OGH 9Ob30/03g

OGH9Ob30/03g27.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Kongregation *****, vertreten durch Dr. Eckhard Pitzl und Dr. Gerhard W. Huber, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 3.633,64 sA und Feststellung (Streitwert EUR 1.453,46), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 20. November 2002, GZ 22 R 328/02w-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 26. Juni 2002, GZ 2 C 747/00p-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Der an Beeinträchtigungen seiner Blutgefäße leidende Kläger unterzog sich am 22. 11. 1999 im Krankenhaus der beklagten Partei einer Angiographie.

Mit seiner Klage begehrt er den Zuspruch von EUR 3.633,64 sA an Schmerzengeld sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche kausalen Folgen aus Anlass der Behandlung vom 22. 11. 1999. Zum einen sei die Angiographie nicht sachgerecht vorgenommen worden, weil diese nicht wie früher üblich, über die Leistenarterie, sondern über die Arterie des linken Armes erfolgt sei. Dadurch sei es zu einer Hämatombildung und in der Folge zu einer Verletzung des Nervus medianus gekommen, was dem Kläger Schmerzen verursacht habe. Darüber hinaus sei der bei der beklagten Partei angestellte behandelnde Arzt seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, insbesondere sei dem Kläger die Möglichkeit von Komplikationen durch Hämatombildungen und daraus folgende Nervenschädigungen nicht eröffnet und damit die Entscheidungsfreiheit genommen worden. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; sie bestritt sowohl das Vorliegen eines Kunstfehlers als auch die Verletzung von Aufklärungspflichten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass Angiographien sowohl über eine Leistenarterie als auch über eine Armarterie lege artis vorgenommen werden können. Die Angiographie über den Arm biete den Vorteil, dass Patienten gleich gehfähig seien und dadurch früher aus dem Spital entlassen werden können. Weiters stellte es fest, dass das Risiko eines Blutergusses sowohl bei der Angiographie über die Ellenbeuge als auch über die Leiste gegeben sei. Über das Risiko eines Hämatoms sei der Kläger informiert worden. Im Zusammenhang mit der vorübergehenden Nervenschädigung traf das Erstgericht die Feststellung, dass eine solche durch "postoperativ auftretende Hämatome kein typisches Risiko der Angiographie ist und keine Statistiken über den Zusammenhang zwischen Hämatomen und Nervenschädigungen im Rahmen der Angiographie bestehen". Auch beim Zugang über die Leiste könne es zu einer Nervenläsion kommen und zwar des Nervus femoralis, welcher unmittelbar neben der Leistenarterie liegt und durch den Druck eines durch die Angiographie entstehenden Hämatoms geschädigt werden kann.

Im Zusammenhang mit dem einholten Sachverständigengutachten, welches Nervenschädigungen, sei es auch nur vorübergehender Natur, durch Druckbildungen infolge eines bei Angiographien auftretenden Hämatoms keineswegs ausschließt, sondern nur auf das Fehlen statistischen Materials hinweist (AS 47, 87, 88), ist die vorgenannte Feststellung ganz offensichtlich so aufzufassen, dass das Erstgericht mit der mangelnden Typizität nicht den vorhersehbaren Kausalzusammenhang meinte, sondern auf die Seltenheit der speziellen Komplikation hinweisen wollte, was auch vom Berufungsgericht zutreffend so erkannt wurde.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Schadenersatzanspruch nicht auf einen medizinischen Kunstfehler gestützt werden könne, weil ein solcher nicht passiert sei. Im Hinblick auf die nervöse Gemütsverfassung des Klägers und die nur selten vorkommende Komplikation einer Nervenschädigung sei die Aufklärung durch den behandelnden Arzt ausreichend gewesen. Es liege daher auch keine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht vor. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass bei Vorliegen der Typizität einer Komplikation die Seltenheit einer solchen allein eine diesbezügliche Aufklärungspflicht nicht ausschließe. Gegen eine solche habe der behandelnde Arzt verstoßen. Die Rechtssache sei aber noch nicht entscheidungsreif, weil vom Erstgericht keine Feststellungen zur konkreten Kausalität getroffen worden sein, ob nämlich die vorübergehende Nervenschädigung beim Kläger tatsächlich auf ein anlässlich der Angiographie entstandenes Hämatom zurückzuführen sei.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses begründete das Berufungsgericht damit, dass ein dem vorliegenden Fall vergleichbarer vom Höchstgericht noch nicht entschieden worden und der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht vom Berufungsgericht weit gezogen worden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Die klagende Partei beantragte, den Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichtes unzulässig. Weder das Berufungsgericht noch die Rekurswerberin vermögen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung ist der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht, welche grundsätzlich anzunehmen ist, eine Frage des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0026529). Die ärztliche Aufklärungspflicht ist bei Vorliegen einer typischen Gefahr verschärft. Die Typizität ergibt sich aber nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist (RIS-Justiz RS0026783). Auf typische Risiken einer Operation ist daher unabhängig von der prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit ihres Eintrittes, hinzuweisen (RIS-Justiz RS0026581). Die Pflicht des Arztes zur Aufklärung ist umso umfassender, je weniger der Eingriff dringlich erscheint (RIS-Justiz RS0026772 ua). Das Berufungsgericht geht in seinem Aufhebungsbeschluss von der vorzitierten Rechtsprechung aus, die Annahme einer erweiterten Aufklärungspflicht ist im vorliegenden Einzelfall vertretbar. Davon ausgehend ergibt sich aber, wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt, die Notwendigkeit der Feststellung, ob die vorübergehende Nervenschädigung des Klägers überhaupt durch das nach der Angiographie aufgetretene Hämatom verursacht wurde. Damit ergibt sich aber weder aus der Zulassungsbegründung noch aus der daran anknüpfenden Rekursbegründung eine für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes notwendige erhebliche Rechtsfrage im Sinne der §§ 519 Abs 2, 502 Abs 1 ZPO.

Zu den Kosten:

Der Kläger hat in seiner Rekursbeantwortung zwar auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen, doch liegt hier kein vom Ausgang in der Hauptsache unabhängiger selbständiger Zwischenstreit vor, sodass die Kosten der Rekursbeantwortung gemäß § 52 Abs 1 ZPO der Endentscheidung vorzubehalten waren.

Stichworte