OGH 2Ob155/97a

OGH2Ob155/97a14.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Hans Christian Baldinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchrahm und Dr. Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 70.910,80 sA, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 1997, GZ 36 R 442/96h-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. April 1996, GZ 32 C 832/95g-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahingehend abgeändert, daß der stattgebende Teil des Urteiles des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.255,52 (darin enthalten Barauslagen S 2.020 und Umsatzsteuer S 2.706,28) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 23. 9. 1994 ereignete sich gegen 11 Uhr 15 bei Tageslicht und trockener Fahrbahn auf der A 2 in Fahrtrichtung Graz bei Kilometer 78,23 vor der Ausfahrt Zöbern/Neunkirchen ein Verkehrsunfall, an dem der von der klagenden Partei gehaltene, von deren Geschäftsführer gelenkte PKW Jaguark Daimler, 4,0, ein bei der beklagten Partei haftpflichtversicherter, von Ernst J***** gelenkter PKW Honda Civic und ein slowakischer LKW beteiligt waren.

Die klagende Partei begehrt Zahlung von S 70.910,80 sA. Ihr Geschäftsführer habe - auf der Überholspur Richtung Graz fahrend - wegen eines Staus das von ihm gelenkte Fahrzeug mit einer normalen Betriebsbremsung abbremsen müssen. Der Versicherungsnehmer der beklagten Partei sei mit seinem Fahrzeug infolge Unaufmerksamkeit oder Einhaltung eines zu geringen Tiefenabstandes ungebremst auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Durch diese Kollision sei es zu einer extremen Stauchung im Bereich des Hecks des Fahrzeugs der klagenden Partei gekommen, wodurch bereits wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit gewesen, weshalb es ihr Geschäftsführer nicht mehr von der Fahrbahn wegbringen habe können. Einige Minuten später sei noch ein slowakischer LKW auf das Fahrzeug der klagenden Partei aufgefahren. Für Abwehrmaßnahmen sei die Zeit zwischen den beiden Kollisionen zu kurz gewesen, überdies sei auf Grund des herrschenden Verkehrsaufkommens ein Wegfahren des PKWs der klagenden Partei für dessen Lenker unzumutbar gewesen. Es seien Schäden am Fahrzeug sowie an der Beladung entstanden. Darüberhinaus seien zusätzliche Abschlepp- und Übernachtungskosten aufgelaufen.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie gestand das Verschulden des bei ihr versicherten Lenkers am Erstunfall zu. Dadurch seien jedoch nur geringe Schäden am Fahrzeug der klagenden Partei entstanden. Auch die Schäden am Ladegut seien diesem Unfall nicht zuordenbar. Das Fahrzeug der klagenden Partei sei nach dem Erstunfall noch fahrbereit gewesen. Dessen Lenker treffe ein Verschulden an der Zweitkollision, weil es ihm möglich gewesen wäre, sein Fahrzeug auf dem Pannenstreifen abzustellen.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Teilbetrag von S 65.911,- sA statt und wies das Mehrbegehren von S 4.999,80 ab.

Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Im Unfallsbereich wird die A 2 mit zwei, je 3,75 m breiten aktiven Fahrstreifen sowie einem Pannenstreifen geführt. Zur Unfallszeit herrschte in Fahrtrichtung der unfallsbeteiligten Fahrzeuge starkes Verkehrsaufkommen. Vor der Erstkollision fuhren in beiden Fahrstreifen zahlreiche Fahrzeuge. Sowohl das Fahrzeug der klagenden Partei als auch das vom Versicherungsnehmer der beklagten Partei gelenkte fuhren vor der Kollision am zweiten Fahrstreifen von rechts, um andere Fahrzeuge zu überholen.

Der Geschäftsführer der klagenden Partei lenkte das Fahrzeug zunächst mit einer Geschwindigkeit von 90 bis 100 km/h und mußte wegen langsamerer Fahrzeuge und beginnender Staubildung abbremsen. Er bremste mit einer normalen Betriebsbremsung bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h. Der dahinter fahrende Versicherungsnehmer der beklagten Partei näherte sich mit einer Geschwindigkeit von 120 bis 130 km/h und reagierte auf das Abbremsmanöver zu spät. Er tätigte dann zwar eine Vollbremsung, konnte aber nicht mehr verhindern, daß er mit einer Geschwindigkeit von rund 90 km/h auf das noch mit 60 km/h fahrende Fahrzeug der klagenden Partei auffuhr. Nach dieser Erstkollision brachten beide Lenker ihre Fahrzeuge, ohne ins Schleudern zu geraten, in einer im wesentlichen geraden Fahrlinie auf demselben Fahrstreifen nach einer Folgestrecke von 50 bis 60 m zum Stillstand. Das Fahrzeug der klagenden Partei wurde dabei bis zum Stillstand mit einer stärkeren Betriebsbremsung abgebremst. In der Stillstandsposition blockierten beide Fahrzeuge den zweiten Fahrstreifen von rechts soweit, daß andere Fahrzeug auf diesem Fahrstreifen nicht mehr rechts vorbeifahren konnten. Der Tiefenabstand zwischen beiden Fahrzeugen war jedenfalls größer als 1,5 m; möglicherweise standen beide Fahrzeuge nicht genau hintereinander sondern das Fahrzeug der klagenden Partei etwas seitlich nach rechts versetzt, doch sind nähere Feststellungen dazu nicht möglich.

Durch die Erstkollision wurde das Fahrzeug der klagenden Partei im Heckbereich (in der Mitte) um ca 15 cm mittig eingedrückt, sodaß sich der Kofferraumdeckel nicht mehr öffnen ließ. Das Fahrzeug war aber nach dieser Kollision technisch fahrbereit. Rein fahrtechnisch wäre es dessen Lenker möglich gewesen, das Fahrzeug nach rechts hin zum Pannenstreifen oder auch an den äußersten linken Rand des zweiten Fahrstreifens zur Leitschiene hin zu fahren. Der Lenker unterließ dies, weil er der Meinung war, daß sein Fahrzeug nicht mehr fahrbereit sei.

Nach der Kollision stiegen beide Lenker aus und verständigten sich dahingehend, daß der Versicherungsnehmer der beklagten Partei hinter seinem Fahrzeug ein Pannendreieck aufstellen sollte, weil beiden Lenkern die Gefährlichkeit der Situation bewußt war. Der Geschäftsführer der klagenden Partei konnte sein Pannendreieck aus dem beschädigten Kofferraum nicht herausnehmen. Er veranlaßte, daß seine Ehefrau die Fahrbahn (nach rechts über den Pannenstreifen) verließ. Das Pannendreieck wurde etwa 15 - 20 m hinter dem vom Versicherungsnehmer der beklagten Partei gelenkten Fahrzeug aufgestellt. Unterdessen näherte sich auf dem zweiten Fahrstreifen ein slowakischer LKW. Dessen Lenker hielt eine Geschwindigkeit ein, die es ihm nicht ermöglichte, innerhalb der eingesehenen Sichtstrecke anzuhalten, fuhr daher zunächst über das aufgestellte Pannendreieck und kam noch seitlich am bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeug vorbei. Bei diesem Ausweichmanöver kollidierte das Fahrzeug aber mit einem am rechten Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug, kam dadurch wieder zurück auf den zweiten Fahrstreifen von rechts und rammte mit der linken vorderen Ecke die rechte hintere Seite des Fahrzeugs der klagenden Partei, das durch die Kollision entlang der in der Mitte befindlichen Leitschiene geschleudert wurde. Die Folgekollision ereignete sich in einem zeitlichen Abstand von rund 2 bis 3 Minuten nach der Erstkollision.

Durch die Folgekollision wurde das Fahrzeug der klagenden Partei noch zusätzlich erheblich beschädigt; insgesamt entstand durch beide Kollisionen wirtschaftlicher Totalschaden am Fahrzeug der klagenden Partei; eine genaue Zuordnung der Schäden auf die einzelnen Kollisionen ist nicht möglich. Unter der Voraussetzung, daß durch den Erstanstoß am Fahrzeug der klagenden Partei eine Deformation des Kofferraumbodens entstanden wäre, würden sich die nur darauf entfallenden Reparaturkosten zwischen S 20.000,- und S 40.000,-

bewegen.

Nach Eintritt des Totalschadens hatte die klagende Partei nach Leistung der Kaskoentschädigung S 27.700,- an Selbstbehalt selbst zu tragen. An Abschleppkosten des schließlich fahruntüchtigen Fahrzeuges hatte die klagende Partei S 1.721,- zu bezahlen. Nach dem Unfall wurde der Geschäftsführer der klagenden Partei von der Unfallstelle abgeholt und nach Wien zurückgebracht, wofür Kilometergeld von S 1.032,- zu bezahlen war. Durch den Unfall wurde eine zusätzliche Übernachtung notwendig, wofür der klagenden Partei S 1.568,-

erwuchsen. Darüberhinaus wurden eine Alarmanlage und verschiedene dem Geschäftsführer der klagenden Partei gehörende Gegenstände beschädigt, deren Ersatzkosten das Erstgericht auch unter Zuhilfenahme des § 273 ZPO mit S 33.890,- feststellte. Es hielt weiters fest, daß es nicht möglich sei, diese einzelnen Schadenspositionen, soweit sie nicht den Fahrzeugschaden betreffen, einer der beiden Kollisionen zuzurechnen; es sei ungeklärt, ob die Schäden an den beschädigten Gegenständen bereits durch die Erstkollision oder durch die Zweitkollision mit dem LKW hervorgerufen wurden.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß den Versicherungsnehmer der beklagten Partei das Alleinverschulden an der Erstkollision treffe, weil er gegen § 20 StVO verstoßen habe. Er hafte für alle zufälligen Folgen der Erstkollision, mit deren Möglichkeit in abstracto gerechnet werden müsse, sofern es sich um keinen atypischen Erfolg handle. Die Folgekollision sei nicht als atypischer Erfolg anzusehen, weil wegen der Blockierung der Fahrbahn durch die beiden Fahrzeuge das Zustandekommen einer weiteren Kollision nicht atypisch sei. Es sei zwar richtig, daß nach § 46 Abs 3 StVO ein Fahrzeug, das wegen eines Gebrechens oder dergleichen auf der Autobahn angehalten werden müsse, möglichst auf dem Pannenstreifen abzustellen sei, und der Lenker des Fahrzeuges dafür Sorge zu tragen habe, daß er mit dem Fahrzeug die Fahrt ehestens fortsetzen könne oder es unverzüglich von der Autobahn zu entfernen habe. Rein technisch wäre es dem Geschäftsführer der klagenden Partei möglich gewesen, das fahrbereite Fahrzeug an anderer, weniger gefährlicher Stelle, also entweder am Pannenstreifen oder äußerst links entlang der Leitschiene abzustellen. Dadurch wäre auch die Zweitkollision vermieden worden. Diese Handlungsweise sei ihm aber nicht zumutbar gewesen, weil er einerseits durch den Unfall sicherlich erschrocken sei und zunächst eine Verständigung mit dem Lenker des auffahrenden Fahrzeuges stattgefunden habe, andererseits aber auch äußerst starkes Verkehrsaufkommen geherrscht habe. Immerhin sei es zur Absicherung der Unfallsörtlichkeit durch Aufstellen eines Pannendreiecks gekommen, was grundsätzlich eine richtige Reaktion auf die offenbar von beiden Lenkern erkannte Gefahrenlage gewesen sei. Dem Geschäftsführer der klagenden Partei sei es auch für einen Zeitraum von 2 bis 3 Minuten zuzubilligen, der Meinung zu sein, sein Fahrzeug sei nicht mehr fahrbereit. Ein sofortiges Auslenken auf den Pannenstreifen als sofortige Reaktion auf die Kollision sei unzumutbar, andererseits im Hinblick auf das im Unfallsbereich herrschende Verkehrsaufkommen schwierig gewesen. Es trage nicht zur Unfallsvermeidung bei, wenn ein beschädigtes Fahrzeug bei starkem sonstigen Verkehrsaufkommen quer über den ersten Fahrstreifen in Richtung Pannenstreifen gelenkt werde. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruhe auf dem nach § 273 ZPO festgestellten Schaden.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, daß es dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 43.220,- samt 4 % Zinsen seit dem 13. 6. 1995 stattgab und das Mehrbegehren von S 27.690,80 sowie das 4 % übersteigende Zinsenbegehren abwies. Weiters sprach es - nach Urteilsberichtigung - aus daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Der Zweitunfall sei typische Folge des Erstunfalles gewesen. Auf Autobahnen, die dem Hochgeschwindigkeitsverkehr dienten, seien Auffahrunfälle durch blockierte Fahrbahnen unmittelbar nach einer Kurve zu erwarten. Adäquate Kausalität sei aber nicht das ausschließliche Kriterium für die Zurechnung von Folgeschäden. Eine Schadenszurechnung sei trotz Bejahung der Adäquanz dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Schaden auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst beruhe, der ihn auch deshalb allein zu verantworten habe. Diese Voraussetzung liege hier vor. Nach § 46 Abs 3 StVO sei derjenige, der sein Fahrzeug auf der Autobahn anhalten müsse, verpflichtet, es möglichst weit seitlich des Fahrstreifens aufzustellen. Er habe es unverzüglich auf den Pannenstreifen zu lenken. Dieser Verpflichtung sei der Geschäftsführer der klagenden Partei nicht nachgekommen, weil er nicht einmal versucht habe, das Fahrzeug auf den Pannenstreifen oder zumindest auf den linksseitigen Grünstreifen zu lenken. Seine Behauptung, das Fahrzeug sei fahruntüchtig gewesen, sei durch das Sachverständigengutachten widerlegt. Obwohl er die Gefährlichkeit des Verweilens auf der Überholspur erkannt habe und keine Umstände hervorgekommen seien, die auf eine panikartige Reaktion oder besondere Aufregung schließen ließen, habe er nicht versucht, das Fahrzeug in Betrieb zu setzen und auf den Pannenstreifen zu lenken. Ein Irrtum über die Funktionstüchtigkeit des Fahrzeuges könne ihn deshalb nicht entschuldigen, weil die Beschädigungen des Kofferraums nach dem Erstunfall keineswegs so gravierend gewesen seien, daß Anzeichen über die Funktionsuntüchtigkeit vorgelegen seien. Daß ihm ein Wechsel des Fahrstreifens nicht möglich gewesen sei, widerspreche jeder Lebenserfahrung.

Es sei aber auch zu berücksichtigen, daß auch der Lenker des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges trotz fahrbereitem Fahrzeug und ohne unter Schock gestanden zu sein, sein Fahrzeug nicht von der Fahrbahn entfernt habe. Beide Lenker hätten daher in gleicher Weise gegen die Schutznorm des § 46 Abs 3 StVO verstoßen. Es erscheine nicht gerechtfertigt, das Verhalten des Geschäftsführers der klagenden Partei nach dem ersten Unfall unter dem gesonderten Gesichtspunkt einer Verletzung der Pflicht zur Schadensminderung gegenüber der beklagten Partei zu sehen. Die Pflicht zur Schadensminderung werde nach Lehre und Rechtsprechung auch aus dem das Mitverschulden regelnden § 1304 ABGB abgeleitet, führe aber nicht zur Anwendung der Schadensteilungsregel, sondern dazu, daß der Geschädigte seinen Schadenersatzanspruch insoweit zur Gänze verliere, als er den Schaden zu mindern versäumt habe.

Der Zweitunfall sei als alleinige Folge der Entscheidung beider Lenker, die fahrtüchtigen Fahrzeuge auf dem Überholstreifen stehen zu lassen, in gleicher Weise zuzurechnen. Die beklagte Partei hafte für die Folgen des Erstunfalls zur Gänze, für jene des Zweitunfalls zur Hälfte.

Das Berufungsgericht bemaß die bei der klagenden Partei eingetretenen Folgen des Erstunfalls gemäß § 273 ZPO mit S 30.000,-. Da die klagende Partei von ihrer Kaskoversicherung zur Gänze entschädigt worden sei, stehe ihr der auf den Erstschaden entfallende Selbstbehalt von 5 % aus S 30.000,-, demnach S 1.500,- zu. Weiters gebührten ihr die Mehrkosten für die Übernachtung von zwei Personen von S 1.568,-, weil diese Kosten auch ohne den Zweitunfall entstanden wären. Zusätzlich stehe der klagenden Partei das halbe Kilometergeld für die Rückfahrt nach Wien zu, weil ihr Geschäftsführer mit dem fahrbereiten Fahrzeug nach Wien hätte fahren können.

Die Frage der Ersatzfähigkeit der Beschädigungen der im Kofferraum transportierten Gegenstände sowie der Alarmanlage sei analog den Regeln der alternativen Kausalität zu lösen. Zwar stehe fest, daß der Folgeunfall durch den Lenker des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges adäquat verursacht worden sei, doch sei er dieser nicht zuzurechnen. Es sei nicht aufklärbar gewesen, ob die im Kofferraum des klägerischen Fahrzeuges transportierten Gegenstände und die Alarmanlage durch den Erst- oder den Zweitunfall zerstört worden seien. Diese Beschädigungen seien daher potentiell der beklagten Partei oder der klagenden Partei zuzurechnen. Bei dieser Sachlage sei § 1302 2. Fall ABGB anwendbar, weil sowohl der Lenker des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeuges als auch der Lenker des klägerischen Fahrzeuges irgendeinen Schaden verursacht hätte, aber nicht klar sei, in welchen Ausmaß sie zum Schaden beigetragen hätten. Sowohl die klagende als auch die beklagte Partei hafteten bei Unbestimmbarkeit je zur Hälfte. Die beklagte Partei habe im Rahmen ihrer Haftung für den Erstunfall der klagenden Partei die Hälfte des mit S 33.890,- bestimmten weiteren Schadens (an den im Kofferraum mitgeführten Gegenständen sowie der Alarmanlage) daher von S 16.945,- zu ersetzen. Insgesamt hafte daher die beklagte Partei im Rahmen des Erstschadens für S 20.529,-. Da für den Zweitunfall beide Lenker je zur Hälfte hafteten, schulde die beklagte Partei darüberhinaus die Hälfte des verbleibenden Betrages von S 45.382,-, das seien S 22.691,-. Insgesamt bestehe die Forderung mit S 43.220,-

zu Recht.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des Ersturteils.

Die beklagte Partei beantragt in ihrem Rechtsmittel die Abänderung der Entscheidung dahingehend, daß ein S 3.584,- sA übersteigendes Begehren abgewiesen werde.

Beide Parteien beantragen in ihren Revisionsmitteilungen dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Lediglich die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Die klagende Partei macht zusammengefaßt geltend, es wäre ihrem Geschäftsführer wegen des dichten Verkehrs nicht möglich gewesen, das Fahrzeug auf den Pannenstreifen zu lenken. Ihm könne ausgehend von der kurzen Abwehrzeit von höchstens von 2 bis 3 Minuten und den gesetzten Maßnahmen, nämlich Veranlassung der Aufstellung des Warndreiecks und Verbringen der Beifahrerin aus der Gefahrenzone, ein Mitverschulden nicht angelastet werden

Die beklagte Partei verweist in ihrem Rechtsmittel, daß der Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei entgegen der Bestimmung des § 46 Abs 3 StVO nicht unverzüglich auf den Pannenstreifen gefahren sei. Durch die größere zerstörerische Wirkung des Zweitunfalles sei es wahrscheinlicher, daß erst durch diesen die im Kofferraum mitgeführten Gegenstände beschädigt worden seien. Da der Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei selbst mitschuld am Zweitunfall sei, komme eine Anwendung der Bestimmung des § 1302 ABGB hinsichtlich der durch den Zweitunfall beschädigten Gegenstände nicht in Betracht. Im übrigen sei auch das Verschulden des slowakischen LKW-Lenkers zu berücksichtigen.

Darauf ist zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Das Verschulden des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Lenkers am Erstunfall ist unbestritten. Es steht auch fest, daß das Fahrzeug der klagenden Partei nach diesem Unfall noch fahrfähig war, weil es nach der Kollision kontrolliert mit einer stärkeren Betriebsbremsung über eine Fahrstrecke von 60 m zum Stillstand gebracht werden konnte (AS 97). Der Lenker des Fahrzeuges der klagenden Partei konnte das Fahrzeug mit einem Pannendreieck nicht mehr absichern, weil ihm der Zugang zum Kofferraum durch die Beschädigung nicht möglich war. Der Lenker des auffahrenden Fahrzeuges stellte sein Pannendreieck rund 15 bis 20 m hinter seinem Fahrzeug auf. Etwa 2 bis 3 Minuten nach der Erstkollision fuhr ein slowakischer LKW über das Pannendreieck, konnte zwar noch dem aufgefahrenen Fahrzeug ausweichen, kollidierte aber in der Folge mit dem rechten hinteren Eck des Fahrzeuges der klagenden Partei.

Zu prüfen ist daher zunächst, ob der Zweitunfall noch adäquate Folge des Erstunfalls war.

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wird die Grenze, bis zu der dem Urheber eines Schadens die Haftung für die Folgen seiner Handlungen auferlegt wird, nach der sogenannten Adäquanztheorie bestimmt. Danach ist eine adäquate Verursachung (eines später eingetretenen Schadens) dann anzunehmen, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung des zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zur Zeit der Handlung dem Täter oder einem Durchschnittsmenschen bekannten oder erkennbaren Umstände des Falles geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des Eingetretenen in nicht ganz unerheblichem Grade zu begünstigen (Koziol,

Haftpflichtrecht I3 Rz 8/10 mwN; SZ 54/108 = JBl 1982, 259 = EvBl

1981/208; SZ 57/196 = JBl 1986, 101 = RdW 1985, 209; VR 1992, 121;

ÖBA 1996, 213). Nach der negativen Formulierung ist ein Schaden dann inadäquat, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 8/8; SZ 27/84 = EvBl 1975/132; ÖRZ 1979/15; ZVR 1980/16; ZVR 1983/39; ZVR 1995/73).

Eine Haftung besteht also auch dann, wenn eine weitere Ursache dazu getreten ist, sofern dieses Hinzutreten nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung liegt (SZ 60/49; SZ 57/173; EF 48.623; ZVR 1977/58 ua). Besteht die weitere Ursache in der Handlung eines Dritten, der auch der Verletzte selbst sein kann, so besteht keine Haftung, wenn mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war (ZVR 1980/150; RZ 1976/71). Nicht selten wird der zunächst eingetretene Schaden durch Handlungen des Verletzten vergrößert, die eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf das schädigende Ereignis darstellen und daher mit diesem in einem adäquaten Kausalzusammenhang stehen.

In der Rechtsprechung (ZVR 1977/238; SZ 55/9 = ZVR 1983/19; ZVR 1984/37, 93 und 338) wurde ganz allgemein ausgesprochen, daß das Zustandekommen weiterer Auffahrunfälle eine geradezu typische Folge einer Behinderung des Verkehrs durch ein Unfallfahrzeug ist (s. auch Koziol, Haftpflichtrecht I3 8/11).

Nach diesen Grundsätzen ist die zweite Kollision daher eine adäquate Folge der Erstkollision.

Trotz Bejahung der Adäquanz wurde aber ebenfalls bereits ausgesprochen, daß eine Zurechnung der Schadensfolge dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst beruht, der diese Schadensfolge deshalb auch allein zu verantworten habe (2 Ob 168/78; RZ 1976/90; 1 Ob 626/89).

So wurde in der - unveröffentlichten - Entscheidung 2 Ob 168/78 ausdrücklich festgehalten, daß trotz Bejahung der Adäquanz eines Folgeunfalles auf der Autobahn, die Zurechnung des Folgeschadens nicht mehr gerechtfertigt erscheine, wenn dieser auf dem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst beruhe. Dieser Entscheidung lag zugrunde, daß der Geschädigte sein Fahrzeug trotz der Aufforderung, es zu entfernen, auf dem ersten Fahrstreifen der Autobahn stehen ließ, um das Eintreffen der Polizei abzuwarten, obwohl ihm die Entfernung des Fahrzeuges vom ersten Fahrstreifen möglich gewesen wäre. Dieses Verhalten des Fahrzeuglenkers wurde dahingehend beurteilt, daß er die daraus entstehenden Folgen allein zu verantworten habe.

Diese Rechtsprechung beruht auf der von Larenz (Lehrbuch des Schuldrechts I14 § 27 IIIb 2) vertretenen Auffassung, daß die objektive Zurechnung der Schadensfolgen auch aus anderen Gründen als mangelnder Adäquanz oder fehlendem Rechtswidrigkeitszusammenhang ausgeschlossen sein könne. Es handle sich in erster Linie um Fälle, in denen die Zurechnung einer Schadensfolge deshalb nicht gerechtfertigt sei, weil diese Folge auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst oder eines Dritten beruht, der sie darum allein zu verantworten habe. Nach Koziol (in Haftpflichtrecht I3 8/77) ist die Formel von der "Herausforderung des Entschlusses" nicht aussagekräftig genug, um daran die Entscheidung zu knüpfen. Er fordert daher ebenso wie bei der Frage der Feststellung der Rechtswidrigkeit in den Fällen der Herbeiführung einer fremden, schädigenden Willensbetätigung die Vornahme einer umfassenden Interessenwertung. Wenn diese ergibt, daß die Belastungsmomente auf seiten des Verletzten oder des Dritten jene auf seiten des Ersttäters bei weitem überwiegen, erscheine es nicht mehr gerechtfertigt, diesem den Schaden noch zuzurechnen.

Die dargestellte Rechtsprechung ist entsprechend der überzeugenden Ausführungen Koziols dahin zu ergänzen, daß die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens dann nicht mehr gerechtfertigt ist, wenn eine umfassende Interessenabwägung ergibt, daß die Belastungsmomente auf Seite des Verletzten jene des Ersttäters bei weitem überwiegen.

Im vorliegenden Fall trifft es zwar zu, daß der Lenker des Fahrzeuges der Klägerin der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 46 Abs 3 StVO nicht entsprochen hat.

Dieses Fehlverhalten führt aber nach der gebotenen Interessenabwägung, nicht zu einem solchen Überwiegen der dem Lenker des bei der beklagten Partei versicherten Fahrzeugs zuzurechnenden Belastungsmomente, daß die Folgen des adäquaten Zweitunfalls nicht mehr dem Ersttäter zugerechnet werden könnten. So ist dem Lenker des erstauffahrenden Fahrzeuges das Herbeiführen eines Auffahrunfalls wegen Unaufmerksamkeit und relativ überhöhter Geschwindigkeit vorzuwerfen, dem Verletzten aber bloß die Unterlassung der Entfernung eines vom Erstunfallsgegner beschädigten, noch fahrbereiten Fahrzeuges vom zweiten Fahrstreifen einer Autobahn. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß der Verletzte - irrtümlich - der Meinung war, trotz der erkannten Gefährlichkeit der Situation, wegen Fahrunfähigkeit des Fahrzeuges das Manöver nicht ausführen zu können, daß starkes Verkehrsaufkommen herrschte und auch ein gewisser Unfallschock nicht auszuschließen ist. Dabei kann auch nicht der kurze Zeitraum zwischen beiden Unfällen außer Acht gelassen werden.

Unter diesen Umständen ist daher dem Erstunfallsgegner auch der adäquate Folgeschaden zuzurechnen. Die beklagte Partei hat daher für den Gesamtschaden einzustehen. Das Verschulden des Lenkers des slowakischen LKW ist dabei nicht zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schadensquote ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens anderer Beteiligter zu ermitteln, wenn nur einzelne von mehreren solidarisch haftenden Unfallsbeteiligten belangt werden (SZ 46/14 = RZ 1973/72 S 52 = ZVR 1974/113; RIS Justiz RS0026668). Die Beklagte ist mit ihrem diesbezüglichen Einwand daher auf ihren Regreßanspruch zu verweisen. Daher war das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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