Normen
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art139 Abs4
COVID-19-MaßnahmenG §2, §3
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 98/2020 §1
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 98/2020 idF BGBl II 108/2020 §2
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 98/2020 idF BGBl II 107/2020 §4, §6
StGG Art4 Abs1
EMRK Art8
EMRK 4. ZP Art2, Art4
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:V363.2020
Spruch:
I. 1. §1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020, §2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020, idF BGBl II Nr 108/2020 sowie §§4 und 6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020, idF BGBl II Nr 107/2020 waren gesetzwidrig.
2. Die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.
3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit, in eventu die Aufhebung der §§1, 2, 4 und 6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 wegen Gesetzwidrigkeit.
II. Rechtslage
1. Das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 lautet:
"Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte
§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.
Betreten von bestimmten Orten
§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,
2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.
Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes
§2a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.
(1a) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch
1. Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,
2. Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und
3. die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§50 VStG).
(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der jeweiligen Gesundheitsbehörde im Rahmen der nach Abs1 vorgesehenen Mitwirkung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die Gesundheitsbehörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.
Strafbestimmungen
§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß §2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
Inkrafttreten
§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(1a) Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.
(2) Hat der Bundesminister gemäß §1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.
(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.
(5) §§1, 2 und §2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
Vollziehung
§5. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut."
2. Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes (im Folgenden: COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98), BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 lautet (die mit dem Eventualantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten.
§2. Ausgenommen vom Verbot gemäß §1 sind Betretungen,
1. die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind;
2. die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen;
3. die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Diese Ausnahme schließt auch Begräbnisse im engsten Familienkreis mit ein;
4. die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Dabei ist darauf zu achten, dass eine berufliche Tätigkeit vorzugweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber ein Einvernehmen finden.
5. wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.
§3. Das Betreten von
1. Kuranstalten gemäß §42a KAKuG ist für Kurgäste verboten,
2. Einrichtungen, die der Rehabilitation dienen, ist für Patienten/-innen verboten, ausgenommen zur Inanspruchnahme unbedingt notwendiger medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation im Anschluss an die medizinische Akutbehandlung sowie im Rahmen von Unterstützungsleistungen für Allgemeine Krankenanstalten.
§4. Die Benützung von Massenbeförderungsmitteln ist nur für Betretungen gemäß §2 Z1 bis 4 zulässig, wobei bei der Benützung ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen einzuhalten ist.
§5. Das Betreten von Sportplätzen ist verboten.
§6. Im Fall der Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind die Gründe, warum eine Betretung gemäß §2 zulässig ist, glaubhaft zu machen.
§7. (1) Diese Verordnung tritt mit 16. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.
(2) Die Änderungen durch die Novelle BGBl II Nr 107/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."
Nach Einlangen des vorliegenden Antrages beim Verfassungsgerichtshof wurde die angefochtene Verordnung durch BGBl II 148/2020 und BGBl II 162/2020 geändert. Sie trat gemäß §13 Abs2 Z2 COVID-19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.
3. §24 Epidemiegesetz 1950 (im Folgenden: EpidemieG 1950), BGBl 186/1950, idF BGBl I 114/2006 lautet:
"Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften.
§24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller ist österreichischer Staatsbürger und Universitätsassistent an einer Privatuniversität in Wien. Das Rektorat der Privatuniversität habe ihm angesichts der Situation in der Zeit der Antragstellung (7. April 2020) auf Grund der Verbreitung des Corona-Virus "Home-Office" verordnet, weshalb er sich an seinem Hauptwohnsitz im Haus seiner Mutter rund 100 Kilometer südwestlich von Wien befinde. Außerdem stehe ihm eine Wohnung in Wien zur Verfügung, die er von seinem Vater in Untermiete genommen habe.
1.1. Der Antragsteller führt zu seiner Antragslegitimation wie folgt aus (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Durch die §§1, 2 und 4 der Verordnung wird insofern in die Rechtsphäre des Antragstellers eingegriffen, als das Verbot des Betretens öffentlicher Orte zur Folge hat, dass der Antragsteller seinen Aufenthaltsort nicht mehr nach eigenem Gutdünken, sondern nur bei Vorliegen und im Rahmen eines in den Z1 bis 4 des §2 der Verordnung vorgesehenen Rechtfertigungsgrundes, ändern kann. Für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die Verordnung sind Verwaltungsstrafen bis zu EUR 3.600,- vorgesehen (§3 Abs3 COVID-19-Maßnahmengesetz). Durch die Verordnung wird sohin massiv in die verfassungsrechtlich gewährleisteten subjektiven Rechte des Antragstellers auf persönliche Freiheit (Art1 Abs1 PersFrBVG) und persönliche Freizügigkeit (Art4, 6 StGG; Art2 Abs1 4. ZP EMRK) eingegriffen. Während das Recht auf persönliche Freiheit die körperliche Bewegungsfreiheit garantiert (wobei vom Schutzbereich auch Anordnungen, sich nur in einem eng begrenzten Gebiet aufhalten zu dürfen, erfasst werden), garantiert das Recht auf persönliche Freizügigkeit, sich innerhalb des Hoheitsgebietes frei bewegen zu dürfen und seinen Wohnsitz frei zu wählen (Öhlinger/Eberhard, Verfas[s]ungsrecht11 [2016] Rz 806).
[…] Der Antragsteller ist in folgender Situation: Der Antragsteller befindet sich derzeit im Haus seiner Mutter […] etwa 100 Kilometer südwestlich von Wien[…]. Aufgrund der Verordnung darf der Antragsteller das Haus derzeit im Wesentlichen nur für Lebensmittelkäufe verlassen. Die Erlaubnistatbestände der Z1, 2 und 4 der Verordnung sind für den Antragsteller nicht einschlägig. Der berufliche Erlaubnistatbestand kann vom Antragsteller nicht in Anspruch genommen werden, weil ihm von seiner Dienstgeberin (************* Privatuniversität Wien) 'Home-Office' verordnet wurde. Ein Verlassen des Hauses gestützt auf die Z5 des §2 der Verordnung ist dem Antragsteller zwar möglich; ein Verlassen des Ortes ist ihm hingegen nicht möglich, weil ihm dies nur unter Zuhilfenahme öffentlicher Verkehrsmittel möglich wäre. Öffentliche Verkehrsmittel dürfen beim Rechtfertigungsgrund der Z5 des §2 der Verordnung gemäß §4 der Verordnung aber nicht benutzt werden. Über ein Auto oder sonstiges Kraftfahrzeug verfügt der Antragsteller nicht.
[…] Aufgrund dieser Umstände ist es dem Antragsteller derzeit auch nicht möglich, zu seiner Mietwohnung in […] Wien zu gelangen. Diesbezüglich wird nicht nur in das Grundrecht des Antragstellers auf persönliche Freizügigkeit, sondern auch in die Eigentumsfreiheit (Art5 StGG; Art1 1. ZP EMRK) eingegriffen. Der Schutzbereich des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn erfasst nicht nur Enteignungen, sondern alle Eingriffe in vermögenswerten Privatrechte (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 [2016] Rz 868). Unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff fallen daher auch das Mietrecht und Rechte aus dem Mietverhältnis (VfSlg 71/1921, 1667/1948, 5499/1967). Da der Antragsteller mangels eines dafür einschlägigen Rechtfertigungsgrundes aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht zu seiner Wohnung in Wien gelangen kann, kann er auch sein Gebrauchsrecht am Mietgegenstand (§1096 ABGB) nicht ausüben, weshalb ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit (Eigentumsbeschränkung) des Antragstellers vorliegt.
[…] Durch die §§1, 2 und 4 der Verordnung wird auch in die Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) des Antragstellers eingegriffen, und zwar aus folgenden Gründen: Der Antragsteller ist Universitätsassistent am Fachbereich Privatrecht der ************* Privatuniversität Wien. Zu seinen dienstvertraglichen Pflichten zählen neben Forschung und Lehre auch das Verfassen einer Dissertation. Dieser Pflicht kann der Antragsteller derzeit nicht bzw nur sehr eingeschränkt nachkommen, weil ihm von seiner Dienstgeberin — wie dies §2 Z4 der Verordnung vorsieht — 'Home-Office' verordnet wurde. Der Antragsteller musste aufgrund seiner aus dem Dienstvertrag resultierenden Treuepflicht einer 'Home-Office'-Vereinbarung zustimmen ('Home-Office' bedarf, wenn nicht schon ursprünglich im Dienstvertrag vorgesehen, der Zustimmung des Dienstnehmers). Zuhause verfügt der Antragsteller nicht bzw nur sehr eingeschränkt über die Ressourcen, die für das Verfassen einer Dissertation notwendig sind (zB kein Zugang zu Monografien, eingeschränkter Zugriff auf juristische Zeitschriften und Gesetzeskommentare). Insbesondere wird ihm dadurch die erforderliche Benutzung der universitätseigenen Bibliothek, sowie der Bibliotheken anderer juristischer Fakultäten (insbesondere in Wien) versagt. Dadurch wird in seine durch Art6 StGG gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit eingegriffen.
[…] Die dargelegten Eingriffe in die Rechtssphäre des Antragstellers liegen aktuell und nicht bloß potenziell vor, weil das Betretungsverbot zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kraft ist, der Antragsteller zu dessen Adressaten zählt und Verstöße dagegen von den Verwaltungsstrafbehörden mit Unterstützung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sanktioniert werden. Der medialen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass es auch tatsächlich schon mehrfach zur Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Verstößen gegen das Betretungsverbot gekommen ist.
[…] Die Eingriffe erfolgen durch die bekämpfte Verordnung, wobei die Bestimmungen über das Betretungsverbot, die Ausnahmen hiervon und das Verbot der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel beim Erlaubnistatbestand der Z5 des §2 der Verordnung eindeutig bestimmt sind. Aus der Verordnung geht klar hervor, dass das Betreten öffentlicher Orte grundsätzlich generell verboten ist (§1 der Verordnung) und ein Betreten öffentlicher Orte nur bei Vorliegen eines in den Z1 bis 5 des §2 der Verordnung aufgelisteten Rechtfertigungsgrundes ausnahmsweise erlaubt ist. Aus §4 der Verordnung folgt, dass öffentliche Verkehrsmittel bei Vorliegen des Erlaubnistatbestandes der Z5 des §2 der Verordnung (Spaziergeherregelung) nicht verwendet werden dürfen. Dass Verstöße verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert sind, folgt unzweifelhaft aus §3 Abs3 COVID-19-Maßnahmengesetz.
[…] Umwegunzumutbarkeit
[…] Ein Individualantrag ist, seinem Charakter als subsidiärer Rechtsbehelf entsprechend, nur zulässig, wenn dem Antragsteller kein anderer — zumutbarer — Weg offensteht, um die behauptete Gesetzeswidrigkeit an den VfGH heranzutragen. Als alternativer Weg zum VfGH bliebe dem Antragsteller nur die Möglichkeit, gegen das in §1 der Verordnung verankerte Betretungsverbot zu verstoßen und den allenfalls ergehenden Strafbescheid zu bekämpfen. Nach ständiger Rechtsprechung des VfGH ist dem Antragsteller ein derartiges Vorgehen aber nicht zumutbar (vgl etwa VfGH G183/2016 ua), weshalb auch die Zulässigkeitsvoraussetzung der Umwegunzumutbarkeit vorliegt."
1.2. Seine Bedenken gegen die angefochtene Verordnung begründet der Antragsteller wie folgt (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Keine bestimmte Bezeichnung der Orte des Betretungsverbotes in der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes
[…] Die bekämpfte Verordnung wurde auf Grundlage des §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassen. Gemäß dieser Gesetzesbestimmung kann beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
[…] Die Begründung des Initiativantrages (396/A 27. GP 11), auf den das Gesetz zurückgeht, belegt, dass die Wortfolge 'von bestimmten Orten' nicht unreflektiert, sondern ganz bewusst gewählt wurde.
[…]
Durch das Erfordernis der Bezeichnung bestimmter Orte wollte der Gesetzgeber verhindern, dass es vorschnell und unreflektiert zu generellen Betretungsverboten des öffentlichen Raumes kommt. §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist der Auftrag des Gesetzgebers an die Verwaltung zu entnehmen, im Einzelfall genau zu evaluieren, ob ein Betretungsverbot notwendig ist. Damit wird letztlich auch dem verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen der Grundrechte, in die eingegriffen wird, entsprochen.
[…] Diese Anordnung des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist auch verständlich, weil etwa im ländlichen und städtischen Raum ganz unterschiedliche Ausgangssituationen vorliegen können (sowohl hinsichtlich der Verbreitung des Virus als auch hinsichtlich der Bewirtschaftung der Lebensräume). Letztlich kommt durch diese Bestimmung zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber pauschale Betretungsverbote des öffentlichen Raumes als unverhältnismäßig einstuft und für den Verordnungsgeber einschränkende gesetzliche Vorgaben festlegt. Wenn der Gesetzgeber ein pauschales Betretungsverbot gewollt hätte (wie es letztlich durch die Verordnung umgesetzt wurde) hätte er ein solches direkt im COVID‑19-Maßnahmengesetz[es] anordnen können. Richtigerweise wollte der Gesetzgeber aber, dass Maßnahmen durch die zuständige Behörde des betroffenen Gebietes verhältnismäßig und den konkreten Umständen entsprechend umgesetzt werden.
[…] Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat sich durch die Verankerung eines generellen Betretungsverbotes des öffentlichen Raumes in §1 der Verordnung offenkundig über diese Vorgaben hinweggesetzt. Daran ändern auch die in §2 der Verordnung verankerten — funktionsbezogen und nicht ortsbezogen (!) umschriebenen — Ausnahmetatbestände nichts. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz unterminiert durch das Regelungsmodell 'Generalklausel mit Ausnahmen' das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, das im Gegenteil die Formulierung bestimmter Orte durch den Verordnungsgeber verlangt. Damit verstößt der Bundesminister gegen die durch den Gesetzgeber aufgestellten Grenzen (vgl in diesem Zusammenhang auch VfSlg 18.582/2008).
[…] Die §§1 und 2 (Generalklausel und Ausnahmen) der Verordnung finden in der gesetzlichen Verordnungsermächtigung sohin keine Deckung, sondern verstoßen gegen die gesetzlich aufgestellten Bedingungen. Die Bestimmungen sind deshalb wegen Gesetzeswidrigkeit aufzuheben. Zusätzlich sind auch die §§4 und 6 der Verordnung hinsichtlich der Benützung von Massenverkehrsmittel und der Kontrollbefugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufzuheben, weil diese Bestimmungen unmittelbar auf §2 der Verordnung Bezug nehmen und deshalb ein untrennbarer Zusammenhang besteht.
[…] Verfassungswidrige Verordnungsermächtigung (§2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz)
[…]
Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit (Art1 Abs1 PersFrBVG)
[…] Durch die §§1, 2 und 4 der Verordnung wird die körperliche Bewegungsfreiheit des Antragstellers beträchtlich eingeschränkt, weil nach der Konzeption der Verordnung jedes Betreten des öffentliches Raumes rechtfertigungsbedürftig ist. Bei mangelnder Rechtfertigung droht eine empfindliche Verwaltungsstrafe. Damit wird in den Schutzbereich des Rechts auf persönliche Freiheit eingegriffen, der die körperliche Bewegungsfreiheit umfasst (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 [2016] Rz 835), und dieses verfassungsrechtlich gewährleistete Recht — wie sogleich dargelegt — auch verletzt.
[…] Am Eingriff in das Recht des Antragstellers auf persönliche Freiheit ändert auch der Erlaubnistatbestand der Z5 des §2 der Verordnung wenig. Der Antragsteller befindet sich derzeit im Haus seiner Mutter […] etwa 100 Kilometer südwestlich von Wien[…]. Aufgrund der Verordnung darf der Antragsteller das Haus derzeit im Wesentlichen nur für Lebensmittelkäufe verlassen. Die Erlaubnistatbestände der Z1, 2 und 4 der Verordnung sind für den Antragsteller nicht einschlägig. Der berufliche Erlaubnistatbestand kann vom Antragsteller nicht in Anspruch genommen werden, weil ihm von seiner Dienstgeberin (************* Privatuniversität Wien) 'Home-Office' verordnet wurde. Ein Verlassen des Hauses gestützt auf die Z5 des §2 der Verordnung ist dem Antragsteller zwar möglich; ein Verlassen des Ortes ist ihm hingegen nicht möglich, weil ihm dies nur unter Zuhilfenahme öffentlicher Verkehrsmittel möglich wäre. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist im Fall der Z5 gemäß §4 der Verordnung aber nicht zulässig. Über ein Auto oder sonstiges Kraftfahrzeug verfügt der Antragsteller nicht.
[…] Selbst unter Berücksichtigung des Erlaubnistatbestandes der Z5 des §2 der Verordnung wird der Antragsteller in einem begrenz[t]en Gebiet festgehalten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass auch die Anordnung, ein eng umgrenztes Gebiet nicht verlassen zu dürfen, ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf persönliche Freiheit ist (VfSlg 15.465/1999).
[…] Im Zusammenhang mit den hier geäußerten Normbedenken ist zu beachten, dass Einschränkungen der persönlichen Freiheit nur aus den in Art2 Abs1 PersFrBVG taxativ aufgezählten Gründen zulässig sind. Im konkreten Fall kommt als Eingriffstatbestand nur Art2 Abs1 Z5 PersFrBVG in Betracht. Gemäß dieser Bestimmung darf einem Menschen die persönliche Freiheit dann entzogen werden, 'wenn Grund zur Annahme besteht, dass er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei oder wegen psychischer Erkrankungen sich oder andere gefährde'.
[…] Es besteht jedoch kein Zweifel, dass gestützt auf Art2 Abs1 Z5 PersFrBVG nur jenen Personen die Freiheit entzogen werden darf, von denen eine Gefahr ausgeht (arg: 'wenn Grund zur Annahme besteht, dass er [!] eine Gefahrenquelle […] sei'), weil sie entweder selbst infiziert sind oder zumindest der konkrete Verdacht einer Infektion besteht. Einer Regelung, die ein generelles Betretungsverbot des öffentlichen Raumes für jedermann vorsieht, kann Art2 Abs1 Z5 PersFrBVG hingegen nicht als verfassungsrechtliche Grundlage dienen.
[…] Die §§1, 2 und 4 der Verordnung sind also auch deshalb wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben, weil sie auf einem Gesetz (§2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz) beruhen, das sich hinsichtlich der Beschränkung der persönlichen Freiheit auf keinen im PersFrBVG verankerten Eingriffstatbestand stützen kann und deshalb seinerseits verfassungswidrig ist. Auch hier gilt wiederum, dass aufgrund des unmittelbaren Zusammenhanges auch §6 der Verordnung aufzuheben ist.
[…] Verletzung des Rechts auf persönliche Freizügigkeit (Art4 StGG; Art2 Abs1 4. ZP EMRK)
[…] Das österreichische Verfassungsrecht gewährleistet die Freizügigkeit der Person in mehrfacher Hinsicht. Gemäß Art4 StGG unterliegt die Freizügigkeit der Person (und des Vermögens) innerhalb des Staatsgebietes keiner Beschränkung. Darüber hinaus ist durch Art6 StGG unter anderem gesichert, dass jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen kann. Die persönliche Freizügigkeit wird auch durch Art2 Abs1 4. ZP EMRK geschützt. Gemäß dieser Bestimmung hat jede Person, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und ihren Wohnsitz frei zu wählen.
[…] §2 COVID-19-Maßnahmengesetz räumt — je nach räumlicher Ausdehnung der Maßnahme — dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, dem Landeshauptmann oder der Bezirksverwaltungsbehörde die Möglichkeit ein, durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten zu untersagen, soweit dies zur Verhinderung von COVID-19 erforderlich ist. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, die persönliche Freizügigkeit im Bedarfsfall durch Verordnung weitreichend einzuschränken. Von dieser Möglichkeit hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz weitreichend Gebrauch gemacht und das Betreten öffentlicher Orte mit wenigen Ausnahmen durch Verordnung generell verboten.
[…] Die Freizügigkeitsgarantien gelten nicht absolut, sondern unterliegen — wie die meisten Grundrechte — einem Gesetzesvorbehalt. Art2 Abs3 4. ZP EMRK enthält folgenden materiellen Gesetzesvorbehalt: 'Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.' Beschränkungen des Grundrechts auf persönliche Freizügigkeit sind also nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.
[…] Nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, dass Betretungsverbote, und mögen sie auch große Teile des Staatsgebietes umfassen, unter dem Blickwinkel des Rechts auf persönliche Freizügigkeit verhältnismäßige Maßnahmen zur Eindämmung von ansteckenden Krankheiten sein können. Nach Ansicht de[s] Antragsteller[s] kann bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen die Verhältnismäßigkeit aber nur dann bejaht werden, wenn der Gesetzgeber zusätzlich rechtsstaatliche Sicherungsmechanismen vorsieht. Derartige Institutionen können inhaltlicher oder verfahrensrechtlicher Natur sein.
[…] Als inhaltliche Schranke käme etwa die Befristung von Maßnahmen in Frage. Das COVID-19-Maßnahmengesetz determiniert das Vorgehen der Verwaltung in dieser Hinsicht aber nicht (wenn man einmal außen vorlässt, dass das COVID-19-Maßnahmengesetz selbst und damit die Verordnungsermächtigung mit Jahresende außer Kraft tritt, damit aber auch einen Spielraum von über neun Monate gewährt). In §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist zwar vorgesehen, dass sich das Betretungsverbot auch nur auf bestimmte Zeit erstrecken kann. Damit wird aber keine inhaltliche, nämlich zeitliche, Schranke für die Erlassung von Betretungsverboten, sondern eine Selbstverständlichkeit normiert. Eine Befristungsverpflichtung lässt sich aus dieser Kann-Bestimmung jedenfalls nicht ableiten.
[…] Dass sich der Gesetzgeber der Sensibilität der Einschränkung der persönlichen Freizügigkeit andernorts durchaus bewusst war, zeigt etwa das Sicherheitspolizeigesetz (SPG). Gemäß §36 Abs4 SPG ist das als Verordnung zu qualifizierende Platzverbot aufzuheben, sobald keine Gefahr mehr besteht und tritt jedenfalls sechs Stunden nach ihrer Erlassung außer Kraft. §36a SPG sieht eine auf 150m (!) beschränkte Schutzzone (Verordnung) vor, die nicht nur zwingend örtlich und zeitlich zu beschränken ist, sondern deren Wirksamkeit jedenfalls nach sechs Monaten endet. Diese Regelungen positivieren die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit. Eine Verhältnismäßigkeit, die §2 COVID-19-Maßnahmengesetz vermissen lässt, obwohl die möglichen Maßnahmen ein viel größeres Ausmaß an Intensität annehmen können als die dargelegten Fälle.
[…] Die Einführung von Befristungen und die Notwendigkeit der Evaluierung der gesetzten Maßnahmen verhindert nicht die Einführung von zeitlich begrenzten massiven Einschränkungen der Bevölkerung, sondern schaffen rechtsstaatlich und grundrechtlich notwendige Beschränkungen der Möglichkeiten des Verordnungsgebers und damit die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen. Ohne diese Begrenzung verlagert der Gesetzgeber einen unverhältnismäßigen Handlungsspielraum zur Verwaltung, bei gleichzeitig großer Eingriffsintensität in Grundrechte, die überdies die gesamte Bevölkerung in Österreich betreffen können.
[…] Als verfahrensrechtliche Schranken kämen etwa die Verpflichtung zur Evaluierung von Maßnahmen, die Beiziehung von anderen verfassungsmäßig eingerichteten Organen (etwa des Hauptausschusses des Nationalrates), anderweitige Konsultationsmechanismen oder zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene in Frage. Auch derartige Schranken sieht §2 COVID-19-Maßnahmengesetz überhaupt nicht vor. Die Bestimmung kann nicht als gelindestes Mittel verstanden werden und ist damit nicht erforderlich. Schließlich berücksichtigt die Bestimmung damit auch nicht die notwendige Abwägung zwischen der Eingriffsintensität des Grundrechts einerseits und der Zielerreichung andererseits. Während durch das Vorsehen rechtsstaatlicher Einschränkungen und Kontrollen die Zielerreichung (der öffentlichen Gesundheit) nicht vermindert wird, würden rechtsstaatliche Garantien die Eingriffsintensität in das Grundrecht deutlich vermindern.
[…] Nach Ansicht des Antragstellers führt das Fehlen derartiger institutioneller Garantien dazu, dass §2 COVID-19-Maßnahmengesetz dem Verordnungsgeber die Möglichkeit eröffnet, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freizügigkeit unverhältnismäßig einzuschränken. Die Verordnung gründet sich damit auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage, weshalb es ihr an der gesetzlichen Deckung mangelt.
[…] Angemerkt sei, dass §2 COVID-Maßnahmengesetz unabhängig davon verfassungswidrig ist, ob man den Maßstab des Art2 Abs3 4. ZP EMRK oder jenen der Art4 bzw 6 StGG anlegt. Wie gezeigt wurde, hält diese Bestimmung dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs3 4. ZP EMRK nicht stand. Die Art4 und 6 StGG enthalten demgegenüber keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. Das bedeutet aber weder, dass diese Grundrechte schrankenlos gewährt werden, noch, dass jegliche Einschränkungen durch den Gesetzgeber hingenommen werden müssen. Der VfGH ging in seiner älteren Rechtsprechung zwar davon aus, dass die aus den Art4 und 6 StGG resultierenden Freizügigkeitsrechte nur im Rahmen der Rechtsordnung garantiert werden (VfSlg 13.097/1992). Um die Gewährleistungen der Art4 und 6 StGG nicht leer laufen zu lassen, war aber auch der VfGH in seiner älteren Rechtsprechung der Ansicht, dass unsachliche, durch öffentliche Rücksichten nicht gebotene Einengungen des Schutzes durch das Gleichheitsgebot verhindert werden sollen (dazu Berka, Verfassungsrecht7 [2018] Rz 1383).
[…] Die neuere Rechtsprechung unterscheidet bei den — scheinbar — vorbehaltslos gewährleisteten Grundrechten zwischen intentionalen Beschränkungen und allgemeinen Gesetzen. Regelungen, die direkt und intentional auf die Beschränkungen des jeweiligen Grundrechts abzielen, sind durch ein vorbehaltslos gewährleistetes Grundrecht ausnahmslos untersagt. Dagegen verletzen allgemeine, nicht intentionale Gesetze diese Grundrechte nur dann, wenn sie nicht den Kriterien der Verhältnismäßigkeit entsprechen (siehe dazu Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 [2016] Rz 720). Wenngleich diese Rechtsprechung zur Kunstfreiheit ergangen ist, ist sie aufgrund der strukturellen Gemeinsamkeiten dieser Grundrechte auch hier einschlägig.
[…] Aus all dem kann abgeleitet werden, dass auch Eingriffe in die durch das StGG gewährleisteten Freizügigkeitsrechte nur dann zulässig sind, wenn sie verhältnismäßig sind. Insofern sind die oben zum materiellen Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs3 4. ZP EMRK gemachten Ausführungen auch hier einschlägig. Da Bestimmungen, die gezielte Betretungsverbote zur Eindämmung von ansteckenden Krankheiten zulassen, intentionalen Eingriffen wertungsmäßig zumindest sehr nahe kommen, ist nach Ansicht des Antragstellers bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne eines beweglichen Systems ein strenger Maßstab anzulegen.
[…] Verletzung des Bestimmtheitsgebots (Art18 Abs1 B‑VG)
[…] Das in Art18 Abs1 B‑VG zum Ausdruck kommende verfassungsrechtliche Legalitätsprinzip gebietet es, hinreichend bestimmte Gesetze zu erlassen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit von Gesetzen nicht uniform sind, sondern von unterschiedlichen Gesichtspunkten, insbesondere der Eingriffsintensität des Gesetzes, abhängen (siehe dazu etwa Kucsko-Stadlmayer, Die allgemeinen Strukturen der Grundrechte, in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer, Handbuch der Grundrechte VII/12 §3 Rz 92).
[…] Gesteigerte Bestimmtheitserfordernisse werden vom VfGH daher konsequenterweise an 'eingriffsnahe Gesetze' gestellt. Das sind solche, die zu regelmäßigen und intensiven Grundrechtseingriffen ermächtigen. In diesem eingriffsnahen Bereich muss der Gesetzgeber den Ausgleich zwischen Freiheit und Bindung durch eine besonders deutliche Umschreibung des Eingriffstatbestandes abschließend und umfassend selbst regeln (siehe dazu Berka, Das 'eingriffsnahe Gesetz' und die grundrechtliche Interessenabwägung, in FS R. Walter [1991] 43; vgl dazu jüngst auch Prankl, Zur Streitschlichtung zwischen Rechtsanwälten [§21 Abs2 RL-BA 2015] und zu den Rechtsfolgen ihrer Missachtung, AnwBI 2020, 120 f). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Eingriffe in den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich — der Funktionsweise des Gesetzesvorbehaltes entsprechend — nur durch förmliches Gesetz zulässig sind (Berka, in FS R. Walter 43; ders, Die grundrechtliche Interessenabwägung im Stufenbau der Rechtsordnung, in GS R. Walter [2013] 45). Ermächtigt ein Gesetz — wie im vorliegenden Fall — in einem eingriffsnahen Bereich (zu den schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, die §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ermöglicht, siehe die Ausführungen oben) zur Erlassung von Verordnungen, ist der Verordnungsinhalt daher bereits im Gesetz entsprechend konkret zu determinieren.
[…] Den gesteigerten Bestimmtheitserfordernissen ist der Gesetzgeber bei der Erlassung des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht nachgekommen. Diese Bestimmung legt in lapidarer Kürze fest, dass bei Auftreten von COVID-19 Betretungsverbote für bestimmte Orte verhängt werden können, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die einzig erkennbare Determinante — die vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wie oben aufgezeigt, in gesetzwidriger Weise missachtet wurde — liegt darin, dass Betretungsverbote nur für bestimmte Orte verhängt werden dürfen. Das Gesetz legt aber weder fest ab welchem Verbreitungsgrad von COVID-19 Betretungsverbote erlassen werden dürfen noch werden Kriterien vorgegeben, anhand derer die Erforderlichkeit für derartige Maßnahme zu beurteilen ist. Schließlich werden auch keine Grenzen aufgezeigt, ab dem nicht mehr vom 'Auftreten von COVID-19' gesprochen werden kann. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass einzelne Fälle von COVID-19 in den nächsten Jahren immer (wieder) 'auftreten werden'. Eine marginale Auftretenswahrscheinlichkeit kann aber nicht ausreichen, um wiederum weitreichende Einschränkungen vorzusehen. Dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Erforderlichkeit derart eingriffsintensiver Maßnahmen völlig die Einschätzungsprärogative zu überlassen, ist verfassungsrechtlich nicht zulässig. §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist daher auch wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 B‑VG) verfassungswidrig.
[…] Verletzung der Eigentumsfreiheit (Art5 StGG; Art1 1. ZP EMRK), der Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) und des Gleichheitssatzes (Art7 B‑VG)
[…] [Oben] wurde ausgeführt, dass durch die §§1, 2 und 4 der Verordnung auch in die Eigentumsfreiheit und die Erwerbsfreiheit des Antragstellers eingegriffen wird, und zwar im Einzelnen wie folgt:
- Eigentumsfreiheit: In die Eigentumsfreiheit des Antragstellers wird eingegriffen, weil er aufgrund des Betretungsverbotes derzeit nicht in der Lage ist, seine Mietwohnung in […] Wien zu betreten. Er kann sich diesbezüglich auf keinen in §2 der Verordnung angeführten Erlaubnistatbestand berufen.
- Erwerbsfreiheit: In die Erwerbsfreiheit des Antragstellers wird eingegriffen, weil ihm von seiner Dienstgeberin (************* Privatuniversität Wien) gestützt auf die Verordnung 'Home-Office' verordnet wurde und er mangels Zuganges zu Bibliotheken nicht adäquat an seiner Dissertation (zu deren Verfassen er dienstvertraglich verpflichtet ist) arbeiten kann.
[…] Die Verordnung wurde — wie nun bereits mehrfach ausgeführt wurde — auf Grundlage des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz erlassen. §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ist aber verfassungswidrig, weil es auf unverhältnismäßige Weise Befugnisse zum Eingriff in Grundrechte an den Verordnungsgeber delegiert.
[…] Naturgemäß können sämtliche der oben angeführten Grundrechte gesetzlichen Beschränkungen unterworfen werden. Auch hier gilt aber, dass Grundrechtseingriffe nur dann verfassungsrechtlich zulässig sind, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Freilich können — auch weitreichende — Betretungsverbote, die gegebenenfalls im Verordnungsweg erlassen werden, hinsichtlich der hier ins Treffen geführten Grundrechte nicht schlechthin als unverhältnismäßig eingestuft werden. Auch hier ergibt sich die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen und folglich die Verletzung der Grundrechte aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in §2 COVID-19-Maßnahmengesetz keine zusätzlichen rechtsstaatlichen Sicherungsmechanismen (Befristung der Maßnahmen, verfahrensrechtliche Vorkehrungen, Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene, etc) vorgesehen hat und dem Verordnungsgeber somit auf inadäquate Weise weitreichende Befugnisse zum Eingriff in Grundrechte eingeräumt hat. Angesichts der starken Intensität der möglichen Grundrechtseingriffe wäre dies aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten gewesen.
[…] Das Fehlen zusätzlicher rechtsstaatlicher Sicherungsmechanismen in §2 COVID-19-Maßnahmengesetz bewirkt nach Ansicht des Antragstellers zudem, dass die Regelung dem aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 B‑VG) abgeleiteten Sachlichkeitsgebot nicht standhält.
[…] Zusammenfassend führt das Fehlen derartiger institutioneller Garantien dazu, dass §2 COVID-19-Maßnahmengesetz dem Verordnungsgeber die Möglichkeit eröffnet, die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte der Eigentumsfreiheit, der Erwerbsfreiheit und des Rechts auf Achtung des Familienlebens, unverhältnismäßig einzuschränken. Darüber hinaus ist §2 COVID-19-Maßnahmengesetz auch unsachlich und verletzt den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Die Verordnung gründet sich sohin auch unter diesem Aspekt auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage, weshalb es ihr an der gesetzlichen Deckung mangelt. Sie ist deshalb vollumfänglich aufzuheben."
2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat die Verordnungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er die Zurückweisung des Antrages, in eventu dessen Abweisung begehrt und dies wie folgt begründet (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Zur Zulässigkeit:
[…] Zur aktuellen und unmittelbaren Betroffenheit:
[…]
Die aktuelle Betroffenheit muss dabei sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorliegen (statt vieler mwN VfSlg 14.712/1996; VfSlg 19.391/2011). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung (VfSlg 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995, 15.116/1998, 16.224/2001; 17.266/2004). Mit dem Außer-Kraft-Treten ist das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B‑VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, fortgefallen (vgl nur VfGH V8/00, VfGH 5. 3. 2014, G20/2013, V11/2013; vgl auch VfSlg 16.618/2002, 17.400, 17653).
[…] Das Außer-Kraft-Treten schadet im Hinblick auf die Antragslegitimation nur dann nicht, wenn die angefochtene Bestimmung auch nach dem Außer-Kraft-Treten noch eine nachteilige rechtliche Wirkung für den Antragsteller hat (s nur VfSlg 12.227/1989, VfSlg 16.229/2001), wenn also der 'Rechtsfolgenbereich' über den zeitlichen 'Bedingungsbereich' hinausreicht (vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 1023 und 437). Diesfalls trifft den Antragsteller eine besondere Darlegungspflicht (vgl etwa VfSlg 15.116/1998, VfSlg 12.634/1991 und 11.365/1987).
[…] Die Verordnung BGBl II Nr 98/2020 ist mit 30. April 2020 außer Kraft getreten (§13 Abs2 Z2 COVID-19-Lockerungserordnung BGBl II Nr 197/2020). Eine auch nach dem Außer-Kraft-Treten weiter bestehende nachteilige Wirkung behauptet bzw legt der Antragsteller nicht dar. Solche fortbestehenden rechtlichen Wirkungen der aufgehobenen Verordnung sind auch nicht ersichtlich. Mit Außer-Kraft-Treten der Verordnung BGBl II Nr 98/2020 fielen die darin vorgesehenen Betretungsverbote weg.
[…] Mangels aktueller Betroffenheit ist der Antrag nach Ansicht des BMSGKP daher zur Gänze zurückzuweisen.
[…] Zur Darlegung der Bedenken
[…] Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, muss die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung 'im Einzelnen' darlegen und dabei insbesondere dartun, inwieweit alle angefochtenen Verordnungsregelungen unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Anträge, die diesem Erfordernis nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht (im Sinne von §18 VfGG) verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg 19.585/2011 mwN, 19.954/2015 mwN; VfGH 13.9.2013, V56/2013; VfGH 30.11.2017, V102/2017).
[…] Die Bedenken des Antragstellers richten sich weitgehend gegen das COVID‑19-Maßnahmengesetz. Gestützt auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg 9535/1982; 17.341/2004; 17.967/2006; 18.556/2008; 19.270/2010; 19.448/2011) ist der Antragsteller der Meinung, dass die behauptete Verfassungswidrigkeit einer Verordnungsermächtigung die Aufhebung der gesamten Verordnung zur Folge habe.
Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass die Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesbestimmung, die eine Verordnung trägt zur Folge hat, dass die Verordnung der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt. Der Verfassungsgerichtshof spricht dies jedoch stets im Kontext mit der Aufhebung der entsprechend mitangefochtenen gesetzlichen Grundlage aus. Ohne die Aufhebung der gesetzlichen Grundlage durch den Verfassungsgerichtshof bzw allein aufgrund der Behauptung der Verfassungswidrigkeit fehlt es der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnung nicht an der gesetzlichen Deckung. Der BMSGPK erachtet den Antrag daher auch insoweit als unzulässig.
[…] Damit im Zusammenhang wird der Antragsteller den Anforderungen aus §57 VfGG auch deshalb nicht gerecht, weil er nicht gegen sämtliche Bestimmungen der Verordnung BGBl. II Nr 98/2020 Bedenken vorbringt. So äußert er etwa keine Bedenken gegen die §§3 und 5 leg.cit. Der Hauptantrag ist daher nach Ansicht des BMSGPK auch aus diesem Grund unzulässig.
[…] In der Sache:
[…] Zum behaupteten Verstoß gegen §2 COVID-19-Maßnahmengesetz
[…] Der Antragsteller behauptet einen Verstoß der Verordnung BGBl II Nr 98/2020 gegen §2 COVID-19-Maßnahmengesetz, da dieser nicht zur Normierung einer 'Generalklausel mit Ausnahmen', also eines generellen Betretungsverbots für den öffentlichen Raum mit Ausnahmen, ermächtige.
[…] Die Ansicht des Antragstellers verkennt, dass nach allgemeinem Sprachgebrauch das Wort 'bestimmt' 'inhaltlich festgelegt, genau umrissen, klar bzw deutlich' (https://www.duden.de/rechtschreibung/bestimmt_Adjektiv ), nicht aber 'einzeln' bedeutet. Öffentliche Orte sind aber in diesem Sinne nach klaren Kriterien umschriebene Orte.
Bei den in den Materialien (vgl IA 396/A 27. GP 11) genannten Orten handelt es sich um demonstrative Beispiele. Neben genauen Ortsangaben können die 'bestimmten Orte' nach Absicht des Gesetzgebers auch abstrakt umschrieben werden. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass die 'bestimmten Orte' auch weiträumiger gefasst werden können, soweit dies entsprechend dem gesetzlichen Auftrag des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Für die Ermächtigung zur Verhängung eines großflächigen Betretungsverbots spricht schließlich auch, dass es gerade Zweck des COVID-19-Maßnahmengesetzes war, über das Epidemiegesetz 1950 hinausgehende Ermächtigungen zu schaffen, da die darin vorgesehenen Maßnahmen für die Bewältigung von COVID-19 'nicht ausreichend bzw zu kleinteilig' waren (s wieder IA 396/A 27. GP 11).
Der vom Antragsteller ins Treffen geführte gesetzliche Auftrag an die Verwaltung, im Einzelfall genau zu evaluieren, ob ein Betretungsverbot notwendig ist, kommt in der Wendung 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist' zum Ausdruck. Damit — und nicht mit der Wendung 'bestimmte Orte'— stellt §2 COVID-19-Maßnahmengesetz die Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sicher. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber die für die Bewältigung der mit COVID‑19 verbundenen Herausforderungen erforderliche Flexibilität einräumen wollte, je nach Ausmaß der Gefährdung und in Abhängigkeit von den epidemiologischen Entwicklungen notwendige Maßnahmen zu setzen.
Aufgrund der epidemiologischen Entwicklungen und des Erfordernisses einer flächendeckenden Reduktion sozialer Kontakte im Zeitpunkt der Verordnungserlassung […] war es in diesem Sinne zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich, einen weitreichenden Regelungsansatz (umfassendes Verbot mit Ausnahmen) zu wählen. Eine kasuistische Aufzählung einzelner Orte wäre zwangsläufig unvollständig und daher nicht geeignet gewesen, das Ziel der Verhinderung einer exponentiellen Verbreitung von COVID-19 zu erreichen.
[…] Zusammenfassend besteht daher nach Ansicht des BMSGPK kein Zweifel an der Übereinstimmung der Verordnung BGBI. II 98/2020 mit der gesetzlichen Grundlage des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz.
[…] Zu behaupteten Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit (Art1 Abs1 PersFrBVG)
[…] Der Antragsteller behauptet eine Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit, da die Beschränkungen der Verordnung BGBl II Nr 98/2020 nicht im Sinne des Art2 Abs1 Z5 PersFrBVG an das Erfordernis einer tatsächlichen Infektion mit einer Krankheit geknüpft seien.
[…] Damit verkennt der Antragsteller die Rechtslage:
Der Schutzbereich des Art1 PersFrBVG und des Art5 EMRK erfasst nämlich nur qualifizierte Beschränkungen der persönlichen Freiheit in Form des Freiheitsentzugs. Den Betretungsverboten bzw -beschränkungen der Verordnung BGBl II Nr 98/2020 fehlt es aber an der dafür erforderlichen Allseitigkeit der Beschränkung (vgl VfSlg 3447 zu Art8 StGG: Voraussetzung, dass im Wege physischen Zwanges persönliche Ortsveränderungen entweder überhaupt unterbunden oder auf bestimmte, nach allen Seiten hin begrenzte Örtlichkeiten oder Gebiete, die nicht verlassen werden dürfen, eingeschränkt wird; dazu Kopetzki in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B‑VG, PersFrG Art1 Rz 21 ff). Bewegungsbeschränkungen, die den Aufenthalt an einem bestimmten Ort verhindern, sind kein Freiheitsentzug (Kopetzki, Unterbringungsrecht Bd I 253). Es liegt daher kein Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit vor.
[…] Soweit der Antragsteller behauptet, die Ausnahmetatbestände des §2 der Verordnung BGBl II Nr 98/2020 hätten ihm einen Ortswechsel zu seiner Wiener Mietwohnung unmöglich gemacht, verkennt er im Übrigen die Rechtslage: §2 Z3 der Verordnung BGBl. II 98/2020 erlaubte stets Betretungen zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, zu denen zweifelsfrei auch das Wohnbedürfnis gehört. Ein Ortswechsel an die eigene Mietwohnung war daher zu keinem Zeitpunkt untersagt.
[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf das COVID-19-Maßnahmengesetz
[…] Der Antragsteller behauptet, §2 COVID-19-Maßnahmengesetz verstoße gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art4 StGG, Art2 Abs1 4. ZPEMRK), gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 Abs1 B‑VG), gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) und gegen den Gleichheitssatz (Art7 B‑VG).
[…] Sofern der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des Antragstellers nicht für unzulässig hält […], ist dem Folgendes zu erwidern:
[…] Zur behaupteten Verletzung des Rechts auf persönliche Freizügigkeit (Art4 StGG, [S]Art2 Abs1 4 ZPEMRK)
[…] Der Antragsteller begründet die behauptete Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freizügigkeit im Wesentlichen damit, dass er eine hinreichende Bindung des Verordnungsgebers an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vermisst. Die Ausführungen des Antragstellers zielen damit inhaltlich auf den Vorwurf der fehlenden Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage im Hinblick auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit ab.
[…] Zunächst ist der Antragsteller darauf hinzuweisen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Wendung 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist' umfassend verankert ist. Zum Vorwurf der fehlenden Bestimmtheit verweist der BMSGPK zunächst sinngemäß auf die Stellungnahme der Bundesregierung zur Bestimmtheit des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G195/2020 und macht folgende ergänzende Äußerung:
[…] Abgesehen von der auch vom Antragsteller eingeräumten absoluten Befristung des COVID-19-Maßnahmengesetzes selbst wohnt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ('soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist') auch die Schranke einer zeitlichen Befristung der auf Grundlage des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz ergangenen Verordnung inne. Alle auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen können an diesem Maßstab gemessen und hinreichend präzise beurteilt werden. Nur der Vollständigkeit halber weist der BMSGPMK darauf hin, dass alle auf der Grundlage des COVID‑19-Maßnahmengesetzes erlassenen Verordnungen dem entsprechend eng zeitlich befristet waren.
Soweit der Antragsteller eine Parallele zu den sicherheitspolizeilichen Bestimmungen der §§36 und 36a SPG zieht, verkennt er die Besonderheiten der seuchenrechtlichen Regelungsmaterie (s dazu wieder die Ausführungen der Bundesregierung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G195/2020). Die nach SPG drohenden Gefahren durch gerichtliche Straftatbestände sind in keiner Weise mit jenen (im Übrigen noch unbekannter) übertragbarer Krankheiten und ihrer pandemischen Ausbreitung vergleichbar.
[…] Der Antragsteller moniert eine fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Evaluierung von Maßnahmen, zur Beiziehung von anderen verfassungsmäßig eingerichteten Organen bzw zur Einhaltung anderweitiger Konsultationsmechanismen.
Der Antragsteller spricht damit die Judikatur zur 'Legitimation durch Verfahren' an, wonach in Bereichen, in denen das Verwaltungshandeln inhaltlich nicht präzise festgelegt werden kann, ein Ausgleich durch besonders strenge Verfahrensvorschriften erzielt werden kann, um den Anforderungen aus Art18 B‑VG gerecht zu werden (vgl mwN VfSlg 17.854/2006). Dabei übersieht der Antragsteller wieder die Natur des seuchenrechtlichen Regelungsgegenstands. Typische Anwendungsfalle für eine 'Legitimation durch Verfahren' sind Regelungsbereiche, die durch eine finale Determinierung gekennzeichnet sind, also etwa das Planungsrecht (vgl zB VfSlg 14.041/1995; 14.256/1995, 12.687/1995), wobei der Verfassungsgerichtshof auch hier eine bloß formale Einbindung externer Stellen nicht genügen lässt (vgl VfSlg 14.041/1995). Ebenso können enge Verfahrensvorschriften in Bereichen ausgleichend wirken, in denen es einen Stand der Wissenschaft zu ermitteln gilt (vgl VfSlg.14.941/1997 betreffend die Festlegung von Hunderassen).
All diesen Bereichen wohnt vor allem nicht die besondere Dringlichkeit und Gefahrenlage inne, die das Seuchenrecht prägt (vgl dazu wieder die Stellungnahme der Bundesregierung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G195/2020). Dem Verordnungsgeber vor dem Hintergrund einer sich pandemisch und exponentiell verbreitenden Krankheit die zwingende Beiziehung anderer Organe vorzuschreiben, nähme ihm vor diesem Hintergrund die erforderliche Flexibilität im Umgang mit einer Pandemie dieses Ausmaßes. Dies wird in Ansehung der epidemiologischen Situation zum Zeitpunkt der Erlassung der beiden auf die §§1 und 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnungen besonders deutlich, hätte hier eine Verzögerung von auch nur einem Tag drastische Auswirkungen auf den Infektionsanstieg gehabt.
Mit der Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ('soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist') ist nach Ansicht des BMSGPK die vom Antragsteller ins Treffen geführte Pflicht zur einem Vorgehen auf entsprechend fundierter wissenschaftlicher Basis und zur entsprechenden Evaluierung hinreichend gesetzlich grundgelegt. Sämtliche Verordnungen des BMSGPK wurden diesen Anforderungen im Übrigen gerecht, zumal sie als eng zeitliche befristete Regelungen stets auf ihre Erforderlichkeit hin überprüft und bewertet wurden […].
Was die vom Antragsteller genannten zusätzlichen Rechtsschutzmöglichkeiten betrifft, verweist der BMSGPK auf das aktionengebundene Rechtsschutzsystem der Verfassung hin. Zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine Verordnung hätten einer diesbezüglichen Änderung des B‑VG bedurft.
[…] Im Übrigen verweist der BMSGPK zur Frage der Konformität des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz mit dem Grundrecht auf Freizügigkeit gemäß Art4 StGG, Art6 StGG, Art2 4. ZPEMRK auf die Stellungnahme der Bundesregierung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G180/2020.
[…] Zum Vorwurf der fehlenden Bestimmtheit des COVID-19-Maßnahmengesetz (Art18 B‑VG)
[…] Der Antragsteller moniert angesichts der Eingriffsintensität des §2 COVID-19-Maßnahmengesetzes eine fehlende Bestimmtheit im Lichte des Art18 B‑VG.
[…] Zu dieser Frage verweist der BMSGPK abermals sinngemäß auf die Ausführungen der Bundesregierung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G195/2020.
[…] Zur behaupteten Verletzung der Eigentumsfreiheit (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK), der Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) und des Gleichheitssatzes (Art7 B‑VG)
[…] Der Antragsteller behauptet eine Verletzung der Grundrechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums, der Erwerbsfreiheit und des Sachlichkeitsgebots, da §2 COVID-19-Maßnahmengesetz 'auf unverhältnismäßige Weise Befugnisse zum Eingriff in Grundrechte an den Verordnungsgeber delegiert'.
[…] Auch dieser Vorwurf ist inhaltlich als solcher gegen die Bestimmtheit der Norm zu verstehen, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die [oben dargestellten] Ausführungen […] verwiesen wird.
[…] Nur der Vollständigkeit halber sei erneut darauf hingewiesen, dass die §§1 iVm 2 Z3 der Verordnung BGBl II Nr 98/2020 einem Ortswechsel in die Mietwohnung des Antragstellers nicht entgegen gestanden sind, weshalb diesbezüglich kein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit vorliegt.
[…] Zusammenfassend überschreitet die Verordnung BGBl II Nr 98/2020 nach Ansicht des BMSGPK weder die gesetzliche Grundlage des §2 COVID-19-Maßnahmengesetz, noch treffen die Bedenken gegen §2 COVID-19-Maßnahmengesetz zu."
3. In der Äußerung der Bundesregierung im Verfahren zur Zahl G195/2020, auf die der BMSGPK in seiner Äußerung verwiesen und die er dieser beigelegt hat, heißt es auszugsweise wie folgt (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art18 B‑VG):
[…] Die Antragstellerin behauptet, dass §1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes den Anforderungen des Art18 B‑VG nicht gerecht werde, weil dadurch dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz 'eine in keiner Weise an konkrete, nachvollziehbare und nachkontrollierbare Voraussetzungen gebundene Ermächtigung zu Betriebsschließungen in unbegrenztem Umfang erteilt' werde. Damit werde de facto ein Regieren mittels Notverordnungen ermöglicht.
[…] Es ist jedoch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verfassungsgesetzlich zulässig, dass die Gesetzgebung den Organen der Vollziehung in Bezug auf die von ihnen zu erlassenden Rechtsakte Ermessen einräumt (vgl zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass die Gesetzgebung bei der Umschreibung der Kriterien, die für die Vollziehung zu beachten sind, auf unbestimmt Gesetzesbegriffe zurückgreift, wodurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf genommen werden, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich im Einklang mit Art18 Abs1 B‑VG.
[…] Dieser der Gesetzgebung zukommende Spielraum, der Vollziehung einen Raum zu situationsbedingten Regelungen zu überlassen, wurde hier nach Ansicht der Bundesregierung nicht überschritten: Das Seuchenrecht dient der Beherrschung bedrohlicher Gefahrensituationen in potenziell großem Ausmaß, die rascher und der jeweiligen Krankheitsentwicklung angemessener Maßnahmen bedürfen. Es ist geprägt von der Reaktion auf vornehmlich medizinisch-epidemiologische, im Falle neu auftretender Krankheiten zudem unvorhersehbare Entwicklungen. Eine weitere Besonderheit des seuchenrechtlichen Regelungsgegenstands liegt im grundrechtlichen Spannungsfeld, in dem es sich bewegt: So stehen den empfindlichen Grundrechtsbeschränkungen durch seuchenpolizeiliche Maßnahmen die gewichtigen Grundrechte auf Gesundheit und Leben entgegen. Welches Gewicht den gegenläufigen Grundrechten im Rahmen der erforderlichen Güterabwägung jeweils zukommt, hängt aber gerade von den dargelegten dynamischen, äußeren Faktoren ab.
[…] Gerade im Seuchenrecht bedarf es daher im Hinblick auf die Anforderungen des Art18 B‑VG einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem rechtsstaatlichen Anliegen der Vorherbestimmtheit und der Bewahrung der — auch im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips grundrechtlich erforderlichen — Flexibilität für die Verwaltungsbehörden (zum Erfordernis flexibler Handlungsspielräume vgl Kopetzki, Der Rechtsstaat funktioniert sehr gut, CuRe 2020/21; vgl in diesem Sinn auch allgemein Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 Rz 610). Auch das Anliegen der Rechtssicherheit kann nicht dazu führen, dass den Verwaltungsbehörden eine Flexibilität vorenthalten wird, die eine sinnvolle Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ermöglicht, oder dass die Gesetzgebung zu extremer Kasuistik oder gar zu einem Regelungsverzicht verhalten wird (vgl Rill in Rill/Schäffer, Kommentar zum B‑VG, Art18 B‑VG Rz. 56). Zwar ist das COVID-19-Maßnahmengesetz auf eine bestimmte Krankheit abgestimmt, nämlich die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen; doch ist es auch für die Verhinderung der Verbreitung dieser Krankheit erforderlich, der Behörde Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, insb. auf aktuelle Entwicklungen (wie etwa der Fallzahlen) möglichst rasch zu reagieren. Dass diese Möglichkeit praktisch auch erforderlich ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die auf Grund des COVID‑19-Maßnahmengesetzes gesetzten Rechtsakte bereits mehrfach geändert und der jeweils aktuellen Situation der Verbreitung der Krankheit angepasst wurden. […]"
4. In der Äußerung der Bundesregierung im Verfahren zur Zahl G180/2020, auf die der BMSGPK in seiner Äußerung verwiesen und die er dieser ebenfalls beigelegt hat, heißt es auszugsweise wie folgt (ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens sowie auf Freiheit des Aufenthalts (Art4 StGG, Art6 StGG, Art2 4. ZP EMRK):
[…] Die Antragstellerin bringt unter Berufung auf Art4 StGG, Art6 StGG und das 4. ZP EMRK auf das Wesentliche zusammengefasst vor, dass die angefochtenen Bestimmungen eine nicht gebotene Beschränkung der 'persönlichen Freiheit' darstellen würden, da für den Fall einer Epidemie die erforderlichen Maßnahmen bereits im Epidemiegesetz 1950 in ausreichendem Maße geregelt seien.
[…] Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gewährt Art4 Abs1 StGG die Bewegungsfreiheit von Person und Vermögen im Sinne eines beliebigen Aufenthalts- und Ortswechsels innerhalb des Staatsgebiets. Allerdings ist dieses Recht nur 'im Rahmen der Rechtsordnung [garantiert], wobei unsachliche, durch öffentliche Rücksicht nicht gebotene Einengungen dieses Schutzes durch das Gleichheitsgebot verhindert werden' (VfSlg 2611/1953, 3248/1957, 8373/1978, 13.097/1992; ausdrücklich auf 'Seuchenbekämpfungsmaßnahmen' Bezug nehmend VfSlg 3447/1958).
Gemäß Art6 Abs1 StGG hat jeder Staatsbürger das Recht, an jedem Ort des Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, dh dort 'dauernd zu wohnen oder sich dort selbst nur vorübergehend aufzuhalten' (VfSlg 3248/1957, 9123/1981, 13.501/1993). Juristischen Personen ist durch diese Bestimmung die Befugnis eingeräumt, 'ihren Sitz frei zu wählen' (VfSlg 8968/1980). Gesetzliche Regelungen verstoßen dann dagegen, wenn sie, obzwar nicht auf einen intentionalen Eingriff gerichtet, unverhältnismäßig sind (siehe Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12, 2019, Rz. 807).
Gemäß Art2 4. ZP EMRK darf das Recht eines Menschen, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen, nur bestimmten gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden, zu denen auch ausdrücklich der Schutz der Gesundheit gehört. […]"
IV. Erwägungen
A. Zur Zulässigkeit
1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).
2. Der Antrag auf Aufhebung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 zur Gänze ist unzulässig:
2.1. Gemäß §57 Abs1 dritter Satz VfGG ist in einem Antrag nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG darzutun, inwieweit die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden ist. Diesem Erfordernis gemäß §57 Abs1 VfGG wird der vorliegende (Haupt-)Antrag auf Aufhebung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 zur Gänze nicht gerecht.
Die angefochtene Verordnung enthält mehrere unterschiedliche (Untersagungs‑)Tatbestände. So untersagt §1 das Betreten öffentlicher Orte; §2 nimmt bestimmte Betretungen vom Verbot aus. §3 begründet ein Betretungsverbot von Kuranstalten und Rehabilitationseinrichtungen samt Ausnahmen. §4 beschränkt die Benützung von Massenbeförderungsmitteln. §5 verbietet das Betreten von Sportplätzen. §6 verpflichtet zur Glaubhaftmachung von Gründen für ein ausnahmsweise zulässiges Betreten gemäß §2 im Fall einer Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. §7 regelt schließlich das In- bzw Außerkrafttreten der Verordnungsbestimmungen.
2.2. Der Antragsteller hat in seinem Antrag nicht dargetan, dass er von sämtlichen Tatbeständen der angefochtenen Verordnung, insbesondere auch jenen der §§3 und 5 betreffend Kuranstalten, Rehabilitationseinrichtungen und Sportplätzen, unmittelbar betroffen ist; dies ist auch für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Da es sich bei diesem Mangel um kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis handelt (vgl §18 VfGG und VfSlg 15.342/1998 mwN), ist der (Haupt-)Antrag auf Aufhebung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
3. Mit seinem Eventualantrag begehrt der Antragsteller die Aufhebung der §§1, 2 und 4 sowie wegen untrennbaren Zusammenhanges des §6 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020. Dieser Eventualantrag ist zulässig:
3.1. Durch §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 wird dem Antragsteller das Betreten öffentlicher Orte grundsätzlich untersagt, wobei §2 der Verordnung Ausnahmen nur für bestimmte Fälle vorsieht. §4 der angefochtenen Verordnung schließt die Benützung von Massenbeförderungsmitteln für Betretungen nach §2 Z5 der Verordnung aus. Der Antragsteller hat unter anderem vorgebracht, über zwei Wohnsitze in 100 Kilometern Entfernung, aber über kein Kraftfahrzeug zu verfügen; die Gründe zur Benützung von Massenbeförderungsmitteln nach §4 iVm §2 Z1 bis 4 der Verordnung lägen nicht vor, zumal ihm sein Arbeitgeber "Home-Office" verfügt habe. Die §§1, 2 und 4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 greifen daher unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein; §6 der Verordnung steht mit diesen Bestimmungen in Zusammenhang. Im Hinblick auf die Verwaltungsstrafdrohung des §3 Abs3 COVID‑19-Maßnahmengesetz steht ihm auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die behauptete Rechtswidrigkeit des Eingriffes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
3.2. Dass der Antragsteller sämtliche angefochtenen Bestimmungen (§§1, 2, 4 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98) mit der zum Zeitpunkt der Antragstellung aktuellen Fassung BGBl II 108/2020 bezeichnet (auch wenn §1 der Verordnung seit der Stammfassung BGBl II 98/2020 und die §§4 und 6 seit BGBl II 107/2020 nicht mehr geändert wurden), führt für sich allein nicht zur Unzulässigkeit des Antrages. Dem in §57 Abs1 erster Satz VfGG festgelegten Erfordernis einer genauen und eindeutigen Bezeichnung der als gesetzwidrig aufzuhebenden Verordnungsbestimmungen ist mit der wörtlichen Wiedergabe der Bestimmungen im Antrag Genüge getan (vgl zB VfSlg 19.616/2012, 20.038/2016, 20.167/2017).
3.3. Entgegen der Auffassung des BMSGPK ist in einer Konstellation wie der vorliegenden der Antrag auch nicht deswegen mangels aktueller Betroffenheit unzulässig, weil die angefochtenen Bestimmungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten sind:
3.3.1. Aus dem Wortlaut des Art139 Abs1 Z3 B‑VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen müssen (siehe statt vieler zu Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995; zu Gesetzesbestimmungen VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.214/1992, 13.397/1993).
Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl für Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.413/1990, 12.756/1991, 12.877/1991, 14.712/1996, 14.755/1997, 15.852/2000, 16.139/2001, 19.391/2011; für Gesetzesbestimmungen VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007; VfGH 6.3.2019, G318/2018), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind und damit das Ziel des Art139 Abs1 Z3 B‑VG schon erreicht ist (zB VfSlg 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009; 15.491/1999, 19.391/2011). Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berühren (vgl zB VfSlg 16.581/2002, 18.235/2007; 10.313/1984, 15.888/2000, 17.798/2006; allgemein auch zB 15.116/1998, 17.826/2006; 12.976/1992). Solches hat der Verfassungsgerichtshof bislang insbesondere dann angenommen, wenn es sich um einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen Anspruch handelt (VfSlg 16.581/2002) oder wenn die außer Kraft getretene Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers weiterhin etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraums der Geltung abgeschlossen hat, unmittelbar berührt (VfSlg 12.976/1992).
Insbesondere erachtet der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Wirksamkeit angefochtener Verordnungsbestimmungen und damit die Antragslegitimation ungeachtet des Umstandes, dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, bei zeitraumbezogenen Regelungen für gegeben, weil diese für den entsprechenden Zeitraum weiterhin anzuwenden sind (siehe VfSlg 10.820/1986 sowie insbesondere die Rechtsprechung zu sogenannten Systemnutzungstarifen im Energierecht VfSlg 15.888/2000, 15.976/2000, 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.840/2013).
3.3.2. Wie Art139 Abs4 (und ebenso Art140 Abs4) B‑VG deutlich macht, kann bzw muss dem Rechtsschutzziel eines Antrages nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG in bestimmten Konstellationen auch durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren.
Die vom Antragsteller bekämpften Verordnungsbestimmungen sind Teil eines gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungssystems, das zur Bewältigung einer krisenhaften Situation, der Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie und ihrer Auswirkungen, dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen für die Verwaltung erlassen hat, auf die Verordnungen gestützt werden, die Ge- und Verbote enthalten, die unmittelbar (verfassungsgesetzlich gewährleistete) Rechte einschränken und die Nichteinhaltung dieser Anordnungen unter Strafe stellen. Anlass und Zielsetzung dieses Regelungssystems verlangen von der Vollziehung eine laufende Beobachtung und Anpassung ihrer Maßnahmen, was eine rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen bewirkt.
Ein Antrag nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG soll (wie auch ein solcher nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG) Rechtsschutz gewährleisten, wenn dieser gegen individuelle Rechtseingriffe durch (Gesetzes- oder) Verordnungsbestimmungen sonst nicht oder nur auf unzumutbarem Weg (zur diesbezüglichen Subsidiarität des Individualantrages vgl Rohregger, Art140 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 163) erlangt werden kann. Insofern hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach festgestellt, dass der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin gipfelt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet (VfSlg 11.196/1986, 16.245/2001).
Dem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in seine (Grund‑)Rechtssphäre, den zunächst hinzunehmen er unter Strafsanktion verpflichtet ist, recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte, kann angesichts des Umstandes, dass ansonsten Rechtsschutz nur bei Setzen einer strafbaren Handlung zu erlangen (gewesen) wäre, nur in einem Verfahren nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den kurzen Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden sind (vgl das von einem ähnlichen Rechtsschutzgedanken getragene System der Maßnahmenbeschwerde oder die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Versammlungsuntersagungen, zB VfSlg.20.312/2019), bewirkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtssphäre des Antragstellers auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt wird, und begründet – noch (vgl VfSlg 10.819/1986, 11.365/1987) – die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind.
3.3.3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 sind zwar mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten (§§1 und 6) bzw mit Verordnung BGBl II 148/2020 wesentlich geändert worden (§§2 und 4). Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen greifen sie dennoch unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein und beeinträchtigen seine rechtlich geschützten Interessen auch noch aktuell. Dem Antragsteller steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, seine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
3.4. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (siehe nur VfSlg 20.161/2017 mwN), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
3.4.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bilden. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle etwa als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 17.512/2005, 19.413/2011, 20.161/2017).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
3.4.2. Der Antragsteller erhebt Bedenken gegen §§1, 2 und 4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98. Mit diesen Bestimmungen steht der ebenfalls angefochtene §6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 in einem Regelungszusammenhang. Damit erweist sich der Eventualantrag als zulässig.
3.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Eventualantrag auf Aufhebung der §§1 (idF BGBl II 98/2020), 2 (idF BGBl II 108/2020), 4 und 6 (idF BGBl II 107/2020) COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 als zulässig.
B. In der Sache
1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Verordnungsermächtigung:
2.1. Der Antragsteller bringt zunächst Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage der angefochtenen Verordnungsbestimmungen vor. §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz enthalte eine im Hinblick auf Art18 Abs2 B‑VG zu unbestimmte und – im Hinblick auf grundrechtliche Anforderungen, insbesondere diejenigen aus den Freizügigkeitsgarantien des Art2 4. ZPEMRK und Art4 Abs1 StGG, weiters auch des Grundrechtes auf persönliche Freiheit, auf Unversehrtheit des Eigentums, der Erwerbsfreiheit, des Rechtes auf Achtung des Familienlebens und des Gleichheitsgrundsatzes – zu weitreichende Ermächtigung an den Verordnungsgeber.
Ermächtige, wie im vorliegenden Fall, ein Gesetz zu schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, wie sie §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz ermögliche, müsse in einem derart eingriffsnahen Bereich der Verordnungsinhalt bereits im Gesetz entsprechend konkret determiniert sein. Diesen gesteigerten Bestimmtheitserfordernissen sei der Gesetzgeber in §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz nicht nachgekommen. Das Gesetz lege weder fest, ab welchem Verbreitungsgrad von COVID‑19 Betretungsverbote erlassen werden dürfen, noch würden Kriterien vorgegeben, anhand derer die Erforderlichkeit für derartige Maßnahmen zu beurteilen sei. Auch würden keine Grenzen aufgezeigt, ab wann nicht mehr vom Auftreten von COVID-19 gesprochen werden könne. Eine marginale Auftretenswahrscheinlichkeit – es sei davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren immer wieder einzelne Fälle von COVID-19 auftreten würden – könne nicht ausreichen, um weitreichende Einschränkungen vorzusehen. Dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Erforderlichkeit derart eingriffsintensiver Maßnahmen völlig die Einschätzungsprärogative zu überlassen, sei verfassungsrechtlich nicht zulässig.
§2 COVID‑19-Maßnahmengesetz räume – je nach räumlicher Ausdehnung der Maßnahme – dem BMSGPK, dem Landeshauptmann oder der Bezirksverwaltungsbehörde die Möglichkeit ein, durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten zu untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Damit werde die Möglichkeit geschaffen, die persönliche Freizügigkeit im Bedarfsfall durch Verordnung weitreichend einzuschränken. Derartige Einschränkungen seien aber insbesondere mit Blick auf den materiellen Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs3 4. ZPEMRK nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Zwar sei nicht grundsätzlich in Frage zu stellen, dass Betretungsverbote, mögen sie auch große Teile des Staatsgebietes umfassen, unter dem Blickwinkel des Rechtes auf persönliche Freizügigkeit verhältnismäßige Maßnahmen zur Eindämmung von COVID‑19 sein können. Bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen könne die Verhältnismäßigkeit aber nur dann bejaht werden, wenn der Gesetzgeber zusätzliche rechtsstaatliche Sicherungsmechanismen vorsehe.
Diese könnten inhaltlicher oder verfahrensrechtlicher Natur sein. Als inhaltliche Schranke käme etwa die Befristung von Maßnahmen in Frage, aus §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz lasse sich aber keine Befristungsverpflichtung der im Verordnungsweg zu erlassenden Betretungsverbote ableiten. Demgegenüber seien beispielsweise Platzverbote nach §36 Abs4 SPG zwingend örtlich und zeitlich zu beschränken, womit die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit positiviert werde. Ohne derartige Begrenzungen verlagere der Gesetzgeber einen unverhältnismäßigen Handlungsspielraum zur Verwaltung. Verfahrensrechtlich kämen etwa die Verpflichtung zur Evaluierung von Maßnahmen, die Beiziehung von anderen verfassungsmäßig eingerichteten Organen (etwa des Hauptausschusses des Nationalrates), anderweitige Konsultationsmechanismen oder zusätzliche Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene in Frage. Auch derartige Schranken sehe §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz nicht vor. Schließlich berücksichtige die Bestimmung auch nicht die notwendige Abwägung zwischen der Eingriffsintensität in andere Grundrechte einerseits und der Zielerreichung andererseits. Das Fehlen derartiger Garantien führe dazu, dass §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz dem Verordnungsgeber die Möglichkeit eröffne, verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte wie das auf persönliche Freizügigkeit unverhältnismäßig einzuschränken. §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz räume dem Verordnungsgeber somit auf inadäquate Weise weitreichende Befugnisse zum Eingriff in Grundrechte ein. Damit halte die Regelung auch dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot nicht stand.
2.2. Der BMSGPK hält diesen Bedenken grundsätzlich entgegen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Wendung "soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist" in §2 COVID-19-Maßnahmengesetz umfassend verankert sei. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ("soweit dies […]") wohne auch die Schranke einer zeitlichen Befristung der auf Grundlage des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz ergangenen Verordnungen inne. Alle auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen könnten an diesem Maßstab gemessen und hinreichend präzise beurteilt werden. Dementsprechend seien auch alle auf der Grundlage des COVID‑19-Maßnahmengesetzes erlassenen Verordnungen entsprechend zeitlich eng befristet. Soweit der Antragsteller eine Parallele zu den sicherheitspolizeilichen Bestimmungen der §§36 und 36a SPG ziehe, verkenne er die Besonderheiten der seuchenrechtlichen Regelungsmaterie. Die nach dem SPG drohenden Gefahren durch gerichtliche Straftatbestände seien in keiner Weise mit jenen (im Übrigen noch unbekannter) übertragbarer Krankheiten und ihrer pandemischen Ausbreitung vergleichbar.
Wenn der Antragsteller, indem er fehlende gesetzliche Verpflichtungen zur Evaluierung von Maßnahmen, zur Beiziehung von anderen verfassungsmäßig eingerichteten Organen bzw zur Einhaltung anderweitiger Konsultationsmechanismen moniere, die Judikatur zur "Legitimation durch Verfahren" anspreche, wonach in Bereichen, in denen das Verwaltungshandeln inhaltlich nicht präzise festgelegt werden könne, ein Ausgleich durch besonders strenge Verfahrensvorschriften erzielt werden könne, um den Anforderungen des Art18 B‑VG gerecht zu werden, übersehe er die Natur des seuchenrechtlichen Regelungsgegenstandes. Typische Anwendungsfälle für eine "Legitimation durch Verfahren" seien Regelungsbereiche, die durch eine finale Determinierung gekennzeichnet sind, also etwa das Planungsrecht, wobei der Verfassungsgerichtshof auch hier eine bloß formale Einbindung externer Stellen nicht genügen lasse. Ebenso könnten Verfahrensvorschriften in Bereichen ausgleichend wirken, in denen es einen Stand der Wissenschaft zu ermitteln gelte. All diesen Bereichen wohne aber nicht die besondere Dringlichkeit und Gefahrenlage inne, die das Seuchenrecht präge. Dem Verordnungsgeber vor dem Hintergrund einer sich pandemisch und exponentiell verbreitenden Krankheit die zwingende Beiziehung anderer Organe vorzuschreiben, nehme ihm vor diesem Hintergrund die erforderliche Flexibilität im Umgang mit einer Pandemie dieses Ausmaßes. Dies werde in Ansehung der epidemiologischen Situation zum Zeitpunkt der Erlassung der beiden, auf §§1 und 2 COVID‑19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnungen besonders deutlich, hätte hier eine Verzögerung von auch nur einem Tag doch drastische Auswirkungen auf den Infektionsanstieg gehabt.
Mit der Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ("soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist") sei nach Ansicht des BMSGPK die vom Antragsteller ins Treffen geführte Pflicht zu einem Vorgehen auf entsprechend fundierter wissenschaftlicher Basis und zur entsprechenden Evaluierung hinreichend gesetzlich grundgelegt. Sämtliche Verordnungen des BMSGPK würden diesen Anforderungen im Übrigen gerecht, zumal sie als befristete Regelungen stets auf ihre Erforderlichkeit hin überprüft und bewertet würden.
2.3. §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz entspricht angesichts seines spezifischen Regelungsgegenstandes den verfassungsrechtlichen Determinierungsanforderungen, wie sie sich aus Art18 Abs2 B‑VG ergeben:
2.3.1. Die angefochtenen Bestimmungen der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 sind auf Grund des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz ergangen, der nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine lex specialis gegenüber §24 EpidemieG ist. §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz ermächtigt in Z1 den BMSGPK, durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten zu untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist, wenn sich die Anwendung dieser Verordnung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.
Auf dieser Grundlage untersagt der angefochtene §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 zunächst grundsätzlich das Betreten öffentlicher Orte. §2 nimmt bestimmte Betretungen vom Verbot gemäß §1 der Verordnung aus. Mit diesen angefochtenen Regelungen der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 (§1 der Verordnung ist mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten, §2 in der angefochtenen Fassung ist mit Verordnung BGBl II 148/2020 wesentlich geändert worden, sodass es im Weiteren auf die angefochtene Bestimmung in der Fassung BGBl II 108/2020 ankommt) stehen §4 der Verordnung in der Fassung BGBl II 107/2020 (diese Bestimmung ist mit der Verordnung BGBl II 148/2020 wesentlich abgeändert worden) und §6 der Verordnung (der wiederum mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten ist) im Zusammenhang.
2.3.2. Die Verordnungsermächtigung des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz determiniert den BMSGPK als verordnungserlassende Behörde in mehrfacher Hinsicht:
Das COVID‑19-Maßnahmengesetz ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine krisenhafte Situation durch das Auftreten des Coronavirus SARS-CoV-2 und die dadurch ausgelöste Coronavirus-Krankheit COVID-19. Betretungsverbote nach §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz haben – gemeinsam mit einer Reihe weiterer staatlicher Maßnahmen in unterschiedlichen Rechtsformen und auf unterschiedlichen Ebenen – den Gesundheitsschutz durch Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur zum Ziel.
Krisenhafte Situationen wie die vorliegende sind dadurch gekennzeichnet, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Ursache, Auswirkungen und Verbreitung der Krankheit unter erheblichem Zeitdruck und insofern unter Unsicherheitsbedingungen getroffen werden müssen, als Wissen darüber zu einem großen Teil erst nach und nach gewonnen werden kann und Auswirkungen wie Verbreitung von COVID‑19 notwendig einer Prognose unterliegen.
Auch in solchen Situationen leitet, wie sonst, die Bundesverfassung Gesetzgebung und Verwaltung bei Maßnahmen zu ihrer Bewältigung insbesondere durch das Legalitätsprinzip des Art18 B‑VG sowie die durch ein System verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte gebildete Grundrechtsordnung. Das Legalitätsprinzip stellt Anforderungen an die gesetzliche Bindung der Verwaltung bei ihren Maßnahmen zur Krisenbekämpfung. Die Grundrechtsordnung gewährleistet, dass in den notwendigen Abwägungsprozessen mit öffentlichen Interessen die in einer liberalen Verfassungsordnung wesentlichen Interessen des Einzelnen berücksichtigt und die beteiligten Interessen angemessen ausgeglichen werden, auch wenn, wie in der vorliegenden Situation, die öffentlichen Interessen auf grundrechtlich geschützten Interessen basieren, die den Staat auch zum Handeln verpflichten.
Nach Art18 Abs2 B‑VG kann der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber Abwägungs- und Prognosespielräume einräumen und, solange die wesentlichen Zielsetzungen, die das Verwaltungshandeln leiten sollen, der Verordnungsermächtigung in ihrem Gesamtzusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sind, die situationsbezogene Konkretisierung des Gesetzes dem Verordnungsgeber überlassen (vgl VfSlg 15.765/2000). Es kommt auf die zu regelnde Sache und den Regelungszusammenhang an, welche Determinierungsanforderungen die Verfassung an den Gesetzgeber stellt (VfSlg 19.899/2014 mwN). In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof auch mehrfach ausgesprochen, dass der Grundsatz der Vorherbestimmung verwaltungsbehördlichen Handelns nicht in Fällen überspannt werden darf, in denen ein rascher Zugriff und die Berücksichtigung vielfältiger örtlicher und zeitlicher Verschiedenheiten für eine sinnvolle und wirksame Regelung wesensnotwendig sind, womit auch eine zweckbezogene Determinierung des Verordnungsgebers durch unbestimmte Gesetzesbegriffe und generalklauselartige Regelungen zulässig ist (vgl VfSlg 17.348/2004 mwN). Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass in einschlägigen Konstellationen der Normzweck auch gebieten kann, dass eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung dringend erforderliche – unter Umständen unter erleichterten Voraussetzungen zustande gekommene – Maßnahme dann rechtswidrig wird und aufzuheben ist, wenn der Grund für die Erlassung fortfällt (siehe VfSlg 15.765/2000).
Überlässt der Gesetzgeber im Hinblick auf bestimmte tatsächliche Entwicklungen dem Verordnungsgeber die Entscheidung, welche aus einer Reihe möglicher, unterschiedlich weit gehender, aber jeweils Grundrechte auch intensiv einschränkender Maßnahmen er seiner Prognose zufolge und in Abwägung der betroffenen Interessen für erforderlich hält, hat der Verordnungsgeber seine Entscheidung auf dem in der konkreten Situation zeitlich und sachlich möglichen (vgl VfSlg 15.765/2000) und zumutbaren Informationsstand über die relevanten Umstände, auf die das Gesetz maßgeblich abstellt, und nach Durchführung der gebotenen Interessenabwägung zu treffen. Dabei muss er diese Umstände ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren entsprechend festhalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten (darauf hat der Verfassungsgerichtshof bereits in mehrfachem Zusammenhang abgestellt, vgl VfSlg 11.972/1989, 17.161/2004, 20.095/2016). Determiniert das Gesetz die Verordnung inhaltlich nicht so, dass der Verordnungsinhalt im Wesentlichen aus dem Gesetz folgt, sondern öffnet es die Spielräume für die Verwaltung so weit, dass ganz unterschiedliche Verordnungsinhalte aus dem Gesetz folgen können, muss der Verordnungsgeber die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden kann, ob die konkrete Verordnungsregelung dem Gesetz in der konkreten Situation entspricht (das ist der Kern der Judikatur, derzufolge das Gesetz in einem Ausmaß bestimmt sein muss, "daß jeglicher Vollziehungsakt am Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit hin gemessen werden kann", siehe zB VfSlg 12.133/1989). Insofern unterscheiden sich demokratische Gesetzgebung und generell abstrakte Rechtssetzung durch die Verwaltung im Wege von Verordnungen nach Art18 Abs2 B‑VG. Die Determinierungswirkungen und damit die rechtsstaatliche und demokratische Bestimmung des Verordnungsgebers durch Art18 Abs2 B‑VG zielen auf eine entsprechende Bindung bei der konkreten Verordnungserlassung ab.
2.3.3. Während §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz Betretungsverbote "von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten" zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder von Arbeitsorten vorsieht, ermächtigt §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz den Verordnungsgeber (nur) dazu, das Betreten "von bestimmten Orten" zu untersagen. Diese Betretungsverbote bezwecken, die persönlichen Kontakte von Menschen einzudämmen, um Ansteckungen mit und damit die Verbreitung von COVID‑19 möglichst zu verhindern. Während die Betretungsverbote des §1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz jene persönlichen Kontakte von Menschen vor Augen haben, die entstehen, wenn Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte aufgesucht werden, und damit jene Orte, an denen Menschen regelmäßig in größerer Zahl zusammentreffen, ergänzt §2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz dies um eine Ermächtigung zur Erlassung von Betretungsverboten für jene "bestimmten Orte", an denen Menschen typischerweise miteinander auch sonst in persönlichen Kontakt treten. Das COVID‑19-Maßnahmengesetz trägt mit §2 somit dem Umstand Rechnung, dass es neben den durch §1 erfassten Betriebsstätten und Arbeitsorten auch eine Reihe weiterer Orte gibt, an denen Menschen in größerer Anzahl zusammenkommen und von denen damit im Hinblick auf COVID‑19 vergleichbare Gefahren der Ansteckung und damit der Verbreitung dieser Krankheit ausgehen. Dies machen auch die Erläuterungen zu §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz deutlich, wenn sie ausführen (IA 396/A 27. GP , 11):
"
Es soll auch die Möglichkeit bestehen, das Betreten bestimmter Orte zu untersagen. Dies können etwa Kinderspielplätze, Sportplätze, See- und Flussufer oder konsumfreie Aufenthaltszonen sein. Diese Orte können in der Verordnung abstrakt ('Kinderspielplätze', 'Sportplätze') oder durch eine genaue Ortsangabe (zB betreffend bestimmte konsumfreie Zonen, Ortsgebiete, Gemeinden) oder eine Kombination aus beidem (Kinderspielplätze in einem bestimmten Bundesland) umschrieben werden."
Damit gibt das Gesetz nicht nur den Zweck eines Betretungsverbotes nach §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz konkret vor, es enthält auch Anhaltspunkte dafür, was das Charakteristikum jener "bestimmten Orte" ist, für die der Verordnungsgeber entsprechende Betretungsverbote anordnen kann.
Die gesetzliche Ermächtigung des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz ist damit von vornherein dahingehend begrenzt, dass mit der Ermächtigung, das Betreten bestimmter Orte zu untersagen, nur das Zusammentreffen von Menschen eben an bestimmten Orten unterbunden werden kann. §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz geht also vom Grundsatz der Freizügigkeit (siehe dazu noch unten Punkt 2.4.) aus und ermächtigt den Verordnungsgeber dazu, diese Freizügigkeit durch Betretungsverbote bestimmter Orte einzuschränken, wobei das Gesetz auch deutlich macht, welche Merkmale diese Orte, deren Betreten der Verordnungsgeber zum Zweck der Verhinderung von COVID‑19 untersagen kann, aufweisen müssen, nämlich, dass die Nutzung dieser Orte zum persönlichen Zusammentreffen mehrerer Menschen außerhalb der eigenen Wohnung führt.
Der Verordnungsgeber kann dabei die Orte, deren Betreten er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 untersagt, konkret oder abstrakt umschreiben, er kann für Außenstehende auch, wie die Erläuterungen deutlich machen, das Betreten regional begrenzter Gebiete wie Ortsgebiete oder Gemeinden untersagen; es ist ihm aber verwehrt, durch ein allgemein gehaltenes Betretungsverbot des öffentlichen Raumes außerhalb der eigenen Wohnung (im weiten Sinn des Art8 EMRK) ein – wenn auch entsprechend der räumlichen Ausdehnung der Verordnung gemäß §2 Z2 oder 3 COVID‑19-Maßnahmengesetz regional begrenztes – Ausgangsverbot schlechthin anzuordnen. Damit ist die gesetzliche Ermächtigung des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz dahingehend begrenzt, dass das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden darf, nicht aber, dass Menschen auf Grundlage des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz dazu verhalten werden können, an einem bestimmten Ort, insbesondere auch in ihrer Wohnung, zu verbleiben. §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz ermächtigt mithin zu auch durchaus weitreichenden Eingriffen in die Freizügigkeit der Menschen, keinesfalls aber zu Anordnungen, die als Eingriff in die persönliche Freiheit zu qualifizieren wären (womit die diesbezüglichen Bedenken des Antragstellers von vornherein nicht zutreffen).
Weiters ordnet das Gesetz an, dass der Verordnungsgeber dieses Betretungsverbot im Hinblick auf den Zweck der Maßnahme nach Art und Ausmaß differenziert auszugestalten hat, je nachdem, inwieweit er es in einer Gesamtabwägung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 für erforderlich hält, das Betreten von bestimmten Orten zu untersagen oder deren Betreten unter zeitliche Beschränkungen oder bestimmte Voraussetzungen oder Auflagen zu stellen. Damit überträgt der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, ob und wieweit er zur Verhinderung von COVID‑19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich hält, womit der Verordnungsgeber seine Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung mit den einschlägigen grundrechtlich geschützten Interessen der Menschen, die am Betreten bestimmter Orte gehindert oder dabei eingeschränkt werden, zu treffen hat. Diese Abwägung hat jedenfalls mit der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Freizügigkeit und weiteren allenfalls betroffenen Grundrechten zu erfolgen. Der Verordnungsgeber muss also in Ansehung des Standes und der Ausbreitung von COVID‑19 notwendig prognosehaft beurteilen, inwieweit in Aussicht genommene Betretungsverbote oder Betretungsbeschränkungen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 geeignete (der Zielerreichung dienliche), erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellen.
Dabei umfasst der Einschätzungs- und Prognosespielraum, den §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz dem Verordnungsgeber einräumt, insoweit auch die zeitliche Dimension, als ein schrittweises, nicht vollständig abschätzbare Auswirkungen beobachtendes und entsprechend wiederum durch neue Maßnahmen reagierendes Vorgehen von der gesetzlichen Ermächtigung des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz vorgesehen und auch gefordert ist.
2.4. Gegen §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freizügigkeit nach Art4 Abs1 StGG und Art2 4. ZPEMRK.
2.4.1. Nach Art4 Abs1 StGG unterliegt die Freizügigkeit der Person innerhalb des Staatsgebietes keiner Beschränkung. Dieses Grundrecht schützt davor, durch die Staatsgewalt daran gehindert zu werden, sich an einen bestimmten Ort oder in ein bestimmtes, räumlich begrenztes Gebiet zu begeben. Art2 Abs1 4. ZPEMRK garantiert jeder Person, die sich rechtmäßig in Österreich aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen, somit die Möglichkeit, nach Belieben "zu kommen und zu gehen" (EGMR 22.2.1994, Fall Raimondo, Appl 12.954/87, [Z39]; 1.7.2004, Fall Vito Sante Santoro, Appl 36.681/97 [Z43]). Diese Freiheit, an jeden Ort zu gehen und an jedem Ort zu bleiben, ist ein wesentlicher Teil der Selbstbestimmung des Menschen. Die Freizügigkeit ist aber auch Voraussetzung für die Wahrnehmung einer Reihe anderer Rechte und Freiheiten (siehe Pöschl, Art2 4. ZPEMRK, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 6).
Die Freizügigkeit ist aber nicht schrankenlos gewährleistet. Schon in VfSlg 3447/1958 hat der Verfassungsgerichtshof mit Blick unter anderem auf behördlich angeordnete Seuchenmaßnahmen ausgeführt, dass diese durch öffentliche Rücksichten geboten sein und sich daher ihrem Inhalt und ihrem örtlichen und zeitlichen Wirkungsbereich nach auf die Wahrung dieser Rücksichten beschränken müssen (in der Folge hat der VfGH den, Art4 Abs1 StGG immanenten Gesetzesvorbehalt dadurch begrenzt gesehen, dass der Gleichheitsgrundsatz durch öffentliche Rücksichten nicht gebotene Einengungen der Freizügigkeit mittels willkürlicher Veränderung der Rechtsordnung verhindert, siehe VfSlg 7379/1974, 7686/1975, 8373/1978 und zur Kritik an dieser Rechtsprechung mwN Pöschl, Art4 StGG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg. 2002, Rz 44 f.). Nach dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs3 4. ZPEMRK – der besondere Gesetzesvorbehalt des Art2 Abs4 4. ZPEMRK (zu dessen Zielrichtung siehe Pöschl, Art2 4. ZPEMRK, Rz 67) spielt im Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Maßnahmen keine Rolle – müssen Einschränkungen der Freizügigkeit gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft unter anderem im Interesse des Schutzes der Gesundheit notwendig sein. Einschränkungen der durch Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs1 4. ZPEMRK gewährleisteten Freizügigkeit sind daher verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie gesetzlich zum Zwecke eines legitimen öffentlichen Interesses vorgesehen und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinn sind.
2.4.2. Diesen Anforderungen wird die Verordnungsermächtigung des §2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz gerecht. Die Betretungsverbote, zu denen die gesetzliche Bestimmung ermächtigt, dienen im Sinne des Art2 Abs3 4. ZPEMRK dem Schutz der Gesundheit. Indem §2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz dieses Ziel als auf die Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 gerichtet konkretisiert, macht die Bestimmung deutlich, dass Zweck der Maßnahme, das Betreten von bestimmten Orten zu untersagen, die Verhinderung der mit der Nutzung dieser Orte sonst verbundenen persönlichen Kontakte zwischen einer Vielzahl von Menschen ist (siehe dazu schon oben Punkt 2.3.3). Damit gibt das Gesetz nähere Leitlinien für die dem Verordnungsgeber vorgegebene Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche Auswirkungen von Betretungsverboten maßgeblich sind und wie diese angesichts eines bestimmten Standes und einer prognostizierten Entwicklung der Ausbreitung von COVID‑19 im Hinblick auf die mit bestimmten Betretungsverboten verbundenen Einschränkungen der Freizügigkeit zu gewichten sind. §2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz enthält damit ausreichende gesetzliche Vorgaben, die die mit der Ermächtigung zu Betretungsverboten verbundene Ermächtigung zur Einschränkung der Freizügigkeit auf das nach Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs3 4. ZPEMRK verfassungsrechtlich Zulässige begrenzen.
2.5. Hält sich die Ermächtigung des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz damit in den Schranken, die Art4 Abs1 StGG und Art2 Abs3 4. ZPEMRK vorgeben, so sind damit auch die Anforderungen erfüllt, die die weiteren, vom Antragsteller ins Treffen geführten Grundrechte, wie insbesondere das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art8 EMRK, die Erwerbsfreiheit und die Eigentumsfreiheit sowie der Gleichheitsgrundsatz, an diese Verordnungsermächtigung stellen.
3. Die Regelungen der §§1 und 2 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 überschreiten aber die Grenzen, die gemäß §2 Z1 COVID‑19-Maßnahmengesetz dem BMSGPK als Verordnungsgeber gesetzt sind:
3.1. §1 der auf Grund des §2 Z1 COVID‑19-Maßnahmengesetz erlassenen COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 verbietet zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 "das Betreten öffentlicher Orte". §2 dieser Verordnung in der Fassung BGBl II 108/2020 sieht bestimmte Ausnahmen von diesem allgemeinen Betretungsverbot öffentlicher Orte vor. Diese Ausnahmen umfassen das Betreten öffentlicher Orte in bestimmten Notfällen (§2 Z1 der Verordnung), zur Unterstützung bedürftiger Personen (Z2), weiters unter bestimmten Voraussetzungen zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens (Z3) sowie für berufliche Zwecke (Z4). Schließlich nimmt §2 Z5 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 Betretungen vom Verbot gemäß §1 der Verordnung aus, wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, wobei gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten ist. Systematisch stehen diese Bestimmungen mit §4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl II 107/2020 im Zusammenhang, wonach die Benützung von Massenbeförderungsmitteln nur für Betretungen gemäß §2 Z1 bis 4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 zulässig ist. Gemäß §6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 sind im Fall der Kontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Gründe, warum eine Betretung gemäß §2 der Verordnung zulässig ist, glaubhaft zu machen.
Wie auch die Äußerung des BMSGPK deutlich macht, gehen die §§1 und 2 COVID‑19‑Maßnahmenverordnung‑98 von einem weitreichenden Regelungsansatz eines umfassenden Verbotes mit Ausnahmen aus. Sinn des §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 ist es, grundsätzlich die Menschen durch das allgemeine Betretungsverbot des §1 dazu zu verhalten, "zu Hause" zu bleiben. In diesem Sinn umfassen die "öffentlichen Orte", deren Betreten §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 untersagt, jedenfalls den öffentlichen Raum, den der Einzelne zwangsläufig betreten muss, um von seiner Wohnung (im weiten Sinn des Art8 EMRK) an jeden anderen Ort zu gelangen.
Zwar hat der Verordnungsgeber in §2 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 einzelne Ausnahmen von diesem allgemeinen Betretungsverbot vorgesehen. Diese, insbesondere auch die zwar nicht auf einen bestimmten Zweck abstellende, aber dennoch auf bestimmte Konstellationen begrenzte Ausnahme des §2 Z5 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98, ändern nichts daran, dass §1 der Verordnung ein allgemeines Betretungsverbot öffentlicher Orte vorsieht und damit – entgegen der gesetzlichen Vorgabe des §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz – nicht das Betreten bestimmter, eingeschränkter Orte untersagt, sondern durch ein Betretungsverbot für alle öffentlichen Orte der Sache nach als Grundsatz von einem allgemeinen Ausgangsverbot ausgeht. Wenn §2 COVID-19-Maßnahmengesetz im Rahmen grundsätzlich bestehender Freizügigkeit aber nur Betretungsverbote für bestimmte Orte (mögen sie abstrakt, etwa durch ihren Verwendungszweck, oder örtlich umschrieben sein, siehe IA 396/A 27. GP , 11) vorsieht, dann ermächtigt das Gesetz gerade nicht zu einem allgemeinen gesetzlichen Verbot mit Erlaubnistatbeständen.
Damit ist nicht gesagt, dass im Lichte des Art4 Abs1 StGG und des Art2 4. ZPEMRK bei Vorliegen besonderer Umstände unter entsprechenden zeitlichen, persönlichen und sachlichen Einschränkungen nicht auch ein Ausgangsverbot gerechtfertigt sein kann, wenn sich eine solche Maßnahme angesichts ihrer besonderen Eingriffsintensität als verhältnismäßig erweisen kann. Jedenfalls bedarf eine dermaßen weitreichende, weil dieses Recht im Grundsatz aufhebende Einschränkung der Freizügigkeit aber einer konkreten und entsprechend näher bestimmten Grundlage im Gesetz.
3.2. Die §§1 und 2 COVID‑19‑Maßnahmenverordnung‑98 idF BGBl II 98/2020 bzw BGBl II 108/2020 überschreiten daher ihre gesetzliche Ermächtigung in §2 COVID‑19‑Maßnahmengesetz, womit festzustellen ist, dass diese Verordnungsregelungen gesetzwidrig waren. Dieser Ausspruch hat wegen des untrennbaren Zusammenhanges der Bestimmungen auch die §§4 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑98 idF BGBl II 107/2020 zu umfassen, auch wenn insbesondere gegen §4 der Verordnung in der als gesetzwidrig festgestellten Fassung als solchen keine Bedenken bestehen.
V. Ergebnis
1. §1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, sowie §6 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 107/2020 sind durch §13 Abs2 Z2 COVID‑19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten. §2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 108/2020 sowie §4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 107/2020 wurden mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes geändert wird, BGBl II 148/2020, wesentlich geändert. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art139 Abs4 B‑VG auf die Feststellung zu beschränken, dass §§1 (idF BGBl II 98/2020), 2 (idF BGBl II 108/2020), 4 und 6 (idF BGBl II 107/2020) gesetzwidrig waren.
2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannten Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes nicht mehr anzuwenden sind, stützt sich auf Art139 Abs6 B‑VG.
3. Die Verpflichtung des Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B‑VG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.
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