt, dass die darin festgelegten Anordnungen für die in §716 Abs2 ASVG genannten Sozialversicherungsträger (anstelle der ursprünglichen Befristung bis 31. Dezember 2019) nun nur mehr bis zum Ablauf des 31. März 2019 gelten sollen. Ab 1. April 2019 trifft nämlich der in §538v ASVG idF des SV-OG vorgesehene Überleitungsausschuss die wesentlichen Entscheidungen.

5.4. Auf Grund der sowohl in der Novelle BGBl I 59/2018 zum ASVG als auch im SV-OG, BGBl I 100/2018, gewählten, besonderen Gesetzestechnik – in beiden Fällen sind die hier maßgeblichen Bestimmungen als Übergangsbestimmungen normiert – genügt es im konkreten Fall nicht, (bloß) §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 59/2018 anzufechten; die antragstellende Gebietskrankenkasse hätte vielmehr auch die oben angeführten Bestimmungen des SV-OG, BGBl I 100/2018, (mit)anfechten müssen, welche eine inhaltliche Änderung der von der antragstellenden Gebietskrankenkasse angefochtenen Bestimmungen bewirken.

Da die antragstellende Gebietskrankenkasse aber nur §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 59/2018, nicht aber auch jene Bestimmungen des SV-OG, BGBl I 100/2018, (mit)angefochten hat, welche die angefochtenen Bestimmungen inhaltlich geändert haben, erweist sich die Anfechtung des §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 59/2018 als zu eng. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss nämlich bei einem Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG das Gesetz, dessen Inhalt für verfassungswidrig erachtet wird, für die antragstellende Partei nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes unverändert wirksam sein (vgl VfSlg 16.618/2002 mwN, 17.400/2004, 17.653/2005, 18.284/2007; VfGH 2.10.2013, V42/2013).

V. Ergebnis

1. Der Antrag auf Aufhebung von (Teilen des) §716 Abs2, 3, 5, 6 und 7 ASVG idF BGBl I 59/2018 ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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