OGH 5Ob148/07m

OGH5Ob148/07m11.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Irmgard U*, 2. Christian G*, beide vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen die beklagte Partei L*gesellschaft, *, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch M.B.L. - HSG Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Klagenfurt, und deren Nebenintervenientin Dr. Ingrid Z*, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 204.578,52 EUR s.A. und Feststellung (Streitwert 4.000 EUR), über die ordentlichen Revisionen der Beklagten und deren Nebenintervenientin gegen das Zwischen- und Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. März 2007, GZ 3 R 12/07w‑45, mit welchem das Zwischen- und Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 9. November 2006, GZ 24 Cg 193/04w‑31, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E86573

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 2.552,86 EUR (darin 425,47 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Kläger lebten seit 1998 in Lebensgemeinschaft. Die Erstklägerin ist die Mutter zweier Kinder, die aus einer früheren Ehe stammen und 1987 bzw 1992 geboren wurden. Zur Empfängnisverhütung verwendete die Erstklägerin zunächst die Spirale, die sie im März 2001 entfernen ließ.

Am 11. 6. 2001 begab sich die Erstklägerin zur Nebenintervenientin (Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe) als Frauenärztin, die die Schwangerschaft der Erstklägerin in der 7. Schwangerschaftswoche (= SSW) feststellte. Die Erstklägerin dachte nicht an eine Schwangerschaftsunterbrechung; eine solche stand bei einem gesunden Kind für die Erstklägerin nicht zur Diskussion. Die Nebenintervenientin empfahl der Erstklägerin auf Grund deren Alters (von damals 36 Jahren), die Risikoambulanz (= Ambulanz für pränatale Diagnostik und Therapie) des Landeskrankenhauses K* (LKH) aufzusuchen und sie überwies die Erstklägerin dorthin. Die Nebenintervenientin klärte die Erstklägerin über die Möglichkeit der Fruchtwasseruntersuchung auf und legte ihr diese medizinisch nahe. Es war klar, dass es in der Risikoambulanz zu einer Risikoabwägung dahin kommen werde, ob es notwendig sei, eine Fruchtwasseruntersuchung durchzuführen. Der Nebenintervenientin ging es um die Abklärung der Gefahr des Mongolismus (= Trisomie 21) des Kindes; andere Umstände, die allenfalls durch die Fruchtwasseruntersuchung auch aufgeklärt werden könnten, besprach die Nebenintervenientin mit der Erstklägerin nicht.

Am 25. 7. 2001 (14. SSW) untersuchte Oberarzt Dr. Franz L* in der Risikoambulanz des LKH die Erstklägerin in Anwesenheit des Zweitklägers. Auf die Frage, warum sie gekommen sei, erklärte die Erstklägerin unter Hinweis auf ihr Alter, sie wolle auf „Nummer sicher gehen" und ein gesundes Kind zur Welt bringen. Beim damaligen „first trimester screening" wurden die Scheitelsteißlänge und die Nackentransparenz des Fetus gemessen und mit einem Computerprogramm das Risiko der Erstklägerin bestimmt, ein Kind mit einer Chromosomenstörung Trisomie 21 zu tragen. Die Untersuchung ergab ein adjustiertes Risiko von 1:928; das ist deutlich besser als das sogenannte Altersrisiko von 1:221. Das Risiko, bei einer Fruchtwasserpunktion eine Fehlgeburt zu erleiden und ein gesundes Kind zu verlieren, liegt bei 1:100 und war damit neunmal höher als die Chance, bei der Punktion eine Trisomie 21 zu entdecken. Oberarzt Dr. Franz L* riet der Erstklägerin daher richtigerweise von einer invasiven Untersuchung ab und erklärte anhand einer Computergraphik das Risiko nach der Nackentransparenzmessung so, als sei die Erstklägerin altersmäßig „auf 26 Jahre heruntergerutscht".

Die Fruchtwasserpunktion hat allerdings neben der Möglichkeit, die Anzahl der Chromosomen genau zu überprüfen, auch den Vorteil, das Hormon „Alpha‑Feto‑Protein" routinemäßig zu überprüfen. Ist dieses Hormon deutlich erhöht, bildet dies einen starken Hinweis darauf, dass der Verschluss der Wirbelsäule, der etwa einen Monat nach der Empfängnis abgeschlossen sein sollte, zumindest teilweise ausgeblieben ist und sich eine spina bifida oder eine Meningomyelozele (= MMC) entwickelt hat, die den Untersucher veranlasst hätte, an die MMC zu denken und zielgerichteter zu untersuchen. Es ist jedoch gängige und vernünftige Praxis, nur auf Grund dieser Möglichkeit keine Fruchtwasserpunktion durchzuführen, zumal eine MMC auch im späteren Ultraschall gut zu erkennen ist. Es kann (gemeint: unter diesen Umständen) niemandem zum Vorwurf gemacht werden, die Fruchtwasserpunktion nicht durchgeführt zu haben.

In der 14. SSW muss eine MMC im Ultraschall noch nicht erkannt werden. Es ist auch unüblich, sich auf alle körperlichen Details des Fetus zu konzentrieren. Dies ist erst Aufgabe des sogenannten Organscreenings in der 20. SSW. Dass bei entsprechend guter Darstellung des Rückenbereichs schon in der 14. SSW die MMC erkannt werden könnte, ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich.

Die am 25. 7. 2001 von Oberarzt Dr. L* durchgeführte Untersuchung verlief fachgerecht. Die Ergebnisse erhielt die Erstklägerin mitgegeben und die Nebenintervenientin per Post.

Die Kläger entschieden sich auf Grund des mit Oberarzt Dr. L* geführten Gesprächs, die Fruchtwasseruntersuchung nicht durchführen zu lassen.

Oberarzt Dr. L* hatte mit der Erstklägerin eine weitere Untersuchung für den 5. 9. 2001 vereinbart, die dann Dr. Monika U*, seit 2001 Fach- und Oberärztin, durchführte. Es herrschte am 5. 9. 2001 in der Risikoambulanz viel Betrieb. Es waren neue Geräte zum Testen vorhanden, weshalb die Datenübertragung vom Ultraschallgerät zum Computer nicht automatisch funktionierte. Die Bilder konnten aber beim Ultraschallgerät ausgedruckt und der Erstklägerin mitgegeben werden.

Ein wesentlicher Aspekt des am 5. 9. 2001 durchgeführten Organscreenings ist ua die Entdeckung von schweren geistigen oder körperlichen Behinderungen wie der MMC. Wenn diese entdeckt wird, muss der Arzt den Eltern sagen, es sei sehr wahrscheinlich, dass das Kind mit einem körperlichen Defekt zur Welt kommt, es einen Rollstuhl brauchen und mit der Stuhl- und Harnabgabe Schwierigkeiten haben werde. Den Eltern ist auch die Variante anzubieten, die Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Eine in der 20. SSW festgestellte MMC ist jedenfalls eine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur 24. Woche p.m. (post menstruationem) wären damals noch drei Wochen Zeit gewesen. Nach diesem Zeitraum hätte man damals in Österreich niemanden gefunden, der noch einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen hätte.

Bei dem von der Beklagten angebotenen Organscreening ist nach gewissen Strukturen vorzugehen. Oberarzt Dr. L* war damals Ultraschaller der Stufe 2, womit die gesamte Abteilung diesen Anforderungen gerecht zu werden hatte. Zu den Strukturen zählt, dass das Kleinhirn zu messen und zu visualisieren (Fotodokumentation) ist. Für den vorliegenden Fall liegt keine Maßzahl für das Kleinhirn vor. Diese ist zwar für eine Diagnose der MMC nicht notwendig, doch ist es für ein Organscreening unabdingbar, das Kleinhirn sonographisch darzustellen. Die Form des Kleinhirns ändert sich bei allen Feten mit MMC deutlich, nämlich es

1. ist schwer darzustellen,

2. verformt sich im Sinn einer Banane (sogenanntes „banana sign") und

3. verändert die Schädelform von einer Ellipse zu einer Zitrone (sogenanntes „lemon sign").

Mit Hilfe dieser Zeichen ist die MMC zu ca 95 % (banana sign) bzw zu 98 % (lemon sign) zu entdecken.

Dr. Monika U* fertigte ua ein Foto an, welches die Wirbelsäule bis zum Brustwirbelsäulenbereich zeigte. Zu sehen war der Schädel, das Mittelecho und - sehr weit seitlich verdrängt - die seitliche Begrenzung des Seitenventrikels, was auf einen beginnenden Wasserkopf hindeutet, der eine Folge der MMC ist. Liegt ein derartiges Foto vor, muss der Arzt weiterforschen.

Dr. Monika U* schreibt in ihrem Untersuchungsbericht vom 5. 9. 2001 unter „Sonoanatomie":

Die folgenden Strukturen konnten dargestellt werden und waren sonographisch unauffällig:

Schädel, Gehirn, Wirbelsäule, Thorax, Herz, Bauchwand, Gastrointestinaltrakt, Urogenitaltrakt.

Die folgenden Strukturen wurden nicht untersucht:

Gesicht, Hals/Haut, Extremitäten, Gesamtskelett (Blg ./8).

„Wurden nicht untersucht" ist die Formulierung laut Computerprogramm und bedeutet, dass diese Teile für Dr. Monika U* nicht einsehbar waren.

Anhand der Extremitäten wären Rückschlüsse auf die Krankheit möglich gewesen, weil Klumpfüße zu sehen gewesen wären. Es ist nicht verständlich, warum diese Strukturen nicht untersucht worden sind, warum Dr. Monika U* nicht einen erfahrenen Arzt um Hilfe bat, wenn sie sich außer Stande sah, gewisse Strukturen zu visualisieren, oder warum die Erstklägerin keinen Wiederbestellungstermin erhielt.

Abgesehen von der Textierung des Untersuchungsberichts (Blg ./8) teilte Dr. Monika U* der Erstklägerin nicht mit, dass gewisse Teile nicht untersucht worden waren. Man hätte der Erstklägerin auch erklären müssen, warum die Strukturen nicht untersucht wurden. Tatsächlich sagte Dr. Monika U* der Erstklägerin, es sei alles in Ordnung.

Zu den üblichen Problemen einer Ambulanz gehört es, dass der erfahrenste Arzt nicht alle Schwangeren untersuchen kann. Es muss aber eine Strategie für den Fall auftretender Schwierigkeiten vorliegen. Wenn etwa gewisse anatomische Details nicht eingestellt werden können, muss klar sein, dass ein erfahrener Arzt zu holen oder eine Wiederbestellung zu veranlassen ist. Dies ist Aufgabe der Führung der Ambulanz oder Abteilung.

Die Untersuchung der Erstklägerin in der 20. SSW erfolgte - zusammengefasst - auf Grund unklarer organisatorischer Abläufe innerhalb der Ambulanz nicht fachgerecht.

Die Nebenintervenientin hat trotz einer großen Anzahl von Ultraschalluntersuchungen bis zur Geburt des Kindes der Kläger nie Wahrnehmungen in Richtung Wasserkopf, Klumpfüße oder offene Wirbelsäule gemacht. Unabhängig davon muss allerdings ein niedergelassener Facharzt, wenn er einen Befund wie den vom 5. 9. 2001 erhält und sieht, dass nicht alles aufscheint, den Patienten nochmals zum Organscreening schicken.

Am 12. 1. 2002 in der 38. SSW brachte die Erstklägerin mittels Kaiserschnitt den mj. Florian G* mit einer MMC höheren Schweregrads verbunden mit beidseitigen Klumpfüßen, einer offenen Wirbelsäule und einem Wasserkopf zur Welt. Er musste in kurzer Zeit mehrfach operiert werden und wird für immer behindert bleiben (Rollstuhl, Probleme bei Stuhl- und Harnabgabe). Dauer- und Spätfolgen sind die Regel.

Wenn den Klägern rechtzeitig gesagt worden wäre, ihr Kind leide an MMC, hätten sie die Schwangerschaft rechtzeitig abbrechen lassen.

Die Kläger (als Eltern) begehren von der Beklagten (als Betreiberin der Risikoambulanz des LKH) aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Verletzung des zwischen der Erstklägerin und der Beklagten bestandenen ärztlichen Behandlungsvertrags die Zahlung von 204.578,52 EUR s.A. als Ersatz des gesamten Unterhaltsaufwands für ihr behindertes Kind für die Zeit ab der Geburt bis einschließlich Juli 2006 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Aufwendungen, Pflegeleistungen und sonstigen Vermögensnachteile, die mit der Obsorge, Pflege und Erziehung des mj. Florian in Zusammenhang stehen. Die Erstklägerin habe alles für eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt unternommen und sämtliche Untersuchungen durchführen lassen, um jedes Risiko von Fehlbildungen auszuschließen. Dennoch sei eine Fruchtwasserpunktion weder am 25. 7. noch am 5. 9. 2001 durchgeführt worden. Die Erstklägerin sei über Risken und Vorteile weiterer Untersuchungen nicht aufgeklärt, sondern dahin informiert worden, dass keine Fehlbildungen vorlägen und das Kind bei bester Gesundheit sei. Bei der Untersuchung am 25. 7. 2001 sei der Rückenbereich des Fetus nicht gut darstellbar, bei jener am 5. 9. 2001 sei die Ausweitung des Gehirnventrikels nicht ausschließbar gewesen und im Befund sei vermerkt, dass gewisse Strukturen nicht untersucht worden seien, was jedenfalls Zweifel am Vorliegen eines unauffälligen Befundes auslösen hätte müssen. Bei weiteren Untersuchungen hätten dann die offene Wirbelsäule, die bestehende Blase im Wirbelsäulenbereich und auch die Klumpfüßchen auffallen können. Auf Grund der Fehler der behandelnden Ärzte sei es zu der bei richtiger Aufklärung nicht gewollten Geburt eines behinderten Kindes gekommen. Die Erstklägerin hätte bei Kenntnis der schweren Fehlbildungen die Schwangerschaft rechtzeitig und fristgerecht abbrechen lassen.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren. Das Kind der Kläger sei mangels Verhütung ein Wunschkind gewesen, weshalb ein allfälliger Schaden nur im erhöhten Unterhaltsbedarf bestehen könne. Die Erstklägerin habe eine Fruchtwasserpunktion unterlassen, weshalb sie sich ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse. Bei der Beklagten seien alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt worden, um das pränatale Risiko abzuschätzen. Hinweise auf Fehlbildungen seien nicht vorgelegen. Dass nicht alle Strukturen darstellbar gewesen seien, sei auf die Lage des Fetus zurückzuführen gewesen und sei nichts Außergewöhnliches. Die Nebenintervenientin hätte die Erstklägerin nochmals in die Risikoambulanz einweisen müssen; weil dies unterblieben sei, sei der Beklagten die Möglichkeit einer nochmaligen Abklärung genommen worden, was eine Haftung der Beklagten ausschließe.

Die Nebenintervenientin brachte im Wesentlichen vor, die Erstklägerin habe eine Fruchtwasserpunktion trotz Erörterung dieser Möglichkeit abgelehnt. Da bestimmte Strukturen beim Organscreening nicht darstellbar gewesen seien, hätte die Erstklägerin wiederbestellt werden müssen, was immer Sache des betreffenden Instituts und nicht des behandelnden Facharztes sei. Die Unterlassung der Wiederbestellung der Erstklägerin bilde ein Organisationsverschulden der Beklagten.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass „der Anspruch" (gemeint: das Zahlungsbegehren) der klagenden Partei (gemeint: der Kläger) dem Grunde nach in dem Ausmaß zu Recht bestehe, als die Aufwendungen für das Kind über den Basisunterhalt hinausgingen und auf die MMC zurückzuführen seien. Mit Teilurteil stellte das Erstgericht fest, dass die Beklagte den Klägern für alle künftigen Aufwendungen, Pflegeleistungen und sonstigen Vermögensnachteile, die mit der Obsorge, Pflege und Erziehung des Kindes in Zusammenhang stehen, soweit zu haften haben, als diese über den Basisunterhalt hinausgingen und auf die MMC zurückzuführen seien. Das Feststellungsmehrbegehren wies das Erstgericht ab.

Auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten, wesentlichen Sachverhalts war das Erstgericht rechtlich der Ansicht, beim - als Wunschkind geplanten ‑ mj. Florian sei im Rahmen des in der 20. SSW vorgenommenen Organscreenings die MMC trotz darauf hindeutender Veränderungen auf Grund unklarer organisatorischer Abläufe bei der Beklagten nicht wahrgenommen worden. Gegebenenfalls hätte eine Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch bestanden, welchen die Kläger auch durchführen hätten lassen. Der vertraglich geschützte Wille der Vertragspartner des Arztes gehe zwar nach der Judikatur dahin, überhaupt keinen Unterhaltsaufwand für ein behindertes Kind zu tragen. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Wunschkind handle, dessen Basisunterhalt immer eingeplant gewesen sei. Ein den Klägern erwachsener Schaden könne nur der sein, der aus der Behinderung erwachse, die es schließlich durch die Beratung des Arztes zu verhindern gegolten habe. Den gesamten Unterhalt zuzusprechen wäre auch deshalb unbefriedigend, weil dann der vorsätzliche Verursacher einer Behinderung des Kindes besser gestellt wäre als der Arzt, dem nur vorzuwerfen sei, fahrlässig den „Schaden" nicht verhindert zu haben. Das Erstgericht schließe sich überdies der vom Obersten Gerichtshof in 6 Ob 303/02f (= VR 2004/644 = RdM 2004/36, 50 [Kletecka] = JBl 2004, 311 [Bernat] = EFSlg 104.719) vertretenen Ansicht an, wonach die Bejahung der Arzthaftung in Fällen von Unterhaltsschäden wegen fehlerhafter Beratung nicht ausufern solle. Hier liege auch kein krasses Fehlverhalten wie im Fall der E 1 Ob 91/99k (= SZ 72/91 = JBl 1999, 593 = EFSlg 90.128) vor, weil der Beklagten hier „nur" ein organisatorischer Mangel vorzuwerfen sei. Insgesamt sei daher nur der über den Basisunterhalt hinausgehende, auf die MMC zurückzuführende Unterhaltsaufwand als Schaden anzusehen.

Das Berufungsgericht gab den gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils gerichteten Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin nicht Folge. Der Berufung der Kläger gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es den - gesamten - Anspruch der Kläger auf Ersatz des Pflegeaufwands, Regelbedarfs und der Fahrtkosten für den mj. Florian als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte und die Haftung der Beklagten für - sämtliche - künftigen Aufwendungen und Pflegeleistungen und sonstige Vermögensnachteile, die mit der Obsorge, Pflege und Erziehung des Kindes im Zusammenhang stehen, feststellte.

Rechtlich war das Berufungsgericht - zusammengefasst - der Ansicht, Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien, das Zustandekommen eines ärztlichen Behandlungsvertrags zwischen der Erstklägerin und der Beklagten sowie dessen Schutzwirkung für den Zweitkläger seien unstrittig. Mit dem in der 20. SSW vorgenommenen Organscreening werde die „letzte Chance" geschaffen, die - rechtmäßige - Möglichkeit des - hier nach den Krankheitsfolgen für das Kind auch gerechtfertigten - Schwangerschaftsabbruchs nach § 97 Abs 1 Z 2 StGB wahrzunehmen, weshalb diese Untersuchung besonders sorgfältig und vollständig durchzuführen gewesen sei. Bei diesem Organscreening sei zum einen der Hinweis auf einen beginnenden Wasserkopf als Folge der MMC unbeachtet geblieben, obwohl ein derartiger Hinweis den Arzt zu weiteren Nachforschungen verpflichte. Zum anderen hätten nicht alle körperlichen Details des Fetus befundet werden können, womit die Untersuchung unvollständig geblieben sei und ihren primären Zweck nicht erfüllen habe können. Das Übersehen des Hinweises auf einen beginnenden Wasserkopf und das Unterlassen eines neuerlichen Organscreenings mangels Einsehbarkeit aller Strukturen stellten grobe Verletzungen der Pflichten aus dem mit der Erstklägerin abgeschlossenen Behandlungsvertrag dar, wofür die Beklagte dem Grunde nach einzustehen habe. Ein Mitverschulden der Erstklägerin liege nicht vor. Komme es auf Grund des Beratungsfehlers des Arztes zur Geburt eines nicht gewollten Kindes, dann sei der gesamte Unterhaltsaufwand der daraus resultierende und im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehende Schaden. Die Nichtgewährung des Basisunterhalts lasse sich auch nicht mit dem Hinweis begründen, es habe sich um ein „Wunschkind" gehandelt, beruhe diese Entscheidung doch auf Zeugung des Kindes in Unkenntnis der später vorliegenden schweren Behinderung. Schließlich sei auch kein Ausufern der Schadenersatzpflicht durch Zuspruch des Basisunterhalts zu gewärtigen, weil dieser in der Regel ohnehin geringer sein werde als der behinderungsbedingte Mehraufwand. Insgesamt lasse sich daher die Ausklammerung des Basisunterhalts aus der Schadenersatzpflicht auf zivilrechtlicher Grundlage nicht rechtfertigen. Das Zahlungsbegehren der Kläger sei daher dem Grund nach ebenso zur Gänze berechtigt wie deren Feststellungsbegehren.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts enthält den Ausspruch, die ordentliche Revision sei - wegen der anhaltend geäußerten Kritik der Lehre an der vom Berufungsgericht übernommenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (gemeint offenbar: 5 Ob 165/05h) - zulässig.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die ordentlichen Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin.

Die Beklagte bekämpft aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung das Urteil des Berufungsgerichts im gesamten Umfang mit dem primären Antrag auf Abänderung im Sinn der gänzlichen Abweisung der Klagebegehren. In eventu wird die Abänderung des Berufungsurteils dahin angestrebt, den Klagebegehren nur hinsichtlich der über den Basisunterhalt hinausgehenden Aufwendungen für den mj. Florian stattzugeben, und hilfsweise wird auch noch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Nebenintervenientin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung insoweit, als darin eine Haftung der Beklagten in einem dem Grunde nach 50 % übersteigenden Umfang und auch für den Basisunterhalt bejaht wird. Die Nebenintervenientin beantragt die Abänderung des Berufungsurteils dahin, dass die Ansprüche der Kläger für nicht mehr als 50 % als zu Recht bestehend erkannt werden und nur für die über den Basisunterhalt hinausgehenden künftigen Aufwendungen die Haftung der Beklagten bejaht wird. Hilfsweise stellt auch die Nebenintervenientin einen Aufhebungsantrag.

Die Kläger erstatteten Revisionsbeantwortungen jeweils mit dem Antrag, den Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin nicht Folge zu geben.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zum Umfang der Schadenersatzpflicht im Fall von „wrongful birth" („wrongful life") noch keine - gefestigte - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt. Die Revisionen sind aber nicht berechtigt.

1. Zur behaupteten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

1.1.1. Die Beklagte verweist auf zahlreiche Beweisergebnisse, die vermeintliche Ungereimtheiten, Widersprüche und Unvollständigkeiten des vom Sachverständigen Dr. H* erstatteten Gutachtens und demgegenüber die von der Beklagten behauptete Richtigkeit sowie Schlüssigkeit der Aussage der Zeugin Dr. Monika U* belegen sollen. Die Beklagte kommt zum Schluss, das Berufungsgericht habe gerade die Aussage dieser Zeugin zu Unrecht unberücksichtigt gelassen und sich mit dieser nicht näher auseinander gesetzt.

1.1.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge mängelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft, nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150). Das Berufungsgericht hat sich hier mit der Beweisrüge der Beklagten auf sechs Seiten, detailliert nach den einzelnen strittigen Punkten des Tatsachenkomplexes befasst und ist dabei auch auf das seinerzeitige Verhalten der Zeugin Dr. Monika U* sowie die daraus ableitbaren Folgerungen für deren Glaubwürdigkeit eingegangen (vgl insbesondere Berufungsurteil S. 25). Die Beklagte bekämpft in diesem Punkt in Wahrheit - im Revisionsverfahren unzulässig (RIS‑Justiz RS0043131) - die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts.

1.2.1. Die Beklagte beanstandet, das Berufungsgericht habe bei Behandlung ihrer Rechtsrüge zu Unrecht unterstellt, diese sei in bestimmten Punkten nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie sich auf neues, in erster Instanz nicht erstattetes Vorbringen stütze. Dies gelte namentlich für das Vorbringen der Beklagten, wonach Dr. Monika U* die Kläger „über Art und Umfang der Untersuchung, das Ergebnis und die möglichen Folgen aufgeklärt" habe, und „wonach es den Ärzten nicht möglich gewesen sei, die vorhandenen Missbildungen rechtzeitig zu erkennen".

1.2.2. Die Beklagte verkennt, dass das Berufungsgericht deren Rechtsrüge in den zuvor (1.2.1.) genannten Punkten nicht infolge unzulässiger Neuerungen, sondern deshalb nicht behandelte, weil die Beklagte insofern nicht von den vom Erstgericht dazu getroffenen Feststellungen ausging (Berufungsurteil S. 49). Dies trifft auch tatsächlich zu und es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn und soweit der Berufungswerber dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (RIS‑Justiz RS0043603).

1.3. Nach Ansicht der Beklagten „wurde auf die ... in der Rechtsrüge (vgl. Seite 25 ff der Berufung) geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel nicht bzw nur minimal eingegangen". (Vermeintliche) sekundäre Feststellungsmängel sind allerdings der Rechtsrüge zuzuordnen (6 Ob 274/04v; 10 ObS 33/04g; 10 ObS 216/01i; vgl RIS‑Justiz RS0043304), und die Rechtsrüge ist nur dann dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn dargelegt wird, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint (RIS‑Justiz RS0043603). Auf den genannten pauschalen, substanzlosen und in der gesamten Revision nicht weiter ausgeführten Vorwurf ist daher nicht weiter einzugehen.

1.4.1. Nach Meinung der Beklagten habe das Berufungsgericht, ohne die dafür maßgeblichen Beweismittel anzuführen, zusätzliche und auch überschießende Feststellungen getroffen. So habe das Berufungsgericht zur Untersuchung am 5. 9. 2001 angenommen, man hätte bereits die Klumpfüße des Kindes sehen können, während dies erst bei einer späteren Ultraschalluntersuchung durch die niedergelassene Fachärztin (gemeint: die Nebenintervenientin) der Fall gewesen sei. Zu Unrecht gehe das Berufungsgericht überdies davon aus, bei der Untersuchung am 5. 9. 2001 hätte Dr. Monika U* beim Fetus den beginnenden Wasserkopf erkennen müssen.

1.4.2. Das Erstgericht hat zur Untersuchung am 5. 9. 2001 festgestellt, dass die Extremitäten nicht einsehbar waren. „Bei den Extremitäten hätte man Rückschlüsse auf die Krankheit ziehen können, man hätte die Klumpfüße sehen können" (Ersturteil S. 9). Besagte Annahme entspricht demnach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt.

Weiters gingen die Feststellungen des Erstgerichts dahin, dass Dr. Monika U* bei der Untersuchung am 5. 9. 2001 ein Foto anfertigte, auf dem der Schädel zu sehen war, das Mittelecho und - sehr weit seitlich verdrängt - die seitliche Begrenzung des Seitenventrikels, was auf einen beginnenden Wasserkopf hindeutet, der eine Folge der MMC ist. Liegt ein derartiges Foto vor, muss der Arzt weiterforschen (Ersturteil S. 9; Berufungsurteil S. 9). Nicht mehr und nicht weniger als „das Übersehen eines Hinweises auf einen beginnenden Wasserkopf" wirft das Berufungsgericht der untersuchenden Ärztin in diesem Punkt vor (Berufungsurteil S. 40). Das Berufungsgericht hat daher auch in diesem Punkt keine zusätzlichen oder vom Erstgericht abweichenden Feststellungen zugrunde gelegt. In Wahrheit stellen die Ausführungen der Beklagten auch in diesem Zusammenhang eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor; einer weitergehenden Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Rechtsprechung, Lehre und Gesetzgebung zum „Unterhaltsschaden":

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner E vom 14. 9. 2006, 6 Ob 101/06f (Zak 2006/599, 343, 2006/610, 358 [Kletecka] = Zak 2006/610, 358 = EvBl 2006/171, 899 [B. Steininger] = EF‑Z 2006/79, 131 [Leitner] = FamZ 2006/70, 198 [Neumayr] = ecolex 2006/389, 900 [Wilhelm] = RZ 2007, 51 EÜ64 - RZ 2007 EÜ64 = RdM 2007/3, 7 [Hollaender] = RdM 2007/23, 20 [Huber] = JBl 2007, 171 = Jus‑Extra OGH‑Z 4261 = ÖA 2007/280, 81), zum genannten Thema umfangreich bis dahin vorgelegene österreichische Rechtsprechung und Lehre sowie ausgewählte ausländische (insbesondere deutsche) Judikatur und Literatur referiert. Auf diese Darstellung in der E 6 Ob 101/06f kann zunächst - zur Vermeidung von Wiederholungen - verwiesen werden (weitere deutschsprachige Literatur [ohne Anspruch auf Vollständigkeit] etwa Weimar, Schadenersatz für den Unterhalt eines nicht erwünschten Kindes?, FS Hegnauer [1986] 651 [654]; Fellmann, Schadenersatz für den Unterhalt eines unerwünschten Kindes, ZBJV 1987, 323, 333 ff; Kuhn, Die rechtlichen Beziehungenzwischen Arzt und Patient, in Honsell [Hrsg], Handbuch des Arztrechts [1994], 21, 33 ff; Fellmann, Neuere Entwicklungen im Haftpflichtrecht, AJP 1995, 879 f; Tobler/Stolker, „Wrongful Birth" - Kosten für Unterhalt und Betreuung eines Kindes als Schaden, AJP 1997, 1145; R. Reimann, Das Kind als Schaden - eine haftungsrechtliche Frage im Widerstreit deutscher Gerichte, Imago Hominis [1998]; 5: 179; A. Reinhart, Familienplanungsschaden. Salzburger Studien zum europäischen Privatrecht II [1999]; Rüetschi, Haftung für fehlgeschlagene Sterilisation. Zugleich ein Beitrag zur Problematik „Kind als Schaden", AJP 1999, 1359; Chr. Wagner, Das behinderte Kind als Schaden, NJW 2002, 3379; Junker, Pflichtverletzung, Kindesexistenz und Schadensersatz [2002]; U. Riedel, Kind als Schaden, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Arzthaftung für den Kindesunterhalt bei unerwünschter Geburt eines gesunden, kranken oder behinderten Kindes [2003]; I. Steiner, Das „Kind als Schaden" - ein Lösungsvorschlag, ZBJV 137 [2001], 646 ff).

Ergänzend darf die E des Schweizerischen Bundesgerichts vom 20. 12. 2005, (BGE) 132 III 359, 4C.178/2005 (= EFSlg 114.097), erwähnt werden, welche ebenfalls die Ersatzfähigkeit der Unterhaltskosten für ein gesundes Kind nach fehlgeschlagener Sterilisation zum Gegenstand hatte. Das Schweizerische Bundesgericht führt aus, sei ein Vertrag auf ein von der Rechtsordnung erlaubtes Ziel wie die Sterilisation gerichtet, so habe der Arzt für einen von ihm im Rahmen der Vertragserfüllung zu vertretenden Fehler, durch den das Behandlungsziel nicht erreicht wird, einzustehen. Den Schaden stelle nicht das Kind selbst dar, sondern die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Die Zusprechung von Schadenersatz für die (ungewollte) finanzielle Belastung der Eltern beinhalte in keiner Weise ein den Grundwerten unserer Gesamtrechtsordnung widersprechendes Unwerturteil über das Kind und verletze dessen Würde nicht. Es sei nichts Außergewöhnliches, in Arzthaftungsfällen Schadenersatz in Höhe der Unterhaltskosten zuzusprechen. Das Großziehen eines Kindes werde auch in anderen Lebensbereichen (zB bei Scheidungen und Unterhaltsverfahren) in Geld berechnet und insofern kommerzialisiert. Die Menschenwürde des (dort: ungeplanten) Kindes stehe einer schadenersatzrechtlichen Betrachtungsweise nicht entgegen. Die Zusprechung von Schadenersatz diene im Gegenteil dem Kindeswohl, könne doch mit der finanziellen Sicherung die möglichst optimale Entwicklung des Kindes im natürlichen Familienverband unter gleichzeitiger Entlastung der Eltern zugunsten der gesamten Familie - einschließlich des (zusätzlichen) Kindes - sichergestellt werden. Letztlich kommt das Schweizerische Bundesgericht zum Ergebnis, dass die Verneinung des Anspruchs zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Sonderregelung für Ärzte bei Sterilisationsfehlern führen würde (zu dieser E s auch Essebier, „Wrongful Birth" in der Schweiz, ZEuP 2007, 888).

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass in Deutschland und der Schweiz die dortigen Höchstgerichte weitestgehend (Ausnahme: der 2. Senat des [d]BVerfG, NJW 1993 1751 = EuGRZ 1993, 229) den Unterhaltsschaden nach der Geburt eines ungewollten (auch gesunden) Kindes grundsätzlich als ersatzfähig erkennen (s jüngst etwa [d] BGH 14. 11. 2006, VI ZR 48/06, [gesundes Kind nach fehlgeschlagener Verhütung durch ein „Implanon"‑Implantat] mzN zur [d] Judikatur).

2.2. In der bereits angesprochenen E 6 Ob 101/06f hat der Oberste Gerichtshof erkannt, die Geburt eines gesunden, wenn auch unerwünschten Kindes bedeute keinen Schaden im Rechtssinn. Der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs hat sich dieser Ansicht in der Folge zu 2 Ob 172/06t (Zak 2007/126, 77 = ecolex 2007/69, 169 [Wilhelm] = RZ 2007, 121 EÜ200) ausdrücklich angeschlossen. Zum Verhältnis dieser Entscheidungen zu jener des erkennenden Senats 5 Ob 165/05h (= RdM 2006/71, 90 = FamZ 2006/31, 63 [Neumayr] = EF‑Z 2006/27, 53 [Bernat] = Zak 2006/365, 214 = Rebhahn, Zak 2006/350, 206 = ecolex 2006/231, 564 = ÖA 2006, 166, 75 = Wilhelm, ecolex 2006, 625 = Stärker, FamZ 2007, 4 = HollaenderRdM 2007/3, 7 = Merckens, AnwBl 2007, 237 = SääfAnwBl 2007, 365 = Hinghofer‑Szalkay/Hirsch, EF‑Z 2007/56, 89) führte der 6. Senat in 6 Ob 101/06f aus, auf die an der E 5 Ob 165/05h geäußerte Kritik sei nicht einzugehen, weil sich die Kläger in dem von diesem Senat zu beurteilenden Fall nicht darauf stützten, um die Möglichkeit der Abtreibung gebracht worden zu sein, sondern sie seien aufgrund der vorgenommenen Sterilisation der Meinung gewesen, in Hinkunft keine Kinder mehr bekommen zu können. Der 2. Senat führte zu 2 Ob 172/06t aus, im dort beurteilten Fall handle es sich um „wrongful conception" (wie in 6 Ob 101/06f) und nicht um „wrongful birth" (wie in 5 Ob 165/05h); aus diesem Grund müsse auf die in 5 Ob 165/05h vertretene Rechtsmeinung mangels Vergleichbarkeit des Sachverhalts nicht eingegangen werden und umso weniger bestehe ein Anlass für eine Verstärkung des Senats gemäß § 8 OGHG (zu Fragen der Vergleichbarkeit der beurteilten Fälle s auch Hinghofer‑Szalkay/Hirsch,Wrongful Conception die Zweite - (k)ein Ende in Sicht, EF‑Z 2007/56, 89; dies, ÖJZ 2007/43, 519). Auch der hier erkennende Senat sieht daher keinen Anlass, auf die in den E 6 Ob 101/06f und 2 Ob 172/06t - zu anders gelagerten Sachverhalten - vertretenen Rechtsansichten im Detail einzugehen.

2.3. Die E 5 Ob 165/05h und 6 Ob 101/06f haben in der Lehre regen Widerhall gefunden. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit jeder einzelnen Stellungnahme ist nicht Aufgabe dieser Entscheidung, weshalb (ausdrücklich ohne Anspruch auf Vollständigkeit) nur exemplarisch Grundrichtungen der zu den genannten Vorjudikaten vorgetragenen Meinungen in gebotener Kürze angesprochen werden sollen:

Rebhahn kommt zur E 5 Ob 165/05h (in Zak 2006/350, 206) zum Schluss, die Schadenersatzpflicht wegen der Geburt eines behinderten Kindes führe zu Fragen, die sowohl aus rechtstechnischer wie aus ethischer Sicht äußerst schwierig und nach F. Bydlinski nicht rational lösbar seien. F. Bydlinski wolle dann auf Rechtsprinzipien rekurrieren. Nach Ansicht Rebhahns sei es bei ethisch sehr umstrittenen Fragen, zu denen der Gesetzgeber nicht besonders Stellung genommen habe, eher angeraten, vorhandene allgemeine Regeln des Rechts - hier zum Schadenersatz - lege artis anzuwenden und eine abweichende Bewertung dem Gesetzgeber zu überantworten. Gerade für solche Fälle seien allgemeine Regeln vorhanden. Von diesen Regeln sollte man nur abweichen, falls zwingende Gründe dies verlangten. Dies sei bei Ersatz eines Unterhaltsaufwandes der Eltern nicht der Fall, weil damit der Familie nichts genommen werde.

Huber meint in RdM 2007/23, 26 (28), es müsse da wie dort (gemeint: für beide in 5 Ob 165/05h und 6 Ob 101/06f beurteilten Fälle) gelten, dass das Vermögensminus, das durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zugefügt wurde und sich als eine Vertragsverletzung darstellt, die innerhalb des Schutzzwecks des Vertrags liegt, ersatzfähig sein soll. Wenn die Eltern somit - auch zivilrechtlich - rechtmäßig den Fötus hätten abtreiben lassen dürfen und das auch getan hätten, steht ihnen nicht nur der behinderungsbedingte Mehrbedarf, sondern der gesamte Unterhalt zu. Es muss nämlich als legitimer Inhalt eines Vertrags angesehen werden, dass sich die Eltern darüber aufklären lassen und ihre Entscheidung davon abhängig machen (Parapatits, JAP 2006/2007, 116, [118]).

Manche Autoren rufen nach dem Gesetzgeber (s etwa Merckens, Kein Schaden ohne Kind, AnwBl 2007, 237 [239]; in Deutschland etwa Chr. Wagner, NJW 2002, 3379); dessen Untätigkeit entbindet allerdings die Gerichte nicht von ihrer Entscheidungspflicht. Aus dem bisherigen Schweigen des Gesetzgebers einen bestimmten Standpunkt zur vorliegenden Frage abzuleiten, wird in der Lehre - mit Recht - durchwegs abgelehnt (Huber, RdM 2007/23, 26 f; Wilhelm, Just Birth - Wrongful Decision, ecolex 2006, 793).

Eine Reihe von Stellungnahmen zur E 5 Ob 165/05h befassen sich besonders mit der Frage nach Inhalt und Zweck des Behandlungsvertrags und dem Umfang ärztlicher Aufklärungspflicht (vgl etwa B. Steininger, Verpflichtung zu paternalistischer ärztlicher Aufklärung statt eigenverantwortlicher Patientenentscheidungen? Einige Bemerkungen zur E 5 Ob 165/05hJBl 2007, 198; Agstner, Unterhalt vom Gynäkologen für wrongful birth und life, NetV 2007, 22). Die dabei angestellten Erwägungen zeichnen sich durch besondere Einzelfallbezogenheit aus und erlauben keine generalisierende Übertragung auf den vorliegenden Fall. Auf die hier für den Arzt maßgeblichen Verhaltenspflichten wird deshalb unten (Punkt 5.) sachverhaltsbezogen eingegangen.

Breiten Raum nehmen Stellungnahmen ein, die sich - ganz grundsätzlich - mit der Fragestellung befassen, ob die Geburt eines Kindes einen Schaden darstellen könne. Dieser Frage widmet sich auch die Beklagte vorrangig in ihrer Revision, weshalb darauf bei der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen ist. An dieser Stelle und in diesem Kontext sei lediglich angemerkt, dass sich - selbstverständlich unbenommene - ethische, religiöse, moralische und/oder weltanschauliche Bewertungen wie etwa ein „ethisch motiviertes Schlusswort" (Hollaender, Die Geburt als schadenstiftendes Ereignis - Schadenersatz für „wrongful birth" bei Behinderung?, RdM 2007/3, 8) oder der Beitrag von Cornides (Zur Haftung des Arztes bei fehlerhafter pränataler Diagnose, JBl 2007, 137) einem juristischen Diskurs entziehen und keinen Beitrag zu einer dogmatisch zu begründenden Lösung leisten.

2.4. Die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt hat in ihrem Beschluss vom 18. 4. 2007 - mehrheitlich getragene - Thesen zur Debatte „Kind als Schaden" aufgestellt, die allerdings nicht den Anspruch erheben, die sich in diesem Zusammenhang ergebenden komplexen Fragen abschließend zu klären, sondern (nur) einen Anstoß zur Intensivierung der Debatte geben sollen. Ein Gewinn für die in der Sache vorzunehmende rechtliche Beurteilung lässt sich daraus nicht erzielen.

2.5. Schließlich hat die E 5 Ob 165/05h auch eine - bislang allerdings ergebnislose - Gesetzesinitiative ausgelöst. Mit dem Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Peter F*, Kolleginnen und Kollegen vom 29. 11. 2006, 46/A 23. GP ., wird angestrebt, dem § 22 ABGB folgenden Absatz 2 anzufügen: „(2) Aus der Tatsache der Geburt eines Menschen ist ein Anspruch auf Schadenersatz ausgeschlossen. Titel und Ansprüche jedweder Art, die bei Kundmachung dieses Gesetzes bestehen und die sich auf die Tatsache der Geburt eines Menschen gründen, sind hiermit erloschen.". Die Entscheidung über den Antrag wurde bei der Sitzung des Justizausschusses am 30. 5. 2007 vertagt (zum Initiativantrag s auch Gitschthaler, Editorial, EF‑Z 2007/1, 1).

Diese kurze Darstellung des Meinungsstandes zeigt die weitreichende Sensibilisierung für das zugrunde liegende Haftungsproblem, aber auch das Fehlen eines Konsenses über dessen Lösung in Lehre und Gesellschaft.

3. Beurteilungsgrundlagen für die Rechtsrügen:

3.1. Nach Ausführung einer gesetzmäßigen Rechtsrüge ist der Oberste Gerichtshof zwar nicht auf die Nachprüfung des angefochtenen Urteils im Rahmen der vom Revisionswerber ausdrücklich aufgeworfenen Rechtsfragen beschränkt, sondern ist dann die Berechtigung der Rechtsrüge allseitig zu prüfen (RIS‑Justiz RS0043352). Dieser Grundsatz ist jedoch insoweit eingeschränkt, als der Rechtsmittelwerber Rechtsgründe, denen in sich geschlossene - also selbstständige rechtserzeugende, rechtshemmende oder rechtsvernichtende - Tatsachen zugrunde liegen, behandeln muss, damit sie nicht aus dem Nachprüfungsrahmen herausfallen (vgl RIS‑Justiz RS0043338; Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 503 ZPO Rz 189 f mwN). Kommt daher der Revisionswerber in seiner Revision auf bestimmte Rechtsgründe oder selbstständige Einwendungen nicht mehr zurück, so sind diese damit aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden (vgl 10 Ob 32/07i; 7 Ob 218/06v; 8 Ob 120/06i; 7 Ob 251/02s).

3.2. Nicht (mehr) aufgegriffen werden in den Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin die selbstständigen Themen der vom Berufungsgericht bejahten und seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Vaterschaft des Zweitklägers, dessen Aktivlegitimation im Sinn seiner Einbeziehung in die Schutzwirkung des zwischen der Erstklägerin und der Beklagten zustande gekommenen Behandlungsvertrags und der Umstand, dass das in der Risikoambulanz tätige ärztliche Personal haftungsrechtlich der Beklagten zuzurechnen ist. Von diesen nicht (mehr) bekämpften Entscheidungsgrundlagen ist folglich - ohne weitere - Überprüfung auszugehen.

4. Der Schaden:

4.1. Ein Schadenersatzanspruch kann nur dort bestehen, wo ein Schaden im Rechtssinn vorliegt. Die Beklagte befasst sich über weite Strecken ihrer Revision mit der Frage, ob ein behindertes Kind ein Schaden im Sinn des § 1293 ABGB sein könne. Kinderexistenz und Unterhaltsaufwand seien schon biologisch und in höchst unmittelbarer Kausalität miteinander verknüpft. Das als haftungsbegründend erachtete Kind stelle unabhängig davon, mit welchen verbalen Finessen man seine Bewertung als Schaden umgehe, in jedem Fall dessen „Quelle" oder seine wie immer sonst „euphemisierte" Ursache dar. Das Kind sei demnach unleugbar conditio sine qua non des geltend gemachten Anspruchs. Den Klägern könne folglich ein Unterhaltsanspruch nur dann zugesprochen werden, wenn man das Kind als solches als Schaden bewerte. Folge man dieser Möglichkeit, so werde dann mehr oder minder schnell und umfassend die Sicherung einer mit Gewissheit gesunden Nachkommenschaft zum fortpflanzungsmedizinischen Leitbild. „Subkutan" drohe, aller öffentlich bekundeten Abscheu zum Trotz, die Etablierung einer Art „Sekuritäts‑Eugenik" (Picker, Schadenersatz für das unerwünschte Kind, AcP 1995, 483). Es stelle sich die Frage, ob eine Verknüpfung der Ermöglichung oder Erhaltung menschlichen Lebens einerseits mit einer Haftung auf Schadenersatz andererseits legitim sei. Gehe man davon aus, verletze dies schon die elementarsten Kindesinteressen. Unabhängig davon resultierten daraus sozial‑psychologisch negative Effekte. Damit würden aber auch fundamentale Wertmaximen der geltenden Ordnung verletzt. Zu Recht sei demnach oft und eindringlich die angestrebte Lösungsweise kritisiert worden, das Kind mit seinem biologisch bedingten Lebensbedarf in einen „Nicht‑Vermögenswert" und einen Vermögensschaden zu zerlegen, die seine Existenz zugleich als Wertverwirklichung und Wertvernichtung begreife. Die Zergliederung der personalen Ganzheit des Kindes sei nicht gerechtfertigt.

Werde das fremdfinanzierte Kind innerhalb der Familie zum unerwünschten Kostenträger „denaturiert", setze man dieses immer neuer seelischer Pein, seine Familie immer neuen sozialen Irritationen aus; dies sei eine unerträgliche Belastung des Kindes und eine Verletzung seiner menschlichen Würde. Es werde demnach bei der Entscheidung des vorliegenden Falls nicht nur rechtsdogmatisch, sondern auch rechtsethisch zu argumentieren sein. Diesen rechtsethischen Argumenten habe der Oberste Gerichtshof in der Debatte bisher keinen Platz zugestanden und die Schadenersatzpflicht vor allem dogmatisch begründet. Es würden dabei aber die praktischen Auswirkungen der „Kind‑als‑Schaden"‑Judikatur auf die Lebenswirklichkeit nicht mitberücksichtigt. Es gehe aber in diesem Zusammenhang auch um eine ethisch „richtige" Lösung.

Es sei vor allem auch Art 7 B‑VG zu berücksichtigen, aus dem folge, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe. Der Staat bekenne sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Werde ein behindertes Kind als Schaden qualifiziert, stelle dies eine Entwertung der Persönlichkeit dar, was per se eine Ungleichbehandlung und nicht eine Gleichbehandlung darstelle. Im konkreten Fall werde aber auch zu beachten sein, wie sich die Diskriminierung jener Eltern rechtfertige, die mit einem gewollten, dann aber behindert geborenen Kind leben müssten ohne einen Schadenersatzanspruch, weil vor der Geburt dieses Kindes keine pränatale Diagnostik durchgeführt worden sei.

Eltern, die ein gesundes Kind wollten, hätten sich von vornherein mit der dadurch entstehenden Unterhaltsverpflichtung abgefunden bzw diese in Kauf genommen. Eltern, die von vornherein eine Schwangerschaftsverhütung betreiben, weil sie kein Kind wollten, wollten von vornherein keine Unterhaltsverpflichtung eingehen, auch wenn es in der Folge zur Geburt eines gesunden Kindes komme. Im letztgenannten Fall meine die Judikatur, dass ein Schadenersatzanspruch (Unterhaltsanspruch) der Eltern nicht bestehe, weil ein Kind kein Schaden sei. Wenn nun Eltern ein Kind wollten und es kommt infolge einer fehlerhaften Untersuchung - wie hier behauptet - zur Geburt eines behinderten Kindes, so sei, um eine Diskriminierung anderer zu vermeiden, - wenn überhaupt - nur der behinderungsbedingte Mehraufwand zuzusprechen. Der „normale" Aufwand für ein Kind sei immer von den Eltern zu tragen.

4.2. Es ist nicht zu verkennen, dass die Frage nach Schadenersatz im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes neben rein rechtlichen auch ethische und moralische Fragen aufwirft. Ungeachtet dieser Wertungsprobleme sind aber die dabei anstehenden rechtlichen Fragen auf Basis der geltenden Gesetzeslage zu entscheiden. Besonders bei ethisch und weltanschaulich umstrittenen Fragen muss eine von den bestehenden (allgemeinen) Regeln des Rechts - hier: des Schadenersatzrechts - abweichende Bewertung dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben (vgl RebhahnZak 2006/350, 206 [208]). Gerade mit den bereits eine moralisch‑ethische Bewertung intendierenden, problemverkürzenden Schlagworten vom „personalen Eigenwert", von der „personalen Ganzheit" des Kindes und mit der Reduktion der Anspruchsprüfung auf die formelhafte Frage nach dem „Kind als Schaden" wird aber eine vermeintlich fehlende Berechtigung eines Schadenersatzanspruchs von der Beklagten auf Grund außerrechtlicher Werturteile nur postuliert, aber nicht dogamtisch begründet:

4.2.1. Schaden ist nach § 1293 Satz 1 ABGB jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Dem österreichischen Recht ist ein denkbar weiter Schadenersatzbegriff eigen (Harrer in Schwimann³, § 1293 ABGB Rz 1). Schaden ist Verminderung von Aktiv- oder Vermehrung von Passivposten in einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis eingetretenen Vermögenslage mit jener, die sich ohne das Ereignis ergeben hätte (Koziol, Haftpflichtrecht I³, Rz 10/30 ff; zur vergleichbaren Schweizer Rechtslage s Schweizerisches Bundesgericht vom 20. 12. 2005, [BGE] 132 III 359, 4C.178/2005; BGE 127 III 73 E. 4a mzN). Nach hRsp wird schon das Entstehen einer Verbindlichkeit (RIS‑Justiz RS0022568), mithin jeder zusätzliche Aufwand oder jede zusätzliche Belastung (vgl 1 Ob 91/99k = SZ 72/91 = JBl 1999, 593) als Schaden begriffen. Dass in diesem gemeinhin anerkannten Sinn des § 1293 ABGB auch der Unterhaltsaufwand für ein nicht gewolltes Kind einen Schaden darstellt, kann nicht nur nicht zweifelhaft sein, sondern ist evident.

4.2.2. Leben und Persönlichkeit eines Kindes sind zweifellos unantastbare Rechtsgüter. Geburt und Existenz eines Kindes können selbstverständlich auch nicht als Schaden betrachtet werden. Dass aber der Mensch sowohl in seiner körperlichen und auch psychischen Existenz von Ereignissen betroffen sein kann, die dann Schadenersatzansprüche auslösen, ist ein juristisch geradezu alltägliches Phänomen, das weithin kein öffentliches Unbehagen auslöst. So kann etwa auch das „Spiegelbild" der Geburt, der Tod eines Menschen, eine Vielzahl von Schadeneratzansprüchen auslösen (§ 1327 ABGB), denen gemeinhin keine Bedenken oder Kommerzialisierungsvorwürfe entgegen schlagen.

Auch die Trennung der Existenz des Kindes vom damit unbestreitbar verbundenen wirtschaftlichen Aufwand ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine „verbale Finesse", um die Bewertung des Kindes als Schaden zu umgehen. Diese Trennung ist vielmehr geboten, um sich einerseits nicht auf der Grundlage außerrechtlich motivierter Postulate dem herrschenden Schadenersatzbegriff zu entziehen und um andererseits dem Umstand gerecht zu werden, dass die Eltern durch Zuerkennung des Unterhaltsaufwands in keiner Weise von ihren Unterhalts‑, Erziehungs- und Fürsorgepflichten in der Rechtsbeziehung zu ihrem Kind entbunden werden (vgl dazu auch Tobler/Stolker, AJP 1997, 1145 [1151 f]). Die gesamte Eltern‑Kind‑Beziehung bleibt also von der Beantwortung der Haftungsfrage unberührt aufrecht. Außerdem hängt die persönlich‑familiäre Anerkennung des Kindes als Person nicht von der abschließenden Tragung des Unterhaltsaufwands durch die Eltern ab (vgl BVerfGE 96, NJW 1998, 519 = EuGRZ 1997, 635).

4.2.3. Erwägungen der Beklagten dahin, die Sicherung einer mit Gewissheit gesunden Nachkommenschaft werde zum „fortpflanzungsmedizinischen Leitbild" und es drohe „die Etablierung einer Art Sekuritäts‑Eugenik", ist hier nicht nachzugehen (zur fundamentalen Kritik an der Zulässigkeit der Abtreibung als Kern des öffentlichen Unbehagens s Chr. Wagner, NJW 2002, 3379). Art 8 EMRK schützt unter anderem das Recht, selbst über den eigenen Körper zu bestimmen. Damit soll die Möglichkeit gewährleistet werden, das Leben nach eigenen Vorstellungen einzurichten und zu führen (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, § 22 Rz 11 mwN), wozu auch das Recht auf Familienplanung gehört (Wildhaber, IntKommEMRK Art 8 Rz 251). Die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, auf den noch zurückzukommen sein wird, ist in § 97 StGB umfassend geregelt. Eine moralisch‑ethische Bewertung eines auf der Grundlage des § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB angestrebten Schwangerschaftsabbruchs ist hier rechtlich weder erforderlich noch fruchtbringend.

4.2.4. Die Beklagte erwartet für den Fall der Bejahung eines Schadenersatzanspruchs eine psychisch‑emotionale Schädigung des Kindes, wenn dieses erkenne, „zum unerwünschten Kostenträger denaturiert" zu sein (zu ähnlichen Behauptungen s auch das Schweizerische Bundesgericht [BGE] 132 III 359, 4C.178/2005 = EFSlg 114.097). Ob nun ein Kind von Eltern „geplant", von diesen erwünscht, angenommen, eher als finanzielle Belastung angesehen oder gar abgelehnt wird, liegt im Verantwortungsbereich der Eltern. Selbst vormalige Wunschkinder sind vor einer später traumatischen Eltern‑Kind‑Beziehung nicht geschützt (vgl dazu auch Tobler/Stolker, AJP 1997, 1145 [1151 f]). Eltern sind auch keineswegs gezwungen, aus einem Sachverhalt wie dem vorliegenden Schadenersatzansprüche abzuleiten; tun sie es jedoch, dann sind diese auf rechtlich gesicherter Grundlage zu prüfen und es können für die Zukunft - bloß vermutete - psychisch‑emotionale Nachteile des Kindes jedenfalls keine juristische Basis dafür sein, den Schädiger von einer gegebenfalls bestehenden Haftpflicht zu befreien. Dass im Übrigen die Sicherung des Unterhalts nicht zuletzt auch eine wesentliche Grundlage für eine künftig gedeihliche Entwicklung namentlich eines behinderten Kindes sein kann, übersieht die Beklagte dabei ebenfalls.

4.2.5. Soweit die Beklagte mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot (Art 7 B‑VG) argumentiert, vermag dem der erkennende Senat im gegebenen Zusammenhang ebenfalls nicht zu folgen. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, wie im Zuspruch (!) des (gesamten) Unterhaltsaufwands für ein behindertes Kind eine Benachteiligung (!) auf Grund dessen Behinderung erkannt werden kann. Fragen nach der Ersatzfähigkeit des Unterhaltsaufwands für ein gesundes Kind stellen sich hier nicht.

4.2.6. Erwägungen der Beklagten über den Unterhaltsaufwand für ein behindertes Kind, für welches ein Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener pränataler Diagnostik nicht in Betracht komme, mögen sozialpolitisch bedeutsam sein, haben aber für die hier zu klärende Haftungsfrage ebenfalls keine erkennbare Relevanz.

4.2.7. Soweit die Beklagte die Differenzierung zwischen Basisunterhalt und Mehraufwand anspricht, wird darauf später noch zurückzukommen sein (Punkt 10.). Im Lichte des nach § 1293 ABGB maßgeblichen Schadensbegriffes kann dagegen nicht zweifelhaft sein, dass sich im Vergleich der bestehenden Unterhaltsverpflichtung der Kläger mit der Situation nach einer abgebrochenen Schwangerschaft der gesamte Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind als Schaden darstellt.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass im vorliegenden Fall der gesamte Unterhaltsaufwand für das nicht gewollte behinderte Kind als Schaden im Sinn des § 1293 ABGB zu qualifizieren ist. Die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinne vor, stünde - im gegebenen Zusammenhang - mit den Grundsätzen des österreichischen Schadenersatzrechts nicht im Einklang.

5. Der Behandlungsvertrag:

5.1. Die Beklagte macht geltend, der Oberste Gerichtshof habe (gemeint offenbar: in 5 Ob 165/05h) die an der Frau vorgenommene Ultraschalluntersuchung als eine Entscheidungshilfe für oder gegen das Kind qualifiziert. Es stehe aber ohnehin jeder Frau im Rahmen der Fristenlösung der Schwangerschaftsabbruch offen, ohne dass es dazu einer Entscheidungshilfe durch eine Ultraschalluntersuchung oder - wie hier - eines Organscreenings bedürfe. In Wahrheit stellten daher besagte Untersuchungen eine Entscheidungshilfe nur gegen das Kind dar. Es werde demnach ein Behandlungsvertrag angenommen, der darauf abziele, „im Hinblick auf eine eventuelle Abtreibung nicht therapierbare Schädigungen am Kind festzustellen". Es stelle sich dann schon die grundsätzliche Frage nach der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung. Im Übrigen hätten die Vorinstanzen einfach unterstellt, der zwischen der Beklagten und der Erstklägerin zustande gekommene Behandlungsvertrag habe auch die finanziellen Interessen der Kläger umfasst. Dies hätte jedoch im konkreten Einzelfall geprüft und dazu die finanzielle Situation der Kläger und deren soziale Stellung untersucht werden müssen.

5.2. Zunächst kann eine auf der Verletzung des Behandlungsvertrags beruhende Vereitelung eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs nur dann die Grundlage dafür sein, den Eltern im Rahmen eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs den Unterhaltsaufwand für das Kind zu ersetzen, wenn der Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig gewesen wäre. Gemäß § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB ist nun ein Schwangerschaftsabbruch straflos, wenn die ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein wird („eugenischen Indikation"; „embryopathische Indikation"). Maßgebend dafür, ob objektiv die genannte Gefahr für das Kind besteht, ist das medizinische Urteil über Art und Ausmaß der befürchteten Schädigung, das nach den vorhandenen - über Ultraschall- bzw Fruchtwasseruntersuchung gewonnenen - Diagnosegrundlagen erstellt werden muss. Die ernste Gefahr - dh die deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit - einer schweren Schädigung muss naheliegen, eine dauernde und nicht behebbare Schädigung ist vom Gesetz nicht verlangt, kann aber in die Beurteilung der Schwere einfließen (Eder‑Rieder in WK² § 97 StGB Rz 16 mwN). Die hM erachtet jedenfalls einen Schwangerschaftsabbruch bei vorliegender Indikation nach § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB als Rechtfertigungsgrund (Eder‑Rieder in WK² § 97 StGB Rz 1 mwN; Schmoller in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 97 StGB Rz 31), wovon der Oberste Gerichtshof auch schon in 1 Ob 91/99k mwN (= SZ 72/91 = JBl 1999, 593) ausgegangen ist. Auch der erkennende Senat vertritt die Ansicht, dass ein Schwangerschaftsabbruch nach § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB jedenfalls nicht rechtswidrig ist (so auch schon BGH VI ZR 114/81, BGHZ 86, 240; VI ZR 85/82, BGHZ 89, 95). Dagegen sprechende Gründe trägt die Beklagte in ihrer Revision auch nicht vor; unterschwellig anklingende grundsätzliche (ethische) Bedenken der Beklagten gegen den Schwangerschaftsabbruch stehen dieser frei, sie decken sich allerdings nicht mit der Rechtslage.

Der mj. Florian G* ist mit einer MMC höheren Schweregrads verbunden mit beidseitigen Klumpfüßen, einer offenen Wirbelsäule und einem Wasserkopf zur Welt gekommen. Er musste in kurzer Zeit mehrfach operiert werden und wird für immer behindert bleiben (Rollstuhl, Probleme bei Stuhl- und Harnabgabe). Dauer- und Spätfolgen sind die Regel. Bereits die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass derartige mit einer MMC höheren Schweregrads verbundene körperliche Beeinträchtigungen einen Schwangerschaftsabbruch nach § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB rechtfertigen. Diese Ansicht wird auch von den Revisionswerbern nicht substanziell bezweifelt.

Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für einen von den Eltern auf Grund ordnungsgemäßer fachärztlicher Beratung gefällten Entschluss zu einem auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB gestützten Schwangerschaftsabbruch in tatsächlicher Hinsicht vorgelegen hätten und dieser Schwangerschaftsabbruch rechtlich nicht nur straflos, sondern auch nicht rechtswidrig gewesen wäre.

Soweit die Beklagte unterstellt, es sei nicht erwiesen, dass sich die Kläger bei Kenntnis der zu erwartenden Behinderung ihres Kindes zum Schwangerschaftsabbruch entschlossen hätten, ist die Revision, weil sie von den erstgerichtlichen Feststellungen abweicht, nicht gesetzmäßig ausgeführt.

5.3. Zwischen Arzt und Patient liegt ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis vor, der sogenannte ärztliche Behandlungsvertrag. Es handelt sich dabei um ein im Gesetz nicht näher typisiertes Vertragsverhältnis, welches wesentliche Elemente des Beratungsvertrags umfasst (4 Ob 249/02z = RdM 2004/51, 88; vgl RIS‑Justiz RS0021335). Der Beklagten ist dahin beizupflichten, dass die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundene wirtschaftliche Belastung, insbesondere der hier in Frage stehende Unterhaltsaufwand, nur dann zu ersetzender Schaden sein kann, wenn der Schutz vor solchen Belastungen (zumindest auch noch) zum Schutzzweck der den Arzt treffenden Beratungs- und Informationspflichten des betreffenden Behandlungsvertrags gehörte (vgl auch BGH VI ZR 135/99 = NJW 2000, 1782 = BGHZ 143, 389; krit, aber ohne substanzielle Auseinandersetzung mit dieser Frage Agstner, NetV 2007, 22). Die Vermeidung wirtschaftlicher Belastungen muss dabei freilich nicht im Vordergrund stehen (vgl BGH VI ZR 48/06 mwN). Der fragliche Schutzzweck des Behandlungsvertrags ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl RIS‑Justiz RS0017850). Die Schutzpflicht endet jedenfalls an der Grenze objektiver Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Vertragspartners (vgl 1 Ob 1538/95).

5.4. Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wofür der aktuell anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft maßgeblich ist (vgl 10 Ob 24/00b = RdM 2001/1, 18; 7 Ob 648/89 = EvBl 1990/74, 339 = JBl 1990, 524 [Holzer]). Die pränatale Diagnostik dient im gegebenen Kontext regelmäßig zur Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes. In diesem Sinn hat das Erstgericht auch festgestellt, es sei ein wesentlicher Aspekt des am 5. 9. 2001 durchgeführten Organscreenings gewesen, schwere geistige oder körperliche Behinderungen wie jener infolge der MMC zu entdecken. Der Zweck der Pränataldiagnostik in der Schwangerenbetreuung muss dann aber zumindest auch darin gesehen werden, der Mutter (den Eltern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv durchaus voraussehbar, sodass unter diesen Umständen auch die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst sind (vgl auch BGH VI ZR 135/99 = NJW 2000, 1782 = BGHZ 143, 389 mwN zur deutschen Rsp).

5.5. Soweit die Beklagte eine Beratung der Mutter (der Eltern) über die Möglichkeit einer schwerwiegenden Behinderung des Kindes und die Möglichkeit eines auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB gestützten Schwangerschaftsabbruchs als eine Entscheidungshilfe gegen das Kind offenbar generell ablehnt, verkennt sie die Aufgabe ärztlicher Beratung in diesem Zusammenhang ganz grundlegend. Zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen sind Ärzte weder zu überoffensiver Pränataldiagnostik noch zur Beratung in Richtung eines Schwangerschaftsabbruchs verpflichtet (unzutreffend insoweit auch die Begründung des Initiativantrags vom 29. 11. 2006, 46/A 23. GP .). Geschuldet werden nach den persönlichen Verhältnissen der Frau indizierte und gegebenenfalls von ihr nachgefragte Diagnoseverfahren sowie eine darauf aufbauende richtige Information, insbesondere über erkennbare Konfliktlagen. Darüber hinaus steht es dem Arzt auch in Fällen möglicher Behinderungen des Kindes durchaus haftungsfrei offen, die Frau konstruktiv lebenserhaltend in Richtung einer Fortsetzung der Schwangerschaft zu beraten. Der Mutter (den Eltern) erkennbar drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes vorzuenthalten und ihr (ihnen) die Möglichkeit eines gesetzlich gerechtfertigten Schwangerschaftsabbruchs zu nehmen, kann aber nicht folgenlos bleiben.

5.6. Nach den - schon zuvor angesprochenen - erstgerichtlichen Feststellungen sollte das am 5. 9. 2001 durchgeführte Organscreening ua der Entdeckung von schweren geistigen oder körperlichen Behinderungen des ungeborenen Kindes dienen. Werden Hinweise in Richtung einer MMC gefunden, muss der Arzt den Eltern sagen, es sei sehr wahrscheinlich, dass das Kind mit einem körperlichen Defekt zur Welt komme, es einen Rollstuhl brauchen sowie mit der Stuhl- und Harnabgabe Schwierigkeiten haben werde. Die Eltern sind auch auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs hinzuweisen. Die damals in der Risikoambulanz tätig gewesene Ärztin fertigte ua ein Foto an, welches die Wirbelsäule bis zum Brustwirbelsäulenbereich zeigte. Zu sehen waren der Schädel, das Mittelecho und sehr weit seitlich verdrängt die seitliche Begrenzung des Seitenventrikels, was auf einen beginnenden Wasserkopf hindeutete, der eine Folge der MMC ist. Liegt ein derartiges Foto vor, muss der Arzt weiterforschen, was tatsächlich aber nicht geschehen ist. Außerdem waren diagnoserelevante Strukturen (Gesicht, Hals/Haut, Extremitäten, Gesamtskelett) nicht einsehbar und trotzdem ist eine Wiederbestellung der Erstklägerin unterblieben, womit der gesamte Zweck des Organscreenings in Frage gestellt war. An einem schwerwiegenden Fehler der untersuchenden Ärztin ist unter diesen Umständen nicht zu zweifeln. Den Nachweis nach § 1298 ABGB hat die Beklagte nicht erbracht.

Das Berufungsgericht hat damit einen von der Beklagten zu vertretenden, haftungsbegründenden Diagnose- und einen daraus folgenden Beratungsmangel der in der Risikoambulanz tätig gewesenen Ärztin im Grunde zutreffend bejaht.

6. „Krasser" Fehler der Ärztin und soziale Bedürftigkeit der Kläger:

Aus bestimmten Ausführungen an verschiedenen Stellen ihrer Revision könnte die - wohl aus 6 Ob 303/02f abgeleitete - Ansicht der Beklagten erschlossen werden, eine Haftung für die Fehlleistung der Ärztin komme nur bei Vorliegen eines „krassen" Fehlers in Frage und überdies sei dafür auch die wirtschaftliche Bedürftigkeit der Kläger Voraussetzung.

Nach allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts führt aber bereits das Vorliegen leichter Fahrlässigkeit zur Haftung (vgl Kletecka, Glosse zu RdM 2004/36, 50) und auch das Fehlen einer durch das Schadensereignis ausgelösten wirtschaftlichen Notlage des Geschädigten bildet keine gesetzlich anerkannte Grundlage dafür, Schadenersatz zu verweigern.

7. Mitwirkung der Nebenintervenientin:

7.1. Die Beklagte meint, ein Fehlverhalten Dris. Monika U* könne selbst gegebenenfalls nicht zur Haftungsbegründung ausreichen, weil sich die Erstklägerin nach dem Besuch der Risikoambulanz wieder in die Obhut der Nebenintervenientin als der niedergelassenen Frauenärztin begeben habe. Zwischen der Risikoambulanz und der niedergelassenen Frauenärztin gebe es eine enge Zusammenarbeit und ein stark verflochtenes Kontrollsystem. Durch das anzunehmende Fehlverhalten der Nebenintervenientin sei es daher zur Unterbrechung des Kausalverlaufs gekommen, sodass auch aus diesem Grund die Beklagte nicht für den (gesamten) Schaden einzustehen habe.

7.2. Die Grenze, bis zu der dem Urheber eines Schadens die Haftung für die Folgen seiner Handlungen auferlegt wird, bestimmt sich nach der sogenannten Adäquanztheorie. Danach ist eine adäquate Verursachung (eines später eingetretenen Schadens) dann anzunehmen, wenn das betreffende Verhalten geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des Eingetretenen in nicht ganz unerheblichem Grade zu begünstigen (8 Ob 10/85 = ZVR 1986/37, 120 = SZ 58/128; Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 8/10 mwN). Ein Schaden ist dann inadäquat, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 8/8; 2 Ob 79/98a mzN). Die „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" durch Eingriff eines Dritten in den Kausalablauf wird von der Rechtsprechung abgelehnt. Vielmehr ist zu prüfen, ob dieses Verhalten des Dritten außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (Koziol, Haftpflichtrecht I³ Rz 8/13 mwN). Dass im Rahmen der ärztlichen Begleitung einer Person nacheinander mehrere Fehlleistungen auftreten können, liegt nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Der Umstand, dass die Nebenintervenientin die Erstklägerin nicht zu einem neuerlichen Organscreening geschickt hat, vermag daher die Haftung der Beklagten nicht auszuschließen.

8. Mitverschulden der Erstklägerin:

8.1. Die Nebenintervenientin behauptet ein Mitverschulden der Erstklägerin, weil diese eine ihr von der Nebenintervenientin vermeintlich angeratene Fruchtwasseruntersuchung abgelehnt habe. Darauf gestützt strebt die Nebeninterventientin eine Kürzung des Ersatzanspruchs der Kläger dem Grund nach auf 50 % an.

8.2. Nach § 1304 ABGB ist ein Verschulden des Geschädigten „verhältnismäßig" zu berücksichtigen. § 1304 ABGB erfasst jene Schädigung, bei welcher „zugleich" ein Verschulden des Schädigers und ein Verschulden des Geschädigten vorliegt. Die Regelung des § 1304 ABGB ist nicht auf den deliktischen Bereich beschränkt, sondern kann auch bei Vertragsverletzungen (Harrer in Schwimann³, § 1304 ABGB Rz 1 f) und namentlich auch im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen Arzt und Patient zur Anwendung kommen (vgl 10 Ob 24/00b = RdM 2001/1, 18; 3 Ob 2121/96z = EvBl 1998/24, 107 = RdM 1998, 57). Aus § 1304 ABGB wird die Obliegenheit abgeleitet, den Schaden möglichst gering zu halten (8 Ob 29/85; RIS‑Justiz RS0027043). Eine Obliegenheitsverletzung des Geschädigten ist für die Anwendung des § 1304 ABGB dann relevant, wenn sie für die Entwicklung des Schadens adäquat kausal geworden ist (10 ObS 213/00x = SSV‑NF 14/100 = DRdA 2001, 64). Als Sorgfaltsmaßstab gilt § 1297 ABGB (RIS‑Justiz RS0032045 [T7]), womit es darauf ankommt, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer acht gelassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch (der maßstabgerechte Durchschnittsmensch) in der konkreten Lage zur Vermeidung des Schadens anzuwenden pflegt (7 Ob 56/87 = VR 1989, 55). Der Sorgfaltsmaßstab darf dabei nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0032045 [T1]).

8.3. Im vorliegenden Fall hatte Oberarzt Dr. Franz L* der Erstklägerin ua auf Grund der bei ihr gegebenen Risikoverteilung (Risiko eines Kindes mit einer Chromosomenstörung Trisomie 21 und Risiko einer Fehlgeburt bei Fruchtwasserpunktion) von dieser invasiven Untersuchung abgeraten. Warum die Erstklägerin entgegen diesem - medizinisch durchaus vertretbaren - fachärztlichen Ratschlag aus eigenem Gutdünken auf einer Fruchtwasseruntersuchung hätte bestehen sollen, ist nicht nachvollziehbar und ein Mitverschulden der Erstklägerin daraus jedenfalls nicht ableitbar.

9. Schadensteilung per Analogie zu §§ 1301, 1304 ABGB:

9.1. Die Beklagte beruft sich auf Rebhahn (in ZEuP 2004, 794), wonach der Ersatzanspruch wegen unerwünschter Geburt so wesentliche und kontroversielle Fragen aufwerfe, dass darüber nicht ein Gericht durch Rechtsfortbildung entscheiden solle, sondern allein der demokratisch legitimierte Gesetzgeber. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, den Wandel von Schicksal zu ersatzfähigem Schaden vorzunehmen. Allenfalls sei eine Schadensteilung vorzunehmen. Eine solche Schadensteilung könne nach Ansicht der Beklagten die analoge Anwendung der §§ 1301, 1304 ABGB ermöglichen.

9.2. Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung voraus (P. Bydlinski in KBB, § 7 ABGB Rz 2). Das Gesetz ist in einem solchen Fall - gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - ergänzungsbedürftig, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS‑Justiz RS0008866; vgl auch RS0098756). Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist auf Grund der Rechtsordnung einschließlich aller auch als Auslegungskriterien heranzuziehenden Maßstäbe zu beurteilen.

9.3. Nach Ansicht des erkennenden Senats und entsprechend den bisher dargestellten Erwägungen sind die hier zu klärenden Haftungsfragen auf der Grundlage des geltenden Schadenersatzrechts lösbar. Die Beklagte unternimmt auch gar nicht den Versuch, aufzuzeigen, worin im gegebenen Zusammenhang eine vermeintliche Rechtslücke konkret bestehen soll. Allein die Meinung eines Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke nicht (RIS‑Justiz RS0008757 [T2]), und ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und eine Regelung zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (RIS‑Justiz RS0008866 [T16]; RS0098756 [T3 und T5]). Das von einem Normunterworfenen rechtspolitisch Erwünschte ist keine ausreichende Grundlage für eine ergänzende Rechtsfindung durch Analogiebildung. Es besteht daher kein Anlass, die §§ 1301, 1304 ABGB, die - wie die Beklagte offenbar selbst erkennt - hier nicht unmittelbar zum Tragen kommen können, analog schlicht zum Zweck der Anspruchskürzung heranzuziehen.

10. Basisunterhalt und/oder nur behinderungsbedingter Unterhaltsmehraufwand:

10.1. Die Beklagte und die Nebenintervenientin vertreten übereinstimmend den Standpunkt, dass selbst bei Annahme eines bestehenden Schadenersatzanspruchs nur der behinderungsbedingte Unterhaltsmehraufwand zu ersetzen sei, nicht aber der sogenannte Basisunterhalt. Die Beklagte erwägt dazu an verschiedenen Stellen ihrer Revision, dass dem Arzt die Last für eine Behinderung auferlegt werde, für die er nichts könne, die Arzthaftung nicht ausufern dürfe und das Kind von den Eltern gewünscht gewesen sei, sodass sie jedenfalls für den Basisunterhalt aufzukommen hätten. Die Nebenintervenientin verweist zur vermeintlichen Ersatzfähigkeit nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands ohne weitere Begründung nur auf die E 6 Ob 101/06f.

10.2. Richtig ist, dass die vorliegende Behinderung des Kindes nicht auf einem ärztlichen Fehler beruht. Ein solcher Vorwurf wird aber auch gar nicht erhoben. Was hier vorliegt und insbesondere zu Punkt 5.4. ff näher begründet wurde, ist eine fehlerhafte Pränataldiagnostik bei einer schwangeren Frau, die dazu geführt hat, dass den Klägern die Möglichkeit eines auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB gestützten Schwangerschaftsabbruchs, der nicht rechtswidrig gewesen wäre und wofür in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen vorgelegen hätten, entzogen wurde. Wenn den Klägern rechtzeitig gesagt worden wäre, ihr Kind leide an MMC, hätten sie - nach den bindenden erstgerichtlichen Feststellungen - die Schwangerschaft abbrechen lassen. Damit steht fest, dass es bei pflichtgemäßer Diagnose und Beratung durch die Ärztin der Risikoambulanz nicht zur Geburt des Kindes und damit auch zu - keiner - Unterhaltsbelastung der Kläger gekommen wäre. Dass bei der gegebenen Sachlage auch die finanziellen Interessen der Kläger vom Schutzzweck des Behandlungsvertrags umfasst waren, wurde bereits begründet (Punkt 5.4.). Schadenersatzrechtlich kann also nur die Situation mit und ohne Kind verglichen werden, was aber eine Reduktion des Ersatzanspruchs nur auf den behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwand ausschließt. Zum Ersatz bloß des behinderungsbedingten Mehraufwands könnte man nur durch den Vergleich des behinderten Kindes mit einem - auf einer bloßen Fiktion beruhenden - gesunden Kind kommen und gerade diese Betrachtungsweise wäre nicht nur schadenersatzrechtlich verfehlt, sondern ein die Behinderung in den Vordergrund stellender und insoweit gerade diskriminierender Denkansatz.

10.3. Für ihre Ansicht, wonach die Arzthaftung nicht „ausufern" solle, liefert die Beklagte auch nicht ansatzweise eine dogmatische Begründung. Der erkennende Senat vermag keine rechtliche Grundlage zu erkennen, warum schlicht auf Grund dieses Postulats die Haftpflicht von Ärzten für vorgelegene und mit beträchtlichen Folgen für die Betroffenen verbundene Diagnosefehler eingeschränkt werden sollte und könnte (ablehnend auch KleteckaRdM 2004/36, 50; Wilhelm, Just Birth - Wrongful Decision, ecolex 2006, 793). Nicht zu Unrecht verweist im Übrigen das Berufungsgericht auf den Umstand, dass der Basisunterhalt in der Regel ohnehin geringer sein wird als der behinderungsbedingte Mehraufwand eines Kindes, sodass auch allein unter dem rein wirtschaftlichen Blickwinkel die Ersatzpflicht gerade nicht durch Zuspruch des Basisunterhalts „ausufern" wird.

10.4. Die Nichtgewährung des Basisunterhalts kann auch nicht mit dem Hinweis begründet werden, es habe sich um ein „Wunschkind" gehandelt. Die Entscheidung zum Kind zur Zeit seiner Zeugung beruhte auf einer anderen Sachlage, nämlich auf einer Situation, in der eine bevorstehende Behinderung des Kindes gerade nicht absehbar war. Später hätten die Kläger eine Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch getroffen, wenn ihnen diese Möglichkeit nicht durch den Diagnosefehler der Ärztin der Risikoambulanz genommen worden wäre. Letztgenannten Umstand negiert die Beklagte - in unzulässiger Abweichung von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts - immer wieder.

10.5. Soweit die Nebenintervenientin die Ersatzfähigkeit nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit dem Hinweis auf die E 6 Ob 101/06f begründet, ist ihr nur zu entgegnen, dass hier nicht der Fall einer wrongful conception mit einem gesunden Kind zu beurteilen ist.

Damit versagen alle Einwände, die die Beklagte und die Nebeninterventientin in ihren Revisionen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts vorgetragen haben.

11. Ergebnis:

Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die pränatale Diagnostik dient nicht zuletzt der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes und soll damit auch der Mutter (den Eltern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv voraussehbar, weshalb auch die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst sind.

Wird beim Organscreening im Rahmen pränataler Diagnostik ein Hinweis auf einen beginnenden Wasserkopf als Folge einer Meningomyelozele nicht entdeckt und unterbleibt eine Wiederbestellung der Schwangeren, obwohl diagnoserelevante Strukturen nicht einsehbar waren, dann liegt ein ärztlicher Kunstfehler vor. Hätten sich die Eltern bei fachgerechter Aufklärung über die zu erwartende schwere Behinderung des Kindes und einen deshalb gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB zu Letzterem entschlossen, haftet der Arzt (der Rechtsträger) für den gesamten Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind. In einem solchen Fall stünden sowohl die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinn vor, als auch der bloße Zuspruch nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit den Grundsätzen des österreichischen Schadenersatzrechts nicht im Einklang.

Die Revisionen müssen daher erfolglos bleiben.

12. Kostenentscheidung:

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Klagevertreter hat beide Revisionen am selben Tag zugestellt erhalten. Die inhaltliche Befassung mit dem umfangreichen Rechtsmittel der Beklagten erlaubte auch die Behandlung der vergleichsweise auf wenige Punkte beschränkten Revision der Nebenintervenientin. Die Einbringung zweier (getrennter) Revisionsbeantwortungen war daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich (allgemein dazu Bydlinski in Fasching/Konecny² § 41 ZPO Rz 27). Den Klägern sind deshalb nur die Kosten der gegen die Revision der Beklagten erhobenen Revisionsbeantwortung (ON 50) zuzüglich eines weiteren Streitgenossenzuschlags zu ersetzen.

 

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