European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00083.24T.0828.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 10.653 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 1. 2020 zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 15.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 1. 2020 zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Es wird der klagenden Partei gegenüber festgestellt, dass die beklagte Partei für alle aus dem Unfall vom 24. 6. 2019 im Prater in Wien mit dem der beklagten Partei gehörenden Vergnügungsgerät 'Space Shot' künftig entstehenden Schäden haftet.“
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger wurde am 24. 6. 2019 anlässlich der Teilnahme an einer Fahrt mit dem von der Beklagten betriebenen Vergnügungsgerät „Space Shot“ verletzt. Bei diesem Gerät handelt es sich um ein schnelles, vertikal auf- und absteigendes Fahrgerät mit Sitzen, die mit einem Rückhaltesystem (Bügel und Gurt) zur Sicherung der Fahrgäste ausgestattet sind. Die Sitze befinden sich an einem Wagen, der über Seile entlang einer Turmkonstruktion geführt wird. Die Wägen werden beim Start mit einer Beschleunigung von ca 4,5 g und einer Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h in die Luft geschossen. Das Fahrgerät ist behördlich genehmigt und betriebssicher. Benützer haben unter anderem folgende Warnhinweise zu beachten: „Den Anweisungen des Personals ist unbedingt Folge zu leisten.“
[2] Nach Einnahme des Sitzes und vor dem Start kontrollierte ein Mitarbeiter der Beklagten, ob der Gurt richtig am Sicherungsbügel eingehängt sei. Ob der Bügel selbst fest saß, kontrollierte er nicht, was den Kläger verunsicherte, weil der Bügel im Bereich seiner Schulter nicht gut auflag. Ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten gab die Anweisung, beim Start den Kopf an die Rücklehne des Sitzes anzulehnen. Einen konkreten Hinweis, wann der Start erfolgen würde, gab er nicht. Er teilte mit „Ich werde jetzt hinunter zählen bis 0“, wobei er mit der Zahl 5 startete. Noch bevor der Sprecher zu zählen begann, beugte sich der Kläger mit seinem Kopf nach vorne und warf einen Blick nach unten, um sich selbst noch einmal zu vergewissern, dass der Mittelgurt tatsächlich eingehängt und der Bügel ausreichend fixiert ist. Er dachte, er habe noch genug Zeit, um sich vor dem Start wieder in die aufrechte Position zu bringen. Allerdings startete der Sprecher das Fahrgerät bereits, als er bei der Zahl 2 angekommen war. Aufgrund dieses überraschenden Starts hatte der Kläger nicht ausreichend Zeit, seinen Oberkörper aus der nach vorne gebeugten Position wieder in die aufgerichtete zu bringen. Dadurch wurde der Kopf des Klägers nach vorne gerissen und schlug beim Abbremsen des Fahrgeräts nahe der Turmspitze hinten gegen die Kopfstütze. Der Kläger spürte vorerst keine Verletzungen. Nach dem Aussteigen aus dem Fahrgerät wurde ihm allerdings übel und schwindelig. Er begab sich in der Folge in das AKH Wien und hatte dort mehrere stationäre Aufenthalte zu absolvieren. Dabei wurden wiederholte MRT‑Untersuchungen des Gehirns als auch der Halswirbelsäule und eine Lumbalpunktion durchgeführt. Der Kläger erhielt ambulante physikalische Behandlungen, Osteopathie und Ergotherapie.
[3] Er erlitt bei der Fahrt mit dem „Space Shot“ eine Schädelprellung, eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung des Rückenmarks mit nachfolgenden sensomotorischen Defiziten im Bereich der ersten drei Finger der linken Hand, die sich in Form einer Bewegungs-, Gefühls- und Wahrnehmungsstörung sowie einer Störung des Temperatursinns äußerten. Überdies kam es zu einer vorübergehenden posttraumatischen Augenbewegungsstörung. Die Störungen haben sich deutlich gebessert und sind rückläufig, aber derzeit noch vorhanden. Aufgrund seiner Beschwerden in der linken Hand, Missempfindungen und Schmerzen sowie mehrfachen Untersuchungen und unklaren klinischen Befunden und der stationären Aufenthalte, die in einer subjektiven Verunsicherung mündeten, entwickelte sich beim Kläger eine maladaptive Anpassung mit somatoformer Störung. Diese trägt dazu bei, dass die Beschwerden immer noch anhalten. Eine hochgradige und auf Dauer fortbestehende Schädigung ist auszuschließen. Spätfolgen sind aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht zu erwarten. Die Augenbewegungsstörung hat sich deutlich gebessert. Sie tritt mittlerweile zwei Mal am Tag für die Dauer von 15 Sekunden auf. Der Kläger hat beim Lesen teilweise Schwierigkeiten, die Zeile in den Augen zu behalten, er kann sich dabei aber mit einem Lineal behelfen. Er konnte seinen schulischen Verpflichtungen stets nachkommen; das von ihm davor lange Jahre praktizierte Klavierspielen ist jedoch nicht mehr möglich. Insgesamt litt der Kläger durch oben beschriebene Verletzungen und Krankheitssymptome insgesamt 13 Tage an mittelstarken und 42 Tage an leichten Schmerzen.
[4] Der Kläger begehrt Therapiekosten von 625 EUR und Schmerzengeld von 25.000 EUR für die von ihm erlittenen Verletzungen und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden.
[5] Die Beklagte wendete ein, sie sei ihren Verkehrssicherungspflichten ausreichend nachgekommen. Dem Kläger sei aber jedenfalls ein Mitverschulden anzulasten, weil er der Anweisung des Sprechers, den Kopf an die hintere Wand des Sitzes zurückzulehnen, nicht Folge geleistet habe. Die Verletzungen des Klägers würden im übrigen ein derart hohes Schmerzengeld keinesfalls rechtfertigen; ein rechtliches Interesse an einer Feststellung der Haftung für künftige Schäden fehle.
[6] Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren im Ausmaß von 9.153 EUR statt. Abgesehen von Therapiekosten im Ausmaß von 625 EUR maß es dem Kläger ein von ihm als angemessen erachtetes Schmerzengeld im Ausmaß von 8.500 EUR zu. Ausgehend von der Feststellung, wonach Spätfolgen aufgrund der unfallbedingten Verletzungen nicht zu erwarten seien, sprach es dem Kläger das rechtliche Interesse an einer Feststellung der Haftung der Beklagten ab und wies das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren sowie das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 16.500 EUR sA ab.
[7] Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten sowie ihre vertraglichen Schutzpflichten dem Kläger gegenüber verletzt, indem sie die korrekte Sitzposition der Fahrgäste nicht bis zum Start überwacht und den Zählvorgang gegebenenfalls abgebrochen habe. Sie habe durch den Überraschungseffekt des zu früh beendeten Countdowns die Verletzungen des Klägers verursacht. Den Kläger treffe kein Mitverschulden an dem Geschehen. Er habe beabsichtigt, die geforderte Körperhaltung vor dem Start einzunehmen, sei allerdings aufgrund der Ankündigung des Sprechers, dieser werde einen Countdown bis Null herunterzählen, aber berechtigterweise davon ausgegangen, dass der Start erst am Ende des Countdowns erfolgen und er davor noch die Möglichkeit habe werde, das Festsitzen seines Sicherheitsbügels und seines Gurts selbst zu kontrollieren. Damit könne ihm keine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zur Last gelegt werden.
[8] Angesichts der von ihm erlittenen Beeinträchtigungen und Verletzungen und unter Berücksichtigung seines jungen Alters und der Belastungen durch die Untersuchungen und den nach wie vor bestehenden Einschränkungen im Alltag sei das Schmerzengeld im Ausmaß von 8.500 EUR angemessen.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht und der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es erkannte dem Kläger – neben den Therapiekosten – den Betrag von 20.000 EUR an Schmerzengeld zu und stellte die Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Unfall vom 24. 6. 2019 fest.
[10] Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts hinsichtlich der Verletzung der Schutz‑ und Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte und des mangelnden Mitverschuldens des Klägers. Allerdings sei im Rahmen des Schmerzengeldes auch auf seelische Schmerzen Bedacht zu nehmen. Im Vergleich mit ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu vergleichbaren Verletzungen sei die Ausmittelung des Schmerzengeldes durch das Erstgericht zu gering gewesen. Ausgehend von der Feststellung, wonach Spätfolgen nicht zu erwarten seien, gleichbedeutend damit, dass diese nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, ergebe sich aber, dass die Möglichkeit künftiger Schäden offen bleibe, weshalb das Feststellungsinteresse des Klägers gegeben sei.
[11] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung in eine gänzliche Klagsabweisung.
[12] Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht hinsichtlich des Schmerzengeldes eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist und auch teilweise berechtigt.
1. Schutz‑ und Sorgfaltspflichten der Beklagten/Mitverschulden des Klägers:
[14] 1.1. Der Verkehrssicherungspflichtige muss den Verkehrsbereich für die befugten Benützer in verkehrssicherem und gefahrlosen Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen. Diese Verpflichtung findet ihre Grenze einerseits in der Erkennbarkeit der Gefahr und andererseits in der Zumutbarkeit ihrer Abwehr (RS0023801; RS0023397). Auch vertragliche Verkehrssicherungspflichten sollen aber nicht überspannt werden (RS0023487 [T17]).
[15] 1.2. Eine Überspannung der Verkehrssicherungspflichten der Beklagten ist hier nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte in ihrer Revision argumentiert, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger bei Beendigung des Countdowns sich auch noch in der von ihm unzulässigerweise eingenommenen, vorgebeugten Körperhaltung befunden hätte, lässt sie die Feststellungen des Erstgerichts außer Acht, wonach der Kläger dachte, noch genug Zeit zu haben, um sich vor dem Start wieder in eine aufrechte Position bringen zu können. Da der Sprecher das Fahrgerät aber überraschend bei „2“ bereits gestartet hatte, konnte sich der Kläger nicht mehr rechtzeitig aufrichten. Daraus und aus den weiteren Feststellungen, wonach der Kläger grundsätzlich allen Anweisungen – wie etwa den Bügel herunterzuziehen und den Mittelgurt im Bügel zu fixieren – Folge geleistet hat, ist ausreichend ersichtlich, dass der Kläger lediglich aufgrund des Starts bei „2“ und nicht bei „0“ die korrekte Sitzposition noch nicht einnehmen hatte können. Die Anforderung, bei Ankündigung eines Countdowns auf 0, das Fahrgerät – das beim Start eine Beschleunigung von 4,5 g auf den Körper der Fahrgäste auslöst – nicht für die Fahrgäste überraschend frühzeitig zu starten, stellt keineswegs eine Überspannung der die Beklagte treffenden Verkehrssicherungspflicht dar. Da die Beklagte mit den Feststellungen durch diesen „Frühstart“ die Verletzungen des Klägers verursacht hat, erübrigen sich Ausführungen dazu, ob die Beklagte grundsätzlich verpflichtet wäre, die korrekte Körperhaltung sämtlicher Fahrgäste vor dem Start gesondert zu überwachen.
[16] 1.3 Das Mitverschulden nach § 1304 ABGB setzt weder ein Verschulden in technischem Sinn noch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens voraus. Es genügt die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (RS0032045; RS0022681). Eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist dem Kläger aus dem Umstand, dass er sich noch über das richtige Sitzen des Sicherheitsgurtes vergewissern wollte und von dem vom Mitarbeiter der Beklagten zuvor so angekündigten Enden des Countdowns bei „0“ und damit einer ausreichenden Zeitspanne zum Einnehmen der korrekten Sitzposition bis zu diesem Zeitpunkt ausgegangen ist, nicht anzulasten.
2. Zum Schmerzengeld:
[17] 2.1. Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll der Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen, auch so weit es für die Zukunft beurteilt werden kann, erfasst werden (RS0031307). Auch das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung ist bei der Bemessung des Schmerzengeldes in Betracht zu ziehen (RS0031307 [T18]).
[18] 2.2. Es ist daher einerseits auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits aber auch zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung nicht im Einzelfall gesprengt werden (RS0031075). Tendenziell erscheint es dabei geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (RS0031075 [T4]). Im Falle einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt, ist zur Vermeidung gravierender Ungleichbehandlungen durch die Rechtsprechung damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit – Rechtssicherheit – eine Revision ausnahmsweise zulässig (RS0031075 [T7]).
[19] 2.3. Vergleicht man vor diesem Hintergrund den hier erfolgten Zuspruch des Berufungsgerichts von 20.000 EUR Schmerzengeld mit den vom Berufungsgericht als Rechtfertigung für diesen Zuspruch herangezogenen Entscheidungen, so betrafen letztere regelmäßig gravierende Verletzungen mit teilweise Jahrzehnte bestehenden Dauerfolgen und wesentlich längeren Schmerzperioden. Damit ist das hier verursachte Verletzungsgeschehen bei weitem nicht vergleichbar:
[20] 2.3.1. Die der Entscheidung 2 Ob 40/08h zugrunde liegende vom dortigen Kläger erlittene schwere Verstauchung des Sprunggelenks mit einer Absprengung der vorderen Schienbeinkante, Prellung und Hautabschürfung am Fußrücken und Knie sowie Verstauchung des Mittelgelenks am dritten Finger mit der Läsion des Kapselbandapparats führte nach den dortigen Feststellungen zu zwei Tagen starken, zwei Wochen mittleren und fünf Wochen leichten Schmerzen und damit zu einem Zuspruch von 6.900 EUR.
[21] 2.3.2. In der Entscheidung 2 Ob 173/01g hatten Akutbeschwerden aus einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule bei der dortigen Klägerin über zwei Jahre anhaltende weitere Beschwerden in Form von Schwindel, Übelkeit und einer depressiven Verstimmung verursacht und acht Tage starke, 35 Tage mittelstarke und 120 Tage leichte Schmerzen hervorgerufen. Das führte zu einem Zuspruch von 140.000 ATS (umgerechnet 10.174,20 EUR).
[22] 2.3.3. Die Entscheidung 1 Ob 32/05w betraf eine beim dortigen Kläger aufgrund eines Psychosyndroms nicht mehr ausgleichbare lebenslange Störung des Binocularsehens in Form von Doppelbildern, die nur durch das Tragen einer Augenklappe abgemildert werden konnte. Dafür erschien dem Obersten Gerichtshof ein Schmerzengeld von 10.174,20 EUR jedenfalls angemessen.
[23] 2.3.4. Der Entscheidung 2 Ob 108/15v lagen Verletzungen nach einem Skiunfall, konkret die Distorsion der Halswirbelsäule und eine Schulterprellung zugrunde. Das führte beim dortigen Kläger zu starken Kopfschmerzen als Dauerfolge mit abnehmender Tendenz und damit insgesamt zwei Wochen starken, 13 Wochen mittleren und 29 Wochen leichten Schmerzen, die ein Schmerzengeld von 20.000 EUR gerechtfertigt haben.
[24] 2.3.5. Die Entscheidung 2 Ob 85/11f hatte sich mit schweren Verletzungen am Schädel nach einem Autounfall des dortigen Klägers zu befassen, die ihm insgesamt sieben Tage starke, 14 Tage mittelstarke und 12 Wochen leichte Schmerzen verursachten. Aufgrund einer depressiven Reaktion erlitt er zusätzlich 38 Tage leichte Schmerzen und als Dauerfolge Bewegungseinschränkungen an der Hand, die komprimiert zu vier bis fünf Tagen leichten Schmerzen pro Jahr für den Rest des Lebens des 1982 geborenen Klägers führten und in Summe 25.000 EUR Schmerzengeld rechtfertigten.
[25] 2.3.6. In der Entscheidung 8 Ob 16/21t wurden 25.000 EUR Schmerzengeld für eine Komplikation anlässlich einer Operation zuerkannt, die zu einer Schädigung des Nervus radialis im linken Oberarm und zu einer eingeschränkten Beweglichkeit des Handgelenks und der Finger geführt hatte. Neben den Schmerzen aufgrund der ersten Operation hatte die dortige Klägerin zwei Tage schwere, fünf Tage mittlere und zwei Wochen leichte Schmerzen und in Hinkunft durchschnittlich zwei Wochen leichte Schmerzen im Jahr für noch 25 Jahre – gemessen an ihrer durchschnittlichen Lebenserwartung – zu erdulden.
[26] 2.4. Der Kläger erlitt hier eine Schädelprellung, eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung des Rückenmarks mit Sensibilitätsstörungen sowie eine sich bereits bessernde Augenbewegungsstörung, die ihn am weiteren Schulbesuch nicht gehindert hat. Das ist mit den oben zitierten Fällen nicht vergleichbar. Die hier festgestellten Schmerzperioden rechtfertigen den Zuspruch von 20.000 EUR durch das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung einer Geldentwertung bei älteren Entscheidungen nicht. Die subjektive Verunsicherung aufgrund unterschiedlicher Diagnosen und der Sorge über zukünftige berufliche Möglichkeiten und das weitere Klavierspielen sowie die Anpassungsstörung und die somatoforme Störung wurden bereits in der Ausmittelung der Schmerzperioden im Rahmen des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens großzügig berücksichtigt. Unter zusätzlicher Berücksichtigung seines jugendlichen Alters bemisst der Senat das Schmerzengeld des Klägers daher global mit 10.000 EUR.
3. Zum Feststellungsbegehren:
[27] 3.1. Das Interesse des Geschädigten im Sinne des § 228 ZPO an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden ist nach der Rechtsprechung schon dann gegeben, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis nicht ausgeschlossen werden können (RS0039018 [T2]). Wird festgestellt, dass „mit zukünftig eintretenden Schäden nicht zu rechnen ist“ oder weitere Schmerzen, also bei Spätfolgen oder Dauerfolgen „nicht zu erwarten“ seien, ergibt sich daraus nicht mit Sicherheit, dass künftige Schäden nicht (doch) eintreten werden (RS0039018 [T20, T23]). Das Feststellungsinteresse ist unter diesen Voraussetzungen zu bejahen (RS0039018 [T25, T27]). Nur in den Fällen, in denen der Eintritt künftiger Schäden „mit Sicherheit ausgeschlossen“ oder „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen“ oder „mit der in der Medizin möglichen Sicherheit ausschließbar“ ist, fehlt ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung einer potentiellen Haftung für zukünftige Schäden (RS0039018 [T27, T28], RS0038976 [T22]). Der Oberste Gerichtshof vertritt nunmehr in ständiger Rechtsprechung, dass der bloße Umstand, dass Spät‑ bzw Dauerfolgen nicht zu erwarten sind, zur Verneinung des Feststellungsinteresses im Sinne des § 228 ZPO nicht ausreicht (RS0039018 [T25]).
[28] 3.2. Das Erstgericht hat festgestellt, dass Spätfolgen aufgrund der unfallbedingten Verletzungen nicht zu erwarten seien. Damit sind solche aber auch nicht auszuschließen, weshalb dem Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse nicht abzusprechen und das Berufungsurteil in diesem Punkt zu bestätigen war.
[29] 4. Der Revision war daher teilweise Folge zu geben.
[30] 5. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO.
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