European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:0060OB00279.03B.1211.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.000,98 EUR (darin 166,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin hatte sich im September 1998 an einer vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten durchgeführten Ausschreibung für Elektroinstallationsarbeiten betreffend ein Bauvorhaben in ***** T***** beteiligt. Dieses ursprünglich im Eigentum des Bundes stehende Objekt wurde zum 1. 1. 2002 an die Bundesimmobiliengesellschaft mbH übertragen. Obwohl sich das Anbot der Klägerin mit 209.595,01 EUR als das billigste herausstellte wurde es nach der Anbotseröffnung gemäß Punkt 4.5.1 der ÖNORM A2050 ausgeschieden; der Zuschlag wurde einem anderen Bieter erteilt.
Die Klägerin hat keinen Feststellungsantrag nach § 113 Abs 3 BVergG 1997 an das Bundesvergabeamt gestellt.
Mit der am 22. 2. 2002 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin Ersatz des ihr durch die Verweigerung des Zuschlags ergangenen Gewinns in Höhe von 8,5 % der Anbotssumme, das sind 17.815,58 EUR. Die Ausscheidung ihres Anbots sei zu unrecht erfolgt. Das Schadenersatzbegehren werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, insbesondere auf einen schuldhaften Verstoß der Beklagten gegen die europäischen Vergaberichtlinien, die ÖNORM A2050 und das Bundesvergabegesetz. Eines Feststellungsantrages an das Bundesvergabeamt habe es nicht bedurft. Die Erstreckungsverordnung 1995 sei auf die dem Bundesvergabegesetz 1997 unterliegende Ausschreibung nicht anzuwenden.
Die jetzt allein beklagte Bundesimmobilien GmbH (gegenüber der zunächst erstbeklagten Republik Österreich trat Ruhen des Verfahrens ein) bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete ein, nach der Erstreckungsverordnung 1995 seien der 2. und 4. Teil des Bundesvergabegesetzes 1997 auch auf das vorliegende Bauvorhaben anzuwenden. Mangels vorausgegangener Feststellung des Bundesvergabeamtes sei der Rechtsweg nicht zulässig und daher die Klage zurückzuweisen.
Das Erstgericht erklärte das Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Der strittige Bauauftrag erreiche zwar nicht den Schwellenwert nach § 6 Abs 2 BVergG, wohl aber jenen der Erstreckungsverordnung BGBl Nr 802/1995, die unter anderem den 4. Teil des BVergG für derartige Aufträge auch unterhalb der gesetzlichen Schwellenwerte für bindend erkläre. Die zum BVergG 1993 ergangene Erstreckungsverordnung gelte auch unter dem Regime des BVergG 1997 weiter, weshalb der dort geregelte vergabespezifische Rechtsschutz auch im vorliegenden Fall anzuwenden sei. Nach § 125 Abs 2 BVergG 1997 setze jeder wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften geltend gemachte Schadenersatzanspruch eine Feststellung des Bundesvergabeamtes nach § 113 Abs 3 BVergG 1997 voraus. Mangels Anrufung des Bundesvergabeamts sei der Rechtsweg unzulässig.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Auf das hier zu beurteilende Vergabeverfahren sei das BVergG idF der Wiederverlautbarung durch Kundmachung BGBl Nr 56/1997 (im Folgenden BVergG 1997) anzuwenden. Die Ausschreibung habe einen Bauauftrag im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1 dieses Gesetzes betroffen, dessen Auftragswert unter dem für die Anwendbarkeit des BVergG 1997 vorgesehenen Schwellenwert des § 6 Abs 1 BVergG 1997 gelegen sei. Die Vergabe wäre daher an und für sich nicht in den Anwendungsbereich des BVergG 1997 gefallen. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. 12. 1995, BGBl Nr 802/1995 (im Folgenden Erstreckungsverordnung) habe jedoch den Anwendungsbereich des 2. und 4. Teils des BVergG 1993 auf derartige Bauaufträge erweitert, sofern ihr geschätzter Auftragswert - wie im vorliegenden Fall - mindestens 500.000 Ecu (ohne Umsatzsteuer) betrage. Zu prüfen sei daher, ob die aufgrund der §§ 8 und 108 Abs 2 BVergG 1993 (alt) erlassene Erstreckungsverordnung auch nach der Novellierung und Wiederverlautbarung des BVergG ihre Gültigkeit behalten und nunmehr anstatt auf die Bestimmungen des BVergG 1993 (alt) auf deren Neufassung insbesondere auf §§ 113 Abs 3 und 125 Abs 2 BVergG 1997 verweise. Dies sei zu bejahen. Die Aufhebung oder Änderung der gesetzlichen Grundlage führe nur dann zum Außerkrafttreten einer Durchführungsverordnung, wenn diese in der neuen Gesetzesgrundlage keine materielle Deckung finde. Da es sich beim BVergG 1997 lediglich um die Wiederverlautbarung des BVergG 1993 (neu) und bei diesem um die novellierte Fassung des BVergG 1993 (alt) gehandelt habe, sei die gesetzlich Grundlage der Erstreckungsverordnung 1995 bis zum Außerkrafttreten des BVergG 1997 nie vollständig weggefallen, sie sei nur zweimal modifiziert worden, wobei die Bestimmungen des BVergG 1997 inhaltlich jenen der Fassung 1993 entsprächen. Die Erstreckungsverordnung 1995 sei daher auch nach der Novellierung und Wiederverlautbarung des BVergG 1997 zumindest insoweit in Kraft geblieben, als sie die Anwendung vergabegesetzlicher Bestimmungen für Vergaben unterhalb der gesetzlichen Schwellenwerte anordne. Die ursprünglich auf die im 1. und 4. Hauptstück des 4. Teiles des BVergG 1993 (alt) über die Zuständigkeit des BVergG und die Zulässigkeit zivilrechtlicher Klagen bezogene Bestimmung sei nach der Novelle 1996 auf die entsprechenden Bestimmungen in ihrer novellierten Fassung und ab der Wiederverlautbarung auf die §§ 113 und 125 BVergG 1997 zu beziehen. Diese Bestimmungen seien daher auch auf das vorliegende Vergabeverfahren anzuwenden.
Der Oberste Gerichtshof habe bereits klar gestellt, dass § 125 Abs 2 BVergG 1997 alle vergaberechtlichen Schadenersatzansprüche und zwar auch jene auf das positive Vertragsinteresse erfasse. Die vorherige Feststellung, dass die Vergabe rechtswidrig gewesen sei, sei auch keineswegs zwecklos und entspreche im Übrigen der Absicht des Gesetzgebers, die Frage der Rechtswidrigkeit vergaberechtlicher Entscheidungen als Vorfrage durch das hiefür spezialisierte Bundesvergabeamt entscheiden zu lassen, um einer übermäßigen Arbeitsbelastung der Gerichte vorzubeugen. Da die Klägerin die ‑ im Hinblick auf die wenigstens teilweise Weitergeltung der Erstreckungsverordnung auch im vorliegenden Fall gebotene ‑ Anrufung des Bundesvergabeamtes vor der gerichtlichen Geltendmachung ihres Anspruches unterlassen habe, fehle es an einer wesentlichen Prozessvoraussetzung. Dies führe zur Zurückweisung der Klage.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur (teilweisen) Weitergeltung der Erstreckungsverordnung 1995 nach der Novellierung des BVergG 1993 durch BGBl Nr 776/1996 und dessen Wiederverlautbarung durch Kundmachung BGBl I Nr 56/1997 fehle. Im Übrigen habe der Oberste Gerichtshof erst in einer Entscheidung (7 Ob 200/00p) ausgesprochen, dass § 102 Abs 2 BVergG 1993 (= § 125 Abs 2 BVergG 1997) auf sämtliche aus diesem Gesetz abgeleitete Schadenersatzansprüche und somit auch auf den Ersatz des Erfüllungsinteresses anzuwenden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt:
Die Revisionsrekurswerberin vertritt die Auffassung, die aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung des § 8 BVergG 1993 erlassene Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. 12. 1995, BGBl Nr 802/1995, mit der für die Auftraggeber im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten der Anwendungsbereich des 2. und 4. Teiles des BVergG erweitert und die Ö‑Norm A 2050 für verbindlich erklärt wird (Erstreckungsverordnung), sei durch die Novellierung des Bundesvergabegesetzes außer Kraft getreten. Dem ist nicht zu folgen.
Nach herrschender Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts tritt eine Verordnung ‑ vom Fall ausdrücklicher Aufhebung abgesehen - durch eine Änderung der ihr zugrunde liegenden Gesetzesbestimmung nur dann ohne weiteres außer Kraft, wenn sie in der geänderten Bestimmung keine vergleichbare Grundlage mehr findet (VfSlg Slg 12.634; 15.693; VwGH vom 31. 5. 1999, Zl 98/10/0373; vgl 10 ObS 213/01y und 9 Ob 132/03g).
Grundlage der Erstreckungsverordnung ist die in § 8 Abs 1 BVergG 1993 enthaltene Verordnungsermächtigung. Diese wurde anlässlich der Novellierung des Bundesvergabegesetzes durch BGBl Nr 776/1996 als § 8a Abs 1 aufrecht erhalten, jedoch auf Fälle eingeschränkt, in denen bestimmte Auftragswerte nicht unterschritten werden (§ 8a Abs 1 Z 1 bis 3). Damit wurde die Erstreckungsverordnung lediglich für Vergabeverfahren unterhalb dieser nunmehr in Z 1 bis 3 des § 8a BVergG festgesetzten Auftragswerte unanwendbar, im darüberliegenden Bereich blieb die Verordnungsermächtigung aber jedenfalls aufrecht (323 BlgNR 20. GP , 83). Das hier zu beurteilende Vergabeverfahren unterschreitet die durch die Novelle 1996 festgelegten Grenzwerte des § 8a Abs 1 BVergG (nach Wiederverlautbarung § 14 BVergG 1997) nicht. Die Wiederverlautbarung des BVergG mit Kundmachung BGBl I Nr 56/1997 führte lediglich zu einer geänderten Paragraphenbezeichnung, nicht jedoch zu einer inhaltlichen Änderung der Bestimmungen. Sie ließ insbesondere die in § 8a enthaltene Verordnungsermächtigung ‑ nunmehr als § 14 ‑ inhaltlich unberührt. Im Übrigen ändert nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Wiederverlautbarung eines Gesetzes lediglich dessen textliche Fassung, lässt jedoch die Identität der Vorschrift unberührt. Eine Verordnung verliert damit durch die Wiederverlautbarung des ihr zugrunde liegenden Gesetzes auch nicht ihre Geltung (VwGH vom 24. 9. 1999 Zl 97/10/0253). Die Erstreckungsverordnung ist daher weder durch die Novellierung der Ermächtigungsnorm im Jahr 1996 noch durch deren Wiederverlautbarung außer Kraft getreten. Gegen ihre Anwendung auf das hier zu beurteilende Vergabeverfahren bestehen keine Bedenken, sodass auch keine Veranlassung dafür gesehen wird ‑ der Anregung der Revisionsrekurswerberin folgend - eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im Sinn des § 89 Abs 3 B‑VG einzuholen (vgl 9 Ob 132/03g).
Im Übrigen wendet auch das Bundesvergabeamt die Erstreckungsverordnung nach der Novellierung und Wiederverlautbarung der Ermächtigungsnorm weiter an (BVA vom 20. 5. 1998, N‑16/98 = bbl 1999, 82). Seine Auffassung findet im Schrifttum Zustimmung (Elsner, Vergaberecht 9, Rz A 23). Auch der 9. Senat des Obersten Gerichtshofes hat die Anwendung der Erstreckungsverordnung 1995 auf Vergabeverfahren, die dem Bundesvergabegesetz 1997 unterliegen, erst jüngst bejaht (9 Ob 132/03g).
Nach § 1 Abs 1 Erstreckungsverordnung ist der 4. Teil des Bundesvergabegesetzes betreffend den Rechtsschutz für Vergabeverfahren im Bereich der Bauleistungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten auch unterhalb der im Bundesvergabegesetz festgelegten Schwellenwerte bindend anzuwenden. Das vorliegende Vergabeverfahren unterliegt somit den dort enthaltenen Bestimmungen über die Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes und Zulässigkeit zivilrechtlicher Klagen (§§ 113 Abs 3 und 125 Abs 2 BVergG 1997).
§ 122 Abs 1 BVergG 1997 gewährt dem übergangenen Bieter in Fällen schuldhafter Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Anbotstellung und der durch die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen sonstigen Kosten. Nach § 124 BVergG bleiben nach anderen Vorschriften bestehende Ersatzansprüche unberührt. Gemäß § 113 Abs 3 BVergG ist das Bundesvergabeamt nach Zuschlagserteilung (oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens) zuständig, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen vergaberechtliche Vorschriften der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Eine Schadenersatzklage ist nach § 125 Abs 2 BVergG 1997 (= unveränderte Fassung des § 102 Abs 2 BVergG idF BGBl 462/1993 und in dF BGBl 776/1996) nur zulässig, wenn zuvor eine derartige Feststellung des Bundesvergabeamtes erfolgt ist.
Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage, ob auch die auf eine Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen gegründete Einklagung entgangenen Gewinns einer vorherigen Anrufung des Bundesvergabeamtes nach § 113 Abs 3 bedarf, in seiner Entscheidung 7 Ob 200/00p (= JBl 2002, 117 mit zustimmender Anm von Rummel) beschäftigt. Er hat ausgesprochen, dass die klageweise Geltendmachung "jedes Schadenersatzanspruches" (somit auch eines Anspruches auf Erfüllungsinteresse) der vorherigen Feststellung des Bundesvergabeamtes bedürfe. In einer Reihe weiterer Verfahren, in denen übergangene Bieter gleichfalls das Erfüllungsinteresse begehrten, waren vor Klageeinbringung Nachprüfungsverfahren durch das Bundesvergabeamt (in einem Fall durch das Landesvergabeamt eines Bundeslandes) durchgeführt worden, sodass sich diese Frage dort nicht mehr stellte (7 Ob 92/99a = ecolex 2000, 502; 7 Ob 148/01t = JBl 2002, 115; 4 Ob 96/02z = ecolex 2003, 91).
Die Frage, ob die Feststellung des Bundesvergabeamts nach § 113 Abs 3 BVergG 1997 notwendige Prozessvoraussetzung aller auf einen Verstoß gegen Vergaberecht gestützter Klagen ist, und zwar gleichgültig, ob diese auf Ersatz des Erfüllungsinteresses oder auf Kostenersatz im Sinn des § 122 Abs 1 BVergG 1997 gerichtet sind, ist dem Gesetz nicht ohne weiteres zu entnehmen. Die allgemeine Formulierung des § 125 Abs 2 BVergG 1997, wonach "eine Schadenersatzklage" nur zulässig ist, wenn zuvor eine Feststellung des Bundesvergabeamts gemäß § 113 Abs 3 BVergG erfolgt ist, schließt auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtete Klagen mit ein. Demgegenüber verweist § 125 Abs 1 BVergG (allerdings nur in Bezug auf die dort getroffene Zuständigkeitsregelung) ausdrücklich (nur) auf Ansprüche nach §§ 122 und 123 BVergG.
Mit der Entscheidung des Bundesvergabeamts nach § 113 Abs 3 BVergG steht (für Gericht und Verfahrensbeteiligte) bindend fest, dass bei Zuschlagserteilung gegen ein Vergabegesetz verstoßen wurde und deshalb nicht der Bestbieter zum Zug gekommen ist. Der den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Zweck dieses Feststellungsbescheides, die Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung vorweg durch eine mit Vergaberecht befasste Verwaltungsbehörde prüfen zu lassen (Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht, 123) spricht in teleologischer Hinsicht gegen eine unterschiedliche Behandlung einer auf Erfüllungsinteresse gerichteten Schadenersatzklage. Der Schadenersatzanspruch setzt nämlich auch in diesem Fall einen Vergaberechtsverstoß bei Zuschlagserteilung voraus, somit eine Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung, die nach dem Konzept des § 113 Abs 3 BVergG 1997 vom Bundesvergabeamt als Zulässigkeitsvoraussetzung einer späteren Schadenersatzklage geprüft werden soll, um "einer übermäßigen Arbeitsbelastung der Gerichte vorzubeugen" (972 BlgNR 18. GP , 71; 2 Ob 2/97a) und eine einheitliche Auslegung vergaberechtlicher Bestimmungen zu gewährleisten (4 Ob 62/03a unter Berufung auf EB zu § 102 BVergG). Diese Zielsetzung kann aber nur dann erreicht werden, wenn der Feststellungsbescheid Prozessvoraussetzung für alle Schadenersatzklagen ist, in denen der Anspruch auf die Verletzung von Vergabevorschriften bei Zuschlagserteilung gestützt wird, und zwar unabhängig davon, ob die Klage auf Ersatz der in § 122 BVergG angeführten Schäden oder auf das Erfüllungsinteresse gerichtet ist.
Unter Hinweis auf die in § 125 Abs 2 BVergG 1997 gewählte Formulierung meint Rummel (Glosse zu 7 Ob 200/00p, JBl 2002, 120), nach dem Text dieser Bestimmung setze jeder Schadenersatzanspruch, also offenbar auch der Anspruch auf Nichterfüllungsschaden die Feststellung des Bundesvergabeamts voraus, dass der Zuschlag nicht dem Betbieter erteilt wurde. Nach der "ratio" der Arbeitsteilung zwischen Bundesvergabeamt und Gerichten solle die Verfahrenskontrolle, also die Prüfung der Vergabeentscheidung möglichst dem Bundesvergabeamt überlassen werden, die Gerichte sollten nur die Folge einer vom Bundesvergabeamt festgestellten Rechtsverletzung beurteilen. Auch Czernich/Rungg (Die Novelle zum Bundesvergabegesetz: Neuerungen im Geltungsbereich und Rechtsschutz, RdW 1997, 67) gehen ganz allgemein davon aus, dass das Verfahren vor dem Bundesvergabeamt Voraussetzung eines vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machenden Schadenersatzanspruches des übergangenen Bieters sei, den ordentlichen Gerichten bleibe damit nur die Frage nach der Höhe des Schadenersatzes. Diese richte sich nach allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien wies der 9. Senat des Obersten Gerichtshofes in seiner jüngst ergangenen Entscheidung 9 Ob 132/03g nach, dass es nicht nur dem Sinn des Gesetzes, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, das Verfahren zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen eines vergaberechtswidrigen Zuschlags ohne Rücksicht auf den Inhalt des jeweiligen Ersatzanspruchs im gleichen Sinn auszugestalten. Die BVergG‑Novelle 1996 habe insbesondere die davor geltende Beschränkung des österreichischen Vergaberechts auf den Ersatz des Vertrauensschadens fallen gelassen, wobei die Regierungsvorlage vorgeschlagen habe, in § 98 Abs 1 VergG 1993 (§ 122 Abs 1 BVergG 1997) den Ausschluss von Ersatzansprüchen auf entgangenen Gewinn durch den Satz "Der Ersatz eines entgangenen Gewinns ist vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen" zu ersetzen. Damit wäre auch systematisch eine Gleichbehandlung derartiger Ersatzansprüche mit den schon bisher in der genannten Gesetzesstelle geregelten Ansprüchen auf Ersatz der Kosten der Anbotserstellung sowie der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren klargestellt worden. Die erläuternden Bemerkungen (323 BlgNR 20. GP , 103) hielten "lediglich der Klarstellung halber" fest, dass vor der Geltendmachung derartiger Ansprüche (auf entgangenen Gewinn) vor den ordentlichen Gerichten zuerst ein Nachprüfungsverfahren nach dem Bundesvergabegesetz durchzuführen sei; die Feststellung gemäß § 91 Abs 3 sei sohin eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anrufung der ordentlichen Gerichte. Der Verfassungsausschuss habe die in der RV vorgeschlagene Änderung des § 98 Abs 1 BVergG 1993 für entbehrlich gehalten, weil durch den Entfall des bisher letzten Satzes des § 98 Abs 1 ("Der Ersatz eines entgangenen Gewinns kann nicht geltend gemacht werden") klargestellt werde, dass in Verbindung mit § 101 ("Im Übrigen bleiben die nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Ersatzansprüche, Solidarhaftungen sowie Rücktrittsrechte unberührt") der entgangene Gewinn - sollten die sonstigen zivilrechtlichen Voraussetzungen vorliegen ‑ vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen sei. Klarstellenderweise sei festzuhalten, dass für die Anrufung der ordentlichen Gerichte die Feststellung des Bundesvergabeamts nach § 91 Abs 3 eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstelle (463 BlgNR 20. GP , 7).
Daraus folgt aber auch - wie schon der 9. Senat zutreffend ausführte ‑ dass der Gesetzgeber der BVergG‑Novelle 1996 auch die klageweise Geltendmachung entgangenen Gewinns verfahrensmäßig nicht anders behandeln wollte als die gerichtliche Verfolgung anderer auf vergaberechtswidriger Zuschlagserteilung beruhender Ersatzansprüche. Dass erst diese Gleichstellung es ermöglicht, das vom Gesetzgeber gesteckte Ziel (übermäßiger Arbeitsbelastung der Gerichte vorzubeugen und eine einheitliche Auslegung vergaberechtlicher Bestimmungen zu gewährleisten) zu erreichen, wurde bereits dargetan.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch im Entwurf zum Bundesvergabegesetz 2002 das Erfordernis einer Feststellung des Bundesvergabeamts für weitergehende als aus Angebots‑ und Vergabeverfahrenskosten bestehende Schadenersatzansprüche in § 183 Abs 2 enthalten ist (siehe dazu Öhler/Schramm, Glosse zu 7 Ob 200/00p, ZVB 2002/5; Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht, 79 insbesondere FN 199). § 184 des Bundesvergabegesetzes idF BGBl I Nr 99/2002 sieht dann auch für Schadenersatzansprüche des übergangenen Bestbieters nach anderen Rechtsvorschriften eine vorgehende Feststellung der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Schadenersatzklage vor.
Die Vorinstanzen sind zutreffend vom Fehlen einer gesetzlich angeordneten Prozessvoraussetzung ausgegangen, sodass die Klage zu Recht zurückgewiesen wurde. Dem unberechtigten Revisionsrekurs der Klägerin wird der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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