European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120898
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht – nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) – zum einen zur Frage zugelassen, ob zur Feststellung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft beim Fehlen von Naturgrenzen die Mappengrenzen heranzuziehen sind, und zum anderen zu der in der Judikatur noch nicht beantworteten Frage der Festlegung einer verbindlichen Grenze durch den Eigentümer der benachbarten Grundstücke aus Anlass einer Grundstücksteilung. Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Dem gegenüber bestritten die Revisionsgegner das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragten die Zurückweisung der Revision des Klägers.
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
1. Bei der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB muss der Kläger sein Eigentum und den Eingriff des Beklagten, dieser hingegen die Berechtigung seines Eingriffs beweisen (RIS‑Justiz RS0012186). Gegenstand der Behauptungs- und Beweislast des Klägers ist auch die richtige Grenze, weil nur danach Eigentum und Eingriff geprüft werden können (RIS‑Justiz RS0012186 [T6]). Ist der Verlauf der richtigen Grenze strittig, ist darüber als Vorfrage im streitigen Verfahren zu entscheiden (9 Ob 34/17s).
Nach Lehre und herrschender Rechtsprechung bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf eines nicht in den Grenzkataster eingetragenen Grundstücks nach den Naturgrenzen (Schmid, Zum Verhältnis von Natur- und Mappengrenzen, Zak 2017/294; 9 Ob 34/17s; 10 Ob 32/17d ua). Die Frage, wo die natürliche Grenze verläuft, ist eine Frage der Würdigung aller Beweise einschließlich der Kataster‑ und der Grundbuchsmappe sowie eine Frage der Feststellung von Tatsachen (RIS‑Justiz RS0049559 [T4]; 1 Ob 14/17s; 9 Ob 34/17s). Weder die Kataster- noch die Grundbuchsmappe beurkundet die Grenze verbindlich (9 Ob 18/08z; 6 Ob 102/08f; 4 Ob 94/08i; 4 Ob 253/16h; 1 Ob 14/17s; 10 Ob 32/17d; RIS‑Justiz RS0038593 [T1]; RS0049559). Die Mappendarstellung ist nur dazu bestimmt, die Lage der Liegenschaften zu veranschaulichen (RIS‑Justiz RS0049554).
Da der Kläger im Verfahren nicht nachweisen konnte, dass sich der Zaun, dessen Entfernung er von den Beklagten als Eigentümer des südlichen Nachbargrundstücks (580) begehrt, ganz oder teilweise auf seinem Grundstück (586/2) befindet, ergingen die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung.
An der Entscheidung 3 Ob 12/98f, auf die sich die Revision stützt, hat der Oberste Gerichtshof bereits in zahlreichen jüngeren – oben zitierten – Entscheidungen, wenn auch nicht ausdrücklich, nicht mehr festgehalten. Die Entscheidung 3 Ob 12/98f vertrat unter Bezugnahme auf Randa, Eigentumsrecht² [1893], 480, und ihm folgend Wegan, Die Bedeutung der Mappe im Grundbuchsverfahren und bei Grenzstreitigkeiten, ÖJZ 1953, 35, noch die Rechtsansicht, dass dann, wenn Naturgrenzen fehlen, der Käufer durch die Einverleibung Eigentum in jenen Grenzen erwirbt, die von der Grundbuchsmappe dargestellt werden. Die Lehrmeinung von Randa ist spätestens durch Einführung des Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes (BGBl 1930/2) überholt. § 3 AllgGAG hält ausdrücklich fest, dass die Mappe lediglich zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaften dient (vgl auch RIS‑Justiz RS0049554). Der erkennende Senat schließt sich daher der jüngeren einheitlichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs an.
2. Wenn ein Grundstück jedoch nach dem übereinstimmenden Parteiwillen in dem aus der Mappe hervorgehenden Umfang ohne Bestimmung der Grenzen in der Natur verkauft und übergeben worden ist, dann ist für den Umfang des Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft (ausnahmsweise) die Grundbuchsmappe maßgebend (RIS‑Justiz RS0011236 [T4]; 10 Ob 32/17d). Nach dem Grundsatz der Privatautonomie steht es den Parteien nämlich frei, die strittige Grenze unter Hinweis auf die Katastralmappe festzulegen, ohne dass dies die Kenntnis voraussetzt, wie diese Grenze in der Natur tatsächlich verläuft (2 Ob 22/17z = RIS‑Justiz RS0013881 [T4]).
Der Kläger sieht in der im Jahr 1985 auf Grundlage einer Vermessungsurkunde erfolgten Teilung des Grundstücks des Voreigentümers (586) in die Grundstücke 586/1 und 586/2 eine vom Voreigentümer beabsichtigte verbindliche Grenzfestlegung auch zum – damals noch im Eigentum desselben Voreigentümers gestandenen – südlichen Nachbargrundstück (580), die für die Beklagten als nunmehrige Eigentümer dieses Grundstücks bindend sei.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, nach dem festgestellten Sachverhalt könne nicht davon ausgegangen werden, dass der damalige Eigentümer des Grundstücks 586 bereits anlässlich der Teilung des Grundstücks 586 in die Grundstücke 586/1 und 586/2 und des Verkaufs des Grundstücks 586/1 an den Rechtsvorgänger des Klägers (auch) die Grenze zwischen den Grundstücken 586/1 und 586/2 zum Grundstück 580 verbindlich festlegen wollte, ist nach der Lage des Falls vertretbar (RIS‑Justiz RS0044298 [T43]). Für das Berufungsgericht war für diese Beurteilung ua entscheidend, dass zwar die zwischen den Grundstücken 586/1 und 586/2 festgesetzten Grenzpunkte 1 und 2 vermarkt wurden, nicht jedoch der Grenzpunkt 44, auf den sich der Kläger in der Revision stützt. Dieser unverbindliche Grenzpunkt wurde nach den Feststellungen lediglich im Zuge der Übertragung der Grundstücke in den Grundsteuerkataster dergestalt ermittelt, dass die beiden Grenzpunkte 1 und 2 zeichnerisch am Plan verlängert wurden und damit ein grafischer Schnittpunkt zum Grundstück 580 festgelegt wurde. Zudem steht fest, dass der strittige Zaun bereits seit dem Jahr 1950 vorhanden ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist daher nicht zu beanstanden. Die unrichtige Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage vermag der Revisionswerber auch in diesem Punkt nicht aufzuzeigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).
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