European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00009.18H.1024.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin begehrte vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vom Beklagten die Zahlung von 19.966,28 EUR sA und die Feststellung von dessen Haftung für alle zukünftigen Schäden aus den von ihm vorgenommenen kieferchirurgischen Behandlungen ihrer Patienten. Der Beklagte sei als selbständiger Kieferchirurg vom 24. 10. 2013 bis 27. 1. 2016 in ihrer Ordination tätig gewesen. Durch die vom Beklagten an Patienten durchgeführten mangelhaften Behandlungen sei ihr ein Schaden entstanden. Auf Wunsch des Beklagten seien zwei „Rahmen-Werkverträge“ abgeschlossen worden, im Rahmen derer er sich zur selbständigen Durchführung von kieferchirurgischen Leistungen verpflichtet habe. Die Patienten hätten mit der Klägerin einen Behandlungsvertrag abgeschlossen und der Beklagte sei für die Klägerin bei der Erbringung von kieferchirurgischen Leistungen als Erfüllungsgehilfe iSd § 1313a ABGB tätig geworden. Die Klägerin habe dem Beklagten bei den Behandlungen assistiert.
Die Setzung eines Implantats durch den Beklagten sei mit rund 1.000 EUR in bar honoriert worden. Für Leerzeiten sei der Beklagte nicht entlohnt worden. Die Arbeitszeiten habe sich der Beklagte selbständig einteilen können; sie hätten sich ausschließlich nach der Nachfrage nach kieferchirurgischen Leistungen gerichtet. Die Betriebsmittel und Materialien seien anfangs gemeinsam besorgt worden und später von der Klägerin alleine. Der Beklagte habe weder unter ihrer Anleitung noch unter ihrer Aufsicht gearbeitet.
Der Beklagte wandte die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein und führte dazu aus, die Klägerin habe damals einen Mediziner in Ausbildung, der sie für einen relativen geringen Lohn in ihrer Ordination unterstütze, gesucht. Er sei daraufhin im Rahmen eines Dienst- und Ausbildungsverhältnisses bei der Klägerin tätig gewesen. Die Klägerin sei bei jedem Eingriff des Beklagten, der selbständiger Kieferchirurg gewesen sei, dabei gewesen, habe diesen überwacht, kontrolliert und angeleitet. Er habe jeden Mittwoch anwesend sein müssen und im Bedarfsfall an einem weiteren von der Klägerin bestimmten Tag. Den Arbeitsablauf habe er nicht selbst gestalten und sich entgegen der in den „Rahmen-Werkverträgen“ enthaltenen Bestimmungen nicht vertreten lassen können. Die Materialien und Betriebsmittel seien von der Klägerin auf deren Kosten beigestellt worden. Er habe für seine Tätigkeit eine von Patienten und Eingriffen unabhängige Entlohnung erhalten, dies auch in Leerzeiten.
Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 22. 9. 2017 seine sachliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache an das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Der Beklagte sei eine arbeitnehmerähnliche Person iSd § 51 Abs 3 ASGG, die einem Arbeitnehmer gleichstünde, sodass gemäß § 50 ASGG das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Entscheidung berufen und die Rechtssache gemäß § 38 Abs 2 ASGG an dieses zu überweisen sei.
Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin zurück. Der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN gelte nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung auch für das Verhältnis ordentliches Gericht – Arbeits- und Sozialgericht Wien. Der Rekurs sei daher unzulässig.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht nicht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs an das Oberlandesgericht Wien zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und auch berechtigt.
1. Gemäß § 45 JN sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht anfechtbar, solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat.
Hintergrund für die Neufassung des § 45 JN durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 war die Zurückdrängung von Zuständigkeitsstreitigkeiten. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass für die Parteien meist von geringerer Bedeutung sei, welche Art von Gericht zu entscheiden hat. Von größerer wirtschaftlicher Bedeutung sei der Ort, an dem das Verfahren abläuft (ErlRV 669 BlgNR 15. GP 32). Die Anfechtbarkeit wurde daher davon abhängig gemacht, ob es zu einer Verschiebung der Zuständigkeit zu einem Gericht außerhalb der Gemeinde kommt ( Schneide r in Fasching/Konecny 3 § 45 JN Rz 2).
Die Anfechtungsbeschränkung des § 45 JN soll den Verlust bereits geschehenen Verfahrensaufwands verhindern; ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass ein berücksichtigungswürdiges Parteiinteresse nicht verletzt werden kann, wenn in einer Sache statt des Bezirksgerichts der Gerichtshof erster Instanz entscheidet (RIS-Justiz RS0046364).
2. Es trifft zu, dass der Oberste Gerichtshof – beginnend mit der Entscheidung 4 Ob 145/85 – bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN auch für das Verhältnis ordentliches Gericht – Arbeitsgericht gilt (RIS-Justiz RS0046314). Der Wortlaut des § 45 JN in der Fassung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 umfasse auch die – heilbar gewordene – Unzuständigkeit eines Arbeitsgerichts. Nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejahe, seien somit auch im Verhältnis zwischen den Arbeitsgerichten und den allgemeinen Zivilgerichten nicht mehr anfechtbar (4 Ob 145/85, 14 Ob 25/86 ua). An dieser Rechtsprechung wurde auch nach der Einführung des ASGG mit 1. 1. 1987 festgehalten (9 ObA 8/95 uva), und zwar auch dann, wenn die sachliche Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts verneint wurde (9 ObA 135/91 ua).
3. Demgegenüber ist nach ständiger Rechtsprechung die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof in einer Rechtssache als Arbeitsgericht oder in anderer Funktion zu entscheiden hat, nicht eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern eine solche der Gerichtsbesetzung des jeweiligen Spruchkörpers (1 Ob 542/94; 9 ObA 5/01b; RIS‑Justiz RS0085489). Wird die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung von einer Partei bezweifelt, hat das Gericht, sofern nicht eine Heilung nach § 37 Abs 1 ASGG eingetreten ist, gemäß § 37 Abs 3 ASGG mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist. Ein solcher Beschluss unterliegt, weil er sich auf die Besetzung und nicht auf die Zuständigkeit bezieht, nicht den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN (RIS‑Justiz RS0046274, zuletzt 1 Ob 88/13t).
4.1 Ballon (Die Gerichtsorganisation der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit; JBl 1987, 349, 352) hat verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet, weil die §§ 37 und 38 ASGG eine unterschiedliche Betrachtungsweise für Verfahren in Wien und außerhalb der Bundeshauptstadt bedingen. Die Parteien eines in Wien geführten Prozesses seien schlechter gestellt, als in einem Verfahren außerhalb Wiens, da sie keine Möglichkeit der Bekämpfung eines – im Verhältnis zum Arbeits- und Sozialgericht Wien – die Zuständigkeit bejahenden bzw die sachliche Unzuständigkeit verneinenden Beschlusses eines Wiener Gerichts hätten. Stelle hingegen ein Gerichtshof außerhalb Wiens fest, dass er in der richtigen Besetzung verhandle, könne dieser Beschluss gemäß § 37 ASGG angefochten werden. Es werde daher Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt, sodass eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorliege und eine Regelung des ASGG, nämlich entweder § 37 oder § 38 im Zusammenhang mit § 45 JN, verfassungswidrig sei.
4.2 Auch nach Ansicht von Fasching (Die Bedeutung des Gleichheitssatzes, FG Fasching 8) hat das ASGG durch die Schaffung eines selbständigen Arbeits- und Sozialgerichts Wien im Zusammenhang mit den §§ 37, 38 ASGG zu einer offensichtlichen Verletzung des Gleichheitssatzes geführt. Während überall dort, wo außerhalb Wiens ein Gerichtshof erster Instanz als Arbeits- und Sozialgericht einschreitet, die Frage, ob es sich um eine Arbeits- und Sozialrechtssache oder eine allgemeine Zivilrechtssache handelt, gemäß § 37 ASGG als Frage der Gerichtsbesetzung zu behandeln sei, führe das in Wien zu einer Zuständigkeitsprüfung.
4.3 Kuderna (Die Entwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Österreich; DRdA 1997, 341, 345) spricht in diesem Zusammenhang ebenfalls von einem verfassungsrechtlichen Problem und schlägt als Lösung vor, für Besetzungsstreitigkeiten eine dem § 45 JN ähnliche Rechtsmittelbeschränkung zu schaffen.
4.4 Zuletzt hat sich Kohlbacher (Wien ist anders – Das Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung hingegen nicht; AsoK 2014, 95) ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt. Ihrer Ansicht nach verstößt die fehlende Rekursmöglichkeit gegen einen Unzuständigkeitsbeschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter, das eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes sei. Eine Fehlbeurteilung durch das Gericht erster Instanz, dessen Unzuständigkeitsentscheidung auf einer falschen Sachverhaltsinterpretation beruhe, führe (in ihrem Beispielsfall) dazu, dass anstatt des zuständigen Arbeits- und Sozialgerichts Wien das unzuständige Handelsgericht Wien entscheide. Nach dem VfGH sei das Recht auf den gesetzlichen Richter dann verletzt, wenn eine sachlich unzuständige Behörde entscheide. Kohlbacher meint, dass es in einem modernen Rechtsstaat bei der Frage nach der Anfechtbarkeit einer Entscheidung nicht darauf ankommen sollte, ob das vermeintlich zuständige Gericht in derselben Gemeinde liegt oder nicht. Vielmehr sollte es ein Anliegen sein, komplexe Rechtsfragen auch durch die entsprechend spezialisierten tatsächlich zuständigen Gerichte entscheiden zu lassen. Dem entspreche auch die Wertung des VfGH, dass die Entscheidung durch eine sachlich unzuständige Behörde schwerer wiege als jene durch eine örtlich unzuständige Behörde.
4.5 Kodek (in Fasching/Konecny 3 III/1 § 260 ZPO Rz 36) sieht für eine verfassungskonforme Interpretation des § 45 JN dahingehend, dass der Rechtsmittelausschluss auf das Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und anderen Wiener Gerichten nicht anzuwenden ist, keine zwingende Notwendigkeit. Der unleugbare Wertungswiderspruch sei hinzunehmende Folge der notwendig generalisierenden Regelungstechnik des Gesetzes, zumal auch sonst das arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren im Vergleich zum ordentlichen Verfahren großzügigere Anfechtungsmöglichkeiten eröffne. Im Übrigen könnte das Spannungsverhältnis zu § 45 JN auch dadurch beseitigt werden, dass man diese Bestimmung auch auf Besetzungsfragen analog anwende und damit die Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 37 Abs 3 ASGG überhaupt verneine.
5.1 Auch in der Judikatur wurde – bislang allerdings immer nur im Zusammenhang mit der Frage, ob die Rechtsmittelmöglichkeit im Besetzungsstreit nach § 37 Abs 3 ASGG einzuschränken sei – der Wertungswiderspruch erkannt, der sich aus der Anwendung des § 45 JN auf das Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und den anderen ordentlichen Gerichten in Wien daraus ergibt, dass die in Wien getroffenen Entscheidungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 ASGG unanfechtbar sind. In den Entscheidungen 4 Ob 1/03f und 1 Ob 88/13t erwog der Oberste Gerichtshof, dieser Wertungswiderspruch könnte zwar vom Gesetzgeber dahin gelöst werden, dass er auch für Besetzungsstreitigkeiten eine Rechtsmittelbeschränkung schafft, führe aber nicht zur Verfassungswidrigkeit der für den Rechtsschutz großzügigeren Regelung des § 37 Abs 3 ASGG. Obiter wies der vierte Senat des Obersten Gerichtshof darauf hin, dass sich die Frage stelle, ob nicht § 45 JN verfassungskonform dahin auszulegen sei, dass er im Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und anderen Wiener Gerichten nicht heranzuziehen sei. In der Entscheidung 1 Ob 88/13t wurde überdies betont, dass sich der hohe Stellenwert der Wahrung der richtigen Zuständigkeit und Gerichtsbesetzung in Arbeits- und Sozialrechtssachen in der Anfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 37 Abs 3 ASGG zeige.
5.2 Bereits in der Entscheidung 9 ObA 5/01b nahm der Oberste Gerichtshof zur unterschiedlichen Behandlung des Verhältnisses zwischen der Entscheidungstätigkeit in Arbeits- und Sozialrechtssachen einerseits und allgemeinen Zivilsachen beim selben Gerichtshof andererseits abweichend vom Verhältnis der Entscheidungstätigkeit in allgemeinen Zivilsachen und Handelssachen beim selben Gericht Stellung. Er führte aus, dass hier wesentliche Unterschiede bestünden, welche eine sachliche Differenzierung auch wegen der Folgen, dh insbesondere im Bereich des Rechtsmittelverfahrens, rechtfertigten. Während sich nämlich allgemeine Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit im Wesentlichen nur durch die Senatszusammensetzung (auch in zweiter Instanz) unterscheiden würden, knüpften sich an die Unterscheidung zwischen arbeits- und sozialrechtlichem Senat einerseits und der Besetzung in allgemeinen Zivilsachen wesentlich gravierendere Folgen, nämlich die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des ASGG mit den erheblich von der ZPO abweichenden Sonderregelungen.
5.3 Ungeachtet dessen hat der Oberste Gerichtshof zuletzt keine Veranlassung gesehen, von seiner Rechtsprechung abzugehen, dass der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN auch im Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und den anderen ordentlichen Gerichten gilt (9 ObA 12/08t; 8 Ob 69/08t).
6. Durch die Zuständigkeitsentscheidung wird aber implizit auch über die Gerichtsbesetzung und die Anwendung der zahlreichen Verfahrensbesonderheiten entschieden.
6.1 So hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass durch die Bejahung der Zuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und damit die Verwerfung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit dieses Gerichts implizit auch darüber entschieden wurde, dass sich die Gerichtsbesetzung nicht nach dem ASGG, sondern nach der JN richtet (10 ObS 252/94; ähnlich für den Fall der Bejahung der Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts: 9 ObA 248/93). Aufgrund eines bindenden Beschlusses über die Zuständigkeit kann sich daher ergeben, dass in einer bestimmten Gerichtsbesetzung zu entscheiden ist, zB auch in einer (eigentlich) Arbeits- oder Sozialrechtssache ohne fachkundige Laienrichter ( Neumayr in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3 § 37 ASGG Rz 1).
6.2 Nach ständiger Rechtsprechung wirkt der bindende Ausspruch über die Gerichtsbesetzung ebenso wie die Heilung der unrichtigen Gerichtsbesetzung nach § 37 Abs 1 ASGG der systematischen Einheit wegen auch für ein allfälliges Rechtsmittelverfahren und bestimmt demgemäß die anzuwendenden Rechtsmittelzulassungsvorschriften (10 ObS 252/94; 6 Ob 587/91; 8 ObA 51/07v; RIS-Justiz RS0085567).
6.3 Besonders ins Gewicht fällt aber, dass der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass mit der Entscheidung über die Gerichtsbesetzung auch die Frage der Anwendung der Verfahrensbesonderheiten des ASGG mitentschieden wird (9 ObA 5/01b). Der Oberste Gerichtshof hat die Bedeutung dieser Entscheidung sogar dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er für die Frage der Anfechtbarkeit der Beschlüsse auch auf § 40a JN über die Entscheidung über die richtige Verfahrensart Bezug genommen hat (9 ObA 147/91; 1 Ob 88/13t).
6.4 Auch mit der Entscheidung über die Zuständigkeit, die die Gerichtsbesetzung umfasst (vgl oben 6.1), wird über die Anwendung der Verfahrensbesonderheiten für Arbeitsrechtssachen (§§ 36 ff ASGG; aber auch § 502 Abs 4 Z 5 ZPO) mitentschieden (vgl im Übrigen § 55 ASGG).
6.5 Der Bedeutung der Entscheidung dieser Frage (etwa besondere Belehrungspflichten, Vertretungsregeln, Pflicht zur Ermittlung des Inhalts von Kollektivverträgen, eigene Aufwandersatzbestimmungen, besondere Rechtsmittel ‑ und Neuerungsmöglichkeiten) wird vom Gesetzgeber durch die spezifische Regelung des § 37 ASGG Rechnung getragen, der die Abgrenzung der Arbeitsrechtssachen, anders als §§ 61 ff JN nicht nur als Frage der Zuständigkeit behandelt (9 ObA 5/01b; 1 Ob 88/13t; vgl im Übrigen § 46 Abs 3 JN).
6.6 Deutlich wird der doppelte (Gerichtsbesetzung vgl oben 6.2) – dreifache (Verfahren vgl oben 6.3) – Entscheidungsinhalt einer Zuständigkeitsentscheidung auch bei einer außerhalb Wiens vorgenommenen Verneinung der Zuständigkeit durch ein Bezirksgericht wegen des Vorliegens einer Arbeitsrechtssache und der Überweisung nach § 38 ASGG an ein – allenfalls in derselben Gemeinde liegendes (§ 45 JN) – Landesgericht „als Arbeits‑ und Sozialgericht“. Nach § 38 Abs 4 ASGG ist das Gericht, an das überwiesen wurde, an die „rechtskräftige“ Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit gebunden (vgl auch § 46 Abs 1 JN zur Bindung an die sachliche Unzuständigkeitsentscheidung).
Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung umfasst dies auch die Gerichtsbesetzung und die Verfahrensbesonderheiten.
6.7 § 3 ASGG setzt bei der sachlichen Zuständigkeit die Zuständigkeit eines Landesgerichts als Arbeits‑ und Sozialgericht jener des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien gleich.
6.8 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die hier vorliegende Verneinung der Zuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wegen Vorliegens einer Arbeitsrechtssache und die Überweisung nach § 38 ASGG an das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien auch die Entscheidung, dass dieses Gericht in der Besetzung (Verfahren) für Arbeits ‑ und Sozialrechtssachen tätig zu werden hat, umfasst. Dies soll nach § 38 Abs 4 ASGG nach einer „rechtskräftigen“ Entscheidung bindend sein. Das spricht dafür, die für Besetzungsfragen nach § 37 ASGG bestehende Rechtsmittelmöglichkeit auch hier zuzulassen.
7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit der Frage der Gerichtsbesetzung nach § 37 ASGG – im Gegensatz zur Abgrenzung zwischen einer der allgemeinen Gerichtsbarkeit und einer der handelsrechtlichen Kausalgerichtsbarkeit unterliegenden Rechtssache – wesentliche verfahrensrechtliche Konsequenzen verknüpft sind. Gerade unter Hinweis auf diese Besonderheit bejaht ja die ständige Rechtsprechung die Anfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 37 Abs 3 ASGG. Die Wichtigkeit der (richtigen) Gerichtsbesetzung kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, dass die unrichtige Gerichtsbesetzung – sofern nicht geheilt – als Nichtigkeitsgrund ausgestaltet ist (§ 477 Abs 1 Z 2 ZPO). Auch der richtigen Verfahrensart misst das Gesetz erhebliche Bedeutung zu, wie die Bestimmungen des § 40a, § 43 JN zeigen. Des Weiteren ist anerkannt, dass in einer Entscheidung über die Zuständigkeit auch eine (implizite) Entscheidung über die Gerichtsbesetzung nach § 37 Abs 3 ASGG und über die Behandlung einer Rechtssache im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren liegen kann. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht gerechtfertigt, dann, wenn mit der Entscheidung über die Zuständigkeit implizit auch bindend die Gerichtsbesetzung und die Anwendung der Verfahrensbesonderheiten für Arbeitsrechtssachen entschieden wird, die Anfechtungsmöglichkeit zu verkürzen. Der erkennende Senat vertritt daher die Ansicht, dass diese Fälle nicht von der nur die Frage der Zuständigkeit betreffenden Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN erfasst sind, sondern nach § 37 ASGG ein Rechtsmittel möglich ist.
Der Rekurs der Klägerin ist daher nicht gemäß § 45 ZPO unzulässig.
Eine Verstärkung des Senats im Sinne des § 8 OGHG war nicht geboten, da die „Rechtsfrage“ der Bedeutung der impliziten Mitentscheidung der Besetzungs‑ und Verfahrensanwendungsfrage für die Anfechtbarkeit der Zuständigkeitsentscheidung bisher so noch nicht beantwortet wurde.
8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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