OGH 7Ob253/00g

OGH7Ob253/00g14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Fritz H*****, vertreten durch Dr. Walter Holme, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, sowie die auf Seiten der beklagten Partei beigetretene Nebenintervenientin Firma B*****, vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitinteresse S 1,000.000,--) aus Anlass des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 21. Juni 2000, GZ 4 R 46/00h-68, womit infolge Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 30. Dezember 1999, GZ 4 Cg 268/97x-60, als nichtig aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Seit 1917 besteht in B***** als Familienunternehmen ein Ziegelwerk, das derzeit als Kommanditgesellschaft von der klagenden Partei unter Leitung des Ing. Friedrich H***** als alleinigem persönlich haftenden Gesellschafter (FN ***** des Landesgerichtes Wels als Firmenbuchgericht) geführt wird, der die Gesellschaft bereits seit 31. 1. 1990 selbständig vertritt. Am 31. 5. 1997 kam es in dieser Industrieanlage zu einem Großbrand. Die klagende Partei hat bei der beklagten Versicherung (deren Bezeichnung im Zuge des Verfahrens gemäß § 235 Abs 5 ZPO richtiggestellt worden war: ON 18) ua eine Feuer-Sach- sowie Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte mit Schreiben vom 14. 10. 1997 die Deckung abgelehnt und eine bereits geleistete Akontozahlung von insgesamt S 43 Mio zurückgefordert.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 12. 12. 1997, 2 U 120/97t-30, wurde Ing. Friedrich H***** des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer teilbedingten Strafe verurteilt. Das Landesgericht Wels als Berufungsgericht bestätigte mit Urteil vom 15. 4. 1998, 24 Bl 40/98-40, diesen Schuldspruch mit der Maßgabe einer Umformulierung des Spruches im Schuldvorwurf dahingehend, dass Ing. Friedrich H***** schuldig ist, "in B***** als Verantwortlicher im Betrieb und Brandschutzbeauftragter der Firma H***** unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit dadurch, dass er beim Einbau eines Schiebeluftgebläses in die Tunnelofendecke brandschutztechnische Maßnahmen nicht beachtete, indem er es unterließ, dafür Vorsorge zu tragen, dass sich die Luftumkehr beim Kamin aus der Stellung 'Zug' nicht umstellen kann, und darüber hinaus für die nötige Überwachung zu sorgen, wodurch es am 31. 5. 1997 zu einem Brand kam, fahrlässig eine Feuersbrunst verursacht" zu haben. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Strafgerichtes hatte sich während der Abwesenheit des Verurteilten die Schubumkehr zufolge des auf Handbetrieb umgestellten Stellmotors auf "Druck" umgestellt; durch eine Sicherstellung der Luftumkehr auf "Zug" mittels einfacher Fixierung des Gelenkshebels, Fixierung des Gestänges der Registersteuerung, Anschweißen odgl hätte der Brand verhindert werden können.

Mit der am 25. 11. 1997 eingebrachten Klage stellte die Klägerin das Begehren, festzustellen, dass die beklagte Partei der klagenden Partei aus dem Schadensereignis vom 31. 5. 1997 bezüglich sämtlicher Schäden Versicherungsschutz zu gewähren habe; später wurde hiezu auch noch ein Eventual-Leistungsbegehren auf Zahlung eines Betrages von S 1 Mio samt 10 % Zinsen seit 4. 3. 1998 gestellt (ON 6).

Die beklagte Partei bestritt die erhobenen Klagebegehren, beantragte kostenpflichtige Klageabweisung und berief sich zur behaupteten Leistungsfreiheit - soweit im derzeitigen Verfahrensstadium von Relevanz - ua auf die während des Verfahrens erster Instanz rechtskräftig gewordene strafgerichtliche Verurteilung des Ing. Friedrich H*****, an welche das Zivilgericht gebunden sei. Über Streitverkündung der klagenden Partei (ON 46) schloss sich überdies die Lieferfirma der Schiebeluftanlage auf Seiten der beklagten Partei als Nebenintervenientin dem Verfahren an (ON 47).

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren der klagenden Partei mit Urteil statt. Aus seinen umfangreichen Feststellungen ist gemäß § 510 Abs 3 erster Satz ZPO hervorzuheben, dass zum Brandausbruchszeitpunkt das Schubumkehrgebläse - entgegen den Annahmen des Strafgerichtes - auf "Zug" (und nicht auf "Druck") stand und es zufolge der bei Zugumstellung der Schubumkehr eingetretenen Heißluftausblasung zu einer Entzündung des über dem Tunnelofen angebrachten Holzbaues kam.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Bindung an den Schuldspruch des Strafgerichtes, weil die klagende Partei (eine Kommanditgesellschaft), deren Komplementär der Verurteilte ist, nicht Partei des Strafverfahrens gewesen sei; die Feststellungswirkung hinsichtlich der Tatbegehung durch den Verurteilten wirke daher nur gegen diesen selbst, weil auch nur dieser im Strafprozess ausreichend rechtliches Gehör gehabt habe. Im Strafverfahren seien auch keine Feststellungen über den Grad der angelasteten Fahrlässigkeit getroffen worden. Auch die von der beklagten Partei darüber hinaus erhobenen Sorgfaltsvorwürfe hätten zu keinen gefahrenerhöhenden Umständen und zu keiner Leistungsfreiheit der beklagten Versicherung geführt.

Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung der Berufung der beklagten Partei wegen Nichtigkeit Folge und trug dem Erstgericht - unter gleichzeitiger Aufhebung seiner Entscheidung - eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf; die Nebenintervenientin wurde mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Abweichend vom Erstgericht bejahte das Berufungsgericht eine Bindung des Zivilgerichtes im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 612/95 (SZ 68/195) an den rechtskräftigen Schuldspruch des einzigen Komplementärs der klagenden Partei. Einerseits sei die klagende Personengesellschaft keine juristische Person, sodass das vom Erstgericht gebrauchte Argument der "formalen Parteienverschiedenheit" nicht greife, und darüber hinaus seien einander widersprechende rechtskräftige Gerichtsurteile vom Gesichtspunkt der Rechtssicherheit "nicht wünschenswert, mehr noch: schlicht ein Unding". Die klagende Partei könne sich auch nicht auf fehlendes rechtliches Gehör im Strafverfahren berufen, habe doch Ing. Friedich H***** als ihr einziger Komplementär im Strafverfahren "volle Parteirechte" gehabt. Schließlich sei auch nicht daran zu zweifeln, dass der Genannte zum "Rechtskreis (Rechtsbereich)" - beides Begriffe des verstärkten Senates in der zitierten Entscheidung - seiner Kommanditgesellschaft und diese wiederum zum "Rechtskreis (Rechtsbereich)" ihres einzigen Komplementärs zu rechnen sei. Da das Erstgericht diese Bindung an den strafgerichtlichen Schuldspruch sohin zu Unrecht verneint habe, sei dessen Urteil mit Nichtigkeit belastet und aufzuheben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO für zulässig erklärt, weil zur Bindungwirkung eines Strafurteils in Bezug auf eine Kommanditgesellschaft, deren einziger Komplementär rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden ist, keine oberstgerichtliche Judikatur bekannt sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gestützte Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung zur Gänze aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche - allenfalls nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende - Entscheidung aufzutragen. Sowohl die beklagte Partei als auch ihre Nebenintervenientin haben Rekursbeantwortungen erstattet.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In den wechselseitigen Rechtsmittelschriftsätzen werden zur Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils gegen Ing. Friedrich H***** die bereits in den Vorinstanzen vertretenen Rechtsstandpunkte wiederholt. Während die klagende Partei (im Sinne des Erstgerichtes) eine solche Bindungswirkung negiert, vertreten ihre Rechtsmittelgegner den gegenteiligen, vom Berufungsgericht eingenommenen Standpunkt. Im Rekurs der klagenden Partei wird dabei auch ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass Ing. Friedrich H***** zwischenzeitlich die Wiederaufnahme des zitierten Strafverfahrens begehrt habe, sodass "im Falle der Stattgabe des Wiederaufnahmeantrages die angefochtene Entscheidung ohne jede Grundlage" wäre.

Tatsächlich ergibt sich - worauf gleich vorweg zur Klarstellung hingewiesen werden soll - aus dem dem Obersten Gerichtshof im Original als Beiakt vorliegenden Strafakt, dass der Genannte bereits am 28. 3. 2000 - unter Hinweis auf das im gegenständlichen Zivilverfahren eingeholte Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dipl. Ing. Gottfried S***** - einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 353 StPO samt Antrag, gemäß § 360 Abs 1 StPO einen Freispruch zu fällen, in eventu das Strafverfahren in den Stand der Voruntersuchung rückzuführen, gestellt hatte. Dieser Antrag wurde jedoch vom Bezirksgericht Schwanenstadt mit Beschluss vom 18. 8. 2000, 2 U 120/97t-47, abgewiesen. Ing. Friedrich H***** hat hiegegen zwar bereits am 2. 10. 2000 Beschwerde an das Landesgericht Wels erhoben, über welche jedoch nach der Aktenlage bisher noch nicht entschieden wurde, weil der Akt dem zuständigen Rechtsmittelgericht noch nicht vorgelegt worden ist (ON 49 in Bd II des bezeichneten Strafaktes).

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist derzeit ausschließlich die vom Erstgericht verneinte, im Gegensatz dazu jedoch vom Berufungsgericht bejahte Bindung an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters (Komplementärs) der klägerischen Kommanditgesellschaft durch das Strafgericht im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 68/195. Diese absolute Wirkung der materiellen Rechtskraft des strafgerichtlichen Schuldspruches, die der Oberste Gerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung vertritt (RIS-Justiz RS0074219), hat zwar nur so lange Bestand, als dieser Schuldspruch nicht etwa durch eine Wiederaufnahme beseitigt ist (RIS-Justiz RS0112232; 12 Os 63/99 = EvBl 2000/9; 12 Os 112/99). Eine solche wurde vom Verurteilten - wie ausgeführt - auch bereits beantragt, bisher jedoch nur vom Strafgericht erster Instanz, also noch nicht rechtskräftig, abgelehnt. Daraus kann jedoch - worauf die beklagte Partei zutreffend in ihrer Rekursbeantwortung hinweist - für die klagende Partei schon aus verfahrensrechtlichen Gründen (derzeit) nichts mit Erfolg abgeleitet werden: Wird nämlich das strafgerichtliche Erkenntnis, auf welches die berufungsgerichtliche Entscheidung gegründet worden war, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben, so bildet dies nach § 530 Abs 1 Z 5 ZPO (nur) einen Wiederaufnahmegrund (im Zivilprozess). Entscheidend hiefür könnte freilich nicht, wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 364/97y ausgeführt hat, die Aufhebung des (verurteilenden) strafgerichtlichen Erkenntnisses (durch die Bewilligung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens - iudicium rescindens) allein sein, sondern erst die wiederum mit materieller Rechtskraftwirkung ausgestattete Beendigung der Strafverfolgung hinsichtlich jenes strafbaren Tatbestandes, der dem wiederaufzunehmenden Zivilverfahren zugrundegelegt worden war (RIS-Justiz RS0044637). Ob aber - selbst im Falle einer Stattgabe der Beschwerde im anhängigen Wiederaufnahmeverfahren des Strafprozesses, wodurch dieser vorerst ja bloß in den Stand der Voruntersuchung zurückträte (§ 359 Abs 1 StPO) - das Strafverfahren dann in der Folge durch Beschluss auf Einstellung des Verfahrens (insoweit ist der Begriff des "Urteils" im § 530 Abs 1 Z 5 ZPO erweiternd auszulegen: Fasching IV 507 Anm 14 zu § 530), einen Freispruch - erst in einem solchen Fall bestünde (anders als im Falle eines Schuldspruches) jedenfalls keine Bindung des Zivilgerichts, und zwar weder an ein freisprechendes Erkenntnis (SZ 69/259; 2 Ob 264/97f; 3 Ob 64/98b) noch an eine Einstellung nach § 90 StPO (8 ObA 218/99p) - oder neuerlich durch ein verurteilendes Erkenntnis (nach neuerlicher Hauptverhandlung) endigt, ist derzeit völlig ungewiss. Auch eine allfällige Unterbrechung des Zivilrechtsstreites bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Wiederaufnahmsantrages im Strafverfahren ist, weil in der ZPO nicht vorgesehen, nicht möglich (1 Ob 81/00v).

Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof folgendes erwogen:

Zunächst ist vorauszuschicken, dass die im Rechtsmittel relevierte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (zufolge amtswegiger Einschau in das offene Firmenbuch, ohne der klagenden Partei Gelegenheit zu geben, hiezu ihrerseits Stellung zu nehmen), wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vorliegt (§§ 510 Abs 3, 528a ZPO).

Nach der infolge Aufhebung des § 268 ZPO mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg 12.504 (BGBl 1990/706) weggefallenen Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige verurteilende Entscheidungen der Strafgerichte - eine Bestimmung, welche der Gesetzgeber seither keine Nachfolgeregelung getroffen hat -, hat der Oberste Gerichtshof in seinem gemäß § 8 OGHG verstärkten Senat vom 17. 10. 1995 zu 1 Ob 612/95 folgenden Rechtssatz formuliert: "Wirkt die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung derart, dass der Verurteilte das Urteil gegen sich gelten lassen muss, und wirkt dieses für den Rechtskreis des Verurteilten, für diesen aber gegen jedermann, so kann sich niemand im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber darauf berufen, dass er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist." Diese Entscheidung wurde zwischenzeitlich mehrfach veröffentlicht (SZ 68/195 = JBl 1996, 117 = EvBl 1996/34 = ZVR 1996/2) und seither in einer Vielzahl weiterer Entscheidungen fortgeschrieben (RIS-Justiz RS0074219).

Dieser Rechtsatz bedeutet - ebenso wie früher nach § 268 ZPO -, dass der Zivilrichter keine vom Strafurteil abweichenden Feststellungen über den Nachweis der strafbaren Handlung, ihre Zurechnung und den Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und ihren Folgen treffen darf; es besteht also - solange das strafgerichtliche Erkenntnis nicht beseitigt ist - jedenfalls insoweit Bindung des Zivilgerichts, als davon auszugehen ist, dass der Verurteilte die im Strafurteil festgestellte Tat tatsächlich begangen hat und dass die tatsächlichen Handlungen des Beklagten für den Schadenserfolg auch kausal waren (EvBl 2000/190). Da die Bindungswirkung des Strafurteils aus seiner materiellen Rechtskraft abgeleitet wird, ist es auch ohne Bedeutung, ob die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung (hier: 15. 4. 1998) schon bei Klagseinbringung (25. 11. 1997) oder - wie hier - erst bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (9. 11. 1999) vorlag (9 ObA 2233/96i; 7 Ob 307/98t). Die Nichtberücksichtigung der Bindungswirkung einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung - ausgenommen im Falle einer hier ohnedies nicht vorliegenden und seit Aufhebung der §§ 460 ff StPO mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2000 durch Art I Z 15 der StPO-Novelle 1999 BGBl I 1999/55 ohnedies nicht mehr möglichen Strafverfügung (SZ 70/49) - begründet Nichtigkeit der Entscheidung der Vorinstanzen, die von den Rechtsmittelgerichten auch von Amts wegen wahrzunehmen ist (SZ 68/195; 2 Ob 79/95; 7 Ob 307/98t; RIS-Justiz RS0074230).

Das Strafurteil bindet das Zivilgericht in dem in der Entscheidung des verstärkten Senats festgelegten Umfang unabhängig davon, ob es materiell richtig oder unrichtig ist (4 Ob 311/97g), nicht jedoch an jede einzelne Tatsachenfeststellung des Strafurteils (4 Ob 9/97w; 9 ObA 254/98p). Maßgebend für die Beurteilung der Bindungswirkung eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Erkenntnisses ist in erster Linie der Spruch desselben, wogegen den Entscheidungsgründen in der Regel nur eine Hilfsfunktion für die Auslegung seiner Tragweite zukommt (EvBl 1997/202; 10 ObS 240/00t). Es ist dem Zivilgericht auch nicht verwehrt, einen (gegenüber dem Strafurteil) zusätzlichen Umstand als Verschulden zu werten (2 Ob 216/97x).

Bindungen an nachteilige Wirkungen eines Verfahrens sind generell nur dann mit dem in Art 6 Abs 1 erster Satz MRK verankerten verfahrensrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs in Einklang zu bringen, wenn der nunmehr davon Betroffene in diesem (Bindung entfaltenden) Verfahren auch eingebunden war und dadurch an der Stoffsammlung und Entscheidungsfindung mitwirken konnte (SZ 70/60); der einzelne hat nämlich in Durchführung dieses Grundsatzes, dem Verfassungsrang zukommt und der als "Grundpfeiler" der österreichischen Rechtsordnung anzusehen ist (SZ 68/83), vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft (und die er kraft dieser Bindung unabänderlich hinnehmen müsste), zu Wort zu kommen, um auch Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (SZ 63/4, 69/131; 2 Ob 250/99z; RIS-Justiz RS0074953; Fasching, Lehrbuch2 Rz 862).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nun gerade darin, dass der rechtskräftig strafgerichtlich Verurteilte persönlich nicht auch Partei (im formellen Sinne: Fasching, aaO Rz 338), näherhin Kläger, sondern nur - wenngleich einziger und alleiniger vertretungsbefugter - Komplementär der als klagende Partei auftretenden Kommanditgesellschaft ist, welche Funktion ihm auch schon sowohl im Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung als auch des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Zivilrechtsstreit zukam. Wie der Oberste Gerichtshof (bei einer insoweit gleichgelagerten gesellschaftsrechtlichen Konstellation) zu SZ 68/83 ausgeführt hat, wird allerdings in einem solchen Fall der Wille der (Personen-)Gesellschaft durch den Willen dieses ihres organschaftlichen Vertreters "repräsentiert"; diese seine Repräsentantenfunktion lasse ihn daher auch nicht als (von der Gesellschaft verschiedenen bzw von dieser rechtlich zu sondernden) Dritten qualifizieren (idS auch jüngst 2 Ob 315/99h). Dieser Entscheidung lag zwar insoweit ein anderer Sachverhalt zugrunde, als es dort darum ging, ob bei einer auf Grund eines gegen eine Kommanditgesellschaft lautenden Exekutionstitels gegen die Gesellschaft nach § 354 EO geführten Exekution auch gegen deren Komplementär Beugehaft verhängt werden kann, oder ob es hiefür - so dessen vom Obersten Gerichtshof nicht geteilter Standpunkt - eines eigenen Exekutionstitels gegen ihn (persönlich) bedürfe. Die (dort) vom exekutionsrechtlichen Fachsenat abgeleitete Qualifikation ihres Komplementärs aus dessen gesellschaftsrechtlicher Funktion nicht als Dritter, sondern eines repräsentantenhaft an die Stelle der titelmäßig allein verpflichteten Kommanditgesellschaft Tretenden kann dabei auch in der vorliegenden Fallgestaltung - von der strukturellen Rechtsstellung der Kommanditgesellschaft (im Folgenden kurz: KG) im Gefüge des österreichischen Handels- und Gesellschaftsrechtes ausgehend - nicht grundsätzlich anders beurteilt werden:

Die KG ist so wie die Offene Handelsgesellschaft (OHG), deren Vorschriften im zweiten Buch des HGB (§§ 105 ff) gemäß § 161 Abs 2 HGB auch auf Erstere (soweit nichts anderes vorgeschrieben ist) anzuwenden sind, eine Personengesellschaft zum Zwecke des Betriebes eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma (Koppensteiner in Straube, HGB2 Rz 3 zu § 161; Feil, HGB Rz 2 zu § 161; Jabornegg in Jabornegg, HGB Rz 1 und 7 zu § 161). Die KG ist - unter Beteiligung der in § 161 Abs 1 HGB genannten Kommanditisten einerseits und ihrer Komplementäre andererseits - eine gesellschaftlich organisierte Gesamthandgemeinschaft, die auch als solche rechtsfähig ist (§ 124 Abs 1 HGB), ohne freilich quantitativ und qualitativ die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person zu erreichen (Jabornegg, aaO Rz 3 zu § 124 ["quasijuristische Person"] und Rz 7 zu § 161; EvBl 1972/162); sie ist stets Kaufmann (§ 6 Abs 1 HGB) mit der Verpflichtung, eine gesetzentsprechende Firma anzunehmen und zu verwenden (§ 19 Abs 2 bis 4 HGB; Näheres siehe Feil, aaO Rz 2 und Jabornegg, aaO Rz 22). Die KG kann unter ihrer Firma klagen und geklagt werden (§ 124 Abs 1 HGB; Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 5 vor § 1; Feil, aaO Rz 7; Fasching, aaO Rz 335; Koppensteiner, aaO Rz 23 zu § 124; RIS-Justiz RS0021388). Insoweit ist sie zwar parteifähig (Fasching, aaO; Koppensteiner, aaO; Jabornegg, aaO Rz 44 zu § 124; Buchegger/Deixler-Hübner/Holzhammer, Praktisches Zivilprozessrecht I6 115; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht5 Rz 177; ausführlich - auch zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung - Oberhammer, Die OHG im Zivilprozess, 4 ff), materiell betroffen sind jedoch die Gesellschafter (Koppensteiner, aaO; Hueck, OHG4 331). Im Prozess wird die KG durch ihre vertretungsbefugten Gesellschafter vertreten (§ 126 Abs 1 HGB). Im Prozess einer Gesellschaft können die Gesellschafter zwar nur als Nebenintervenienten auftreten (Koppensteiner, aaO Rz 28 zu § 124; Hueck, aaO 333; Oberhammer, aaO 154), sie sind aber kraft ausdrücklicher Anordnung in § 373 Abs 3 ZPO als Partei einzuvernehmen (von Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 373 - unter Hinweis auf Oberhammer, aaO 144 ff - teleologisch dahin reduziert, dass nur vertretungsbefugte Gesellschafter einer solchen Personengesellschaft als Partei, ansonsten aber als Zeuge zu vernehmen sind). Diese besondere materiell- wie auch verfahrensrechtliche (über das rein Wirtschaftliche hinausgehende) Verquickung zwischen der Personengesellschaft einerseits und ihren Gesellschaftern andererseits wird - wie Oberhammer, aaO 153 ff treffend ausführt - auch in einer weiteren, im vorliegenden Fall möglicher Weise noch zum Tragen kommenden (vgl Rechberger, aaO Rz 8 zu § 281a) weiteren verfahrensrechtlichen Bestimmung manifest, nämlich in der Vorschrift des § 281a ZPO, welche ja die Verwendung und Verwertung von Beweismitteln eines anderen Verfahrens (ausgenommen den durch die WGN 1997 neu eingeführten Fall der Z 2 leg cit) ua an die Bedingung knüpft, dass im zweiten Verfahren dieselben Parteien wie im Vorverfahren beteiligt sind, sodass sich die Frage der Anwendung dieser - insoweit ebenfalls von Art 6 MRK geprägten (Oberhammer, aaO 153) - Norm für jene Fälle stellt, wenn etwa im Vorprozess die Gesellschaft, im Folgeprozess (oder auch umgekehrt) aber bloß einer oder mehrere der Gesellschafter auf einer Seite als Partei auftreten. Nach den überzeugenden Ausführungen Oberhammers sollte - aus der Wechselwirkung der Repräsentanz der Gesellschaft durch ihre (vertretungsbefugten) Gesellschafter einerseits und der Rechtskrafterstreckungsnorm des § 129 Abs 1 HGB andererseits - an der wechselseitigen Partizipation am Beweisverfahren eines solchen Vorprozesses nicht zu zweifeln sein.

Trotz dieser - aus der besonderen gesellschaftsrechtlichen Stellung der Personengesellschaften resultierenden - engen wechselseitigen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sind zwar die Gesellschaft und ihre Gesellschafter per se verschiedene Parteien, und es muss auch streng zwischen Gesellschaftsprozess und Gesellschafterprozess unterschieden werden, weil ja auch Rechtsstreitigkeiten zwischen beiden möglich und zulässig sind (SZ 62/127 zur KG; SZ 23/87 zur OHG). Diese rein gesellschaftsbezogene Auffassung der Rechtssubjektsverschiedenheit vermag jedoch im vorliegenden Verfahren nicht zu Gunsten eines Wegfalles der Bindungswirkung - auch unter dem bereits ausführlich behandelten Verfassungsaspekt der Wahrung des rechtlichen Gehörs - durchzuschlagen. Im Sinne der vom Obersten Gerichtshof erst jüngst (SZ 68/83) abgeleiteten (und weiter oben bereits näher behandelten) "Repräsentanz" der Personengesellschaft durch ihren (alleinigen) organschaftlichen Vertreter in jeder willensmäßigen Hinsicht kann es nämlich nicht zweifelhaft sein, dass ihr eine solche kraft dieser gesellschafts- und gleichzeitig auch organschaftlichen Rolle bereits im Strafverfahren gegen ihren Komplementär zukam, wurde dieser doch dort gerade auch wegen eines gesellschaftsspezifischen, unternehmensbezogenen Verhaltens (nämlich Handeln "als Verantwortlicher im Betrieb und Brandschutzbeauftragter": Tenor des verurteilenden Erkenntnisses) rechtskräftig verurteilt. In dieser seiner Rolle hatte er aber im Strafverfahren unstrittig die ihm durch Art 6 MRK eingeräumten Rechte, sich gegen diesen erhobenen Anklagevorwurf zur Wehr zu setzen, was auch die KG (hier in der Rolle als Gläubiger gegenüber den Vorwürfen des Versicherers im Deckungsprozess) gleichermaßen und stets nur durch ihn als Organ konnte bzw kann; insoweit partizipiert die Gesellschaft nunmehr rechtlich durch den sie im Beweisverfahren des Strafprozesses repräsentiert habenden alleinigen vertretungsbefugten Gesellschafter. Dass sich die Klägerin hiebei (als aus der strafbaren Handlung ihres Komplementärs Geschädigte) in dessen Strafverfahren praktisch wohl nur als dessen "Gegnerin", nämlich Privatbeteiligte im Sinne der §§ 365 ff StPO, beteiligen hätte können und in dieser Rolle - wie es die Rekurswerberin formuliert - "eine für Ing. Friedrich H***** beschwerende Entscheidung zu erwirken" bestrebt sein hätte müssen, vermag an diesem Ergebnis nicht zu rütteln, weil es im Wesen des österreichischen Strafprozessrechtes liegt, dass es eine Parteirolle für einen privaten Dritten dahingehend, durch seine "Intervention" im offiziösen Strafverfahren eine Verurteilung des Beschuldigten (Angeklagten) abzuwenden, nicht kennt (SZ 68/195). Diese verfahrensmäßige Besonderheit ändert daher nichts an der auch hier willensmäßig alleinigen "Repräsentanz" (SZ 68/83) ausschließlich durch den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter, dem es insoweit auch schon im Strafverfahren oblag, seine Verurteilung auch unter dem Gesichtspunkt der Interessenwahrung für die von ihm repräsentierte Personengesellschaft abzuwehren. Gerade aus dieser Sicht der Parteienrechte in Verfahren betreffend die Verfolgung von Offizialdelikten hat nämlich der Oberste Gerichtshof in seinem verstärkten Senat zu 1 Ob 612/95 die Erstreckung auch auf den "Rechtskreis des Verurteilten" abgeleitet und begründet (SZ 68/195). Aus der materiellen Rechtskraft des strafgerichtlichen Schuldspruchs des (jedenfalls alleinigen) Komplementärs folgt damit für die von ihm "repräsentierte" KG, dass diese die Tatsache dessen Verurteilung wegen eines gesellschaftsspezifischen, unternehmensbezogenen Verhaltens nicht mehr in Frage stellen kann und als Tatbestandselement zivilrechtlicher Folgewirkungen hinnehmen muss. Auf den vom Berufungsgericht noch zusätzlich im Rahmen seiner Begründung in den Vordergrund gerückten Aspekt der Entscheidungsharmonie (vgl hiezu SZ 69/54; JBl 1999, 813; 5 Ob 12/99x; aA SZ 70/261; RS0102102) braucht damit nicht mehr zurückgegriffen zu werden.

Der erkennende Senat kommt damit - zusammenfassend - zum Ergebnis, dass im Sinne der vorstehenden Ausführungen eine Bindung der Zivilgerichte im vorliegenden Rechtsstreit der KG an den strafgerichtlichen Schuldspruch ihres (alleinigen) Komplementärs unter Heranziehung der die Entscheidung SZ 68/195 tragenden Grundsätze zu bejahen ist und das Berufungsgericht damit zu Recht eine daraus abgeleitete Nichtigkeit der Entscheidung des Erstgerichtes angenommen hat. Diese Bindung lässt sich - wie ausgeführt - auch zwanglos mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs in Einklang bringen.

Der Kostenvorbehalt ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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