OGH 1Ob8/02m

OGH1Ob8/02m13.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene P*****, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, 2. Land Steiermark, vertreten durch Kammerlander, Piaty & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 1,308.111,02 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. September 2001, GZ 5 R 49/01t-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Februar 2001, GZ 16 Cg 119/00f-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 3.093,14 und der zweitbeklagten Partei die mit EUR 3.912,69 (darin EUR 652,12 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bereibt ein Unternehmen, das ein Gasthaus, ein Pub, ein Dachterrassencafe, Sportkegelbahnen, einen Billardraum und seit 1984 auch einen Mehrzweckraum umfasst. In diesem Raum wurde unter anderem der "Tanzpalast Metropol", eine Diskothek, betrieben. Die zuständige Bezirkshauptmannschaft wies mit Bescheid vom 23. 11. 1993 den Antrag der Klägerin auf Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung der gastgewerblichen Betriebsanlage "Diskothek Metropol" mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ab. Unter einem wurde zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Kunden und des Gewerbetreibenden sowie der Arbeitnehmer die Schließung dieser gastgewerblichen Betriebsanlage bis zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands verfügt. Mit Bescheid vom 6. 12. 1993 widerrief die Bezirkshauptmannschaft die verfügte Schließung der gastgewerblichen Betriebsanlage "Mehrzwecksaal Metropol" wegen Wegfalls der "Gefahr im Verzug". Der Landeshauptmann behob infolge Berufung der Klägerin gegen die Versagung der gewerbebehördlichen Genehmigung mit Bescheid vom 29. 12. 1993 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft und verwies die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung sowie zur neuerlichen Durchführung einer Ortsaugenscheinsverhandlung und Bescheiderlassung an diese zurück. Am 2. 10. 1996 erließ die Bezirkshauptmannschaft einen Bescheid, mit dem der Klägerin die gewerbebehördliche Genehmigung der Errichtung und des Betriebs der gastgewerblichen Betriebsanlage samt Heizungs-, Tonmusik- und Laseranlage nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Planunterlagen, unter Zugrundelegung der in diesem Bescheid näher dargestellten Betriebsbeschreibung sowie unter Vorschreibung der im Einzelnen angeführten Auflagen erteilt wurde. Eine dagegen von Anrainern erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann mit Bescheid vom 4. 12. 1996 abgewiesen.

Mit dem an den zuständigen Bezirkshauptmann gerichteten Schreiben vom 23. 12. 1993 hatte der damalige Rechtsfreund der Klägerin darauf hingewiesen, dass durch die Versagung der Betriebsanlagengenehmigung die Gefahr der Insolvenz und des Verlustes von Arbeitsplätzen bestehe. Mit Schreiben vom 20. 1. 1994 teilte die Klägerin der zuständigen Bezirkshauptmannschaft sinngemäß mit, durch die Schließung sei ihr ein Schaden von 1,9 Mio ATS entstanden und jeder weitere Tag der Schließung "koste" zumindest ATS 30.000. Die Schäden, die sich aus der Nichteinhaltung langfristiger Verträge mit Agenturen, dem ORF, ausländischen Fernsehanstalten usw ergäben, könnten noch nicht beziffert werden.

Mit ihrer am 22. 5. 2000 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes und auf jeden sonstigen erdenklichen Rechtsgrund, die Beklagten zur Zahlung von 18 Mio ATS schuldig zu erkennen. Sie habe im Jahr 1961 den seit 1848 existierenden Familienbetrieb übernommen. Der Mehrzweckraum sei von Bund und Land gefördert worden. Der für diesen Raum im Jahr 1993 gestellte Antrag auf Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung sei am 23. 11. 1993 abgewiesen und an diesem Tag auch der Betrieb wegen "Gefahr im Verzug" geschlossen worden. Die Betriebsschließung habe bis 4. 12. 1996 gedauert. Der Betrieb des Gewerbes der Klägerin sei mangels gewerbebehördlicher Genehmigung nicht möglich gewesen. Erst am 2. 10. 1996 sei die gewerbebehördliche Genehmigung nach Behebung des abweislichen Bescheids durch den Landeshauptmann mit Auflagen, die bereits 1993 erfüllt gewesen seien, erteilt worden. Durch die rechtswidrige Stilllegung des gesamten Betriebs für die Dauer von mehr als drei Jahren sei ihr ein Schaden von mehr als 30 Mio ATS entstanden und sei der Betrieb nahezu ruiniert worden. Die Beklagten seien mit Schreiben vom 11. 8. 1999 und 30. 11. 1999 erfolglos zur Zahlung aufgefordert worden. Der Landeshauptmann habe in Gegenwart eines Landesbeamten bei einer Vorsprache der Klägerin am 7. 6. 1999 den Schadenersatz dem Grunde nach anerkannt.

Die Beklagten wendeten in erster Linie Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ein, weil die Klägerin hinreichende Kenntnis von Schaden und Schädiger bereits im Zeitpunkt der Schließung am 23. 11. 1993, spätestens aber im Zeitpunkt des Widerrufs dieser Schließung am 6. 12. 1993, gehabt habe. Selbst wenn man davon ausginge, dass von Organen der Beklagten von der Schließung des Betriebs am 23. 11. 1993 bis zur Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung am 2. 10. 1996 ein fortlaufendes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt worden sei, wäre das Ende der Verjährungsfrist mit 2. 10. 1999 anzusetzen und die Klagserhebung am 22. 5. 2000 in jedem Fall verspätet. Die positive Kenntnis der Klägerin vom Schaden ergebe sich auch aus ihrem Schreiben vom 20. 1. 1994 an Organe der zuständigen Bezirkshauptmannschaft. Auch aus der Sachverhaltsmitteilung an die Staatsanwaltschaft vom 1. 3. 1996 und deren Ergänzung vom 14. 3. 1996, in denen die Klägerin gegen die Organe der Beklagten wegen der Schließung des Betriebs massive Vorwürfe in Richtung des Amtsmissbrauchs erhoben habe, gehe klar und eindeutig hervor, dass die Klägerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hinreichende Kenntnis vom behaupteten Schaden und Schädiger gehabt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Klägerin sei zumindest ab dem Zeitpunkt ihres Schreibens an die Bezirkshauptmannschaft am 20. 1. 1994 die Tatsache des Schadenseintritts durch die bescheidmäßige Schließung eines Betriebsteils und durch die versagte Betriebsstättengenehmigung bekannt gewesen. Sie habe somit über alle Kenntnisse verfügt, die für eine erfolgversprechende Amtshaftungsklage erforderlich gewesen seien. Die Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG sei daher bereits vor den beiden Aufforderungsschreiben an die Beklagten abgelaufen gewesen. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen, doch gelte dies nur für den "Erstschaden", nicht aber auch für noch nicht eingetretene, aber schon voraussehbare Folgeschäden. In diesem Falle sei neben der Leistungsklage die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch unterliege der dreijährigen Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG. Die Ausführungen der Klägerin in der Berufung, es sei "die Verjährungsfrist jedoch eine andere", weil gegen die Schädiger ein Strafverfahren anhängig gewesen sei, stellten eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung dar. Aus den Schreiben vom 23. 12. 1993 und 20. 1. 1994 an Organe der Bezirkshauptmannschaft ergebe sich, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt von einer Schadenszufügung durch ein organisatorisch der Zweitbeklagten zuzuordnendes Organ ausgegangen sei. Der Beginn der Verjährungsfrist sei daher mit diesem Zeitpunkt anzusetzen, zumal es nicht schade, wenn der Geschädigte die genaue Schadenshöhe noch nicht beziffern könne und aus einem schädigenden Ereignis Folgeschäden zu erwarten seien, weil in diesem Fall eine Feststellungsklage einzubringen sei. Der Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist sei daher mit 20. 1. 1997 anzunehmen. Die am 11. 8. 1999 an die Erstbeklagte und am 30. 11. 1999 an die Zweitbeklagte gerichteten Aufforderungsschreiben hätten daher keine die Verjährung hemmende Wirkung im Sinn des § 6 Abs 1 letzter Satz AHG entfalten können. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts sei am 15. 9. 1998 und somit ebenfalls nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden.

Das Erstgericht habe zu Recht die Behauptung der Klägerin nicht näher geprüft, der Landeshauptmann der Zweitbeklagten habe den geltend gemachten Schadenersatzanspruch anlässlich einer Vorsprache am 7. 6. 1999, somit außerhalb der Verjährungsfrist, dem Grunde nach anerkannt. Das Anerkenntnis einer verjährten Forderung werde in der Regel als Verzicht auf die Verjährungseinrede gedeutet, es sei denn, dem Verzichtenden sei der Ablauf der Verjährungsfrist unbekannt gewesen. Auch eine Anerkennung der Forderung dem Grunde nach sei hiefür ausreichend. Nur ein konstitutives Anerkenntnis schaffe unabhängig vom Bestehen des behaupteten Rechts eine selbständige Verpflichtung, die dann nicht im Amtshaftungsverfahren, sondern im allgemeinen Zivilverfahren durchzusetzen sei. Wenngleich somit das behauptete Anerkenntnis grundsätzlich geeignet sei, die Wirkungen der Verjährung nicht eintreten zu lassen, sei doch die Befugnis des Landeshauptmanns der Zweitbeklagten, die Beklagten durch ein Anerkenntnis zu verpflichten, zu verneinen. Der Amtshaftungsanspruch sei - wie sich aus § 1 Abs 1 AHG ergebe - privatrechtlicher Natur. Aus Art 105 Abs 1 B-VG im Zusammenhalt mit den §§ 32 und 34 Steiermärkisches L-VG ergebe sich nicht nur die Rechtsstellung des Landeshauptmanns als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung, sondern auch, dass der Landeshauptmann nur zur Vertretung des Landes als Hoheitsträger berufen sei. Privatrechtsangelegenheiten habe die Landesregierung wahrzunehmen. Daraus folge, dass selbst dann, wenn der Landeshauptmann der Zweitbeklagten die geltend gemachte Forderung dem Grunde nach anerkannt haben sollte, dieses Anerkenntnis nicht wirksam wäre, weil in privatrechtlichen Angelegenheiten nur die Landesregierung zur Vertretung der Zweitbeklagten berufen sei. Da das behauptete Anerkenntnis nicht einmal der Zweitbeklagten zugerechnet werden könne, könne es dahingestellt bleiben, ob die Erstbeklagte auf Grund der Bestimmung des § 1 Abs 3 AHG für den dann noch nicht als verjährt anzusehenden Anspruch hafte, oder ihrerseits erfolgreich den Einwand der Verjährung erheben könne. Das behauptete Anerkenntnis des Landeshauptmanns der Zweitbeklagten könne der Erstbeklagten schon deshalb nicht zugerechnet werden, weil für derartige Rechtshandlungen allein die Finanzprokuratur zuständig sei.

Der dagegen erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ist dem Geschädigten der Schaden nicht bekannt geworden oder ist der Schaden aus einem Verbrechen entstanden, so verjährt der Ersatzanspruch erst nach 10 Jahren nach der Entstehung des Schadens. Die Verjährung wird durch die Aufforderung gemäß § 8 AHG für die dort bestimmte Frist oder, wenn die Aufforderung innerhalb dieser Frist beantwortet wird, bis zur Zustellung dieser Antwort an den Geschädigten gehemmt.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Voraussetzungen für die Annahme einer 10-jährigen Verjährungsfrist (§ 6 Abs 1 zweiter Satz AHG) von der klagenden Partei in erster Instanz ausreichend darzutun (RIS-Justiz RS0113917). Ein Vorbringen, der Schade sei aus einer gerichtlich strafbaren Vorsatztat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, entstanden, hat die Klägerin aber in erster Instanz nicht erstattet. Ihre Ausführungen in der Revision verstoßen ebenso wie jene in der Berufung gegen das Neuerungsverbot, weshalb darauf nicht weiter Bedacht zu nehmen ist. Dies galt auch für das Berufungsgericht, sodass dessen gesetzeskonforme Vorgangsweise einen Verfahrensmangel nicht zu begründen vermag.

Die für den geltend gemachten Ersatzanspruch somit maßgebliche - kurze (subjektive) - dreijährige Verjährungsfrist wurde mit der Kenntnis der Klägerin vom bereits entstandenen Schaden in Gang gesetzt (JBl 1992, 253; 1 Ob 17/93; JBl 1998, 454; 1 Ob 151/98g ua). Auf die erforderlichen Rechtskenntnisse kommt es für die Ingangsetzung der Verjährungsfrist nicht an (1 Ob 134/00p; Mader in Schwimann ABGB2 § 6 AHG Rz 4).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Klägerin in ihren an die zuständige Bezirkshauptmannschaft gerichteten Schreiben vom 23. 12. 1993 und 20. 1. 1994 auf den durch die Schließung des Betriebs und die Versagung der gewerbebehördlichen Genehmigung bereits eingetretenen und zukünftig noch zu erwartenden Schaden hingewiesen. Spätestens mit 20. 1. 1994 hatte sie daher den für eine Klageerhebung erforderlichen Wissensstand, sodass in diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begann. Die beiden Aufforderungsschreiben vom 11. 8. 1999 und 30. 11. 1999 sind daher bereits nach der am 20. 1. 1997 abgelaufenen Verjährungsfrist datiert, sodass die im § 6 Abs 1 letzter Satz AHG normierte Hemmung der Verjährung nicht mehr eintreten konnte. Dieser Umstand wird von der Revisionswerberin in ihrer Rechtsmittelschrift auch gar nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt, sie beharrt jedoch darauf, dass ihr Anspruch am 7. 6. 1999 - somit ebenfalls bereits nach Ablauf der Verjährungsfrist - vom zuständigen Landeshauptmann in Gegenwart des Leiters der Rechtsabteilung des Amtes der Landesregierung anerkannt worden sei. Hiezu ist zu erwägen:

Zwar ist die Unterbrechung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist durch Anerkenntnis nicht denkbar, doch sieht die Rechtsprechung darin im Regelfall den Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede (SZ 47/28; SZ 50/110; Schubert in Rummel ABGB2 § 1497 Rz 4 mwH). Worauf bereits das Berufungsgericht zutreffend hinwies, wäre daher das Vorbringen der Klägerin an sich geeignet, dem Verjährungseinwand zu begegnen, wenn der Landeshauptmann die Beklagten durch die behauptete Erklärung wirksam verpflichten konnte.

Die Klägerin stützt ihr Amtshaftungsbegehren auf ein behauptetes rechtswidriges Verhalten der Bezirkshauptmannschaft als Gewerbebehörde. Die Angelegenheiten des Gewerbes sind gemäß Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, sodass das Organ des beklagten Landes in mittelbarer Bundesverwaltung (Art 102 B-VG) eingeschritten ist (JBl 1993, 320).

Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger "für die als ihre Organe handelnden Personen", was nach allgemein herrschender, auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes abzuleitender Auffassung bedeutet, dass es bei der Klärung der Frage, welcher Rechtsträger nach dem Amtshaftungsgesetz in Anspruch genommen werden kann, nicht darauf ankommt, wessen Organ in organisatorischer Hinsicht der angeblich Schuldtragende war, sondern, in wessen Namen und für wen - also funktionell - er im Zeitpunkt des angeblich schuldhaften Verhaltens tätig war. Entscheidend ist somit der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ im Zeitpunkt der schuldhaften Rechtsverletzung handelte (JBl 1993, 320; 1 Ob 3/96 ua). Die dargestellte "Funktionstheorie" lässt sich zwangslos auch aus der Entstehungsgeschichte des die verfassungsrechtliche Grundlage des Amtshaftungsgesetzes bildenden Art 23 B-VG ableiten, wurde doch durch die Bundes-Verfassungsnovelle BGBl 1925/268 bewusst auf das für den Rechtsträger handelnde Organ abgestellt, um die Haftpflicht von der Autorität, die die handelnde Person bestellt hat, auf die Autorität übergehen zu lassen, als deren Organ die Person tätig wurde. Die Änderung erschien deshalb notwendig, "weil andernfalls beispielsweise ein Land auch für die Amtshandlungen eines Landeshauptmanns in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung haftpflichtig wäre, obwohl dieser allenfalls im konkreten Fall auf Weisung des vorgesetzten Bundesministers vorgegangen ist" (327 BlgNR 2. GP 8).

Mit Art XXII Z 1 WGN 1989 wurde § 1 AHG ein dritter Absatz angefügt, nach dem neben dem Rechtsträger, für den das angeblich schuldtragende Organ handelte, zur ungeteilten Hand auch "derjenige" haftet, als dessen Organ die handelnde Person gewählt, ernannt oder sonstwie bestellt worden ist. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstelle hegte der Oberste Gerichtshof Bedenken (JBl 1993, 320), die jedoch vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilt wurden (VfSlg 13.476/1993): Die Begründung einer zusätzlichen, zur Haftung des funktionell zuständigen Rechtsträgers hinzutretenden solidarischen Haftung des Rechtsträgers, dem das den Amtshaftungsanspruch auslösende Organ organisationsrechtlich zugehört, verbessere nur die Rechtsstellung des Gläubigers, also des Geschädigten im Amtshaftungsverfahren. Die Regelung des § 1 Abs 3 zweiter Satz AHG, die einen Rückersatzanspruch des für die Organbestellung verantwortlichen Rechtsträgers gegenüber dem funktionell zuständigen Rechtsträger normiere, wenn er auf Grund seiner Solidarhaftung Zahlung geleistet habe, berücksichtige das im Verhältnis der Gebietskörperschaften für die Wahrung ihrer Zuständigkeiten sowie der daraus fließenden Kostentragungspflichten bedeutsame verfassungsrechtliche Gebot des Art 23 Abs 1 B-VG hinlänglich. Es habe nämlich letztlich der Rechtsträger den Schaden zu tragen, zu dessen Vollzugsbereich das Verhalten eines Organs von Rechts wegen zählt, also der Rechtsträger, der jenes Verhalten im Wege der Weisung zu beeinflussen vermag und der deshalb auch dafür und den daraus entstandenen Schaden einzustehen hat.

Dieser auf Grund der funktionellen Zuordnung des Organs haftbare Rechtsträger ist die Erstbeklagte, während das zweitbeklagte Land lediglich auf Grund der dargestellten Bestimmung des § 1 Abs 3 AHG für eine materiell fremde Schuld (vgl Gamerith in Rummel, ABGB3 § 896 Rz 6) in Anspruch genommen wird.

Der Amtshaftungsanspruch ist, wie sich aus § 1 Abs 1 AHG, nach dem die dort genannten Rechtsträger "nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts" haften, ergibt, privatrechtlicher Natur (VfGHSlg 5519; SZ 53/136). Nach Art 104 Abs 1 B-VG sind die Bestimmungen des Art 102 B-VG auf die Geschäfte der Privatwirtschaftsverwaltung (Art 17 B-VG) nicht anzuwenden. Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können zwar die Besorgung bestimmter Agenden der Privatwirtschaftsverwaltung dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen (Art 104 Abs 2 erster Satz B-VG), doch bedarf es hiezu eines besonderen Übertragungsakts. Der Landeshauptmann oder ein Landesbeamter kann in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung nur so weit für den Bund tätig werden, als ihnen die Besorgung einer dem Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung zugehörenden Aufgabe überantwortet worden ist. Nur in einem solchen Fall sind sie auch bevollmächtigt, rechtsgeschäftliche Erklärungen für den zur Vertretung der Republik Österreich im Einzelfall berufenen zuständigen Bundesminister abzugeben (SZ 41/123; SZ 51/129). Eine solche Übertragung der Geschäfte an den Landeshauptmann im Sinn des Art 104 Abs 2 B-VG ist aber für den Bereich der Amtshaftung gerade nicht erfolgt. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, wird durch die Verordnung der Bundesregierung vom 1. Februar 1949, betreffend die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Bund auf Grund des Amtshaftungsgesetzes (BGBl 1949/45), die Finanzprokuratur zum alleinigen Adressaten der Aufforderungsschreiben gemäß § 8 AHG bestimmt (§ 1 Abs 1); nur sie ist ermächtigt, den Geschädigten von der Anerkennung oder Verweigerung des Ersatzanspruchs zu verständigen (§ 2). Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Anordnung findet sich im § 1 Abs 4 des Gesetzes vom 12. September 1945 über die Finanzprokuratur in Wien (Prokuraturgesetz) StGBl 1945/172 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl 1989/343.

Die von der Klägerin behauptete Erklärung des Landeshauptmanns könnte daher der Erstbeklagten nicht zugerechnet werden, sodass insoweit deren Verzicht auf die Erhebung des Verjährungseinwands jedenfalls zu verneinen ist. Die in § 1 Abs 3 AHG angeordnete Solidarverpflichtung der beiden Beklagten ist - abgesehen von den nachfolgenden Erwägungen - in diesem Zusammenhang schon deshalb bedeutungslos, weil das Anerkenntnis der Schuld nur zum Nachteil des anerkennenden Mitschuldners wirkt (Gamerith in Rummel ABGB3 § 894 Rz 5 mwH).

Die Mithaftung des bloß in organisatorischer Hinsicht zuständigen Rechtsträgers ist - wie bereits erörtert - materiellrechtlich Haftung für fremde Schuld. Dem bereits zitierten Erkenntnis (VfSlg 13.476/1993) zufolge teilte der Verfassungsgerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen § 1 Abs 3 AHG deshalb nicht, weil der Gesetzgeber durch die Statuierung der Regresspflicht das für die Wahrung der Zuständigkeiten der Gebietskörperschaften sowie der daraus fließenden Kostentragungspflichten bedeutsame verfassungsrechtliche Gebot des Art 23 Abs 1 B-VG hinreichend gewahrt habe. Die verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs 3 AHG schließt eine Loslösung der Mithaftung des Rechtsträgers, dem das Organ organisationsrechtlich zugehört, von der infolge Verjährung nicht mehr einklagbaren Forderung gegen den funktionell zuständigen Rechtsträger aus. Das behauptete Anerkenntnis des Landeshauptmanns könnte daher - seine noch zu erörternde Vertretungsbefugnis vorausgesetzt - lediglich eine vertragliche Haftung des zweitbeklagten Landes aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung bewirken.

Die Klägerin hat ihr Begehren auch auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt. Das behauptete Anerkenntnis ist daher auch in Richtung eines eigenständigen vertraglichen Anspruchs zu prüfen, doch hat das Gericht zweiter Instanz auch insoweit zutreffend eine Anspruchsgrundlage verneint. Gemäß Art 19 Abs 1 B-VG sind oberste Organe der Vollziehung auf Landesebene die Mitglieder der Landesregierungen. Gemäß § 32 Abs 1 Stmk L-VG besorgt die Landesregierung die gewöhnlichen Verwaltungsgeschäfte des Landesvermögens, der Landesfonds und -anstalten. Damit ist diesem Landesorgan der hier relevante Teil der Privatwirtschaftsverwaltung zugewiesen und die Vertretungsmacht des Landeshauptmanns insoweit beschränkt (vgl RIS-Justiz RS0029319; insbesondere 1 Ob 229/97a). Auf die Frage, ob die in Art 105 Abs 1 B-VG normierte Vertretungsbefugnis des Landeshauptmanns sich nur auf die Vertretung des Landes als Hoheitsträger bezieht, wie dies von der Lehre mit gewichtigen Argumenten bejaht wird (Rill, Gliedstaatsverträge 172 ff; Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer2, 355; Mayer B-VG2 Art 105) kommt es somit nicht entscheidend an.

Es ist zwar zutreffend, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts durch stillschweigende Erklärung (Duldung) Vertretungsmacht einräumen können, doch muss dazu das vertretungsbefugte Organ - hier die Landesregierung - den erforderlichen Anschein erweckt haben. Das Verhalten des Scheinvertreters ist unerheblich. Für die Annahme einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht müssen daher vom Vertretungsbefugten herbeigeführte Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben zu erwecken, dass der Vertreter zum Abschluss des Geschäfts bzw zur Abgabe der Erklärung befugt sei (2 Ob 182/01f mwH). Dass aber die Landesregierung Handlungen gesetzt habe, die in der Klägerin das begründete Vertrauen hätten erwecken können, der Landeshauptmann sei zur Abgabe der von ihr behaupteten Erklärungen befugt, wurde im Verfahren nicht vorgebracht.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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