OGH 9ObA218/93(9ObA219/93)

OGH9ObA218/93(9ObA219/93)8.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Friedrich Hötzl und Leopold Smrcka als weitere Richter in den verbundenenArbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Anette T*****, Vertragsbedienstete, ***** 2. Maria R*****, Vertragsbedienstete, ***** beide vertreten durch Dr.Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Land Tirol als Träger des Allgemeinen Öffentlichen Landeskrankenhauses, Universitätsklinik Innsbruck, vertreten durch Dr.Hans Jörg Schweinester und Dr.Paul Delazer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen restlich Feststellung, eventualiter Kündigungsanfechtung (Streitinteresse S 350.000 und S 15.000), infolge Revisionen der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.März 1993, GZ 5 Ra 2, 3/93-32, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.September 1992, GZ 47 Cga 140/91-26, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerinnen sind je zur Hälfte schuldig, der Beklagten die mit S 16.473,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.745,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerinnen fochten die Kündigung in erster Instanz auch gemäß § 105 ArbVG an, ohne hiezu allerdings ein Sachvorbringen zu erstatten. Das Erstgericht wies die auf Unwirksamerklärung der Kündigungen gerichteten Klagebegehren ab. In den Berufungen erstatteten die Klägerinnen hiezu kein Vorbringen. Der Grundsatz, daß bei Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung diese nach allen Richtungen zu überprüfen ist, gilt nicht, wenn das Klagebegehren aus mehreren Ansprüchen besteht und sich die Rechtsausführungen nur auf einen dieser Ansprüche, nicht aber auf die anderen beziehen (EvBl 1985/154; Arb 10.527; SZ 60/229; ÖBl 1992, 21 mwN). Die Ausführung der Rechtsrüge erfordert, daß der Rechtsmittelwerber ohne Weitläufigkeiten darlegt, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung unrichtig erscheint (EvBl 1985/154 mwN; 9 ObA 156/89). Da zur Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG in den Berufungen jede Ausführung der Rechtsrüge gefehlt hat, können die Revisionswerberinnen diese versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachholen (ÖBl 1991, 108).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob der Kündigungsgrund nach § 32 Abs 2 lit g VBG gegeben war, zutreffend bejaht, so daß es insoweit genügt, auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberinnen zu entgegnen:

Gemäß § 32 Abs 1 VBG kann das Dienstverhältnis eines Vertragsbediensteten, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, nur schriftlich und mit Angabe des Grundes gekündigt werden. Die Kündigungsgründe sind in der Kündigung zu nennen. Gründe die in der schriftlichen Kündigung nicht geltend gemacht wurden, können daher nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden (Arb 10.637 mwN). Der Gekündigte soll Klarheit darüber erhalten, welcher Sachverhalt in Wahrheit als Kündigungsgrund geltend gemacht wird (Arb 10.949). Es genügt aber, wenn entweder einer der in § 32 Abs 2 VBG aufgezählten Kündigungstatbestände angeführt oder ein Hinweis auf einen entsprechenden Sachverhalt in das Schreiben aufgenommen wird (Arb 8760; DRdA 1980, 330; 9 ObA 192/92). Die Beklagte stützte die Kündigung der Klägerinnen in den Kündigungsschreiben vom 22.Mai 1991 auf § 32 Abs 2 lit g VBG und hat damit dem Erfordernis der Angabe eines Grundes in der schriftlichen Kündigung Genüge getan, auch wenn ein bestimmter Sachverhalt (- dieser war den Klägerinnen überdies aus den Verhandlungen vor der Kündigung bekannt -) nicht in das Schreiben aufgenommen wurde.

Die Beklagte hat ihr zustehende Personalagenden für Landesbedienstete, deren Dienststelle eine Landeskrankenanstalt ist, durch Landesgesetz vom 15.10.1990 LGBlNr.75 an die TILAK übertragen. Die Landesvertragsbediensteten wurden der TILAK zur Dienstleistung zugewiesen, ohne daß dadurch das Dienstverhältnis zum Land berührt wurde. Die Zuständigkeit für Personalangelegenheiten, wie Kündigungen, lag seither bei der TILAK. Sie nahm diese durch den Personaldirektor der TILAK, Mag.Roland S*****, wahr. Aufgrund einer internen Geschäftsordnung der TILAK in Verbindung mit der Anstaltsordnung ist der Personaldirektor des a.ö.Landeskrankenhauses Innsbruck Karl-Heinz V***** ermächtigt, nach vorheriger Information des Personaldirektors der TILAK, der ein Vetorecht hat, eine Kündigung auszusprechen. Die Kündigung der Klägerinnen erfolgte durch Karl-Heinz V***** nach vorheriger Verständigung des Personaldirektors, der kein Veto einlegte. Karl-Heinz V***** handelte daher beim Ausspruch der Kündigung zwar nicht unmittelbar als Organ der TILAK, das Mag. Roland S***** war, wohl aber aufgrund einer Ermächtigung. Die Kündigungen sind daher der Beklagten zuzurechnen, auch wenn die Kündigungsschreiben von der Direktion des a. ö.Landeskankenhauses ausgestellt wurden.

Ein Grund, der den Dienstgeber nach § 32 Abs 2 lit g VBG zur Kündigung berechtigt, liegt vor, wenn eine Änderung des Arbeitsumfanges, der Organisation des Dienstes oder der Arbeitsbedingungen die Kündigung notwendig macht. Die Organisationsänderung muß das Dienstverhältnis so stark berühren, daß die Kündigung deren notwendige Folge ist. Die Änderung allein erfüllt den Kündigungstatbestand nicht (Arb 7131; ZAS 1979/23 [Schrank] = Arb 9715; Arb 9882; auch Arb 10.637). Dabei liegt die "Organisationshoheit" beim Dienstgeber. Nur dieser entscheidet, ob die der Kündigung zugrundeliegende Umgliederung, Rationalisierung oder sonstige Neuorganisation notwendig oder auch nur zweckmäßig ist (Schrank ZAS 1979, 174; Arb 9882).

Keine der Klägerinnen besitzt eine Ausbildung im Krankenpflegefachdienst. Beide waren im Sanitätshilfsdienst, vorwiegend als Nachtaufsicht in der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung des Krankenhauses tätig. Auch eine Ausbildung für den Sanitätshilfsdienst haben die Klägerinnen nicht absolviert. Nur die Erstklägerin besuchte drei Monate den Sanitätshilfsdienstkurs für Stationsgehilfen, brachte ihn aber nicht zum Abschluß. Bis Oktober 1991 wurde der Mangel an diplomiertem Personal in dieser Abteilung durch den Einsatz von Erzieherinnen für die Nachtaufsicht überbrückt. Seitdem werden nur mehr diplomierte Krankenschwestern eingesetzt. Die Struktur der Station hat sich insofern geändert, als neben der Errichtung einer Ambulanz und einer Tagesklinik nunmehr auch Kinder mit psychotischen Störungen, die einen hohen Krankheitswert aufweisen, aufgenommen werden. Dadurch erhöhten sich die Anforderungen an das Pflegepersonal was den Einsatz von diplomiertem Pflegepersonal notwendig machte.

Die Anordnung des Dienstgebers, nur mehr diplomiertes Pflegepersonal für den Nachtdienst zu verwenden, ist einer Organisationsänderung gleichzusetzen. Gemäß § 44 lit b KrankenpflegeG dürften die Klägerinnen nur Sanitätshilfsdienste leisten, die sich in Krankenabteilungen der Krankenanstalten nur auf einfache Hilfsdienste erstrecken, wie sie schon im Erlaß des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 6.März 1962, betreffend den Befugnisumfang der Stationsgehilfen (Beran/Fritz/Haslinger, Krankenpflegerecht3, 79) umschrieben sind. Nach § 60 lit b KrankenpflegeG, ist das Heranziehen einer nicht befugten Person zu einer unter die Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes fallenden Tätigkeit unter Strafsanktion gestellt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Klägerinnen den gesetzlich umschriebenen Arbeitsbereich ua durch Verabreichen und Dosieren von Medikamenten (fallweise sogar ohne Rücksprache mit dem Arzt und die Messung der Körpertemperatur etc überschritten.

Auch wenn die bisherige Verwendung der ungeschulten Klägerinnen entgegen den einschlägigen Vorschriften offenbar zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes erforderlich war, ist die gesetzlich gebotene Entscheidung des Dienstgebers, diesen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen einer Änderung der bisherigen Organisation des Dienstes gleichzusetzen, weil damit eine grundsätzliche Änderung der Personalverwendung und nicht bloß eine gegen die Klägerinnen gerichtete Personalmaßnahme beabsichtigt war. Daß die von den Klägerinnen bisher geleistete Tätigkeit nach wie vor erforderlich ist und geleistet werden muß (vgl Arb 9715; Arb 9882), beeinträchtigt die Berechtigung zur Kündigung nicht, weil die Pflege seit der Aufnahme von Kindern mit psychotischen Störungen erhöhte Anforderungen an das Personal stellt und diese Arbeit (im erweiterten Aufgabenbereich) nicht von den Klägerinnen, sondern nur von diplomiertem Pflegepersonal geleistet werden kann und darf.

Da die Klägerinnen nur im Nachtdienst arbeiten wollten und trotz der bereits seit Oktober 1990 stattgefundenen Gespräche über eine andere Art der Verwendung keine Bereitschaft zeigten, anderweitig bzw tagsüber verwendet zu werden, im Nachtdienst aber keine Ersatztätigkeit vorhanden war, ist die Kündigung die typische, adäquate Folge der Organisationsänderung für die entbehrlich gewordene Tätigkeit der Klägerinnen (ZAS 1979/23 [Schrank]).

Da die Kündigung nicht auf das Nichtablegen einer Fachprüfung gestützt wurde (§ 32 Abs 2 lit d VBG) braucht hiezu auch nicht Stellung genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 46 Abs 1, 50 ZPO.

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