OGH 4Ob62/03a

OGH4Ob62/03a20.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei N*****, vertreten durch Wietrzyk Dullinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten 1. D*****, 2. Dr. Andrea V*****, beide vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. S*****, vertreten durch Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in Wien, 4. Land N*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wegen 581.382,67 EUR, über die Revisionsrekurse der beklagten Partei und der Erst-, Zweit- und Drittnebenintervenienten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 25. Oktober 2002, GZ 4 R 161/02d-26, womit der die Klage zurückweisende Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 18. April 2002, GZ 1 Cg 157/01v-18, aufgehoben und dem Erstgericht die Entscheidung in der Sache unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 3.665,03 EUR (darin 610,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin hatte sich als Mitglied einer Bietergemeinschaft um die Teilnahme an einem von der Beklagten veranlassten Ausschreibungsverfahren beworben und war zur Anboterstellung eingeladen worden. Die Ausschreibung betraf einen Dienstleistungsauftrag "Müllentsorgung". Vor Ablauf der Angebotsfrist widerrief die Beklagte die Ausschreibung. Davor hatte der Unabhängige Verwaltungssenat für Niederösterreich (im Folgenden UVS) mit Bescheid vom 30. 11. 1999 ausgesprochen, dass der den Standort der zu errichtenden Anlage in Niederösterreich betreffende Passus der Ausschreibung als diskriminierend gestrichen werde. Mit Bescheid vom 21. 3. 2000, AB 00-003, wies der UVS den Antrag der Bietergemeinschaft auf Nichtigkeitserklärung des Widerrufs zurück. Mit weiterem Bescheid vom 11. 4. 2000, AB 00-004, wies der UVS den Antrag der Bietergemeinschaft auf Feststellung, dass die Einschränkung der Ausschreibung auf in Niederösterreich gegen das nöVergG verstoßen habe, zurück. Dem weiteren Antrag auf Feststellung, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter nicht erteilt wurde, wies er aus der Überlegung ab, beim vorliegenden Sachverhalt (Widerruf vor Ende der Ausschreibungsfrist) sei die begehrte Feststellung sowohl tatsächlich als auch rechtlich nicht möglich. Diese Entscheidung blieb unbekämpft.

Die Klägerin begehrt nun Schadenersatz in Höhe jenes Aufwandes, der ihr für die Vorbereitung des Anbots (durch Projektierungsarbeiten eines für die Müllentsorgung spezialisierten Unternehmens) entstanden sei. Die Beklagte sei als öffentlicher Auftraggeber im Sinn des nöVergG verpflichtet, die im Bundesvergabegesetz (auf das das nöVergG verweise) und in der Ö-Norm A 2050 enthaltenen Pflichten einzuhalten. Dazu gehöre die Pflicht zu einem diskriminierungsfreien und fairen wie auch transparenten Vergabeverfahren. Insbesondere habe sie die Bieter über alle verfahrenswesentlichen Umstände unverzüglich zu informieren und aufzuklären, dürfe unbillige Risken nicht auf sie überwälzen und dürfe das Verfahren bloß aus zwingenden Gründen widerrufen, die nicht bereits bei der Bekanntmachung vorhersehbar gewesen seien. Entgegen diesen von ihr übernommenen Verpflichtungen habe die Beklagte Vergaberechtsverletzungen begangen. Sie habe in die Bekanntmachung der Ausschreibung gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich verpönte Präferenzregeln zugunsten lokaler Bieter aufgenommen, die Ausschreibung mehrfach geändert und erhebliche Risken auf die Bieter überwälzt. Obwohl der Beklagten bereits seit Monaten bekannt gewesen sei, dass die Gefahr einer Aufhebung der diskriminierenden Ausschreibungsbedingungen bestanden habe, habe sie die Klägerin weder über das beim UVS anhängige Nachprüfungsverfahren noch darüber informiert, dass sie einen Widerruf des Vergabeverfahrens für den Fall beabsichtige, dass den Anträgen des dortigen Beschwerdeführers stattgegeben werden sollte. Durch Verschweigen des konkreten Risikos eines Widerrufs, verbunden mit dem durch zahlreiche Änderungen der Ausschreibung verstärkten Eindruck, eine Zuschlagserteilung zu beabsichtigen, habe die Beklagte ihre vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten ebenso verletzt wie das vergaberechtliche Gebot eines fairen, gleichen und transparenten Vergabeverfahrens. Sie habe dadurch einen erheblichen Aufwand der Klägerin veranlasst, der ein Schaden in Höhe der Projektierungskosten von zumindest 11 Mio S netto entstanden sei. Abgesehen davon, dass die Beklagte den zum Widerruf der Ausschreibung führenden Umstand (Bevorzugung lokaler Bieter) selbst verschuldet habe, hätte es keines Widerrufs bedurft. Die Beklagte hätte vielmehr die diskriminierende Klausel streichen und die Angebotsfrist erneut verlängern können, womit der Aufwand der Klägerin nicht frustriert gewesen wäre.

Zur Zulässigkeit des Zivilrechtsweges brachte die Klägerin vor, der zur Nachprüfung von Vergabeverfahren der Beklagten zuständige UVS habe den Antrag der Klägerin auf Nichtigerklärung des Widerrufs der Ausschreibung sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der diskriminierenden Lokalpräferenzklausel mangels Zuständigkeit zurückgewiesen. Der vergabespezifische Rechtsschutz sei auf den klagebegründenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Die Beklagte erhob unter anderem die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Nach § 35 Abs 2 nöVergG sei eine Schadenersatzklage nur dann zulässig, wenn der UVS davor gemäß § 24 Abs 3 nöVergG festgestellt habe, dass wegen eines Verstoßes gegen das niederösterreichische Vergabegesetz oder die hiezu ergangene Verordnung der Zuschlag dem Bestbieter nicht erteilt worden sei. Eine derartige Feststellung sei nicht erfolgt. Vielmehr habe der UVS den entsprechenden Antrag der Klägerin rechtskräftig abgewiesen.

Nach Streitverkündung traten dem Verfahren als Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten bei: die S***** GmbH (Drittnebenintervenientin), die von der Beklagten mit Dienstleistungen im Rahmen der Ausschreibung beauftragt worden war, die Rechtsanwälte D***** Partner (Erstnebenintervenientin) und Dr. Andrea V***** (Zweitnebenintervenientin), die die Beklagte im Zusammenhang mit der Ausschreibung beraten hatten. Ihre Zulassung als Nebenintervenienten (durch das Erstgericht) wurde vom Rekursgericht bestätigt. Das Land Niederösterreich wurde als Nebenintervenient zwar vom Erstgericht, nicht jedoch - in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses - vom Rekursgericht zugelassen.

Auch die Nebenintervenienten bestritten im Hinblick auf §§ 24 Abs 3 und 35 Abs 2 nöVergG die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach dem nöVergG vor den ordentlichen Gerichten setze die vorherige Feststellung des UVS nach § 24 Abs 3 nöVergG voraus. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der UVS habe den Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden sei, rechtskräftig abgewiesen.

Das Rekursgericht hob die Zurückweisung der Klage auf und trug dem Erstgericht auf, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache zu entscheiden. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen eines potentiellen Bieters nach Abschluss des Vergabeverfahrens ohne Zuschlagserteilung ohne Vorliegen eines entsprechenden Feststellungsbescheides Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Soweit § 24 Abs 3 nöVergG eine Feststellungskompetenz des UVS - abgesehen vom Fall der Zuschlagserteilung - auch für den Fall eines anderen Abschlusses des Vergabeverfahrens (gemeint: durch Widerruf) vorsehe, könne dies jedenfalls nicht auf den Fall eines Widerrufs während der Angebotsfrist im Sinn des § 40 BVergG (der hier nach § 14 Abs 1 nöVergG anzuwenden sei) zutreffen. So habe auch der UVS den entsprechenden Feststellungsantrag der Klägerin deshalb abgewiesen, weil keiner der Bewerber oder Bieter ein Angebot gelegt und eine Angebotseröffnung nicht stattgefunden habe. Ohne Vorliegen von Angeboten, aber auch ohne Vorliegen eines Angebots der Antragstellerin und unter Berücksichtigung der allen Bietern bis zum Ablauf der Angebotsfrist offenstehenden Möglichkeiten zur Änderung oder Ergänzung ihrer Angebote bzw zum Rücktritt davon sowie der Möglichkeit der Legung weiterer Anbote durch geeignete Bewerber oder Bieter innerhalb der Angebotsfrist sei die Feststellung, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, mangels Vergleichbarkeit vorliegender Angebote vor Ablauf der Angebotsfrist grundsätzlich nicht möglich. § 35 Abs 2 iVm § 24 Abs 3 nöVergG beziehe sich daher - vom Fall der Zuschlagserteilung abgesehen - notwendigerweise nur auf jene Fälle des Abschlusses von Vergabeverfahren, in denen der Widerruf nach Ablauf der Angebotsfrist erfolge. Im Übrigen führe § 32 Abs 1 nöVergG zum selben Ergebnis. Diese Bestimmung räume dem übergangenen Bewerber oder Bieter einen Ersatzanspruch ein. Ein Bewerber oder Bieter könne aber nur dann übergangen worden sein, wenn die Angebotsfrist bereits abgelaufen sei, weil nur in diesen Fällen überhaupt ein Anspruch gemäß § 32 nöVergG (bzw § 122 BVergG) vorliege, auf den sich die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen des § 35 nöVergG (bzw § 125 BVergG) beziehen könnten. Im Übrigen lasse § 124 BVergG die nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Ersatzansprüche unberührt. Stütze sich ein Schadenersatzbegehren daher auf andere Anspruchsgrundlagen, wie etwa culpa in contrahendo oder den Gleichheitssatz, sei ein Feststellungsbescheid nicht notwendig. Die Klägerin habe sich hier nicht nur auf eine Verletzung des nö Vergabegesetzes, sondern auch auf eine Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten berufen. Die Zulässigkeit des Rechtsweges für ihre Ansprüche sei daher zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse der Beklagten und der auf ihrer Seite beigetretenen Erst-, Zweit- und Drittnebenintervenienten sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs der Beklagten macht unter Hinweis auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 7 Ob 200/00p und 7 Ob 148/01t geltend, ein Feststellungsbescheid nach § 24 Abs 3 nöVergG (wortgleich § 113 Abs 3 BVergG) sei prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzung jedes Schadenersatzanspruchs. Es komme nicht darauf an, ob das Schadenersatzbegehren auch auf andere Anspruchsgrundlagen (etwa wie hier auf culpa in contrahendo) gestützt werde. Dem ist zu entgegnen:

In den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen waren die jeweils klagenden Bieter bei Zuschlagserteilung übergangen worden. Sie begehrten Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung von Vergabevorschriften bei Auftragsvergabe und machten geltend, bei gesetzeskonformer Vorgangsweise hätte ihnen der Zuschlag erteilt werden müssen. Gerade für diese Fälle sehen die Vergabegesetze (so etwa § 24 Abs 3 nöVergG, § 113 Abs 3 BVergG) eine Zuständigkeit der zur Nachprüfung berufenen Behörde (UVS für Niederösterreich bzw Bundesvergabeamt) vor. Diese haben - als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Schadenersatzklage des übergangenen Bewerbers bzw Bieters - festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen das Vergabegesetz oder die hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Zweck dieser Feststellung ist es, die Gerichte bei der Prüfung vergaberechtlicher Sachverhalte zu entlasten und eine einheitliche Auslegung vergaberechtlicher Normen zu gewährleisten (EB 1993 zu § 102 abgedruckt in Elsner, Vergaberecht Rz B 211; Diregger, Gibt es nach Bundesvergaberecht eine "echte Chance" auf Schadenersatz? wbl 2000, 442).

Anders als in den vorerwähnten Entscheidungen stützt die Klägerin ihren Anspruch auf Ersatz von Projektierungskosten nicht auf eine rechtswidrige Auftragsvergabe, sondern darauf, dass die Beklagte die ihr als öffentlichem Auftraggeber obliegenden Sorgfalts- und Aufklärungspflichten verletzt habe. Anspruchsgrundlage ihres Begehrens ist somit die behauptete Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten (culpa in contrahendo) und nicht die von § 32 nöVergG erfasste Verletzung von Vergabebestimmungen bei Auftragsvergabe. Im vorliegenden Fall war es auch zu keiner Auftragsvergabe gekommen. Die Beklagte hat die Ausschreibung noch vor Ablauf der Angebotsfrist und noch bevor die Klägerin ihr Angebot gelegt hatte, widerrufen. Es ist daher schon aus diesem Grund zweifelhaft, ob die Klägerin als "übergangener Bewerber oder Bieter" im Sinn des § 32 Abs 1 nöVergG angesehen werden könnte (zum Begriff des Bewerbers oder Bieters im Sinn des § 122 Abs 2 BVergG siehe Diregger aaO wbl 2000, 442). Der auf culpa in contrahendo gegründete Anspruch bleibt nach § 34 nöVergG (gleichlautend mit § 124 BVergG) von den vergaberechtlichen Vorschriften ausdrücklich unberührt. Seine Beurteilung hat auch dann nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts zu erfolgen, wenn der Vorwurf sich auf eine Verletzung von auf vergaberechtlichen Grundsätzen beruhenden vorvertraglichen Pflichten bezieht. Insoweit macht die Klägerin schon deshalb keinen Anspruch nach § 32 Abs 1 nöVergG geltend, weil dieser eine rechtswidrige, das Angebot der Klägerin übergehende Auftragsvergabe voraussetzte. Eines Feststellungsbescheids nach § 24 Abs 3 iVm § 35 Abs 2 nöVergG bedarf es daher im vorliegenden Fall nicht (vgl Spunda, Vergaberechtlicher Feststellungsbescheid nur eingeschränkt nötig, ecolex 2000, 99).

Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Abs 1 und 2 des § 35 nöVergG wird deutlich, dass die Feststellung des UVS nach § 24 Abs 3 nöVergG nur dann Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Schadenersatzklage sein kann, wenn der geltend gemachte Anspruch auf einer rechtswidrigen, dh vergabegesetzwidrigen Auftragsvergabe im Sinn des § 32 desselben Gesetzes beruht, und die Klägerin mit ihrem Anbot deshalb übergangen wurde, obwohl sie eine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte. Dementsprechend umfasst die Feststellung des UVS - worauf auch die Revisionsrekurse der Nebenintervenienten zu Recht hinweisen - den Ausspruch, dass ein Verstoß gegen das nö Vergabegesetz oder die dazu erlassenen Verordnungen vorliegt und dass deswegen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde.

Davon abgesehen wäre eine Vorausfeststellung des UVS im Sinn des § 35 Abs 2 nöVergG im vorliegenden Fall auch deshalb nicht zu verlangen, weil der Widerruf der Ausschreibung schon vor Ablauf der Angebotsfrist erfolgte. Gemäß § 24 Abs 3 erster Satz nöVergG kann ein übergangener Bieter lediglich die Feststellung beantragen, dass wegen eines Verstoßes gegen das nö Vergabegesetz der Zuschlag nicht an den Bestbieter erteilt wurde. Diese Beurteilung kann aber erst nach Ablauf der Angebotsfrist erfolgen, weil erst zu diesem Zeitpunkt Angebote vorliegen, an die die Bieter gebunden sind und die eine Beurteilung im Sinn des § 24 Abs 3 nöVergG zulassen. Die vom Rekursgericht vertretene Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung auf jene Fälle, in denen der Widerruf nach Ablauf der Angebotsfrist erfolgte (bzw der Zuschlag erteilt wurde) begegnet daher keinen Bedenken.

Demgegenüber macht die Beklagte geltend, immer dann, wenn ein Vergabeverfahren widerrufen werde - sei es vor oder nach Ablauf der Angebotsfrist - könne der UVS feststellen, dass der Zuschlag nicht an den Bestbieter erteilt wurde, weil er eben niemandem erteilt worden sei. Dass die Ausschreibung im vorliegenden Fall vor Ende der Ausschreibungsfrist widerrufen wurde, ändere daher nichts am Zulässigkeitserfordernis der Feststellung. Dazu vertritt der Drittnebenintervenient die Auffassung, die Ermittlung eines bestimmten Bestbieters sei mangels Vergleichbarkeit der Angebote häufig nicht möglich (und auch nicht erforderlich), es reiche die Feststellung, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, diese Feststellung sei auch bei Widerruf vor Ende der Ausschreibungsfrist möglich. Beiden Rechtsmittelwerbern ist entgegenzuhalten, dass die Feststellung des UVS, der Zuschlag sei nicht dem Bestbieter erteilt worden, im Falle eines Widerrufs der Ausschreibung vor Ende der Angebotsfrist nur eine Aussage enthielte, die ohnehin von niemandem bezweifelt wird. Diese Feststellung könnte daher den ihr vom Gesetzgeber zugesonnenen Zweck, die ordentlichen Gerichte zu entlasten und eine einheitliche Auslegung des Vergaberechts zu gewährleisten (EB 1993 zu § 102 abgedruckt in Elser, Vergaberecht Rz B 211; Diregger aaO 442 FN 70) nicht erfüllen. Dass der Gesetzgeber aber die Feststellungsbefugnis des UVS in einer für die Rechtsverfolgung unnötigen Weise hätte regeln wollen, ist nicht anzunehmen.

Die von der Beklagten für ihre Auffassung, im Fall eines Widerrufs der Ausschreibung sei immer festzustellen, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, angeführten Entscheidungen des Bundesvergabeamts (vom 4. 9. 2000, M-22/00-13 und vom 29. 9. 1999, M-37/99-16) betrafen den Fall eines Widerrufs nach Ende der Angebotsfrist und sind insoweit mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

Das Rekursgericht ist daher zutreffend von der Zulässigkeit der vorliegenden, auf culpa in contrahendo gestützten Schadenersatzklage auch ohne vorherige Feststellung des UVS nach § 35 Abs 2 iVm § 24 Abs 3 nöVergG ausgegangen. Den gegen seine Entscheidung gerichteten Revisionsrekursen der Beklagten und ihrer Nebenintervenienten wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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