European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00059.22Z.1020.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger war seit 15. 12. 2008 bei der Beklagten als Vertragsbediensteter beschäftigt.
[2] Er bewarb sich am 15. 3. 2019 aufgrund einer Ausschreibung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung für die Position als Vizerektor für Lehre, Forschung und Internationales an der Pädagogischen Hochschule *(in der Folge: PH). Der Hochschulrat der PH reihte den Kläger in einem Gutachten vom Juni 2019 mit 53 von 60 möglichen Punkten an erster Stelle. Seine Mitbewerberin erreichte als Zweitgereihte drei Punkte weniger.
[3] In weiterer Folge beauftragte die Beklagte einen externen Gutachter mit der Erstellung eines Gutachtens zur Eignung der Bewerber. Der Gutachter empfahl in seinem Gutachten vom 2. 10. 2019 die Bestellung der zweitgereihten Bewerberin zur Vizerektorin. Die Bundesministerin entschied, dieser Bewerberin den Vorzug zu geben.
[4] Der Kläger ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ). Er war während des gesamten Bewerbungsverfahrens in der SPÖ als Bezirksrat, als Vorsitzender des Finanzausschusses für * sowie als stellvertretender Vorsitzender der * Bezirksvertretung tätig.
[5] Die Gleichbehandlungskommission des Bundes kam in ihrem Gutachten vom 3. 12. 2020 zum Ergebnis, dass der Kläger im Auswahlverfahren zur Besetzung der Funktion des Vizerektors/der Vizerektorin für Lehre, Forschung und Internationales der PH aufgrund seiner Weltanschauung diskriminiert wurde.
[6] Der Kläger begehrt die Entgeltdifferenz zwischen seiner Einstufung als Vertragsbediensteter (Gehaltsgruppe V 1/3, Gehaltsstufe 8) und dem Entgelt für die Position des Vizerektors an der PH für den Zeitraum von Jänner 2020 bis September 2023 in Höhe von 82.995,13 EUR sA. Der Hochschulrat, dessen Empfehlungen während der letzten „Bestellungsrunden“ gefolgt worden sei, habe der Bundesministerin seinen Reihungsvorschlag vorgelegt, in dem der Kläger Erstgereihter gewesen sei. Der Akt sei zunächst mehrere Monate unbearbeitet liegen geblieben. Kurz vor der Nationalratswahl 2019 sei ein externer Gutachter mit einer Gutachtenserstellung beauftragt worden, die im Hochschulgesetz nicht vorgesehen sei. In der Folge habe die Bundesministerin die Mitbewerberin des Klägers zur Vizerektorin der PH bestellt. Vor dem Hintergrund dieser Abläufe sei er bei der Begründung eines Dienstverhältnisses aufgrund seiner Weltanschauung im Sinn des (gemeint:) § 13 Abs 1 Z 1 B‑GlBG diskriminiert worden und mache Schadenersatz (inhaltlich) im Sinn des § 17 B‑GlBG geltend. Auszugehen sei von einer Diskriminierung aufgrund seiner (politischen) Weltanschauung, weil er der SPÖ angehöre. Zum Zeitpunkt der Bewerbung sei er in der SPÖ als Bezirksrat, Vorsitzender des Finanzausschusses für einen Bezirk und stellvertretender Vorsitzender einer Bezirksvertretung tätig gewesen. Mit der Parteizugehörigkeit sei eine bestimmte Weltanschauung verbunden, nämlich die Verbreitung bestimmter Werte wie sozialer Zusammenhalt und bestimmte bildungspolitische Zugänge. Die für die Bestellung zuständige Bundesministerin sei keine unabhängige Expertin gewesen: Vielmehr sei sie per se nicht parteiunabhängig, weil sie in den Kabinetten mehrerer Bundesminister der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), und als Leiterin der Präsidialsektion unter einem weiteren Bundesminister der ÖVP beschäftigt gewesen sei. Zwischen der SPÖ und der ÖVP sei es seit dem Jahr 2000 zu einem öffentlichen Bruch gekommen. Die Entwicklungen um den „Ibiza“‑Skandal zeigten, wie die ÖVP mit öffentlich zu besetzenden Posten umgehe, was auch im Fall des Klägers ersichtlich sei.
[7] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grund und der Höhe nach. Sie wandte insbesondere mit näherer Begründung ein, dass der Kläger im Auswahlverfahren nicht wegen seiner Weltanschauung diskriminiert worden sei. Die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sei keine Weltanschauung. Die Parteien SPÖ und ÖVP trenne keine Weltanschauung. Die Bundesministerin habe – wie alle Mitglieder der damaligen Expertenregierung – keiner politischen Partei angehört.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zusammengefasst ging es davon aus, dass der Kläger zur Frage seiner Weltanschauung im Sinn des § 13 Abs 1 B‑GlBG kein ausreichendes Vorbringen erstattet habe. So fehle Vorbringen, inwiefern sich allein durch die Mitgliedschaft und die Bekleidung einzelner Positionen in einer politischen Partei die Einstellung zu einem Weltganzen manifestieren solle und mit welchen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als Sinnganzem diese Mitgliedschaft verbunden sein solle. Der Kläger habe auch nicht vorgebracht, sich in der SPÖ persönlich für bestimmte Inhalte eingesetzt oder bestimmte Werte vertreten zu haben. Allgemein bekannt sei lediglich, dass Mitglieder der SPÖ ein breites Spektrum der Bevölkerung abbilden und selbst die „Spitzen der Parteien“ oftmals unterschiedliche politische Ansätze vertreten.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Der Kläger habe ein ausreichendes Vorbringen zu der von ihm behaupteten Diskriminierung erstattet. Zumindest der österreichische Gesetzgeber habe auch ein Diskriminierungsverbot aufgrund politischer Anschauung normiert. Politische Überzeugungen könnten auch eine Weltanschauung darstellen. Als allgemein offenkundig im Sinn des § 269 ZPO könne in Österreich vorausgesetzt werden, dass es sich bei der SPÖ um eine der traditionsreichsten bestehenden Parteien Österreichs und die stimmenstärkste Gruppierung der politischen Linken des Landes handelt. Gegründet im Jahr 1889 bekenne sich die Partei zuletzt in ihrem im Jahr 1998 beschlossenen und veröffentlichten Grundsatzprogramm zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vollbeschäftigung. Das Programm der Partei sei daher unschwer als eine Gesamtheit an Leitauffassungen von einer vorzunehmenden Gestaltung der Gesellschaft im umfassenden Sinn (wirtschaftlich, sozial, kulturell) und der Rolle und Verantwortung des Einzelnen dabei (Bedeutung für das individuelle Lebensverständnis) zu verstehen. Für die Beurteilung als Weltanschauung könne es keine Rolle spielen, dass sich allenfalls inhaltliche Überschneidungen mit den Programmen anderer politischer Parteien ergeben. Die Zugehörigkeit zu einer Partei mit einer solchen weltanschaulichen Programmatik könne als eine diskriminierungsrechtlich geschützte persönliche politische Überzeugung (Weltanschauung) erkannt werden. Um so mehr habe dies im Fall des Klägers zu gelten, der als Mitglied der SPÖ in verschiedenen Funktionen als gewähltes Mitglied der Bezirksvertretung (Bezirksrat) und auch in verschiedenen Funktionen der Bezirksvertretung tätig war und der sein politisches Engagement in seinen Bewerbungsunterlagen ausdrücklich angeführt habe. Ausgehend davon erweise sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig, weil Feststellungen dazu fehlen, aus welchen Gründen der Kläger nach dem Reihungsvorschlag des Hochschulrates nicht bestellt wurde, wie es zur Beauftragung des externen Gutachters kam und warum sich die damals zuständige Bundesministerin für die Mitbewerberin entschied. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil dieser zur Frage, ob die deklarierte Mitgliedschaft zu einer politischen Partei unter den Begriff der Weltanschauung im Sinn des gesetzlichen Diskriminierungsverbot zu subsumieren sei, noch nicht Stellung genommen habe.
[10] Gegen diesen Beschluss richtet sich der vom Kläger beantwortete Rekurs der Beklagten, mit dem diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
[12] 1. Die Rekurswerberin bekämpft nicht nur die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung, sondern wendet sich auch gegen die sich aus den Gründen des Aufhebungsbeschlusses ergebende Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Alleine aus einer Parteimitgliedschaft könne nicht auf die persönliche Weltanschauung einer betroffenen Person geschlossen werden. Das Berufungsgericht stelle nicht auf die vom Kläger vertretenen Werte, sondern auf die von der SPÖ vertretenen Werte ab. Maßgeblich für das Vorliegen einer Weltanschauung sei jedoch ausschließlich die ganz persönliche Einstellung einer Person zur Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Darüber hinaus stelle die vermeintliche Weltanschauung der SPÖ keine offenkundige Tatsache gemäß § 269 ZPO, sondern eine Wertungsfrage dar. Der Kläger habe kein ausreichendes Vorbringen zum Vorliegen seiner Weltanschauung erstattet, weshalb das Klagebegehren nicht schlüssig begründet worden sei.
Dazu ist auszuführen:
2. Zum Begriff der „Weltanschauung“:
[13] 2.1 Gemäß § 13 Abs 1 B‑GlBG darf im Zusammenhang mit einem Dienst‑ oder Ausbildungsverhältnis gemäß § 1 Abs 1 B‑GlBG niemand aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung – insbesondere unter Bedachtnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat – unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, dies unter anderem nicht bei der Begründung des Dienst‑ oder Ausbildungsverhältnisses (Z 1). Ist das Dienst‑ oder Ausbildungsverhältnis wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach § 4 Z 1 oder § 13 Abs 1 Z 1 B‑GlBG nicht begründet worden, so ist der Bund der Bewerberin oder dem Bewerber gemäß § 17 Abs 1 B‑GlBG zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet.
[14] 2.2 Nach den Gesetzesmaterialien zu § 13 B‑GlBG (ErläutRV 285 BlgNR XXII. GP 11), umschreibt der Begriff „Weltanschauung“ unter anderem politische Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis. Damit seien auch politische Überzeugungen, soweit sie sich nicht auf Einzelfragen beschränken, sondern systemischer Natur sind, „Weltanschauungen“ im innerstaatlichen Verständnis des § 13 B‑GlBG. „Weltanschauungen“ seien keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Sofern „Weltanschauungen“ Vollständigkeit anstreben, gehörten dazu Menschen‑ und Weltbilder, Wert‑, Lebens‑ und Moralanschauungen. Ähnliche Ausführungen finden sich auch in den Gesetzesmaterialien zur Umsetzung der GleichbehandlungsrahmenRL 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (idF: RL 2000/78/EG ) bezüglich des Diskriminierungsgrundes der Weltanschauung im Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft (ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 14 f).
[15] 2.3 Zum Begriff der „Weltanschauung“ entschied der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 122/07t: „Zusammenfassend lässt sich darstellen, dass […] der Oberbegriff 'Weltanschauung' zwar eng mit dem Begriff 'Religion' verbunden ist, aber auch als Sammelbezeichnung für andere Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis dient. Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen.“ Diesem Verständnis des Begriffs „Weltanschauung“ folgte der Oberste Gerichtshof auch in den Entscheidungen 9 ObA 42/15i und 6 Ob 38/17g (s zuletzt 9 ObA 130/21i, RS0124567; ebenso VwGH 2012/12/0013).
3. „Weltanschauung“ und „politische Anschauung“:
3.1 EMRK und Unionsrecht:
[16] 3.1.1 Nach Art 9 EMRK hat jedermann Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit: dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung. Die Gewährleistung des Schutzes der Weltanschauung durch Art 9 EMRK hat die GRC übernommen. Auch in Art 10 Abs 1 GRC wird festgelegt, dass jede Person das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat und dieses Recht auch die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln umfasst. Unter einer Weltanschauung ist eine zusammenhängende Sichtweise grundsätzlicher Lebensfragen, eine Sicht der Welt „als Ganzes“ zu verstehen („some coherent view on fundamental problems“, EKMR Appl 8741/79, X/Deutschland; EGMR Bsw 7511/76 ua, Campbell und Cosans/Vereinigtes Königreich, Rn 36). In der Entscheidung vom 18. 3. 2008, 14618/03, Blumberg vs Germany, scheint der EGMR zu betonen, dass es weniger auf die Anzahl erfasster Lebensbereiche bzw ‑fragen als vielmehr auf das Vorliegen einer zusammenhängenden Sichtweise ankommt, wenn er die zitierte Formel im Singular verwendet: „a coherent view on a fundamental problem“ (Mathy, Minderheitsrechte im Betriebsrat [2022], 257 f). Verlangt wird weiters ein gewisses Maß an Stichhaltigkeit, Ernsthaftigkeit, Zusammenhang und Bedeutung („a certain level of cogency, seriousness, cohesion and importance“, weitere Hinweise bei Mathy, aaO, 258, FN 1128). Nicht jede persönliche Überzeugung kann daher vom Schutzbereich des Art 9 EMRK erfasst sein. Die Rechtsprechung sah etwa im Pazifismus eine Weltanschauung (Grabenwarter/Pabel, EMRK7, § 22 Rz 122 mwH; 9 ObA 122/07t).
[17] Zwar kennt Art 9 EMRK nicht den Begriff der „politischen Anschauung“, jedoch verbietet Art 14 EMRK unter anderem jegliche Diskriminierung wegen der „politischen oder sonstigen Anschauung“.
[18] 3.1.2 Auch Art 21 Abs 1 GRC („Nichtdiskriminierung“) unterscheidet die Begriffe der „Religion oder der Weltanschauung“ einerseits vom Begriff der „politischen oder sonstigen Anschauung“ andererseits. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind für die Zwecke der Anwendung der RL 2000/78/EG die Begriffe „Religion“ und „Weltanschauung“ die zwei Seiten ein und desselben Diskriminierungsgrundes, die von dem Grund der „politischen oder sonstigen Anschauung“ in Art 21 GRC zu unterscheiden sind (EuGH C‑804/18 und C‑341/19 , ECLI:EU:C:2021:594, WABE, Rn 47). Erst jüngst hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung beibehalten und weiters ausgesprochen, dass der durch die RL 2000/78/EG garantierte Schutz vor Diskriminierung nur die in Art 1 dieser Richtlinie abschließend aufgeführten Gründe umfasst, sodass sie weder politische oder gewerkschaftliche Überzeugungen noch künstlerische, sportliche, ästhetische oder sonstige Überzeugungen oder Präferenzen erfasst (EuGH C‑344/20 , ECLI:EU:C:2022:774, Rn 28).
[19] 3.1.3 Den in Art 21 Abs 1 GRC erwähnten Begriff der „politischen oder sonstigen Anschauung“ kennt daher die RL 2000/78/EG nicht. Sie verbietet in ihrem Art 1 im hier gegebenen Zusammenhang lediglich die Diskriminierung „wegen der Religion oder der Weltanschauung“. Der Katalog der in Art 1 RL 2000/78/EG aufgezählten Diskriminierungsgründe ist – anders als der Katalog der Diskriminierungsgründe in Art 14 EMRK (RS0126895) – taxativ (Art 2 Abs 1 RL 2000/78/EG , EuGH C‑644/19 , ECLI:EU:C:2020:810, Universitatea „Lucian Blaga“ Sibiu, Rn 31). Auch in einer von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Neufassung der Richtlinie (KOM [2008] 426 endgültig vom 2. 7. 2008) findet sich diesbezüglich keine Änderung des Wortlauts in Art 1.
3.2 Österreichische Rechtsprechung:
[20] 3.2.1 Der Oberste Gerichtshof musste die Frage, ob auch eine politische Anschauung (Überzeugung) eine Weltanschauung im Sinn des § 13 B‑GlBG sei, in der bereits zitierten Entscheidung 9 ObA 122/07t nicht abschließend beantworten. Der damalige Kläger machte geltend, dass er aufgrund seiner „Weltanschauung“ im Zusammenhang mit dem Wesen und der Handhabung von Asylrecht diskriminiert worden sei. Dazu wurde festgehalten, dass die Frage, ob politische Gesinnungen dem Begriff der „Weltanschauung“ unterfallen, unterschiedlich beantwortet werde. Der Oberbegriff „Weltanschauung“ sei zwar eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden, diene aber auch als Sammelbezeichnung für andere Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis. Kritische Auffassungen über die Asylgesetzgebung und ‑praxis allein seien keine „Weltanschauung“ im Sinn des § 13 B‑GlBG.
[21] 3.2.2 Auch dass es sich bei einer Prozesspartei, die geltend macht, bei der Überlassung eines Veranstaltungslokals diskriminiert worden zu sein, um eine „Burschenschaft“ handelt, ergebe in Anbetracht sehr unterschiedlich ausgerichteter Studentenverbindungen noch keine bestimmte Weltanschauung. Um beurteilen zu können, ob dieser Umstand überhaupt eine Weltanschauung im Sinn des Gesetzes darstelle, wäre es erforderlich gewesen, ein entsprechendes Vorbringen zur „Weltanschauung“ zu erstatten (6 Ob 38/17g).
3.3 Lehre und Schrifttum:
[22] 3.3.1 In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass weder der Wortlaut der RL 2000/78/EG , noch die– taxativen – Kataloge der Diskriminierungsgründe in § 13 B‑GlBG und § 17 GlBG die „politische oder sonstige Anschauung“ als Diskriminierungsgrund nennen. Dies schließe allerdings nicht aus, eine politische Weltsicht als „Weltanschauung“ zu qualifizieren, wenn sie den allgemeinen Kriterien dafür genüge. Eine politische Ideologie, die eine ausreichend komplexe Weltsicht beinhalte, sei daher durchaus Weltanschauung. Eine Auffassung zu einer politischen Frage allein – etwa zur Umverteilung oder Zuwanderung – sei hingegen noch keine Weltanschauung. Politische Auffassungen sowie wissenschaftlich begründete Auffassungen könnten daher Weltanschauung sein, wenn sie sich als Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen erweisen, die zur komplexen Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis dienen und von einer Mehrzahl von Personen hinreichend stabil vertreten werden (Rebhahn, Diskriminierung wegen Weltanschauung, DRdA 2011/3, 36 [42 ff]).
[23] 3.3.2 Erfüllt eine politische Einstellung daher diese allgemeinen Kriterien einer Weltanschauung, so qualifiziert sie die herrschende Lehre in Österreich als Weltanschauung (vgl nur Hopf/Mayr/Eichinger/Erler,GlBG² § 17 Rz 47 ff; Dullinger/Windisch‑Graetz in Windisch‑Graetz, GlBG², § 17 Rz 38, jeweils mzwH; Rauch, Religion oder Weltanschauung als Diskriminierungstatbestand, ASoK 2010, 363; Egger, Die Begriffe „Religion“ und „Weltanschauung“ im Antidiskrimienrungsrecht, ASoK 2018, 346 [351]; Mathy, Minderheitsrechte im Betriebsrat [2022], 256 ff [274]; aA Bei, Zur behaupteten Mehrfachdiskriminierung eines „Parteifreien“, DRdA 2011/49, 543 [547]; aA auch, allerdings vor anderem rechtlichen Hintergrund, die deutsche Lehre, vgl nur Thüsing in MünchKommBGB9 § 1 AGG Rz 36 ff mwH). Dies wird unter anderem auch damit begründet, dass der österreichische Gesetzgeber in den bereits zitierten Gesetzesmaterialien zum B‑GlBG und GlBG über das von der RL 2000/78/EG vorgesehene Schutzniveau in zulässiger Weise hinausgegangen sei und erkennbar auch politische Anschauungen unter den Schutz des Diskriminierungsverbots stellen wollte.
3.4 Daraus folgt:
[24] 3.4.1 Ein Diskriminierungsgrund der „politischen oder sonstigen Anschauung“, wie ihn Art 21 Abs 1 GRC oder Art 14 EMRK nennen, ist weder im taxativen Katalog der RL 2000/78/EG noch im ebenfalls taxativen Katalog des § 13 Abs 1 B‑GlBG (vgl § 13a Abs 1 und 2 B‑GlBG) enthalten (Dullinger/Windisch‑Graetz in Windisch‑Graetz, GlBG² § 17 Rz 37). Der österreichische Gesetzgeber wollte jedoch, wie sich aus den dargestellten Gesetzesmaterialien ergibt, auch politische und ideologische Lebensentwürfe im Sinn einer Weltanschauung als vom Geltungsbereich des Diskriminierungsschutzes mitumfasst ansehen (9 ObA 122/07t). Nach Art 8 Abs 1 RL 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in der RL 2000/78/EG vorgesehenen Vorschriften sind.
[25] 3.4.2 Geht daher eine politische Anschauung (Überzeugung, Einstellung) über die Bezugnahme auf einzelne politische Fragen hinaus und stellt sie sich bei Gesamtbetrachtung gleich einer Weltanschauung dar, so kann sie unter den Diskriminierungsgrund der Weltanschauung im Sinn des § 13 Abs 1 B‑GlBG subsumiert werden. Erforderlich ist dafür ein gewisser Grad an Verbindlichkeit, Ernsthaftigkeit und Bedeutung der Überzeugung. Außerdem muss es sich dabei um eine umfassende Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen handeln sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis dienen (9 ObA 122/07t).
4. Zur Frage ob die Mitgliedschaft in politischen Gruppierungen bzw Parteien (für sich genommen) eine vom Diskriminierungsschutz des GlBG umfasste „Weltanschauung“ darstellt.
4.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wurde dazu bisher nicht Stellung genommen:
[26] 4.1.1 Im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob durch die Äußerungen eines Betriebsrats im Rahmen von Facebook-Postings und einer Ansprache bei einer Betriebsfeier der Tatbestand der Verhetzung (§ 283 Abs 1 Z 1 StGB) erfüllt worden sei, also zu Gewalt gegen (ua) eine Weltanschauung aufgefordert oder zu Hass gegen diese aufgestachelt worden sei, wurde die Ansicht der Vorinstanzen wiedergegeben, nach der bei Beurteilung des Vorliegens eines Entlassungstatbestands nach § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG ein politisches „Lager“ unter den Begriff Weltanschauung (iSd § 283 StGB) subsumiert werden könne (8 ObA 63/17y). Eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob politische „Lager“ eine vom Diskriminierungsschutz nach dem GlBG oder B‑GlBG umfasste Weltanschauung begründen könnten, lässt sich entgegen der Ansicht Körber‑Risak´s (in Gruber‑Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht System und Praxiskommentar [2022] Rz 84) daraus nicht ableiten.
[27] 4.1.2 In der Entscheidung 8 ObA 69/09v musste auf die Frage, ob „Parteilosigkeit“ als Weltanschauung anzusehen sei, mangels schlüssigen Vorbringens des Klägers nicht eingegangen werden.
[28] 4.2 Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 2012/12/0013) führte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 9 ObA 122/07t aus, dass § 13 B‑GlBG auch Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Gesinnungsgemeinschaft bzw dem Fehlen einer solchen verbiete. Außer der Aussage, dass auch politische Überzeugungen – soweit sie sich nicht auf Einzelfragen beschränken, sondern systemischer Natur sind – „Weltanschauungen“ im innerstaatlichen Verständnis dieser Norm seien, findet sich dazu aber keine nähere Begründung.
[29] 4.3.1 In der Lehre und im Schrifttum knüpft Melzer‑Azodanloo, Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung, ZAS 2010/37, 228 [234 f] daran an, dass auch (gängige) politische Anschauungen das erforderliche Maß an konzeptuellem Hintergrund haben und das Erfordernis der Umfassendheit erfüllen, indem sie mehrere verschiedene Lebensbereiche betreffen, erklären und bestimmen (wie etwa die Arbeitswelt, die Familiengestaltung, das Geschlechterverhältnis, das Verhältnis des einzelnen Menschen zu anderen oder zum Staat, die Sinnsuche etc). Daher könne die Organisation von Mitgliedern in einer Gemeinschaft neben dem Vorliegen eines gemeinsamen Programms, das sich mit unterschiedlichen Aspekten des Lebens beschäftigt, ein wesentliches Indiz für die Umfassendheit als Abgrenzungskriterium zur vom GlBG nicht geschützten kritischen Auffassung sein.
[30] 4.3.2 Nach Gerhartl lasse die Mitgliedschaft (oder auch bloße Verbundenheit mit einer politischen Partei) auf die Zugehörigkeit zu einer dahinter stehenden Weltanschauung schließen. Denkbar wäre beispielsweise die Zuordnung der Ausrichtung aller im Nationalrat vertretenen Parteien zu einer bürgerlich und sozial orientierten, liberalen Weltanschauung (in unterschiedlicher Schattierung etwa wertkonservativ oder fortschrittlich) (Gerhartl, Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung – Judikatur und eigene Auffassung, ASoK 2009, 369 [376, FN 28]).
[31] 4.3.3 Auch Egger (Die Begriffe „Religion“ und „Weltanschauung“ im Antidiskriminierungsrecht, ASoK 2018, 346 [352]) vertritt die Ansicht, eine Parteimitgliedschaft indiziere bloß eine Weltanschauung, beweise eine solche aber nicht ohne Weiteres.
[32] 4.3.4 Nach Rebhahn (DRdA 2011/3, 43) sage die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei allein nicht notwendig etwas über die Weltanschauung des Mitglieds aus. Moderne „Volksparteien“ seien darauf angelegt, verschiedene Weltanschauungen zu repräsentieren. Die deutsche CDU sage etwa von sich, sie vereinige liberale, konservative und christlich-soziale Vorstellungen.
[33] 4.3.5 Dullinger/Windisch‑Graetz in Windisch-Graetz, GlBG² § 17 Rz 38 referieren, dass unter den Begriff der „Weltanschauung“ umfassende politisch-ideologische Konzepte wie zB der Marxismus fallen. Erfülle eine politische Einstellung die dargelegten allgemeinen Kriterien sei sie als „Weltanschauung“ zu qualifizieren. Nach Ansicht dieser Autorinnen werde dies wohl auch für die Parteiprogramme der großen (österreichischen) Parteien zu bejahen sein.
[34] 4.3.6 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler (GlBG² § 17 Rz 49) vertreten die Meinung, dass dann, wenn im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis nach der Mitgliedschaft zu politischen Parteien oder zu „parteinahen“ Institutionen differenziert werde, derartige Unterscheidungen mit einer – zumindest vermuteten – Weltanschauung zusammenhängen.
[35] 4.3.7 Krejci führt aus, dass sich das Verbot, nach weltanschaulichen Kriterien zu diskriminieren, auch gegen jede Form von „Parteibuchwirtschaft“ richtensolle (Antidiskriminierung, Privatautonomie und Arbeitnehmerschutz [Teil II], DRdA 2005, 501 [506]). Wer Arbeitsplätze nur an Mitglieder einer bestimmten politischen Partei vergebe – ausgenommen seien Arbeitsplätze in einem „Tendenzunternehmen“ –, diskriminiere die Mitglieder anderer politischer Parteien oder Parteilose. Wer einer verbotenen Partei (Gruppierung) angehöre, stehe hingegen nicht unter dem Schutz der RL 2000/78/EG und könne sich nicht auf eine „bedenkliche“ Weltanschauung berufen. Geschützt seien nur Weltanschauungen, die auf den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates beruhten (Krejci, DRdA 2005, 506; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG² § 17 Rz 48 mwH in FN 184).
[36] 4.3.8 K. Körber-Risak in Gruber‑Risak/Mazal, Arbeitsrecht System und Praxiskommentar [2022] VIII, Rz 84 geht davon aus, dass etwa Marxismus, wohl aber auch eine wertkonservative bzw neoliberale Überzeugung unter Umständen als Weltanschauung im Anwendungsbereich des GlBG anzusehen sein kann, wenn die persönliche Überzeugung entsprechend ausgeprägt und stringent sei. Die Mitgliedschaft zu einer politischen Partei spiele für Auswahlentscheidungen bei Einstellungen und Beförderungen im öffentlichkeitsnahen Bereich oftmals eine entscheidende Rolle. Im Einzelfall müsse es sich aber insoweit verdichten, als die Mitgliedschaft nicht beispielsweise aus einer Familientradition bestehe, sondern der tatsächlichen persönlichen Überzeugung entspringe. Auch andere (nichtreligiöse) Organisationen, wie beispielsweise Freimaurer, Attac oder PETA könnten bei ihren Anhängern bzw Mitgliedern eine „Weltanschauung“ begründen.
[37] 4.3.9 Nach Mathy (Minderheitsrechte im Betriebsrat [2022], 271 ff) bezeichnet der Begriff „Weltanschauung an sich“ ein hinreichend komplexes und von einer Personenmehrheit vertretenes Gedankensystem. Wende man sich dem Feld politischer Gesinnungen zu, könne man nicht umhin, etwa dem Kommunismus bzw Marxismus als Weltanschauung anzusehen, handle es sich dabei dochum eine zahlreiche Lebensbereiche berührende gesamtgesellschaftliche Theorie. Auch der Sozialdemokratie, dem Konservativismus sowie dem Liberalismus könne man die Eigenschaft als Weltanschauung schwerlich absprechen. Da die Anforderungen an den Begriff der Weltanschauung nicht überspannt werden dürften, sei auch die Programmatik etablierter politischer Parteien als Weltanschauung anzusehen. Diese legten nämlich von bestimmten Idealvorstellungen geprägte Zielvorgaben in Bezug auf eine Vielzahl von Lebensbereichen fest. Auch eine politische Gesinnung könne daher die Tatbestandsvoraussetzungen einer Weltanschauung erfüllen.
[38] 4.4 Diese Literaturmeinungen lassen erkennen, dass sich die Frage, ob die Mitgliedschaft zu einer politischen Partei (für sich genommen) unter den Begriff der Weltanschauung im Sinn des gesetzlichen Diskriminierungsverbot zu subsumieren ist, nicht allgemein gültig beantworten lässt. Wenngleich die Frage der Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft vom Begriff „Religion“ umfasst sein mag (ErläutRV 285 BlgNR XXII. GP 11), trifft dies auf eine parteipolitische Zugehörigkeit nicht uneingeschränkt zu.
[39] 4.5 Zusammengefasst vertritt der erkennende Senat daher die Auffassung, dass die bloße politische Meinung über einzelne politische Fragen oder Aspekte nicht einer Weltanschauung gleichzusetzen ist. Eine parteipolitische Zugehörigkeit bzw Mitgliedschaft kann aber Ausdruck einer Weltanschauung sein, wenn sie sich als Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen erweist, die zur komplexen Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis dient und von einer Mehrzahl von Personen hinreichend stabil vertreten wird.
5. Zur Behauptung (zum Vorbringen) eines Diskriminierungstatbestands:
[40] 5.1 Gemäß § 20a B‑GlBG hat der Kläger einen möglichen Diskriminierungstatbestand zu behaupten und die Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen.
[41] 5.2 In einem ersten Schritt ist daher Vorbringen zum Vorliegen eines Diskriminierungstatbestands zu erstatten. Stützt sich ein Kläger auf eine Diskriminierung wegen einer Weltanschauung, hat er ein entsprechendes substantiiertes Vorbringen zu erstatten, um dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich um eine Weltanschauung im Sinn des Gesetzes handelt (9 ObA 130/21i; 6 Ob 38/17g; RS0123606). Erst in einem weiteren Schritt sind die dazu vorgebrachten Tatsachen glaubhaft zu machen (§ 274 ZPO). Die Regelung des Art 10 der RL 2000/78/EG greift erst, wenn eine Glaubhaftmachung erfolgt ist (ausführlich 9 ObA 177/07f mwH).
[42] Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht– ausgehend von seiner Rechtsansicht, es sei kein ausreichendes Vorbringen zur Weltanschauung des Klägers erstattet worden – bisher noch kein Verfahren zur Glaubhaftmachung von dessen Behauptungen durchgeführt. Gegenstand des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist daher ausschließlich die – von den Vorinstanzen unterschiedlich beurteilte – Frage, ob das vom Kläger erstattete Vorbringen ausreichend ist, um auf dieser Grundlage das Verfahren zur Glaubhaftmachung des vom Kläger behaupteten Diskriminierungstatbestands durchzuführen.
5.3 Dazu ist klarzustellen:
[43] § 17 Abs 1 B‑GlBG knüpft den Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung daran, dass das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nach § 4 Z 1 oder § 13 Abs 1 Z 1 B‑GlBG nicht begründet worden ist. Eine betroffene Person, die sich vor Gericht auf einen Diskriminierungstatbestand– wie hier den der Weltanschauung bei der Begründung eines Dienstverhältnisses – beruft, hat daher zu behaupten und in weiterer Folge glaubhaft zu machen (RS0123606), dass das Motiv des Dienstgebers, ihre Bewerbung nicht zu berücksichtigen, ihre Weltanschauung im Sinn des Diskriminierungsrechts war (8 ObA 52/13z).
[44] 5.4 Der Schutz vor Diskriminierungen gilt unabhängig davon, ob das Merkmal, aufgrund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird (RS0130640). Grund dafür ist die mit den Diskriminierungsverboten begründete Zielsetzung. Die geschützten Kriterien sollen im gesamten Bereich der Arbeitswelt prinzipiell keine Rolle spielen. Sie sollen daher nicht zum Anlass eines Verhaltens des Arbeitgebers genommen werden, das er gegenüber dem Arbeitnehmer ohne Kenntnis des Diskriminierungsgrundes nicht gesetzt hätte. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten eines Arbeitgebers und dem Diskriminierungsgrund ist folglich auch dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber in der unrichtigen Annahme, es liege beim Arbeitnehmer das Merkmal vor, dieses zum Anlass seines Verhaltens gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nimmt (9 ObA 107/15y DRdA 2016/38, 344 [Pfalz], ZAS 2017/13, 71 [Nahler]; RS0130640). Die bloße Zuschreibung einer Weltanschauung durch den Diskriminierenden, die als Anlass für die Benachteiligung genommen wird, reicht somit aus.
[45] 5.5 Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts genügt vor diesem Hintergrund das bisher erstattete Vorbringen, der Kläger sei (aktives) Mitglied der SPÖ, nicht, ebensowenig sein weiteres Vorbringen, mit der Zugehörigkeit zur SPÖ sei die „Weltanschauung“ des Werts des sozialen Zusammenhalts sowie bestimmte bildungspolitische Zugänge verbunden. Allein die Tatsache, dass nach Einholung eines externen Gutachtens letztendlich eine andere Bewerberin berücksichtigt wurde, bedeutet nicht zwingend, dass dieser Vorgangsweise eine Weltanschauung des Klägers als verpöntes Motiv zugrunde liegt. Vielmehr bedarf es eines Vorbringens, aus dem sich ergibt, dass das Motiv der Beklagten, die Bewerbung des Klägers unberücksichtigt zu lassen, eine der Beklagten bekannte oder von ihr dem Kläger zugesonnene Weltanschauung im oben dargelegten – vom Diskriminierungsschutz umfassten – Sinn war. Da die dazu vorgetragenen Tatsachen zu unvollständig geblieben sind, um die begehrte Rechtsfolge daraus abzuleiten, hätte (auch) dieser rechtliche Aspekt mit dem Kläger erörtert werden müssen.
[46] Erst in einem weiteren Schritt wird der Kläger die von ihm zur Behauptung des Diskriminierungstatbestands ins Treffen geführten Tatsachen glaubhaft zu machen haben. Da der beim Gericht zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist, muss – vereinfacht gesagt – mehr für die Darstellung des Klägers sprechen als dagegen (9 ObA 144/14p mwH).
[47] 6. Das Verfahren erweist sich aus diesen Gründen und zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung als ergänzungsbedürftig.
[48] 7. Da sich an der formellen Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht nichts ändert, kann der Spruch nur dahin lauten, dass dem Rekurs nicht Folge gegeben wird (2 Ob 41/11k; 9 ObA 148/05p; Musger in Fasching/Konecny 3 IV/I § 519 ZPO Rz 99).
[49] 8. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf die §§ 50, 52 ZPO iVm § 2 ASGG.
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