OGH 2Ob79/98a

OGH2Ob79/98a25.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian P*****, vertreten durch Dr. Otto Holter und andere Rechtsanwälte in Grieskirchen, wider die beklagte Partei Dietmar F*****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in Eferding, wegen S 101.000,-- sA und Feststellung (Streitwert S 25.000,--; Revisionsinteresse S 76.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 6. Oktober 1997, GZ 21 R 327/97f-58, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eferding vom 22. Mai 1997, GZ 3 C 201/95w-52, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.080,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der am 23. 11. 1976 geborene Beklagte besuchte nach Absolvierung der Pflichtschule ein Jahr eine chemietechnische Fachschule und war seit dem 1. 9. 1992 als Chemielaborantenlehrling beschäftigt. Er experimentierte bereits seit seinem 13. bzw 14. Lebensjahr mit Sprengsubstanzen. Er wurde in Gesprächen mit Schulkollegen und Schülern höherer Klassen auf den Stoff Acetonperoxid aufmerksam gemacht und erhielt auch die Rezeptur zu dessen Herstellung. Weiters war ihm bekannt, daß zahlreiche Schulkollegen diesen Stoff herstellten und damit hantierten, ihn insbesondere zur Sprengung von kleinen Baumstümpfen verwendeten. Im Jänner 1993 gelang dem Beklagten erstmals die Herstellung von Acetonperoxid, wobei er diesen Vorgang insgesamt vier- bis fünfmal wiederholte und das Pulver in einem Gurkenglas mit Schraubdeckel aufbewahrte. Die Herstellung erfolgte ausschließlich zu Juxzwecken. So wurden von ihm geringe Mengen Acetonperoxid, etwa dem Volumen eines Zündholzkopfes entsprechend, in Alufolie eingewickelt und zusammengepreßt. Mit diesen Kügelchen wurden sodann Zigaretten "präpariert", wobei das Pulver aufgrund der mit dem Anzünden einer Zigarette verbundenen Hitze explodierte und die Zigarettenspitze zerfetzte. Eine weitere Anwendungsart bestand darin, daß etwa ein halber Kaffeelöffel voll Acetonperoxid auf die innere Handfläche gestreut wurde, um es mit einer Zigarette oder Feuerzeug zum Verpuffen zu bringen, wodurch eine Stichflamme von 20 bis 40 cm entstand. Der Beklagte wußte, daß Acetonperoxid in großen Mengen und insbesondere in komprimiertem Zustand äußerst gefährlich ist, obwohl sich in der einschlägigen Fachliteratur nur wenig Hinweise auf die Gefährlichkeit dieser Substanz finden. Der Beklagte verteilte in der Folge derart angefertigte Alukügelchen an Freunde und Bekannte. In größeren Mengen gab er Acetonperoxid nur zweimal ab. Unter anderem händigte er einmal ein 10 cm großes und 3 cm breites Fläschchen, das zu etwa drei Viertel mit Acetonperoxid gefüllt war, an Manuela K***** aus. Das Fläschchen war mit keiner Kennzeichnung versehen, die auf die besondere Gefährlichkeit und auf besondere Handhabungserfordernisse aufmerksam gemacht hätte. Bei der Übergabe wurde Manuela K***** vom Beklagten dahingehend belehrt, daß sie die Kügelchen nicht zu groß machen dürfe, das Fläschchen nicht offen herumstehen und nicht in den Bereich von Flammen gebracht werden dürfe. Auf die Folgen einer etwaigen Explosion des ganzen Fläschchens wurde sie nicht hingewiesen.

Am 17. 11. 1993 befand sich der Kläger mit Freunden, darunter auch Manuela K*****, in einem Lokal in Hartkirchen. Manuela K***** nahm das vom Beklagten erhaltene Fläschchen aus der Jackentasche, schüttete sich zunächst einen halben Teelöffel des Pulvers auf die Innenhand und brachte es dann mit einer Zigarette zur Explosion, wobei eine helle Stichflamme sichtbar wurde. Die ebenfalls anwesende Natascha K***** wollte das Fläschchen haben und griff nach ihm. Bei dieser Manipulation wurde das Pulver auf dem Tisch verschüttet, wobei ein Teil in den Aschenbecher gelangte. Durch die im Aschenbecher befindliche Zigarettenglut wurde das Pulver zur Explosion gebracht, wodurch mehrere Personen, insbesondere der Kläger, Manuela K***** und Natascha K*****, zum Teil schwerst verletzt wurden.

Acetonperoxid ist ein äußerst instabiler und aufgrund seiner großen Empfindlichkeit gegenüber Schlag-Stoß und erhöhter Temperatur - nicht handhabungssicherer Sprengstoff aus der Gruppe der Initialzündungstoffe. Die Schlag- und Reibungsempfindlichkeit dieses Stoffes reicht fast an die von von Nitroglycerin heran, die Leistungsfähigkeit erreicht etwa 90 % jener von TNT. Die Herstellung von Acetonperoxid ist an eine Befugnis gebunden.

Der Kläger begehrte aufgrund dieses Sachverhaltes vom Beklagten die Zahlung von S 101.000,--. Der Beklagte habe den von ihm unrechtmäßig hergestellten Sprengstoff sorgfaltswidrig an Manuela K***** weitergegeben. Acetonperoxid sei als Sprengmittel im Sinne des Schieß- und Sprengmittelgesetzes zu qualifizieren. Jeder maßgerechte Chemielaborantenlehrling hätte es unterlassen, Acetonperoxid herzustellen und an Bekannte weiterzugeben. Das objektiv fahrlässige Verhalten sei ihm auch subjektiv vorwerfbar, weil er ungefähr von der Gefährlichkeit des von ihm erzeugten Sprengmittels gewußt habe; die vom Kläger erlittenen Verletzungen seien adäquate Folge des Fehlverhaltens des Beklagten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das von ihm hergestellte Pulver sei nur zu Juxzwecken verwendet worden. Er habe nie beabsichtigt, mit der von ihm hergestellten Substanz feste Körper zu sprengen. Er habe auch bei Übergabe des Fläschchens an Manuela K***** genaue Verhaltensanweisungen gegeben und insbesondere darauf hingewiesen, keine größere Mengen zu verwenden, das Fläschchen nach Gebrauch immer sofort zu verschließen und das Pulver nie in die Nähe von Wärme, Flammen oder dorthin wo geraucht wird, zu bringen. Den Beklagten könne daher wegen der Weitergabe des Pulvers keine Sorgfaltswidrigkeit vorgeworfen werden. Manuela K***** sei mit Pulver sorglos umgegangen, was er nicht mehr habe beeinflussen können und womit er nicht rechnen habe müssen. Dadurch sei der "Kausalzusammenhang zwischen der Herstellung bzw Übergabe des Pulvers und der späteren Explosion unterbrochen". Der Beklagte habe keine genaue Kenntnis über die große Gefährlichkeit und Explosionskraft dieses Stoffes gehabt.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit einem Teilbetrag von S 51.000,-- und dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren wies es rechtskräftig ab.

Es erörterte ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, daß der Beklagte gegen § 6 Abs 1 Schieß- und Sprengmittelgesetz (idF BGBl 1975/92), nach der die Erzeugung von Schieß- und Sprengmitteln an eine besondere Befugnis gebunden sei, verstoßen habe. Als Schieß- und Sprengmittel seien alle Erzeugnisse zu verstehen, die bei willkürlich auslösbaren chemischen Zustandsänderungen derart Energie frei werden lassen, daß Geschoße einer Feuerwaffe angetrieben oder feste Körper gesprengt werden können. Es müsse sich also um ein Erzeugnis handeln, das entweder ein handelsübliches Sprengmittel sei oder dessen objektive Zweckbestimmung ausschließlich oder überwiegend im Sprengen von Festkörpern gelegen sei. Es sei jener Verwendungszweck zugrundezulegen, den der maßgerechte Durchschnittsmensch nach allgemeiner Lebenserfahrung mit der betreffenden Substanz verbinden würde. Dieser objektive Verwendungszweck liege bei Acetonperoxid im Sprengen von festen Körpern. § 6 Abs 1 Schieß- und Sprengmittelgesetz bezwecke die Hintanhaltung der Gefährdung von Personen und Sachen durch nicht genügend befähigte Erzeuger von Sprengmitteln. Der Beklagte sei bei der Erzeugung des Pulvers mit gröblichstem Leichtsinn vorgegangen. Der Schutzzweck der Norm liege auch darin, die Weitergabe von Sprengstoff, insbesondere unter mangelnder Aufklärung über dessen Handhabung, zu verhindern, da es die besondere Gefährlichkeit von Sprengmitteln notwendig mache, deren Herstellung nur durch befugte Personen zuzulassen, und die Gefahren nicht nur durch unsachgemäße Erzeugung oder Lagerung ausgingen, sondern nach allgemeiner Lebenserfahrung auch dadurch entstünden, daß Sprengmittel an andere unbefugte bzw ungeeignete Personen gelangen könnten. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Verhalten des Beklagten und dem eingetretenen Schaden sei zu bejahen. Darüber hinaus habe der Beklagte durch Überlassung des Sprengmittels eine andere Person an ihrer Gesundheit bzw körperlichen Integrität, somit an einem absolut geschützten Rechtsgut, verletzt, zumal die Erzeugung und Weitergabe von hochexplosivem, nicht handhabungssicherem Sprengstoff in einer größeren Menge, die vor allem unter mangelhafter Aufklärung des Empfängers über dessen Gefahren, jedenfalls eine objektive Sorgfaltsverletzung darstelle. Daß die Weitergabe von Sprengstoff, insbesondere unter mangelnder Aufklärung, zur Herbeiführung von Schäden durch Explosionen geeignet sei, sei zweifellos adäquat. Die adäquate Schadenszurechnung an den Beklagten werde auch nicht durch das sorgfaltswidrige Dazwischentreten Dritter verhindert, zumal diese nicht vorsätzlich einen Schaden angerichtet hätten. Wenn mit dem Fehlverhalten Dritter gerechnet werden könne, könne deren Handeln eine adäquate Schadenszurechnung an den Erstschädiger nicht verhindern. Der Beklagte habe auch subjektiv sorgfaltswidrig gehandelt, weil er schon seit seinem 13. oder 14. Lebensjahr mit explosiven Substanzen experimentiert habe und zum Unfallszeitpunkt bereits ein Jahr als Chemielaborantenlehrling tätig gewesen sei, sodaß er bei gehöriger Anspannung seiner Fähigkeiten erkennen hätte können und müssen, daß die Herstellung und Weitergabe von Acetonperoxid rechtswidrig sei. Wenngleich er keine genauen Vorstellungen über die bei der Handhabung der genannten Substanz einzuhaltenden Regeln und deren extrem Gefährlichkeit hatte, sei ihm die besondere Gefährlichkeit von Acetonperoxid, insbesondere in größeren Mengen und in komprimiertem Zustand bewußt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte dessen rechtliche Beurteilung, daß das vom Beklagten hergestellte Acetonperoxid in der an Manuela K***** übergebenen Menge als Sprengmittel im Sinn des § 1 Abs 1 Schieß- und Sprengmittelgesetz zu qualifizieren sei. Wenngleich er die mögliche Explosionswirkung der weitergegebenen Menge nicht im Detail zu beurteilen vermocht habe, habe er fahrlässig gehandelt, weil ihm sehr wohl bekannt gewesen sei, daß von Schulkollegen höherer Klassen dieser Stoff zum Sprengen von kleinen Baumstümpfen verwendet werde und er alleine daraus, daß beim Präparieren einer Zigarette mit einer äußerst geringen Menge diese zerfetzt werde und es beim Verbrennen kleiner Mengen auf der inneren Handfläche zu 20 bis 40 cm hohen Stichflamme komme, die besondere Gefährlichkeit dieser Substanz und deren objektive Eignung zum Sprengen fester Körper erkennen hätte können. Der Schutzzweck des Schieß- und Sprengmittelgesetzes verbiete nicht nur die Erzeugung von Sprengmitteln durch unbefugte Personen, sondern auch deren Weitergabe an hiefür nicht geeignete Personen.

Der eingetretene Schaden sei ihm auch ädaquat zuzurechnen. Ein Schaden sei nur dann inadäquat, wenn seine Ursache nur zufolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu seiner Bedingung geworden sei. Dabei sei die Ädauqanz des Kausalzusammenhanges objektiv und nicht danach zu beurteilen, was dem Schädiger subjektiv vorhersehbar gewesen sei, sondern es komme entscheidend darauf an, ob der Beklagte mit dem Eintritt eines derartigen Schadens gerechnet habe. Es bestehe nur dann keine Haftung, wenn als weitere Ursache für den Schaden ein freies menschliches Handeln hinzukomme, mit dem der Schädiger nach der Lebenserfahrung nicht habe rechnen müssen. Es liege keineswegs außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, daß dann, wenn man einem 16-jährigen Mädchen, das zu einem sachgemäßen Hantieren mit Sprengstoffen in keiner Weise geeignet sei und die besondere Gefährlichkeit des ihr übergebenen Stoffes nicht näher abzuschätzen vermöge, einen solchen Stoff zu dem Zweck überlasse, um damit Zigaretten zu präparieren, es auch bei einem unvorsichtigen Hantieren zu Unfällen kommen könne. Der Beklagte habe mangels jeglicher Erfahrung der Manuela K***** im Umgang mit solchen Stoffen nicht damit rechnen können, daß diese zu einem sachgemäßen Hantieren in der Lage sein werde. Der Schutzzweck der vom Beklagten übertretenen Verhaltensnorm umfasse auch das allfällige - selbst grobe - Fehlverhalten dritter Personen, weil nach der gebotenen umfassenden Interessenwertung die Belastungsmomente auf seiten der den Schaden unmittelbar herbeiführende Personen jene auf seiten des Beklagten nicht bei weitem überwiegen, zumal der vom Beklagten überlassene Stoff als äußerst gefährlich einzustufen sei und sich der gegenständliche Unfall auch unmittelbar bei einer Vorführung der Wirkungsweise des Stoffes, wie es dessen Überlassungszweck durch den Beklagten an Manuela K***** entsprochen habe, ereignet habe. Die Verletzung des Klägers sei normadäquat im Sinn der vom Beklagten übertretenen Bestimmungen des Schieß- und Sprengmittelgesetzes, weil dadurch das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko ganz massiv vergrößert worden sei und der beim Kläger eingetretene Folgeschaden von der Intention des erwähnten Schutzgesetzes nicht so weit entfernt scheine, daß hier ein ganz fernliegender Schaden anzunehmen sei. Da keine atypischen Folgen der Schutzgesetzverletzung des Beklagten vorlägen und er trotz seines jugendlichen Alters die besondere Gefährlichkeit seines Verhaltens subjektiv erkennen hätte können, sei die Haftung des Beklagten für die vom Kläger erlittenen Verletzungen zu bejahen, ungeachtet des Umstandes, daß das unvorsichtige Hantieren mit dem Fläschchen am Unfallsort vom Beklagten nicht mehr beeinflußt habe werden können.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine veröffentlichte höchstgerichtliche Judikatur zu auch nur annähernd vergleichbaren Sachverhalten fehle und die Grenzen der objektiven Zurechnung von Folgeschäden gerade bei Schutzgesetzverletzungen vor allem an Hand von Grenzfällen wegen der der Indizwirkung auf vergleichbar gelagerte Sachverhalte gezogen werden könnten.

Der Beklagte beantragt mit Revision die Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Der Beklagte macht zusammengefaßt geltend, daß das von ihm hergestellte Acetonperoxid ausschließlich für Juxzwecke verwendet hätte werden sollen und daher nicht als Sprengmittel im Sinne des Schieß- und Sprengmittelgesetzes angesehen werden könne; der eingetretene Schaden sei vom Schutzzweck des § 6 SSG, das nur auf die Erzeugung eines Schieß- und Sprengmittels gerichtet sei, nicht mehr umfaßt; der Beklagte habe aufgrund seines Alters die Gefährlichkeit des von ihm erzeugten Stoffes nicht erkennen können; der Schaden sei nicht adäquat, weil der Beklagte nicht damit habe rechnen müssen, daß das von ihm übergebene Pulver entgegen seinen ausdrücklichen Verhaltensanweisungen verwendet werde.

Rechtliche Beurteilung

Mit all diesen Ausführungen vermag allerdings der Revisionswerber erhebliche Rechtsfragen nicht aufzuzeigen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zunächst ist auf die ausführliche Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Es kann zunächst keinem Zweifel unterliegen, daß das vom Beklagten hergestellte Acetonperoxid in der an Manuela K***** übergebenen Menge als Sprengmittel im Sinn des § 1 Abs 1 SSG zu qualifzieren ist. Selbst wenn es sich wegen der fehlenden Handhabungssicherheit um kein handelsübliches Sprengmittel handeln sollte, können damit feste Körper gesprengt werden. Dessen bestimmungsgemäßer Gebrauch liegt daher nicht in reinen "Juxzwecken". Dies ergibt sich schon daraus, daß der Stoff hoch explosiv und äußerst gefährlich ist und daß seine Leistungsfähigkeit etwa 90 % jener von TNT, einem ebenfalls äußerst gefährlichen Sprengstoff entspricht. Da jedenfalls feste Körper damit gesprengt werden können, unterliegt Acetonperoxid dem Schieß- und Sprengmittelgesetz (§ 1). Keinem Zweifel kann weiters unterliegen, daß die Schutzbestimmung des § 6 leg cit (Erzeugnisbefugnis von Sprengmitteln nur durch befugte Personen) auch das Verbot der Weitergabe von Schieß- und Sprengmittel an unbefugte Personen umfaßt. Es mag zwar zutreffen, daß der Beklagte keine genaue Kenntnis über die Wirkungsweise von Acetonperoxid hatte, doch war ihm aus Erzählungen bekannt, daß damit Baumstümpfe gesprengt werden können und daß bereits kleine Mengen ausreichen, um Zigaretten zu zerfetzen und bis zu 40 cm hohe Stichflammen zu erzeugen. Nach den allgemeinen Lebenserfahrungen kann auch von einem 17-jährigen eingesehen werden, daß derart schon in kleinen Mengen explosive Stoffe eine bedeutende Gefahr darstellen, wenn sie in größeren Mengen gehandhabt werden.

Die Frage, ob ein bestimmter Stoff als Sprengmittel im Sinn des Schieß- und Sprengmittelgesetzes anzusehen ist, läßt sich aber jedenfalls nur an Hand des Einzelfalles beurteilen, weshalb Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung dabei nicht berührt werden. Dies gilt auch dafür, ob im Einzelfall die Gefährlichkeit des Stoffes annähernd bekannt sein mußte.

Auch die Frage, ob der eingetretene Schaden noch adäquate Folge der unbefugten Weitergabe von Sprengmitteln war, betrifft im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlaßfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle zukommt (vgl 2 Ob 275/97y, 2 Ob 162/98g).

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird die Grenze, bis zu der dem Urheber eines Schadens die Haftung für die Folgen seiner Handlungen auferlegt wird, nach der sogenannten Adäquanztheorie bestimmt. Danach ist eine ädaquate Verursachung (eines später eingetretenen Schadens) dann anzunehmen, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung des zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zur Zeit der Handlung dem Täter oder einem Durchschnittsmenschen bekannte oder erkennbare Umstände des Falles geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen in nicht ganz unerheblichem Grade zu begünstigen (Koziol,

Haftpflichtrecht I3 Rz 8/10 mwN; SZ 58/104; VR 1992, 121; SZ 65/94 =

JBl 1993, 399 = WBl 1993, 41; ÖBA 1996, 213; 2 Ob 275/97y; 2 Ob

155/97a; 2 Ob 162/98g). Nach der negativen Formulierung ist ein Schade dann inadäquat, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch ein außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (Koziol, aaO Rz 8/8; SZ 29/84 = EvBl 1957/132; ÖRZ 1979/15; ZVR 1980/16; ZVR 1983/39; ZVR 1995/73). Auch zur Frage, ob Adäquität dann gegeben sei, wenn ein Dritter in den Kausalablauf eingegriffen habe, ohne daß der Schädiger auf dessen Verhalten Einfluß nehmen konnte, hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls schon Stellung genommen und ausgesprochen, daß eine derartige "Unterbrechung des Kausalzusammenhanges" abgelehnt werde und nur zu prüfen sei, ob mit der Handlung des Dritten noch gerechnet werden mußte (JBl 1954, 400; ZVR 1971/224; ZVR 1973/131; JBl 1974, 372; ZVR 1980/150 und 299; ZVR 1989/130; 2 Ob 275/97y). In der herrschenden Lehre wird ebenfalls die Meinung vertreten, daß auch durch Handlungen, die auf dem freien Willen Dritter beruhen, die Adäquität nicht notwendigerweise ausgeschlossen wird, sondern es allein darauf ankommt, ob dieses Verhalten des Dritten nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/13 mwN). In jüngster Zeit wurde ausgesprochen, daß die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens nur dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn eine umfassende Interessenabwägung ergibt, daß die Belastungsmomente auf Seite des Verletzten bzw eines Dritten jene des Ersttäters bei weitem überwiegen (2 Ob 155/97a).

Bei der gebotenen Interessenabwägung, wonach nämlich die Belastungsmomente jener Personen, die mit dem Sprengmittel unmittelbar hantierten, gegenüber jenen des Beklagten nicht derart überwogen, daß der eingetretene Schaden nicht mehr als adäquate Folge der (verbotenen) Weitergabe des Sprengmittels war, ist dem Berufungsgericht keine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen, welche die Zulässigkeit der Revision begründen würde (vgl RZ 1994/45).

Die Revision war daher ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichtes als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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