European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00040.23Z.0829.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.551,68 EUR (darin enthalten 258,61 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger kaufte am 27. 8. 2013 von der Erstbeklagten einen – von der Zweitbeklagten hergestellten und mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestatteten – Personenkraftwagen der Marke VW um 31.742 EUR. Der Kläger, dem das Fahrzeug am 30. 10. 2013 übergeben wurde, wurde am 8. 10. 2015 von der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten „Dieselskandal“ in Kenntnis gesetzt. „[I]n Entsprechung des Produktrückrufs“ wurde am 13. 10. 2016 ein Software‑Update durchgeführt. Dabei wurde das „Thermofenster“ entweder verbaut oder belassen. Am 16. 7. 2018 wurde die auch auf Gewährleistung gestützte Klage erhoben.
[2] Das Berufungsgericht erklärte mit dem angefochtenen, gegenüber der Erstbeklagten ergangenen und das erstgerichtliche Urteil teilweise abändernden Teilurteil den Kaufvertrag für ex tunc aufgehoben (Spruchpunkt 1 des Ersturteils), die Klageforderung als mit 23.108,18 EUR und die Gegenforderung als mit 6.401,10 EUR zu Recht bestehend (Spruchpunkte 2 und 3 des Ersturteils) und erkannte die Erstbeklagte schuldig, dem Kläger 16.707,08 EUR samt näher aufgeschlüsselten Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu zahlen (Spruchpunkt 4). Das auf Zahlung weiterer 6.401,10 EUR samt Zinsen gerichtete Mehrbegehren wies es ab und verpflichtete die Erstbeklagte zum Kostenersatz (Spruchpunkte 5 und 6).
[3] Rechtlich vertrat das Berufungsgericht – soweit für das Verständnis dieses Beschlusses von Bedeutung – im Wesentlichen die Ansicht, dass aufgrund des Software‑Updates die Gewährleistungsansprüche des Klägers nicht verjährt seien. Es ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen gegen Verkäufer von vom „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeugen sowie „zur Schaffung einer Aufrechnungslage (bloß) durch prozessuale Aufrechnung mit laufend entstehendem Benützungsentgelt“ zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Erstbeklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[5] 1. Die Erstbeklagte kommt in ihrer Revision auf die in der Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts angesprochene Aufrechnungslage nicht zurück, weshalb hieraus die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht abgeleitet werden kann (RIS‑Justiz RS0048272 [T1]).
[6] 2. Der von der Erstbeklagten aufgegriffenen Frage des Vorliegens eines Rechtsmangels kommt keine Entscheidungsrelevanz zu (RS0088931). Auch bei Verneinung des Vorliegens eines – die Gewährleistungsfrist nicht bereits mit der Übergabe auslösenden (argumento § 933 Abs 1 Satz 2 ABGB aF und § 933 Abs 3 Satz 2 ABGB nF) – Rechtsmangels erweist sich nämlich die Bejahung der Rechtzeitigkeit der Gewährleistungsklage vom 16. 7. 2018 als richtig.
[7] 3. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile nach Einholung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Juli 2022, C‑145/20 , zu 10 Ob 2/23a mit ausführlicher Begründung klargestellt, dass die ursprünglich bei Fahrzeugen mit einem Dieselmotor wie im vorliegenden Fall bestehende „Umschaltlogik“ eine gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung darstellt, weshalb ein Sachmangel vorliegt, der durch das – auch beim Fahrzeug des Klägers durchgeführte – Software-Update nicht behoben wurde, weil diese Software ein „Thermofenster“ beinhaltet, aufgrund dessen die Abgasrückführung nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius und damit im deutschsprachigen Raum nur in vier oder fünf Monaten im Jahr voll aktiv ist. Daran ist festzuhalten (3 Ob 30/23t [Rz 12]; 3 Ob 77/23d [Rz 9] ua).
[8] 4.1. Nach § 1497 ABGB wird die Verjährung unter anderem dann unterbrochen, „wenn derjenige, welcher sich auf dieselbe berufen will, vor dem Verlaufe der Verjährungszeit [...] ausdrücklich oder stillschweigend das Recht des andern anerkannt hat“. Nach Rechtsprechung und Literatur ist – schon aufgrund der verba legalia „vor dem Verlaufe der Verjährungszeit“ – die Unterbrechung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist nicht denkbar; die „Unterbrechung“ setzt begrifflich immer eine noch im Gang befindliche Verjährung voraus (8 Ob 194/71 = SZ 44/142; 7 Ob 12/74 = SZ 47/28; 8 Ob 27/04k; M. Bydlinski in Rummel 3 [2002] § 1497 Rz 4; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2012] § 1497 ABGB Rz 2; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.07 [2022] § 1497 Rz 5).
[9] 4.2. Gleichwohl kann eine Schuld auch nach Eintritt der Verjährung anerkannt werden. Ein solches Anerkenntnis beinhaltet in der Regel den Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede (3 Ob 235/51 = SZ 24/153; 1 Ob 8/02m; 8 Ob 27/04k; RS0032386). Dieser Verzicht ist auch stillschweigend möglich (vgl RS0032401 [T5]).
[10] 4.3. Macht ein Verkäufer oder Werkunternehmer eine Verbesserungszusage oder nimmt er die Verbesserung (sei es erfolgreich oder erfolglos) tatsächlich vor, so anerkennt er dadurch nach der Rechtsprechung in der Regel konkludent iSd § 863 ABGB jenen Mangel, der mit der Verbesserung – nach dem Eindruck eines redlichen Käufers oder Werkbestellers (Vertrauenstheorie; allgemein RS0014205; P. Bydlinski in KBB7 [2023] § 863 ABGBRz 3) – beseitigt werden soll, und damit seine diesbezügliche Gewährleistungspflicht (zB 1 Ob 531/77 = SZ 50/85; 6 Ob 126/01z; 10 Ob 105/05x; 5 Ob 126/12h [Pkt 5]; 8 Ob 124/16t [Pkt 3]; RS0018921 [T7, T8]).
[11] 4.4. Die Erstbeklagte führt in der Revision – insoweit noch rechtsrichtig – ins Treffen, ein Verbesserungsversuch führe lediglich dazu, dass die Gewährleistungsfrist bezüglich des damit konkreten anerkannten Mangels neu zu laufen beginne. Wenn sie sodann aber ausführt, im gegenständlichen Fall habe das am 13. 10. 2016 durchgeführte Software-Update dazu gedient, die vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) beanstandete Umschaltlogik, nicht aber das Thermofenster zu entfernen, so geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es steht allein fest, dass das Klagsfahrzeug „vom Dieselskandal betroffen“ ist, „wovon der Kläger mit Schreiben vom 8. 10. 2015 in Kenntnis gesetzt wurde“, und dass „[a]us diesem Grund“ am 13. 10. 2016 „in Entsprechung des Produktrückrufs“ ein Software‑Update durchgeführt wurde. Aus der Beilage ./KK – deren Echtheit und Inhalt unstrittig ist, und die daher der Entscheidung des Revisionsgerichts ohne Weiteres zugrunde zu legen ist (RS0121557 [T3]) – geht hervor, dass das Software‑Update am 13. 10. 2016 von der Erstbeklagten durchgeführt wurde. Der festgestellte Sachverhalt lässt nicht erkennen, dass dem Kläger an oder vor diesem Tag jemals kommuniziert wurde, dass das Update allein der Beseitigung einer „Umschaltlogik“ diene.
[12] Ein Käufer, der in Kenntnis der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom „Dieselskandal“ ist und der in diesem Zusammenhang aufgefordert wird, wegen einer – ihm nicht näher erläuterten – Rückrufaktion sein Fahrzeug für ein Software‑Update zur Verkäuferin zu bringen, muss dies typischerweise dahin verstehen, dass der Verstoß gegen die geltenden Abgasvorschriften behoben, also sein Auto diesen fortan entsprechen wird. Selbst bei Annahme eines Ablaufs der Gewährleistungsfrist bereits vor dem 13. 10. 2016 musste der Kläger das Verhalten der Erstbeklagten – Angebot eines Software‑Updates – demnach dahin verstehen, dass sie ihre Verpflichtung, ihm wegen Verkaufs eines hinsichtlich der Abgasvorschriften nicht mangelfreien Autos Gewähr leisten zu müssen, anerkannte und damit auf die Einrede der bereits eingetretenen Verjährung verzichtete. Zumal das Auto – sei es bereits seit der Übergabe, sei es seit dem Software‑Update – ein Thermofenster enthält, welches in seiner konkreten Ausgestaltung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 55 ff]; 3 Ob 140/22t [Rz 37 ff]), erweist sich damit die auf Wandlung des Vertrags und Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage (abzüglich eines angemessenen Benützungsentgelts) als grundsätzlich berechtigt und rechtzeitig eingebracht. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich.
[13] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Das Revisionsinteresse betrug 16.707,08 EUR.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)