OGH 2Ob173/01g

OGH2Ob173/01g9.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate S*****, vertreten durch Dr. Gerald Hauska und Dr. Herbert Matzunski, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Roman E***** , BRD, und 2. V*****, vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle und Dr. Robert Felderer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 100.000 sA (Revisionsinteresse jeweils S 50.000) über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. April 2001, GZ 1 R 80/01y-31, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 22. November 2000, GZ 1 C 217/98f-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen beider Parteien wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der beiderseitigen Revisionsbeantwortungen werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 27. 5. 1995 ereignete sich auf der B 177 am Zirlerberg in Fahrtrichtung Innsbruck ein Verkehrsunfall zwischen dem von der Klägerin gelenkten PKW sowie einem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen und bei der B***** haftpflichtversicherten PKW. Es handelte sich um einen Auffahrunfall, wobei sowohl das Alleinverschulden des Erstbeklagten als auch die Haftung des zweitbeklagten inländischen Versicherungsverbandes unbestritten blieben. Die Klägerin erlitt hiedurch ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule mit typischen Akutbeschwerden (Schmerzen im Nacken und cerviko-thoracalen Übergang, Kopfschmerzen, pseudoradikuläre Schmerzen C 8 beidseits, weiters Schmerzen lumbal und im Iliosacralgelenk links) einerseits sowie bis 1997 reichende lang anhaltende weitere Beschwerden (vertebro-basiläre Störungssymptomatik samt länger dauernden teilweise intensiven Drehschwindelsensationen und Übelkeit) andererseits, welche sich bis Schluss der Verhandlung erster Instanz (13. 10. 2000) zurückbildeten. Bis zur Untersuchung des medizinischen Sachverständigen 1997 (im Vorverfahren 1 C 194/96w des Bezirksgerichtes Telfs) erlitt sie (komprimiert) 8 Tage starke, 35 Tage mittelstarke und 120 Tage leichte Schmerzen (einschließlich jener durch eine depressive Verstimmung); seit dieser Untersuchung bestanden (so die von den beklagten Parteien bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes, deren diesbezügliche Beweisrüge das Berufungsgericht aus rechtlichen Gründen insoweit unerledigt ließ) noch Restzustände an Beschwerden in Form von leichtgradigen Schmerzen über 60 Tage.

Mit einer am 19. 2. 1996 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin zunächst ein Schmerzengeld von S 25.000. Nach Einholung eines neurologischen Fachgutachtens dehnte sie dieses Begehren in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. 2. 1998 auf S 90.000 sA samt Feststellungsbegehren (wegen nicht ausschließbarer Dauerfolgen; bewertet mit S 10.000) aus. Nachdem sich die beklagten Parteien gegen diese Ausdehnung ausgesprochen hatten, wurde diese mit Beschluss des Erstgerichtes vom selben Tag für zulässig erklärt. Mit Urteil vom 29. 10. 1998 wurden die beklagten Parteien (im zweiten Rechtsgang) zur ungeteilten Hand zur Zahlung des ausgedehnten Schmerzengeldbegehrens von S 90.000 samt Staffelzinsen verurteilt und auch die Haftung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand bis zur Höhe der jeweiligen gesetzlichen Haftpflichtversicherungssumme für alle künftigen Schäden der klagenden Partei aus dem Unfall vom 27. 5. 1995 ausgesprochen; dieses Urteil wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. 2. 1999, 1 R 687/98f, bestätigt. Eine außerordentliche Revision wurde von den beklagten Parteien nicht erhoben.

Mit der hierauf am 12. 5. 1998 eingebrachten weiteren Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines zusätzlichen Schmerzengeldes von S 100.000 samt 4 % Zinsen seit 27. 5. 1995. Im Vorverfahren habe sich der dortige Beklagtenvertreter gegen eine Ausdehnung des Klagebegehrens ausgesprochen, sodass aufgrund der bestehenden Zuständigkeitsvorschriften nur ein Schmerzengeldbegehren von S 90.000 samt dem mit S 10.000 bewerteten Feststellungsbegehren möglich gewesen wären. Bei Globalbemessung stehe der Klägerin jedoch ein Gesamtschmerzengeld von S 190.000 zu.

Die beklagten Parteien erhoben die Prozesseinreden der Streitanhängigkeit sowie nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens auch der res iudicata. Im Übrigen wurde das Klagebegehren auch dem Grunde und der Höhe nach bestritten, weil bereits im Vorverfahren sämtliche Schmerzengeldansprüche (ausreichend) abgegolten worden seien und das nunmehr geltend gemachte weitere Schmerzengeld auch wesentlich überhöht sei; schließlich seien die eingeklagten Ansprüche (bezogen auf das Unfallereignis am 27. 5. 1995) auch verjährt.

Das Erstgericht verurteilte (auch hier im zweiten Rechtsgang) die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung des weiteren Schmerzengeldes von S 100.000 samt 4 % Zinsen seit 27. 5. 1995. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die festgestellten Schmerzen ein Schmerzengeld von jedenfalls S 190.000 rechtfertigten.

Das Berufungsgericht gab der von den beklagten Parteien erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte die bekämpfte Entscheidung dahin ab, dass es die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand bloß zur Zahlung eines weiteren Schmerzengeldes von S 50.000 sA verurteilte und das darüber hinausgehende Mehrbegehren von weiteren S 50.000 sA abwies. Es sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Klägerin im Vorverfahren zwar ihr Schmerzengeldbegehren nicht ausdrücklich als Teilanspruch bezeichnet habe; da jedoch eine Ausdehnung über die damals geltende bezirksgerichtliche Streitwertgrenze von S 100.000 nur mit Zustimmung der beklagten Parteien möglich gewesen, eine solche jedoch nicht erfolgt wäre, seien für die klagende Partei (auch im Lichte der Entscheidung 6 Ob 204/98b) ausreichende Umstände vorgelegen, welche die Geltendmachung des restlichen Teiles an Schmerzengeld mittels Nachklage rechtfertigten. Diese Überlegungen könnten jedoch nicht dazu führen, dass auch die vom Erstgericht gegenüber dem Urteil im Vorprozess zusätzlich festgestellten weiteren leichten Schmerzen in der Dauer von 60 Tagen der Schmerzengeldbemessung zugrunde gelegt werden könnten, habe doch die Klägerin weder im Vorprozess noch in diesem Verfahren behauptet, im ersten Prozess sei nach objektiven Maßstäben eine Abschätzung der Gesamtschmerzenfolgen nicht möglich gewesen. Unter Bedachtnahme auf die in vergleichbaren Fällen von der Rechtsprechung zugesprochenen Schmerzengeldbeträge sei daher im vorliegenden Fall lediglich ein Schmerzengeldbetrag von (global) S 140.000 gerechtfertigt; das darüber hinausgehende Mehrbegehren sei daher abzuweisen.

In Anbetracht der Bejahung einer Nachklage "trotzdem die Klägerin im Vorprozess nicht ausdrücklich auf eine Teileinklagung hingewiesen habe, und Verneinung der Möglichkeit, in einem aus prozessrechtlichen Gründen notwendigen Nachverfahren auch sonstige anspruchserweiternde Umstände zu berücksichtigen", worüber höchstgerichtliche Judikatur nicht bestehe, sei der ordentliche Rechtszug an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf die Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revisionen beider Parteien mit den Anträgen, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung (Klägerin) bzw Klageabweisung (beklagte Parteien) abzuändern; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt. Beide Parteien haben auch Revisionsbeantwortungen erstattet, in welchen primär das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage für das Rechtsmittel des jeweiligen Gegners behauptet wird; lediglich in der Revisionsbeantwortung der beklagten Parteien wird auch der Antrag gestellt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, jedoch beide im Ergebnis nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Vorinstanzen die Folgen des gegenständlichen Unfallgeschehens zufolge Beteiligung eines ausländischen Fahrzeuges (und Lenkers) zutreffend nach österreichischem Recht beurteilt haben (Art 7 und 8 des Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, BGBl 1975/387).

Wegen der sich teilweise überschneidenden Rechtsfragen beider Rechtsmittel werden diese im Folgenden weitgehend gemeinsam behandelt.

Zur Zulässigkeit der Nachklage:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 6 Ob 204/98p (ZVR 1999/48 = RZ 1999/35) ausgeführt, dass als besondere Umstände, welche es einem Kläger (ausnahmsweise) gestatten, trotz Möglichkeit (und Notwendigkeit) einer Schmerzengeldeinklagung im Rahmen einer Globalbemessung als einmaliger Gesamtentschädigung (RIS-Justiz RS0031307) eine ergänzende Bemessung mittels Nachklage mit Erfolg durchzusetzen, auch solche des Prozessrechtes angesehen werden können: Wenn nämlich verfahrensrechtliche Vorschriften dem Kläger eine Ausdehnung seines zunächst angesprochenen, angesichts der erlittenen Schmerzen aber als zu gering zu beurteilenden Ersatzanspruches auf einen angesichts der erlittenen Schmerzen angemessenen Pauschalbetrag verwehren, weil etwa eine Ausdehnung des Klagebegehrens über die bezirksgerichtliche Streitwertgrenze - wie hier - (mangels Zustimmung des Beklagten) nicht möglich war (§ 235 Abs 2 ZPO), und dem Kläger die Anbringung einer Klage zunächst bloß beim Bezirksgericht (also nicht von vorneherein beim Landesgericht) auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, weil im Zeitpunkt der Klageeinbringung das Ausmaß der Beeinträchtigungen noch nicht vollständig überblickt werden konnte und eine entsprechend niedrige(re) Einklagung daher der erforderlichen prozessualen Vorsicht entsprach, welche ihm sohin nicht zum Nachteil gereichen kann, dann kann dem Verletzten eine Nachklage auf den angemessenen Differenzbetrag nicht verwehrt werden. Da sich die beklagten Parteien anlässlich der von der Klägerin im Vorverfahren (nach der mündlichen Erörterung des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens) angestrebten Klageausdehnung sogleich gegen diese aussprachen, war ihr (so wie im Falle der Entscheidung 6 Ob 204/98p) auch hier jegliche Änderung, welche die Unzuständigkeit des Erstgerichtes herbeigeführt hätte, verschlossen (6 Ob 86/97h; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1234). Dass die Klägerin hiebei zunächst beim Bezirksgericht nur einen in dessen Zuständigkeit fallenden (niedrigeren) Betrag einklagte, entsprach auch durchaus ihrer damals (schon aus Kostengründen) erforderlichen prozessualen Vorsicht, die ihr nicht nunmehr zum Nachteil ausgelegt werden kann, liegen doch die bei derartigen Verletzungsbildern üblichen Schmerzengeldbeträge regelmäßig in einem unter der bezirksgerichtlichen Zuständigkeitsgrenze liegenden Bereich (vgl hiezu etwa die Entscheidungsübersicht von Danzl in FS Dittrich, Schmerzengeldansprüche nach HWS-Verletzungen im Straßenverkehr, 687 [732 ff]), und erfolgte ja die Ausdehnung im Vorverfahren als Reaktion auf das dort eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, aus dem sich erst die Schwere des tatsächlichen Verletzungsbildes ableiten ließ (ON 32a des bezogenen Aktes). Die Zulassung der Folgeklage durch die Vorinstanzen steht daher mit dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an sich in Einklang.

Nicht gefolgt werden kann hiebei jedoch der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, die Klägerin hätte entweder im Vorprozess oder in diesem Verfahren zusätzlich zu diesen Zulässigkeitskriterien für ihre Nachklage zu deren materiellen Berechtigung auch noch darauf hinweisen (behaupten) müssen, im erstgenannten Prozess sei ihr nach objektiven Maßstäben eine Abschätzung der Gesamtschmerzenfolgen nicht möglich gewesen. Die hiezu als Belegstelle zitierte Entscheidung ZVR 1999/50 kann nämlich gerade dafür nicht als Stütze dienen, betraf sie doch einen anderen, mit dem vorliegenden Fall nur zum Teil vergleichbaren Sachverhalt: Dort hatte nämlich die ebenfalls im Wirbelbereich verletzte Klägerin nach Einbringung ihrer Schmerzengeldklage (über S 30.000), in der sie (anders als hier) bereits behauptet hatte, dass ihre Verletzungsfolgen "bei weitem noch nicht abgeklungen" seien, gleich in der ersten Tagsatzung ein Versäumungsurteil im klagestattgebenden Sinn, das in Rechtskraft erwuchs, erwirkt und in der Folge ein weiteres, letztlich auf S 500.000 ausgedehntes Schmerzengeld wegen zum Zeitpunkt der ersten Klagseinbringung (noch) nicht vorhersehbarer Folgebeschwerden gefordert, das der Oberste Gerichtshof (abweichend von den Vorinstanzen) dem Grunde nach für berechtigt erachtete, jedoch wegen Fehlens ausreichender Feststellungen zur Höhe einen Aufhebungsbeschluss fasste. Dem damals wie auch dem nunmehr zu entscheidenden Fall gemeinsam ist (bloß), dass nach dem Wissensstand im Zeitpunkt der Klageeinbringung im jeweiligen Vorprozess die für eine endgültige Globalbemessung maßgeblichen Kriterien noch nicht abschließend bekannt waren und erst aufgrund der durch das spätere Sachverständigengutachten gewonnenen Erkenntnisse der weitere Schmerzverlauf samt Zukunftsprognose verlässlich abschätzbar wurde, zumal die Klägerin (hier wie dort) auch über keine entsprechenden eigenen medizinischen Fachkenntnisse oder umfassende Privatgutachten, die ihr diesen Wissensstand vorweg vermittelt hätten, verfügte (was auch von den beklagten Parteien nicht einmal behauptet wird). So wie es nicht in die Hand eines Schädigers gelegt sein kann, durch ein sofortiges Versäumungsurteil dem Verletzten die Möglichkeit abzuschneiden, eine Abgeltung für später auftretende Schmerzen und Dauerfolgen zu verlangen (ZVR 1999/50), hat der Oberste Gerichtshof Gleiches auch schon für den (vergleichbaren) Fall eines in Rechtskraft erwachsenen Zahlungsbefehls (2 Ob 306/00i) sowie eines Anerkenntnisurteils (ZVR 1973/93) ausgesprochen. Nichts anderes hat nach Auffassung des Senates auch dann zu gelten, wenn zwar - anders als in den wiedergegebenen Verfahrenskonstellationen - dem Kläger die Aufnahme eines angebotenen Sachverständigenbeweises im (ersten) Verfahren ermöglicht wurde, er jedoch sodann (in Weiterverfolgung des nunmehr gegebenen Wissensstandes) sein Begehren aus ausschließlich in der Gerenz des beklagten Schädigers gelegenen verfahrensrechtlichen Gründen (§ 235 Abs 2 ZPO) nicht entsprechend ausdehnen und damit seinem (berechtigten höheren) Anspruch auch nicht zum verfahrensmäßigen Durchbruch verhelfen konnte (ZVR 1999/48). In einem solchen Fall kann es dem Kläger dann aber auch konsequenterweise nicht schaden, wenn er nicht auch noch zusätzlich die Behauptung aufstellte, ihm sei nunmehr nach objektiven Maßstäben eine Abschätzung der Gesamtschmerzenfolgen möglich, bis zur (beabsichtigten) Ausdehnung jedoch unmöglich gewesen. Abgesehen davon, dass sich dies (jedenfalls implizit und mit ausreichender Deutlichkeit) schon daraus ergibt, dass die Klägerin ja andernfalls es beim ursprünglich eingeklagten Betrag (vor Ausdehnung) bewenden lassen hätte können, vertritt jedoch der Oberste Gerichtshof - in Weiterführung der wiedergegebenen Judikaturgrundsätze - die Auffassung, dass immer dann, wenn einem Geschädigten aus rein prozessualen Gründen (in den zitierten Ausgangs- und Anlassfällen) eine Folgeklage nicht versagt werden kann, es auch nicht zu seinem Nachteil gereichen kann, wenn er die (seinem Gesamtanspruch aus eben diesen verfahrensrechtlichen Gründen nur teilweise durchsetzen könnende) Vorklage nicht als Teilklage oä deklariert bzw die (verfahrensmäßig ohnedies bedeutungslose) zusätzliche Erklärung verband, dass ihm (mangels Abschätzung der Gesamtschmerzenfolgen) vorerst nur eine Teilbemessung einzuklagen möglich sei. Dies (nach ausschließlich materiellrechtlichen Gesichtspunkten) zu beurteilen (§ 1325 ABGB iVm § 273 ZPO) ist vielmehr dann Aufgabe des Gerichtes im Folgeprozess, in dem nach eben diesen Gesichtspunkten die Angemessenheit des Folgeschmerzengeldbegehrens (auf den angemessenen Differenzbetrag) im Lichte der herrschenden Globalbemessung (RIS-Justiz RS0031307) sowie auch des Umstandes, dass eine Schmerzengeldergänzung insgesamt zu keinem höheren Zuspruch als bei einer einmaligen Globalbemessung führen darf (RIS-Justiz RS0031064, 0031323), zu prüfen verbleibt.

Daraus folgt, dass in die nunmehr notwendige Gesamtbeurteilung des der Klägerin nach § 13 Z 4 EKHG, § 1325 ABGB zustehenden angemessenen Schmerzengeldes - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - selbstredend auch die vom Erstgericht für die Zeit nach der Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen im Vorverfahren zusätzlich festgestellten weiteren leichten Schmerzen in der Dauer von 60 Tagen der Schmerzengeldbemessung einzubeziehen und zugrundezulegen sind. Diese Feststellungen wurden von den beklagten Parteien im Rahmen ihrer Berufung ausdrücklich bekämpft, die diesbezügliche Beweisrüge vom Berufungsgericht allerdings (aus vom Obersten Gerichtshof nach dem Vorgesagten nicht geteilten rechtlichen Erwägungen) unbehandelt gelassen (Seite 8 des Berufungsurteils = AS 200). Hierauf wird sogleich im Rahmen der Ausführungen zur Höhe des Schmerzengeldanspruches der Klägerin einzugehen sein.

Auf die in erster Instanz des weiteren zur Abwehr erhobenen Prozesseinreden (Streitanhängigkeit bzw Rechtskraft) sowie Einrede der Verjährung kommen die beklagten Parteien in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück. Ein Eingehen darauf seitens des Obersten Gerichtshofes ist daher entbehrlich.

Zur Höhe des Schmerzengeldanspruches:

Während die beklagten Parteien die Bemessung des Schmerzengeldes durch das Berufungsgericht für verfehlt, nämlich überhöht erachten, weil mit dem im Vorverfahren bereits zugesprochenen Betrag das der Klägerin zustehende Schmerzengeld ausreichend abgegolten sei, bekämpft die klagende Partei die Bemessung des Schmerzengeldes als zu niedrig.

Mehrere Oberlandesgerichte und auch der Oberste Gerichtshof selbst hätten für Zerrungen der Halswirbelsäule bereits höhere Beträge als das Berufungsgericht zugesprochen. Danzl habe in seinem Beitrag in der Festschrift Dittrich erst jüngst auf die erheblichen Abweichungen in der Bemessungsjudikatur aller Gerichtshöfe bei HWS-Schleudertraumen hingewiesen; dies sei im Sinne der Rechtseinheit und Rechtssicherheit klarzustellen, weil immerhin 90 % aller Unfallopfer nach Auffahrunfällen (ds rund 20.000 Personen) derartige Verletzungen erlitten. Es erscheine daher notwendig, dass der Oberste Gerichtshof die gerade für solche Verletzungen besonders zu beachtenden Bemessungskriterien samt daraus resultierenden Schmerzengeldansprüchen im Sinne einer Leitlinie festlege. In diesem Sinne liege hier eine eklatante Fehlbemessung des Schmerzengeldes durch das Berufungsgericht vor.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die Bemessung des Schmerzengeldes nach HWS-Verletzungen im Straßenverkehr führte in den letzten Jahren in Deutschland wie auch in Österreich zu einer Reihe von Veröffentlichungen im Fachschrifttum, in denen sowohl die medizinischen und technischen als auch die maßgeblichen juristischen Aspekte herausgearbeitet und untersucht wurden (für Österreich zuletzt Danzl, aaO ((FS Dittrich; 2000)) 687 ff samt den in 753 angeführten weiteren Nachweisen; für Deutschland - seit dieser Publikation - zB Castro/Mazzotti/Becke, Wissenswerte Informationen für eine interdisziplinäre Begutachtung beim "HWS-Schleudertrauma" - eine "Wunschliste" aus verkehrstechnischer und orthopädischer Sicht, NZV 2001, 112; Löhle, Verletzungen der Halswirbelsäule (HWS) - neuester Stand, zfs 2000, 524 samt Replik von Castro/Meyer/Becke in zfs 2001, 152; Dannert, Schadensersatzforderungen nach unfallbedingter Verletzung der Halswirbelsäule (HWS), zfs 2001, 2 und 50). Die Bemessung hat sich dabei nicht anders als bei jedem sonstigen Verletzungsbild ausschließlich an den von den Tatsacheninstanzen (für den Obersten Gerichtshof bindend) festgestellten Tatsachengrundlagen einerseits sowie den von Judikatur und Lehre zur auch für diese Art der Verletzung maßgeblichen Norm des § 1325 ABGB entwickelten Grundsätzen andererseits zu orientieren. Danach ist das Schmerzengeld nach seiner Zweckbestimmung jene materielle Entschädigung, auf die ein Verletzter zum Ausgleich der durch die Beschädigung insgesamt entstandenen körperlichen und seelischen Schmerzen, der entgangenen Lebensfreude und aller mit den Unfallverletzungen und ihren Folgen verbundenen Unbillen Anspruch hat. Als Maßstab für die Höhe desselben ist hiebei jener Geldbedarf anzusehen, der gerechtfertigt erscheint, um ihn in die Lage zu versetzen, sich als Ausgleich für die Leiden und statt der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen - sich also etwas leisten zu können, das ihn erfreut und womit er vielleicht den erlittenen Schmerz vergessen kann. Dem Verletzten soll (soweit möglich) damit das Gefühl der Verletzung genommen, das Gleichgewicht seiner Persönlichkeit wiederhergestellt und eine positive Veränderung seiner Gefühle bewirkt werden. Die Entschädigung ist daher umso höher zu bemessen, je bedeutender die Körperbeschädigung, je länger die Heilung oder Gesundheitsstörung, je intensiver die mit der Verletzung verbundenen Schmerzen und je empfindlicher die üblen Folgen für das Leben und die Gesundheit des Geschädigten (einschließlich seiner seelischen Schmerzen und Belastungen) sind (Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld7 91 mwN).

Werden diese Kriterien auf das Verletzungsbild der Klägerin im vorliegenden Fall übertragen, dann ist das ihr zuerkannte Schmerzengeld von (global) S 140.000 selbst unter Berücksichtigung der durch die Nichterledigung der diesbezüglichen Beweisrüge noch strittigen zusätzlichen Schmerztage von 60 Tagen leichten Schmerzen seit der Sachverständigen-Begutachtung letztlich nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin (aus der Tabelle von Danzl, aaO) zu ihren Gunsten herausgegriffenen Judikate mit (zum Teil wesentlichen) höheren Zuspruchsbeträgen betrafen gänzlich andere Fallkonstellationen, sei es im erlittenen körperlichen, sei es (zusätzlich) im psychischen Beschwerdebild der jeweils betroffenen Unfallopfer. Dies gilt insbesondere auch für die in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung 2 Ob 99/95 (ZVR 1997/75), bei der ganz wesentlich im Vordergrund die Entwicklung einer psychischen Erkrankung beim zum Unfallszeitpunkt achtjährigen Kläger stand, ausgelöst durch den an der Unfallstelle unmittelbar miterlebten Tod des Lenkers, seines siebenjährigen Bruders und eines neunjährigen Cousins sowie die schwere Verletzung seiner aus dem Fahrzeug geschleuderten Mutter, sodass die weiters erlittene leichte Zerrung der Halswirbelsäule des Buben bei der Schmerzengeldbemessung insgesamt völlig in den Hintergrund trat; Gleiches hat auch für die Entscheidung 14 R 146/98p des Oberlandesgerichtes Wien (Nr 106 in der genannten Entscheidungsübersicht) zu gelten, bei der ebenfalls die starke psychische Belastung zufolge gleichzeitiger lebensbedrohlicher schwerer Verletzungen von Mann und Sohn im Vordergrund des Opfers stand. Auch die weitere Entscheidung 11 R 4/99k des Oberlandesgerichtes Wien (= ENr 107 aaO) war durch neben der Zerrung der Halswirbelsäule erlittene besonders gravierende Nebenverletzungen (irreparable Schädigung des Gleichgewichtsorgans im linken Ohr, ständiger Tinnitus und daraus resultierende mehrmals wöchentliche Schwindelanfälle mit Folgestürzen) geprägt.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin wohl über mehrere Jahre ausgeprägte Beschwerdesymptome und auch gegenüber sonstigen derartigen Verletzungsbildern (hinsichtlich Dauer und Intensität) wesentlich ausgeprägtere Schmerzperioden zu erdulden gehabt; dazu kommt, dass der Unfall inzwischen bereits über sechs Jahre zurückliegt, sodass auch die seit dem Verletzungstag gegebene Kaufkraftminderung in die Bemessung einzubeziehen war (Danzl/Gutierrez-Lobos/Müller, aaO 193 f); schließlich können bei ihr auch Dauer- und Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden, weshalb ja im Vorverfahren (ebenfalls atypisch zu sonstigen HWS-Durchschnittsfällen) sogar ein rechtskräftiges Feststellungsbegehren gegenüber den beklagten Partei erwirkt werden konnte. Alle diese Umstände lassen es jedoch nicht - im Vergleich mit der herrschenden Bemessungsjudikatur - angemessen erscheinen, über den vom Berufungsgericht (selbst unter Berücksichtigung der 60 Tage leichte Folgeschmerzen) als angemessen erachteten Globalbetrag von S 140.000 hinauszugehen. In diesem Sinne sind auch die beklagten Parteien mit ihren Ausführungen auf die vorstehenden Erwägungen zu verweisen. Soweit die klagende Partei in ihrer Revision in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinweist, dass in der genannten Untersuchung von Danzl ausdrücklich von erheblichen Abweichungen in der Bemessungsjudikatur bei Verletzungen der vorliegenden Art zwischen Gerichten in West- und Ostösterreich hingewiesen wird (aaO 729), welche vom Obersten Gerichtshof im Sinne seiner Leitfunktion richtigzustellen sei, ist seitens des erkennenden Senates bloß darauf hinzuweisen, dass der genannte Autor diese Diskrepanz im Zuspruchsgefälle speziell bei leichten und leichtesten HWS-Fällen (wie sie häufig unbekämpft von einzelnen Bezirksgerichten bzw Landesals Berufungsgerichten zuerkannt wurden) beobachtet hat, ein derartiger Fall hier jedoch - ausgehend von den maßgebenden und unbekämpft gebliebenen Feststellungen - gerade nicht vorliegt.

Daraus folgt (zusammenfassend), dass beiden Revisionen auch zu diesem Anfechtungspunkt keine Berechtigung zukommt.

Das berufungsgerichtliche Urteil war daher im Ergebnis zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Da die Revisionsinteressen beider Parteien gleich hoch sind, hat es gemäß § 43 Abs 1 ZPO bei einer tarifmäßigen gegenseitigen Kostenaufhebung zu verbleiben, weil sich die Kosten beider (im Ergebnis erfolgreichen) Revisionsbeantwortungen betraglich decken und damit rechnerisch gegeneinander aufheben.

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