OGH 5Ob162/03i

OGH5Ob162/03i8.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adhin M*****, vertreten durch Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei ***** Krankenhaus GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 74.853,02 sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2003, GZ 11 R 182/02v-30, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur ärztlichen Aufklärungspflicht liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichshofes vor, deren Grundsätze vom Berufungsgericht richtig wiedergegeben wurden. Der konkrete Umfang dieser Pflicht ist eine Frage des Einzelfalles; sie hängt von den jeweiligen Umständen ab und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0026529 T 18).

Aus der Entscheidung 10 Ob 107/02m kann abgeleitet werden, dass mangels Indikation für eine Kaiserschnittentbindung der Patientin nicht ungefragt zu erläutern ist, welche Behandlungs-(Entbindungs-)methoden theoretisch in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere dieser Methoden spricht, solange der Arzt eine Methode anwendet, die dem medizinischen Standard genügt. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um eine ungefragte Erläuterung, sondern um den von der Mutter des Klägers noch vor dem Auftreten von Problemen (wie sie sich später ergeben haben) gegenüber der Hebamme geäußerten Wunsch, einen Arzt herbeizuholen, weil sie einen Kaiserschnitt haben wolle, welchem Wunsch nicht entsprochen wurde.

Hiezu hat das Berufungsgericht ua folgendes ausgeführt: Auf Wunsch des Patientin sei der Arzt als Ausfluss des Behandlungsvertrages zu einer medizinischen Aufklärung auch dann verpflichtet, wenn er auf Grund seines medizinischen Fachwissens einen Kaiserschnitt nicht als indiziert ansehe. Auch wenn die Anwesenheit einer Hebamme bei der Geburt ohne Risikofaktoren genüge, sei von ihr nach einem solchen Begehren der Arzt zu rufen und habe dieser für eine medizinische Aufklärung zur Verfügung zu stehen, wenn dies der Patient wünsche. Das Verschulden der beklagten Partei (Krankenhausträger) liege daher darin, nicht eine solche Organisation geschaffen zu haben, dass die bei der Geburt anwesende Hebamme angewiesen wurde, bei Verlangen einer Patientin nach Vornahme eines Kaiserschnittes zur Beendigung der Geburt (die hier schon seit 5. 2. 1997 ab der stationären Aufnahme um 13.15 Uhr durch Wehen im Gange war und bis 6. 2. 1997 um 11.00 Uhr dauerte) einen behandelnden Arzt zur Aufklärung über die Vornahme eines Kaiserschnittes zuzuziehen; dies insbesondere deshalb, weil bei der Aufnahme der Mutter am 5. 2. 1997 bereits die Fruchtblase gesprungen gewesen sei und eine längere Austreibungsphase einen typischen Risikofaktor für das Auftreten einer Schulterdystokie darstelle. Der langsame über Stunden dauernde Geburtsfortschritt nach Springen der Fruchtblase bei der sehr kleinen und zarten Mutter des Klägers wäre sehr wohl ein Anlass gewesen, den Wunsch nach Rücksprache mit einem Arzt über die Vornahme eines Kaiserschnittes ernst zu nehmen.

Diese berufungsgerichtliche Beurteilung des Einzelfalles bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und enthält keine auffallende Fehlbeurteilung, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste. Zur Zulassungsbeschwerde der beklagten Partei ist noch zu bemerken, dass nicht nachvollziehbar ist, warum ab Beginn des Geburtsvorganges schlechthin keine ärztliche Aufklärungspflicht mehr bestehen sollte. Dass die Mutter des Klägers im Zeitpunkt ihres Ersuchens nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die erbetene ärztliche Meinungsäußerung zu verstehen und eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Entbindungsart zu treffen, hat die beklagte Partei nicht nachgewiesen. Auch andere Patienten werden sich häufig in Ausnahmesituationen befinden, ohne dass deshalb eine ärztliche Aufklärung jedenfalls sinnlos wäre.

Stichworte