OGH 4Ob253/16h

OGH4Ob253/16h20.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** S*****, vertreten durch Dr. Gerd Mössler, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M***** H*****, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Entfernung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 26. September 2016, GZ 4 R 218/16z‑27, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 4. Juli 2016, GZ 15 C 1360/15d‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00253.16H.1220.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind unmittelbare Liegenschaftsnachbarn, wobei weder das klägerische Grundstück 20/10 noch das Grundstück 20/8 des Beklagten im Grenzkataster eingetragen sind. Seit den 1970er Jahren bildet ein Maschendrahtzaun die Naturgrenze zwischen den Grundstücken der Streitteile bzw ihrer Rechtsvorgänger. Der Kläger erwarb sein Grundstück 1992 durch einen Übergabsvertrag in dem Ausmaß „wie es der Voreigentümer besessen und benützt hat“. Der Beklagte kaufte das Grundstück 20/8 im Jahr 2006.

Der Kläger begehrte, den Beklagten zur Entfernung des Maschendrahtzauns zu verpflichten, wobei er im Wesentlichen vorbrachte, dass sich der Zaun bereits auf dem klägerischen Grundstück befinde, was vor allem durch einen Grenzpunkt (7928) des im Grenzkataster bereits eingetragenen westlichen (einem Dritten gehörenden) Nachbargrundstücks Nr 19/45 dokumentiert sei.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass zum Zeitpunkt seines Eigentumserwerbs bereits seit Jahrzehnten ein im Verlauf unveränderter Maschendrahtzaun bestanden habe. Sowohl er als auch seine Rechtsvorgänger seien beim jeweiligen Eigentumserwerb gutgläubig davon ausgegangen, dass der Maschendrahtzaun in seinem Verlauf die Grundstücksgrenze bilde.

Die Lage der Grundstücke und der Grenzpunkt sind aus der DKM wie folgt ersichtlich:

Die Vorinstanzen wiesen das Entfernungsbegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass für den Umfang des Eigentumserwerbs von Liegenschaften nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Wille der Parteien entscheidend sei. Für den Umfang des Eigentumswerbs an beiden Grundstücken durch die Streitteile sei ausschließlich die tatsächliche, in der Natur ersichtliche Grundstücksgrenze maßgeblich gewesen. Es sei irrelevant, ob dem Ergebnis eines Verfahrens des Vermessungsamts im Jahr 2014 ein anderer Grenzverlauf zugrundeliegt als in der Natur ersichtlich.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und erachtete die ordentliche Revision für zulässig, weil nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens die privatrechtliche Eigentumsgrenze am Grundstück 20/10 und die Grenze nach dem Vermessungsgesetz divergierten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden –berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs aus Mangel an erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Nach dem klaren Wortlaut des VermG liegt die besondere Bedeutung des Grenzkatasters darin, dass er unter anderem zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke bestimmt ist (§ 8 Z 1 VermG) und ein auf die in der Natur ersichtlichen Grenzen eines Grundstücks gegründeter Anspruch demjenigen nicht mehr entgegengesetzt werden kann, der ein Recht im Vertrauen auf die im Grenzkataster enthaltenen Grenzen erworben hat (§ 49 VermG); auch ist die Ersitzung von Teilen eines im Grenzkataster enthaltenen Grundstücks ausgeschlossen (§ 50 VermG). Diese Bestimmungen sind jedoch auf Grenzen, die nur im Grundsteuerkataster enthalten sind, nicht anzuwenden (§ 52 Z 1 VermG).

2. Die Vorinstanzen haben sich an dieser gesicherten Rechtslage orientiert und sind davon ausgegangen, dass im Eigentumsstreit eine Bezugnahme auf den Grenzkataster zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke schon deshalb scheitern muss, weil die streitverfangenen Grundstücke nicht im Grenzkataster enthalten sind, weshalb die Naturgrenzen maßgeblich sind. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (zB 1 Ob 13/99i, 10 Ob 18/05b; RIS-Justiz RS0049554 [T1, T2, T3]) und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

3. Auch der Hinweis, dass ein einzelner Grenzpunkt eines dritten Grundstücks im „Widerspruch“ zur maßgeblichen Naturgrenze zwischen den streitverfangenen Grundstücken stehe, begründet keine erhebliche Rechtsfrage. Zum einen definiert der Grenzpunkt 7928 die Grenze des Grundstücks 19/45, nicht aber die streitgegenständliche Grenze. Die Lage dieses Grenzpunktes kann sich daher auf das Ergebnis des Grenzstreits nicht auswirken. Zum anderen ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auf die im Grenzkataster eingetragenen Grenzen abzustellen (vgl § 52 Z 1 VermG), wobei diese Grenzen die streitverfangenen Grundstücke betreffen müssen (vgl 1 Ob 181/14w mwN). Das ist hier jedenfalls schon deshalb auszuschließen, weil keines der Grundstücke der Streitteile im Grenzkataster enthalten ist.

4. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht hingewiesen und demgemäß auch nur beantragt hat, dieser nicht Folge zu geben, hat er auch keinen Anspruch auf Honorierung seiner Revisionsbeantwortung.

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