European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00130.21I.1125.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Richtig weist die Klägerin darauf hin, dass niemand aufgrund der Weltanschauung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf, insbesondere auch nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 17 Abs 1 Z 7 GlBG). Richtig ist auch, dass eine Kündigung bei Gericht angefochten werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber wegen der Weltanschauung gekündigt worden ist (§ 26 Abs 7 GlBG). Woran es im vorliegenden Fall allerdings mangelt, ist ein substanziiertes Klagevorbringen in erster Instanz zur Weltanschauung der Klägerin, die wie von ihr behauptet Motiv der Arbeitgeberkündigung gewesen sein soll.
[2] Der Schwerpunkt des erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin lag vor allem auf dem Versuch, das Gericht davon zu überzeugen, dass „das Coronavirus ungefähr so gefährlich sei wie das Influenzavirus“, und darauf abstellenden Beweisanträgen. Die Klägerin pochte weiters darauf, dass der Verfassungsgerichtshof bereits 22 Gesetzes- oder Verordnungsstellen im Zusammenhang mit COVID‑19 aufgehoben habe. Darauf aufbauend meinte sie schließlich, dass sie die Weltanschauung habe, „dass Verfassungsgesetze eingehalten werden sollten und sie nicht aufgrund der Sorge um ihre körperliche Gesundheit aus dem Dienstverhältnis entfernt werden sollte“ (ON 4, Seite 3). Trotz Einwandes der Beklagten, dass es sich dabei um keine Weltanschauung handle, und trotz Erörterung des Erstgerichts, dass sich auch aus der Aussage der Klägerin keine Weltanschauung, sondern lediglich allfällige Sachargumente zum (bzw gegen das) „Maskentragen“ ergeben hätten, wurde von der Klägerin kein weiteres Vorbringen mehr erstattet.
[3] Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 9 ObA 122/07t darauf hingewiesen, dass die Gesetzesmaterialien zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (ErlRV 285 BlgNR 22. GP 11) betonen, dass der Begriff „Weltanschauung“, der eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden ist, als Sammelbezeichnung für alle ideologischen, politischen und ähnlichen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis dient. Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Soferne Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen. Ähnliche Ausführungen finden sich auch in den Materialien zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG bezüglich des Diskriminierungsgrundes der Weltanschauung im Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft (ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14 f).
[4] Diesem Verständnis von der Weltanschauung folgte der Oberste Gerichtshof auch in den Entscheidungen zu 9 ObA 42/15i und 6 Ob 38/17g. Dabei betonte er, dass kritische Auffassungen eines Arbeitnehmers über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich keine Weltanschauung sind (9 ObA 122/07t). Allfällige punktuelle Kritik eines Arbeitnehmers an personellen Missständen oder die Führung eines Gerichtsprozesses gegen den Arbeitgeber begründen ebenfalls noch keine bestimmte Weltanschauung (9 ObA 42/15i). Auch dass es sich bei einer Prozesspartei, die geltend macht, bei der Überlassung eines Veranstaltungslokals diskriminiert worden zu sein, um eine Burschenschaft handelt, ergibt in Anbetracht sehr unterschiedlich ausgerichteter Studentenverbindungen noch keine bestimmte Weltanschauung (6 Ob 38/17g).
[5] Es ist Sache der Partei, die sich auf eine Diskriminierung wegen Weltanschauung stützt, ein entsprechendes substanziiertes Vorbringen zu erstatten, um dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob es sich tatsächlich um eine Weltanschauung im Sinn des Gesetzes handelt (6 Ob 38/17g). Ein derartiges Vorbringen blieb die Klägerin hier allerdings trotz ausdrücklichen Einwandes der Beklagten und trotz gerichtlicher Erörterung schuldig. Wenn sie sich in erster Instanz nur darauf berief, dass Verfassungsgesetze eingehalten werden sollen, dann ist dem beizupflichten. Auch die Sorge der Klägerin um die eigene Gesundheit ist sehr gut nachvollziehbar. Mit einer Weltanschauung im oben beschriebenen Sinn hat dieses Vorbringen aber nichts zu tun. Auf den gleichlautenden Einwand der Beklagten reagierte die Klägerin nicht und erläuterte auch trotz Erörterung des Erstgerichts nicht, weshalb sie meint, es würde sich dabei um eine Weltanschauung im Sinne des Diskriminierungsrechts handeln.
[6] Mit ihrer erkennbar kritischen Haltung zu COVID‑19-Bestimmungen liegt die Klägerin auf der Linie der zu 9 ObA 122/07t und 9 ObA 42/15i beurteilten Fälle, bei denen es ebenfalls um die kritischen Haltungen von Arbeitnehmern einerseits zur Asylgesetzgebung und -praxis in Österreich und andererseits zu Personalmissständen im Betrieb ging. Auch dort wurde das Vorliegen einer Weltanschauung verneint.
[7] Mangels Darlegung einer für die Kündigung kausalen Leitauffassung der Klägerin „vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen“ konnte auch nicht geprüft werden, inwieweit eine solche Leitauffassung Motiv der gegenständlichen Arbeitgeberkündigung gewesen sein soll.
[8] Vor dem Hintergrund des erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin gelingt es ihr zusammengefasst nicht, in der Zulassungsbeschwerde ihrer außerordentlichen Revision eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ihre außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
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