VwGH 98/10/0373

VwGH98/10/037331.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des H in Dornbirn, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Schulgasse 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. Juli 1997, Zl. IVe-152.01/1997, betreffend naturschutzbehördlicher Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs2;
NatSchG Vlbg 1997 §26;
NatSchG Vlbg 1997 §59 Abs9 lita;
NatSchG Vlbg 1997 §60 Abs2 lita;
NatSchV Fohramoos Dornbirn Schwarzenberg 1974 §3 Abs1;
NatSchV Fohramoos Dornbirn Schwarzenberg 1974;
VwRallg;
B-VG Art18 Abs2;
NatSchG Vlbg 1997 §26;
NatSchG Vlbg 1997 §59 Abs9 lita;
NatSchG Vlbg 1997 §60 Abs2 lita;
NatSchV Fohramoos Dornbirn Schwarzenberg 1974 §3 Abs1;
NatSchV Fohramoos Dornbirn Schwarzenberg 1974;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seiner Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juli 1997 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 3 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. Nr. 22/1997 (NatSchG 1997) aufgetragen, bis spätestens 31. Oktober 1997 auf Grundstück 13636/1 GB 92001 Dornbirn den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, indem

1. die ohne Bewilligung vorgenommenen Änderungen am Heuschuppen, nämlich der Einzug einer Zwischendecke und die Errichtung einer Stiege sowie die Errichtung eines Stromanschlusses wieder rückgängig gemacht und der Schuppen so in den ursprünglichen Zustand versetzt wird und

2. der zweite Schuppen mit Pultdach samt Anbau ersatzlos entfernt wird.

In der Begründung heißt es, aus einer pflanzensoziologischen Aufnahme der Vorarlberger Naturschau aus dem Jahre 1973 sei ersichtlich, dass auf dem gegenständlichen Grundstück zu diesem Zeitpunkt ein Heustadel an der Stelle gestanden sei, an der heute das umgebaute Objekt stehe. Diese Hütte sei im Februar 1990 durch Sturm und Windwurf stark beschädigt worden, sodass der Beschwerdeführer sowohl die Wände als auch den Dachstuhl neu erstellt habe. Anlässlich eines Lokalaugenscheines der Berufungsbehörde am 9. Mai 1995 habe festgestellt werden können, dass auf den Grundmauern des ehemaligen Heustadels eine völlig neue Hütte errichtet worden sei. An der östlichen Außenwand der Hütte sei ein Kamin errichtet worden. Im Inneren der Hütte sei eine Decke eingezogen worden. Im Erdgeschoß sei eine Eckbank samt Tisch und Stühlen, eine Kochstelle samt Kühlschrank und eine Schlafgelegenheit in Form eines Sofas eingerichtet worden. Vor dem Jahr 1990 habe sich im Objekt lediglich ein Balkenlager (Riegelwerk) befunden. Im neuen Obergeschoß, das durch eine enge Stiege erreichbar sei, welche ebenfalls neu errichtet worden sei, sei ein Schlafzimmer (Doppelbett und Kinderbett) eingerichtet worden. Vor dem Jahre 1990 habe es in dieser Hütte noch keinen elektrischen Strom gegeben; dieser sei vom Nachbarn herübergezogen worden. Im Zuge der Veränderungen sei südwestlich des Objektes ein zweiter neuer Schuppen mit Pultdach errichtet worden. Die Erstbehörde habe daher zu Recht die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes aufgetragen. Was allerdings den Kamin sowie die (kleinen) Fenster im Ober- und Untergeschoß betreffe, sei die belangte Behörde der Ansicht, dass aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervorgehe, ob derartige Einrichtungen in der ursprünglichen Hütte bereits vorhanden gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 28. September 1998, B 2341/97-6, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung erstattet, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, der angefochtene Bescheid stütze sich auf eine gesetzwidrige Verordnung. Das verfahrensgegenständliche Grundstück liege nämlich nicht, wie dies von der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 unterstellt werde, in einer zu schützenden Landschaft. Aus dem vorliegenden Beweisergebnis ergebe sich, dass die eigentliche Naturschutzlandschaft erst einige Meter von dem gegenständlichen Grundstück entfernt beginne. Die Verordnung stütze sich außerdem auf das Vorarlberger Naturschutzgesetz 1969, welches längst aufgehoben worden sei.

Der angefochtene Bescheid stützt sich in seiner Begründung auf die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über das Naturschutzgebiet Fohramoos in Dornbirn und Schwarzenberg, LGBl. Nr. 27/1974. Diese Verordnung wurde auf Grund des Vorarlberger Naturschutzgesetzes 1969, LGBl. Nr. 36, erlassen, welches durch § 60 Abs. 2 lit. a NatSchG 1997 aufgehoben wurde. Der Wegfall oder die Änderung des Gesetzes, auf Grund dessen eine Durchführungsverordnung erlassen wurde, bewirkt nicht - wie der Beschwerdeführer meint -, dass diese Durchführungsverordnung gesetzwidrig wird; vielmehr tritt die Durchführungsverordnung gleichzeitig mit ihrer ursprünglichen gesetzlichen Grundlage außer Kraft, sofern die Neufassung des Gesetzes keine Grundlage im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG für die Verordnung bietet (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 12634 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1982, Slg NF 10802/A). Die Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 findet jedoch im NatSchG 1997 eine inhaltliche Deckung.

Die Behauptung, "aus dem vorliegenden Beweisergebnis" ergebe sich, dass die eigentliche Naturschutzlandschaft erst einige Meter vom verfahrensgegenständlichen Grundstück entfernt beginne und daher die Unterschutzstellung durch die Verordnung

LGBl. Nr. 27/1974 gesetzwidrig sei, entbehrt jeder Grundlage. Auf welches "vorliegende Beweisergebnis" sich der Beschwerdeführer bezieht, ist nicht ersichtlich.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, bei der im angefochtenen Bescheid verlangten Rückgängigmachung des Einzuges einer Zwischendecke, der Errichtung einer Stiege und der Errichtung eines Stromanschlusses handle es sich nicht um die Errichtung oder Änderung von Bauwerken, die gemäß § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 unzulässig sei. Es könne nicht von der Errichtung oder Änderung von Bauwerken gesprochen werden, wenn im Inneren einer Hütte eine bereits zuvor vorhandene Leiter durch eine etwas sicherere Stiege ersetzt und zuvor lediglich lose angebrachte Bretter aus Sicherheitsgründen angenagelt worden seien. Auch die Stromzuleitung sei nach außen nicht sichtbar.

§ 3 Abs. 1 der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 lautet:

"(1) Im Naturschutzgebiet ist es verboten, Veränderungen der Landschaft vorzunehmen. Als Veränderungen der Landschaft gelten insbesondere:

  1. a) die Errichtung oder Änderung von Bauwerken;
  2. b) der Torfabbau;
  3. c) die Beseitigung von einzelstehenden Bäumen, von Baumgruppen,

    Hecken und Gebüsch;

  1. d) Aufforstungen oder Pflanzungen aller Art;
  2. e) die Ablagerung von Materialien;
  3. f) Meliorationen und Düngungen."

    Die belangte Behörde hat den naturschutzbehördlichen Auftrag auf § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 gestützt. Bei der Auslegung der Begriffe "Errichtung oder Änderung von Bauwerken" ist auf den Zusammenhang Bedacht zu nehmen, in welchem diese Begriffe verwendet werden. Es kann daher nicht ohne weiteres auf Begriffsinhalte des Baurechts zurückgegriffen werden.

    § 3 Abs. 1 erster Satz der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 verbietet die Vornahme von Veränderungen der Landschaft. Daran schließt sich eine beispielsweise Aufzählung von Maßnahmen an, die der Verordnungsgeber als Veränderungen der Landschaft ansieht. Erfasst werden sollen demnach Maßnahmen, die geeignet sind, Veränderungen der Landschaft zu bewirken. Dies ist bei der Auslegung des § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung zu berücksichtigen und führt zu dem Ergebnis, dass Maßnahmen an Bauwerken, die ihrer Natur nach von vornherein nicht geeignet sind, Veränderungen der Landschaft herbeizuführen, wie dies etwa bei rein innenwirksamen Maßnahmen der Fall sein wird, nicht unter § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 subsumiert werden können. Daran ändert auch die Anordnung des § 3 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung nichts, wonach die im nachfolgenden Katalog aufgeführten Maßnahmen als Veränderung der Landschaft "gelten". Diese Anordnung bedeutet, dass die Behörde bei Maßnahmen, die nicht von vornherein ungeeignet sind, Veränderungen in der Landschaft hervorzurufen und die auch alle sonstigen Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 1 lit. a aufweisen, der Notwendigkeit enthoben ist, zu prüfen, ob diese Maßnahme im konkreten Fall tatsächlich eine Veränderung der Landschaft herbeiführt. Für eine solche Veränderung stellt § 3 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974 eine Vermutung auf. Die Anordnung des § 3 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung bedeutet hingegen nicht, dass bei der Prüfung der Frage, ob eine Maßnahme unter § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung fällt, der Gesichtspunkt der (grundsätzlichen) Eignung dieser Maßnahme zur Landschaftsveränderung außer Acht zu lassen ist. Eine solche Interpretation stünde im Widerspruch zu der Absicht der Verordnung, (nur) landschaftsverändernde Maßnahmen zu erfassen. Die (grundsätzliche) Eignung zur Landschaftsveränderung ist daher ein Tatbestandsmerkmal der im Katalog des § 3 Abs. 1 der Verordnung aufgezählten Maßnahmen.

    Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde die Zwischendecke im Inneren der Hütte eingezogen. Es handelt sich demnach offenbar um eine lediglich innenwirksame Maßnahme. Dass diese Maßnahme geeignet wäre, Veränderungen der Landschaft zu bewirken, ist ohne entsprechende Begründung im angefochtenen Bescheid, welche aber fehlt, nicht zu ersehen. Gleiches gilt für die Stiege. Was die Errichtung eines Stromanschlusses anlangt, so kann ebenfalls nicht beurteilt werden, ob damit auch außenwirksame, landschaftsverändernde Maßnahmen, verbunden sind, da dazu jegliche Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlen.

    Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich Z. 1 des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

    Dass die in Z. 2 des angefochtenen Bescheides angesprochene Errichtung eines zweiten Schuppens mit Pultdach samt Anbau als Errichtung eines Bauwerkes anzusehen ist, bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht. Er behauptet auch nicht, dass dieser Schuppen ein "Altbestand" gewesen sei. Die Errichtung dieses Schuppens fiel daher unter das Verbot des § 3 Abs. 1 lit. a der Verordnung LGBl. Nr. 27/1974. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen Z. 2 des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 31. Mai 1999

Stichworte