European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:0070OB00050.07I.0328.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Zur ärztlichen Aufklärungspflicht liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor (Übersicht bei Harrer in Schwimann, ABGB3 Rz 45 ff zu § 1300 ua), deren Grundsätze vom Berufungsgericht richtig wiedergegeben wurden. Der Arzt muss den Patienten, um ihm eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, über mehrere zur Wahl stehende diagnostisch oder therapeutisch adäquate Verfahren informieren und das Für und Wider mit ihm abwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (3 Ob 229/04d; 5 Ob 121/06i; 9 Ob 76/06a ua; RIS‑Justiz RS0026426). Die Aufklärungspflicht hängt von der vitalen Bedeutung des Eingriffes für den Patienten ab (10 Ob 503/93 mwN ua). Sie ist umso umfassender, je weniger dringlich der Eingriff ist (8 Ob 33/01p; 9 Ob 30/03g; 9 Ob 76/06a ua; RIS‑Justiz RS0026772). Umgekehrt braucht die Aufklärung umso weniger umfassend zu sein, je notwendiger der Eingriff für die Gesundheit des Patienten ist (3 Ob 545/82, SZ 55/114 ua). Bei einem dringenden Eingriff, der für den Patienten vitale Bedeutung hat, darf die Aufklärungspflicht des Arztes nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0026375); grundsätzlich kommt es also auf die Dringlichkeit und/oder Lebensnotwendigkeit des Eingriffes an (9 Ob 76/06a). Es ist zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der ärztlichen Hilfeleistungspflicht abzuwägen (vgl 7 Ob 15/04p ua). Letztlich ist der konkrete Umfang der Aufklärungspflicht stets eine Frage des Einzelfalles, die von den jeweiligen Umständen abhängt und daher regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellt (RIS‑Justiz RS0026529 [T3, 4 und 18]; 5 Ob 162/03i; 7 Ob 299/03a; 9 Ob 76/06a uva).
Die Klägerin stellt (erstmals) in der Revision klar, dass sie die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht darin erblickt, nicht rechtzeitig vor dem eigentlichen Geburtsvorgang („Austreibungsphase") über die Möglichkeit der Vornahme eines Dammschnittes aufgeklärt worden zu sein. Die erhebliche Frage laute, ob die Durchführung eines Dammschnittes bei einer Geburt ohne vorhergehende Aufklärung und Zustimmung der werdenden Mutter rechtmäßig sei.
Abgesehen davon, dass die Revisionsausführungen insofern vom festgestellten Sachverhalt abweichen, als die Vornahme eines Dammschnittes (Episitomie) als „medizinisch umstritten" bezeichnet wird, stellt sich die von der Klägerin als im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblich erachtete Frage hier gar nicht, weil ohnehin unbekämpft feststeht, dass die Klägerin „im Vorfeld mit ihrer gynäkologischen Ärztin" die Möglichkeit eines Dammschnittes besprochen hatte (mit dieser allerdings übereingekommen war, keinen Dammschnitt vorzunehmen, sondern im Nachhinein die Verletzungen behandeln zu lassen). Feststeht weiters, dass der Dammschnitt medizinisch indiziert war, weil ein massiver Dammriss, verbunden mit schweren Verletzungen drohte. Weiters, dass der Dammschnitt lege artis ausgeführt und nach der Geburt auch lege artis versorgt wurde. Irgendwelche, eindeutig auf den Dammschnitt (und nicht auf „natürliche" Geburtsverletzungen) zurückzuführende Nachteile und Schmerzen konnten nicht festgestellt werden. Unter diesen Umständen kann darin, dass das Berufungsgericht - wie schon das Erstgericht - im vorliegenden konkreten Einzelfall eine Haftung auf Grund einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht verneint hat, eine unvertretbare Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. Dies wäre aber Voraussetzung für die Zulassung der außerordentlichen Revision der Klägerin, deren Rechtsmittel daher zurückzuweisen ist.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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