OGH 6Ob1/99m

OGH6Ob1/99m28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei Anita K*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wider die wiederaufnahmsbeklagte Partei Kurt H*****, wegen Nichtigerklärung des Ehescheidungsverfahrens AZ 4 C 3/92y des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung, infolge Rekurses der wiederaufnahmsklagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 22. Oktober 1998, GZ 14 R 322/98s-20, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die wiederaufnahmsklagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

In dem beim Bezirksgericht Urfahr-Umgebung anhängig gewesenen Verfahren AZ 4 C 3/92y begehrten die Streitteile mit Klage und Widerklage die Scheidung ihrer Ehe aus dem Alleinverschulden der jeweils anderen Partei. Mit Urteil vom 6. Juli 1992 wurde die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der dort klagenden und widerbeklagten sowie hier wiederaufnahmsklagenden Frau (im folgenden nur Klägerin) geschieden. Das Landesgericht Linz als Berufungsgericht gab mit Urteil vom 18. Jänner 1993 der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der erkennende Senat wies mit Beschluß vom 15. April 1993 AZ 6 Ob 1550, 1551/93 die von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Mit der am 20. August 1997 an den Obersten Gerichtshof gerichteten Nichtigkeitsklage begehrte die Klägerin die Nichtigerklärung des gesamten Ehescheidungsverfahrens sowie der ergangenen drei gerichtlichen Entscheidungen und die Erteilung eines Auftrages an das Bezirksgericht Urfahr-Umgebung, das Ehescheidungsverfahren neu durchzuführen. Mit Beschluß vom 16. Oktober 1997 AZ 6 Ob 263/97p (veröffentlicht in RZ 1998/55) wies der erkennende Senat die Nichtigkeitsklage wegen Unzuständigkeit zurück.

Am 22. Dezember 1997 brachte die durch einen Verfahrenshelfer - der im gesamten Scheidungsverfahren ihr gewillkürter Rechtsvertreter gewesen war - vertretene Klägerin eine auf § 529 Abs 1 Z 2 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage beim nach § 532 Abs 1 ZPO zuständigen Landesgericht Linz mit dem wesentlichen Vorbringen ein, während des gesamten Ehescheidungsverfahrens aufgrund einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer geistigen Gesundheit prozeßunfähig gewesen zu sein; sie hätte daher während des gesamten Verfahren eines gesetzlichen Vertreters bedurft. Zum Beweis ihres Vorbringens berief sich die Klägerin auf ein einzuholendes nervenärztliches Sachverständigengutachten, vorzulegende Krankengeschichten und Parteienvernehmung. Der Antrag auf Genehmigung der Klageführung wurde rechtskräftig abgewiesen.

Das Landesgericht Linz stellte mit Beschluß vom 8. September 1998 die Nichtigkeitsklage unter Fristsetzung zur Verbesserung durch Angabe des richtigen Familiennamens der Klägerin und von Umständen nach § 536 Z 3 ZPO sowie zur Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel dazu zurück. Innerhalb der Verbesserungsfrist brachte die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 30. September 1998 vor, aufgrund ihrer Prozeßunfähigkeit im gesamten Ehescheidungsverfahren sei auch die Bevollmächtigung ihres damaligen (gewillkürten) Vertreters rechtsunwirksam gewesen. Rechtswirksame Zustellungen gerichtlicher Entscheidungen im Ehescheidungsverfahren seien daher bis dato nicht erfolgt, sodaß schon deshalb die Nichtigkeitsklage rechtzeitig eingebracht worden sei. Die Klägerin sei "auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt offensichtlich nicht prozeßfähig", weshalb auch der Verfahrenshilfevertreter zum einstweiligen Sachwalter bestellt worden sei. Zum Beweis für die Rechtzeitigkeit der Nichtigkeitsklage berief sich die Klägerin auf den Akt AZ 8 P 71/98h des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung sowie auf die Einholung des Gutachtens eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie.

Das Landesgericht Linz wies die Nichtigkeitsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet (§ 538 Abs 1 ZPO) zurück. Denn die Klägerin habe die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergebe, trotz Verlangens des Gerichtes nicht glaubhaft gemacht (§ 538 Abs 2 ZPO). Sämtliche Entscheidungen, die in dem mit Nichtigkeitsklage bekämpften Scheidungsverfahren ergangen sind, seien dem gewählten Vertreter der Klägerin zugestellt worden, der für die Klägerin auch als Verfahrenshelfer die Nichtigkeitsklage eingebracht habe und überdies zum einstweiligen Sachwalter für sie bestellt worden sei. Die Nichtigkeitsklage wäre daher nur dann rechtzeitig, wenn die Klägerin seit Beginn der Vollmachtserteilung an ihren gewillkürten Vertreter im Ehescheidungsverfahren bis zum heutigen Tage prozeßunfähig gewesen wäre, denn dann müßte davon ausgegangen werden, daß die mit Nichtigkeitsklage bekämpften Entscheidungen im Ehescheidungsverfahren dem wegen der Prozeßunfähigkeit der Klägerin notwendigen gesetzlichen Vertreter zum Zeitpunkt der Einbringung der Nichtigkeitsklage noch nicht zugestellt worden seien. Die Klägerin habe aber nicht behauptet, seit dem Ehescheidungsverfahren bis zur Einbringung der Nichtigkeitsklage durchgehend prozeßunfähig gewesen zu sein. Dies gehe auch aus dem in der Nichtigkeitsklage zum Beweis für die Rechtzeitigkeit der Klageeinbringung angebotenen Akt AZ 8 P 71/98h des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung nicht hervor, vielmehr aus dem im Sachwalterschaftsverfahren AZ 3 SW 2/95 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung eingeholten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Herbert Sch***** (ON 31 und Seite 3 ff in ON 37), daß die Klägerin zwar grundsätzlich an einer psychischen Krankheit leide, ihr Zustandsbild aber weiterhin durchaus stabil sei, sie unter adäquater Behandlung ihrer psychischen Erkrankung auch symptomfrei und daher zu einer völlig normalen Kommunikation in der Lage sei. Sie verfüge vor allem über einen guten Realitätsbezug, ungestörte kognitive Fähigkeiten und adäquate Verhaltensmuster. Sie habe auch ihre ursprüngliche Scheu, Kontakte mit Behörden aufzunehmen, überwunden. Aufgrund dieser Ergebnisse sei das eingeleitete Sachwalterschaftsverfahren auch mit Beschluß vom 19. Dezember 1995 eingestellt worden. Da jedenfalls von einer Prozeßfähigkeit der Klägerin zu diesem Zeitpunkt auszugehen sei, habe auch spätestens zu diesem Zeitpunkt die einmonatige Notfrist zur Einbringung der Nichtigkeitsklage zu laufen begonnen. Andernfalls wäre es ja allein dem Nichtigkeitskläger, der nach Abschluß des Vorprozesses seine Prozeßfähigkeit wieder erlange, überlassen, den Zeitpunkt für die Einbringung der Nichtigkeitsklage frei zu bestimmen. Eine neuerliche Zustellung der mit Nichtigkeitsklage angefochtenen Entscheidungen des Ehescheidungsverfahrens sei in Anlehnung an die Entscheidung ZBl 1936/448 nicht notwendig, weil diese Entscheidungen ja bereits ihrem frei gewählten Rechtsvertreter zugestellt worden seien. Mangels nochmaliger Zustellung der Entscheidungen im Ehescheidungsverfahren an den Vertreter der Klägerin würde bei gegenteiliger Auffassung die Notfrist von vier Wochen nie zu laufen beginnen. Dazu komme noch, daß die Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs 2 Z 2 ZPO keiner absoluten Frist unterliege (§ 534 ZPO). Abgesehen davon, daß auch das für die Rechtzeitigkeit der Klageeinbringung angebotene Beweismittel der "Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie" kein parates Bescheinigungsmittel iSd § 538 Abs 2 ZPO darstelle, ergebe sich die Rechtzeitigkeit der Klageeinbringung aus den Behauptungen der Klägerin, sie sei während des gesamten Ehescheidungsverfahren prozeßunfähig gewesen und sei dies offensichtlich auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nicht.

Die zweite Instanz ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Entscheidung ZBl 1936/448 bislang offenbar vereinzelt geblieben sei. Auch sonst fehle, soweit überblickbar, Rspr des Obersten Gerichtshofes zur Frage, in welchem Zeitpunkt die vierwöchige Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO im Falle des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO zu laufen beginne, wenn wie hier die mit Nichtigkeitsklage bekämpften Entscheidungen des Vorprozesses dem Vertreter des Nichtigkeitsklägers, der nach Abschluß des Vorprozesses seine Prozeßfähigkeit wiedererlangt habe, bereits zugestellt gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig (vgl 6 Ob 662/94 = SZ 67/234), aber im Ergebnis nicht berechtigt.

a) Gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Prozeßführung nicht nachträglich ordnungsgemäß genehmigt wurde. Die Bestimmung entspricht wörtlich dem § 477 Abs 1 Z 5 ZPO. War die Partei bereits während des Verfahrens prozeßunfähig, aber nicht gesetzlich oder bereits seit dem Eintritt der Prozeßunfähigkeit durch einen vorher bestellten Prozeßbevollmächtigten vertreten, dann liegt Nichtigkeit vor (SZ 51/93; 1 Ob 692/88 ua). Gleiches gilt, wenn nach Eintritt der Prozeßunfähigkeit einem gewillkürten Vertreter Prozeßvollmacht erteilt und dieser den Rechtsstreit namens des Prozeßunfähigen geführt hat (SZ 51/93 ua; RIS-Justiz RS0035143; Kodek in Rechberger, § 529 ZPO Rz 4). Nichtigkeitsklagegrund ist im vorliegenden Fall nach den Klagebehauptungen eine Prozeßunfähigkeit der durch einen gewillkürten Rechtsanwalt vertretenen Nichtigkeitsklägerin während des gesamten Ehescheidungsverfahrens.

b) Gemäß § 534 Abs 1 ZPO ist die Nichtigkeitsklage binnen der Notfrist von vier Wochen zu erheben. Nach Abs 2 Z 2 leg cit ist die Frist im Fall des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO von dem Tage zu berechnen, an welchem die Entscheidung der Partei, und wenn diese nicht prozeßfähig ist, dem gesetzlichen Vertreter derselben zugestellt wurde, jedoch gleichfalls nicht vor eingetretener Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung. Die Frist zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO beginnt - ohne Rücksicht auf eine allfällige frühere Kenntnis des Nichtigkeitsklägers (GlUNF 1632; JBl 1954, 620 mwN; 8 Ob 583/84 mwN ua; RIS-Justiz RS0044594; Kodek aaO § 534 ZPO Rz 2; Fasching IV 529), weil es abweichend von § 534 Abs 2 Z 1 ZPO nicht auf die Kenntnis (von dem Ausschließungsgrunde) ankommt - erst mit der wirksamen Zustellung iSd § 416 ZPO. Die Entscheidung ZBl 1936/448, wonach die Notfrist für die Nichtigkeitsklage mit dem Tag beginne, an dem der geisteskrank gewesene Kläger nach seiner Gesundung von dem Inhalt der angefochtenen, ihm vorher zugestellten Entscheidung Kenntnis genommen habe, weil der Mangel der Zustellung des Urteiles, das einem Handlungsunfähigen zugestellt wurde, geheilt sei, wenn er im Zustand der wiedererlangten Gesundheit den Inhalt zur Kenntnis genommen hat, ist vereinzelt geblieben. Ihr ist nicht zu folgen. Die erforderliche Zustellung hat in Fällen fehlender Prozeßfähigkeit im Verfahren als einen der Fälle des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO entweder an die nach Verfahrensende "prozeßfähig" iS einer bürgerlich-rechtlich Verpflichtungsfähigkeit gewordene Partei selbst oder an ihren rite bestellten gesetzlichen Vertreter zu erfolgen (Fasching IV 529), wenn die Partei in der Zwischenzeit ihre Prozeßfähigkeit nicht erlangte. Jedenfalls beginnt die Frist nicht vor der eingetretenen formellen Rechtskraft.

Nach stRspr (vgl dazu die Nachweise bei Kodek aaO § 529 ZPO Rz 1) kommt es auf die wirkliche Rechtskraft und nicht auf die sogenannte Scheinrechtskraft an. In der Entscheidung 7 Ob 619/95 (SZ 68/223 = JBl 1996, 734) wurde dann ausgeführt, das Berufungsgericht gebe zwar die Grundsätze der Rspr zur Frage der Erhebung der Nichtigkeitsklage bei Scheinrechtskraft zutreffend wieder, übersehe aber, daß bei diesen Entscheidungen entweder ein bloßer Zustellungsmangel (bei an sich gegebener Prozeßfähigkeit) bestanden habe oder die Prozeßunfähigkeit jener Partei, die sich der Nichtigkeitsklage bediente, im Zeitpunkt der Zustellung der Klage und der bekämpften Entscheidung evident (bei Minderjährigkeit oder bestehender Sachwalterschaft) vorgelegen sei. Im vorliegenden Fall liege aber die zu beweisende Behauptung des Nichtigkeitsklägers, schon etwa ein halbes Jahr vor Bestellung seines Sachwalters prozeßunfähig gewesen zu sein, vor. Sollte diese Behauptung nicht bewiesen werden, wäre die ansonsten ordnungsgemäß erfolgte Zustellung der Klage und des zur Räumung verpflichtenden Urteiles ordnungsgemäß erfolgt und wäre die Nichtigkeitsklage abzuweisen; andernfalls aber wäre sie berechtigt. In einem derart gelagerten Fall sei der Auffassung Faschings (Lehrbuch2 Rz 2044) zu folgen, der eine Nichtigkeitsklage dann, wenn wie hier die Frage des Eintritts der Rechtskraft bzw Scheinrechtskraft von streitigen Tatsachen abhänge, für zulässig erachte, weil das Verfahren hierüber wegen der Notwendigkeit und größeren Sicherheit kontradiktorischer Beweisaufnahme wesentlich besser zur Aufklärung der streitigen Tatsache der Prozeßunfähigkeit des Nichtigkeitsklägers im Zustellungszeitpunkt geeignet sei als im Rahmen des Berufungsverfahrens durchzuführende amtswegige Erhebungen, in deren Zug der betroffene Gegner kein rechtliches Gehör besitze. Dieser Auffassung folgten auch die Entscheidungen 8 Ob 2185/96y (ecolex 1999, 13) und 8 Ob 104/97w, 175/98p. Im Falle der behaupteten mangelnden Prozeßfähigkeit stehe neben der Nichtigkeitsklage auch der Rechtsbehelf nach § 7 Abs 3 EO zur Verfügung (8 Ob 104/97w, 175/98p); es müsse der Partei freistehen, neben der Nichtigkeitsklage auch die Antragstellung nach § 7 Abs 3 EO zu wählen, weil sie sich davon raschere, weniger kostenintensive Abhilfe und die Möglichkeit, die Hinausgabe vollstreckbarer Entscheidungsausfertigungen zu verhindern, erwarte. Nach dieser Rechtsprechungslinie ist vom Prozeßgericht zu prüfen, ob die betroffene Partei die Tragweite des konkreten Rechtsstreits und der von ihr gesetzten Rechtshandlungen erkennen konnte (SZ 51/93; 8 Ob 2185/96y; 3 Ob 213/98i; RIS-Justiz RS0110082).

In der Entscheidung 6 Ob 145/97k sprach der erkennende Senat dann ausdrücklich aus, die Zivilprozeßordnung eröffne der von einem Nichtigkeitsfall nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO betroffenen Partei nach Bewirkung einer wirksamen Zustellung (§ 416 ZPO), ohne einen Zwang in der einen oder anderen Richtung auszuüben, das Wahlrecht, entweder eine Nichtigkeitsberufung oder die Nichtigkeitsklage zu erheben. An dieser Rspr habe auch die in JBl 1996, 734 veröffentlichte Entscheidung, in der die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage schon dann bejaht worden sei, wenn die Frage des Eintrittes der "Rechtskraft bzw Scheinrechtskraft" strittig ist, nichts geändert, weil am Wahlrecht der betroffenen Partei, nach wirksamer Zustellung fristgerecht eine Nichtigkeitsberufung zu erheben, festgehalten worden sei. Vom Erfordernis der wirksamen Zustellung wurde somit, der stRspr folgend, die die Vorstellung einer "Scheinrechtskraft" ablehnt (SZ 46/13, SZ 47/110 ua; RIS-Justiz RS0044396), nicht abgegangen. Es bedarf bei behaupteter Prozeßunfähigkeit jedenfalls der Zustellung an die Partei oder ihren gesetzlichen Vertreter vor Erhebung der auf § 529 Abs 1 Z 2 ZPO gestützten Nichtigkeitsklage, weil sonst beim Fristbeginn unter dem Gesichtspunkt des § 534 Abs 2 Z 2 ZPO contra legem nicht mehr auf die Zustellung abzustellen wäre, sondern notwendigerweise auf andere Kriterien, allenfalls, wie etwa nach Z 1 leg cit auf die Kenntnis der Partei. Auch kann der in GlUNF 1632 zum Ausdruck gebrachten Auffassung, die Zustellung des mit Nichtigkeitsklage angefochtenen Urteiles an den nicht wirksam zum gewillkürten Vertreter bestellten Rechtsanwalt könne schon deshalb nicht entscheidend sein, weil diese Zustellung gleich dem übrigen Verfahren den Gegenstand der Anfechtung durch die Nichtigkeitsklage bilde, Berechtigung nicht abgesprochen werden.

War aber die Klägerin bei Einleitung des Ehescheidungsverfahrens und Erteilung einer Vollmacht an ihren gewillkürten Vertreter und während des gesamten weiteren Ehescheidungsverfahrens prozeßunfähig (§ 529 Abs 1 Z 2 ZPO), wie sie behauptet, und wurde sie in der Folge nach Beendigung des Verfahrens prozeßfähig iS von bürgerlich-rechtlich verpflichtungsfähig, beginnt die vierwöchige Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO ungeachtet der Bedenken des Landesgerichtes Linz erst mit der Zustellung an sie zu laufen. Ist sie hingegen nie prozeßfähig geworden, muß die Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter erfolgen. Nach Zustellung hat die betroffene Partei oder ihr gesetzlicher Vertreter sodann einen Antrag auf neuerliche Zustellung der Entscheidung(en) zu stellen, um sodann das ordentliche Rechtsmittel zu ergreifen oder im Fall des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO statt eines ordentlichen Rechtsmittels die Nichtigkeitsklage zu erheben (SZ 46/13 ua, zuletzt 8 Ob 48/98m; Kodek aaO § 529 ZPO Rz 1). Daß die Urteile im Ehescheidungsverfahren bisher an die Klägerin zugestellt worden wären, ergibt sich aus dem Inhalt des Ehescheidungsaktes nicht. Sie selbst bestätigt die bisher unterlassene Zustellung an sie auch in ihrem Rechtsmittel.

Eine vor Beginn der im § 534 ZPO normierten Frist eingebrachte Nichtigkeitsklage ist aber als verfrüht zurückzuweisen (SZ 46/13 mwN; 6 Ob 733/76, 3 Ob 548/78; RIS-Justiz RS0044373). Die Frage der Prozeßfähigkeit muß daher (zuerst) im Verfahren über die neuerliche Zustellung einer erst "scheinrechtskräftigen" Entscheidung geprüft werden. Fasching (Kommentar II 614 und IV 483 f sowie Lehrbuch2, Rz 2044 ua) hielt dem entgegen, das kontradiktorische Verfahren über die Nichtigkeitsklage sei in der Regel besser als Aufklärung des Nichtigkeitsgrundes geeignet als amtswegige Erhebungen, die auf Grund des Zustellantrages in Gang gesetzt würden. Das mag durchaus richtig sein, wie auch in der Entscheidung SZ 68/223 ausgesprochen wurde, erlaubt es aber angesichts des klaren Gesetzestextes nicht, auf die wirksame Zustellung als einzig mögliches fristauslösendes Moment zu verzichten. Nach neuerlicher Zustellung wird die Frage der Prozeßfähigkeit ohnehin im Verfahren über die Nichtigkeitsklage kontradiktorisch oder im Verfahren über die Nichtigkeitsberufung jedenfalls unter Wahrung des Gehörs des Prozeßgegners geprüft.

Damit erweist sich die Nichtigkeitsklage nicht als verspätet, sondern in Wahrheit als verfrüht. Der Beschluß des Landesgerichtes Linz ist, wenngleich aus anderen Erwägungen, zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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