European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00158.14X.0129.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 48 Abs 1 der hier unstrittig anwendbaren Dienstordnung 2009 der Beklagten (DO 2009) kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes kündigen. Durch diese dem § 32 Abs 1 VBG 1948 vergleichbaren Formvorschrift soll der Gekündigte Klarheit darüber erhalten, welcher Sachverhalt als Kündigungsgrund in Wahrheit geltend gemacht wird (9 ObA 114/91 = RIS‑Justiz RS0053351; 9 ObA 218/93). Die Formvorschrift dient nicht dem Schutz Dritter, sie steht daher einer nur am Empfängerhorizont orientierten Auslegung der Kündigung nicht entgegen (9 ObA 114/91). Die Auflösungserklärung ist so zu beurteilen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte; auf eine davon abweichende subjektive Auffassung des Erklärenden kommt es dabei nicht an (RIS‑Justiz RS0028612; RS0028622). Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die Kündigung ausschließlich auf die in den Jahren 2009 und 2010 aufgetretenen Krankenstände des Klägers gestützt hat, steht mit dem festgestellten Wortlaut des Kündigungsschreibens im Einklang und ist keineswegs unvertretbar. Eine die Revision dennoch rechtfertigende Unvertretbarkeit dieser Auslegung zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Die Revisionswerberin gesteht zu, dass im Kündigungsschreiben ausschließlich auf die Länge von Krankenständen Bezug genommen wurde. Die Krankenstände des Klägers in den Jahren 2009 und 2010 gehen nach den Feststellungen auf unterschiedliche Erkrankungen zurück. Ein in der Revision mehrfach erwähntes „Grundleiden“ (eine „Grunderkrankung“) des Klägers ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, sodass die Revision, soweit sie sich auf ein solches bezieht, nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Soweit die Beklagte in der Revision von einem „Grundleiden“ ausgeht, das die körperliche Nichteignung des Klägers ausgelöst hätte, hat dem überdies bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass Kündigungsgründe, die in der schriftlichen Kündigung nicht enthalten sind, nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden können (8 ObA 188/00f zu § 32 VBG 1948, RIS‑Justiz RS0082181 [T1]).
2. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen des Kündigungsgrundes des ‑ dem § 32 Abs 2 Z 2 VBG 1948 sinngleichen (9 ObA 42/10g) ‑ § 48 Abs 2 lit b DO 2009. Danach ist die Beklagte zur Kündigung eines Bediensteten berechtigt, wenn sich dieser für eine entsprechende Verwendung als geistig oder körperlich ungeeignet erweist. Das Berufungsgericht führte im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach eine ungünstige Prognose üblicherweise regelmäßig auftretende über dem Durchschnitt liegende Krankenstände zur Voraussetzung hat, die sich über mehrere Jahre erstrecken (9 ObA 33/12m mzwH); aus, dass die ausschließlich auf die in den Jahren 2009 und 2010 aufgetretenen Krankenstände gestützte Kündigung des Klägers deshalb unberechtigt sei, weil aufgrund des zu kurzen Beobachtungszeitraums von 19 Monaten keine ausreichende Grundlage für eine ungünstige Prognose der zukünftigen Einsetzbarkeit des Klägers gegeben sei. Maßgebend für die Erstellung der Prognose sind die Umstände des Einzelfalls (8 ObA 53/11v ua), sodass eine erhebliche Rechtsfrage in der Regel nicht vorliegt. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt die Revisionswerberin mit ihrem Hinweis auf die Entscheidung 8 ObA 53/11v, wonach eine ungünstige Prognose auch aus einer objektiven Verschlechterung des Grundleidens abgeleitet werden könne, nicht auf, weil ein solches wie bereits ausgeführt, nach den Sachverhaltsfeststellungen nicht vorliegt.
3. Gemäß den §§ 182, 182a ZPO darf das Gericht eine Partei nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht bedacht hat (RIS‑Justiz RS0037300; RS0108816). Nach diesen Bestimmungen ist das Gericht allerdings nicht zur Erörterung eines Vorbringens gezwungen, dessen Schwächen bzw Ergänzungsbedürftigkeit bereits der Prozessgegner aufgezeigt hat. Angesichts solcher Einwendungen des Gegners hat die betroffene Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0122365). Hier hat der Kläger das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes im Verfahren erster Instanz bestritten, sodass die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegt.
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