OGH 6Ob263/97p

OGH6Ob263/97p16.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anita H*****, vertreten durch Dr.Mag.Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Kurt H*****, wegen Nichtigerklärung des Ehescheidungsverfahrens 14 C 3/92 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsklage wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In dem zu 14 C 3/92 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung anhängig gewesenen Verfahren begehrten die Streitteile mit Klage und Widerklage die Scheidung ihrer Ehe aus dem Alleinverschulden der jeweils anderen Partei. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 6.7.1992, 14 C 3/92-17 wurde die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der klagenden und widerbeklagten Partei (Ehefrau) geschieden. Das Landesgericht Linz als Berufungsgericht gab mit Urteil vom 18.1.1993, 18 R 593/92, 19 R 594/92, der Berufung der Klägerin und Widerbeklagten keine Folge. Die von der Klägerin und Widerbeklagten erhobene außerordentliche Revision hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 15.4.1993, 6 Ob 1550/93, 1551/93 zurückgewiesen.

Mit der an den Obersten Gerichtshof gerichteten Nichtigkeitsklage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des gesamten Ehescheidungsverfahrens sowie der ergangenen Entscheidungen - der Urteile des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung und des Oberlandesgerichtes Linz sowie des Zurückweisungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes - und die Erteilung eines Auftrages an das Bezirksgericht Urfahr-Umgebung, das Ehescheidungsverfahren neu durchzuführen.

Die Klägerin, die durch einen Verfahrenshelfer und nicht etwa durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten ist, bringt hiezu lediglich vor, sie sei während des gesamten Ehescheidungsverfahrens aufgrund einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer geistigen Gesundheit prozeßunfähig gewesen, sie hätte daher während des gesamten Verfahrens eines gesetzlichen Vertreters bedurft und beruft sich zum Beweis ihres Vorbringens auf ein einzuholendes nervenärztliches Sachverständigengutachten.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage unzuständig.

Nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO kann eine rechtskräftige Entscheidung, durch welche eine Sache erledigt ist, durch die Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn eine Partei in dem Verfahren gar nicht, oder falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen vertreten war, sofern die Prozeßführung nicht nachträglich ordnungsgemäß genehmigt wurde. Die Klage ist also nur gegen Entscheidungen, "durch die eine Sache erledigt wird", zulässig. Es muß sich also um eine verfahrensbeendende Entscheidung handeln, denn die Sache erledigen nur Urteile und ihnen gleichgestellte Entscheidungen anderer Art, die abschließend über das Rechtsschutzbegehren absprechen (Fasching, Komm IV, 484). Bis zur Novellierung durch BGBl 1979/140 bestimmte § 532 ZPO, daß für die Nichtigkeitsklage und für die nach § 530 Abs 1 Z 4 ZPO erhobene Wiederaufnahmsklage jenes Gericht ausschließlich zuständig ist, von welchem das durch die Klage angefochtene Urteil gefällt wurde, wenn aber in der Klage mehrere in demselben Rechtsstreit von Gerichten verschiedener Instanzen gefällte Urteile angefochten werden, das höchste unter diesen Gerichten. Das Wort Urteil wurde durch die zitierte Novelle - ebenso wie in § 530 ZPO - durch das Wort Entscheidung ersetzt. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 744 BlgNR 14.GP, 54 führen dazu aus, daß nach der (damals) geltenden Fassung des § 530 ZPO sowie dessen Folgebestimmungen eine Wiederaufnahmsklage nur bei Vorliegen eines Urteiles erhoben werden könne. Dies sei eine Verfahrensvorschrift, die dem Durchbruch des materiellen Rechtes entgegenzustehen geeignet sei, wenn die Endentscheidung gerade nicht in Urteils-, sondern in Beschlußform zu ergehen habe. Als Beispiele kämen in Betracht: ein Wechselzahlungsauftrag, gegen den keine Einwendungen, oder ein Zahlungsbefehl, gegen den kein Widerspruch erhoben worden ist, ein im Besitzstörungsverfahren ergangener Endbeschluß, aber auch etwa ein wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergangener Zurückweisungsbeschluß. Aus den Erläuterungen ergibt sich, daß trotz der Ausweitung von möglichen Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen auf gerichtliche "Entscheidungen" sich nichts daran geändert hat, daß nur Beschlüsse, die eine bestimmte Frage aufgrund eines vorliegenden Sachverhaltes bereits abschließend erledigen, durch die also eine Endentscheidung über das gestellte Begehren gefällt wird, Gegenstand der Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage sein können (vgl Fasching, LB2 Rz 2038, 2050). Das Begehren und Ziel der gegenständlichen Nichtigkeitsklage ist die Beseitigung des Scheidungsurteiles. Über dieses Begehren haben aber nur das Bezirksgericht Urfahr-Umgebung und das Landesgericht Linz abgesprochen. Der Oberste Gerichtshof hat nur die außerordentliche Revision als unzulässig zurückgewiesen, über das Scheidungsbegehren selbst aber nicht entschieden (vgl auch § 534 ZPO, der hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens vor jenem höheren Gericht spricht, "das die Hauptsache spruchreif zu machen vermag"). Hat der Oberste Gerichtshof nur ein außerordentliches Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen, ist er im Sinne des § 532 ZPO nicht zur Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage zuständig, weil auch seit der Novelle BGBl 1979/140 nur Endentscheidungen, mit denen abschließend über das Rechtsschutzbegehren abgesprochen wird, mit Nichtigkeitsklage angefochten werden können.

Bei den in § 532 ZPO enthaltenen Zuständigkeitsvorschriften für Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage handelt es sich um Fälle individueller Zuständigkeit, die auch wesentliche Elemente der funktionellen Zuständigkeit beinhaltet (SZ 60/238). Da keine gesetzliche Grundlage für die Überweisung einer beim unzuständigen Gericht eingebrachten Nichtigkeitsklage an das zuständige Gericht besteht (8 Ob 551/83 mwN), ist die vorliegende Nichtigkeitsklage zurückzuweisen.

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