Spruch:
Der Dritte kann nach Annahme des aus einem Vertrag zu seinen Gunsten entspringenden Rechtes dieses Recht nicht mehr zurückweisen, wohl aber mit Wirkung ex nunc aufgeben.
Entscheidung vom 31. März 1954, 3 Ob 182/54.
I. Instanz: Bezirksgericht Gleisdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Kläger waren Eigentümer der Liegenschaften EZ. 64 und 84 KG. Z. Mit Übergabsvertrag vom 5. März 1952 haben sie diese Liegenschaften um den vereinbarten Übergabspreis von 18.000 S an ihre Tochter, die Zweitbeklagte, übergeben. Die Berichtigung des Übergabspreises war in der Weise vereinbart, daß die Kinder der Übergeber und gleichzeitig Geschwister der Übernehmerin sowie diese selbst als Vorhilfen von ihren Eltern Beträge erhielten, die den Übergabsbetrag ausmachen. Als weiteres Entgelt haben sich die Übergeber noch ein Ausgedinge ausbedungen. Von den bedachten Kindern hatte die Tochter der Zweitklägerin Mathilde T. als mütterliche Vorhilfe einen Betrag von 3000 S erhalten. Im Punkt 15 des Übergabsvertrages verpflichtete sich die Übernehmerin mit ihrer Stiefschwester (richtig Halbschwester) Mathilde T., bis spätestens Ende Juli 1952 einen Vertrag zu errichten, worin der Mathilde T. gegen Erlaß ihres mütterlichen Vorhilfebetrages von 3000 S die Versorgung am übergebenen Anwesen eingeräumt wird. Der Erstbeklagte ist als Gatte der Übernehmerin in der Folgezeit durch Ehepakt Miteigentümer der1 übergebenden Liegenschaften geworden und hat sämtliche Verpflichtungen mitübernommen. Am 12. September 1952 haben die Beklagten mit Mathilde T. vor einem Notar in G. vereinbart, daß Mathilde T. ausdrücklich ohne jedwelches weitere Entgelt auf den Abschluß des in dem Übergabsvertrag vom 5. März 1952 in Punkt 15 vorgesehenen Versorgungsvertrages ein für allemal verzichtet und sich verpflichtet, das Anwesen Z. Nr. 66 bis spätestens Ende September 1952 zu räumen.
Mit der Klage wird begehrt, auszusprechen, es sei zwischen den Beklagten und Mathilde T. ein Versorgungsvertrag dahin als geschlossen anzusehen, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet seien, der Mathilde T. auf Lebenszeit die ortsübliche Kost am gemeinsamen Tisch, eine Schlafstelle in der Küche im eigenen Bett, die Aufstellung eines Kastens zur Aufbewahrung der Kleider und die Beleuchtung und Beheizung der Küche im Haus Nr. 66 in Z. zu reichen und ihr im Krankheitsfall die Kosten der ärztlichen Betreuung und Medikamente zu bezahlen oder zu ersetzen.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren wegen Mangels der Aktivlegitimation der Kläger abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil erster Instanz aufgehoben und hat dem Erstgericht eine neue Entscheidung aufgetragen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei Folge, hob den Beschluß der zweiten Instanz auf und trug dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Notariatsakt vom 5. März 1952 wurde den weichenden Kindern der Übergeber, darunter auch der Mathilde T., eine Vorhilfe in Geld ausgesetzt. Insoweit erscheint der Übergabsvertrag als eine Vereinbarung zugunsten Dritter; die weichenden Kinder haben die ihnen ausbedungenen Rechte mit der Übergabe der Liegenschaft und der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes der Übernehmerin erworben. P. 15 des Übergabsvertrages verpflichtete die Übernehmerin, mit ihrer Halbschwester Mathilde T. einen Versorgungsvertrag gegen Erlaß der Bezahlung des Vorhilfebetrages zu schließen. Da hier von einem Erlaß die Rede ist, geht die Bestimmung offenbar davon aus, daß Mathilde T. das Recht auf den Vorhilfebetrag bereits erworben habe. Die Übergeber haben es unterlassen, was ihnen ohne weiteres möglich gewesen wäre, selbst eine Versorgung zugunsten der Mathilde T. mit der Übernehmerin zu vereinbaren. Es ist vielmehr das Recht auf Abschluß des Versorgungsvertrages der Mathilde T. selbst vorbehalten worden.
Selbst wenn man bei dieser Konstruktion des Vertrages, obwohl schon das Recht auf den Vorhilfebetrag von Mathilde T. erworben worden war, den P. 15 des Übergabsvertrages dahin auslegen wollte, daß sich auch die Übergeber ein Recht auf Abschluß des Versorgungsvertrages und gemäß § 881 ABGB. ein Klagerecht auf Leistung vorbehalten haben, und wenn man weiter annehmen wollte, daß neben dem Recht auf den Vorhilfebetrag auch noch das Recht auf dessen Wandlung in eine Versorgungsleistung nach den Regeln eines Vertrages zugunsten Dritter von Mathilde T. angenommen oder ausgeschlagen werden konnte, wäre der Standpunkt der Kläger nicht begrundet.
Denn in diesem Falle würde das Recht auf Abschluß des Versorgungsvertrages von Mathilde T. mit der Gutsübergabe und dem Erwerb des Gründeigentums durch die Übernehmerin unwiderruflich erworben worden sein und damit würde dieses Recht allein der Dispositionsbefugnis der Begünstigten unterliegen. Die aus § 882 ABGB. oder vielmehr aus dem Schrifttum zu dieser Gesetzesstelle hergeleitete Meinung des Berufungsgerichtes, daß das Recht auf den Abschluß des Versorgungsvertrages nach Annahme dieses Rechtes durch die Begünstigte unverzichtbar wäre, beruht auf einem Irrtum. Nach Annahme des aus einem Vertrag zugunsten eines Dritten quellenden Rechtes durch den Dritten kann dieser das Recht allerdings nicht mehr zurückweisen. Durch die Annahme des Rechtes hat der Begünstigte die Befugnis zur Zurückweisung verwirkt. Das heißt aber nur, daß der Begünstigte nicht mehr mit Rückwirkung ausschlagen kann, und daß er definitiv, also mit Ausschaltung des Versprechensempfängers berechtigt wird. Das Recht kann aber wie jedes andere auch wieder mit Wirkung ex nunc - aufgegeben, es kann auf es auch verzichtet werden. Übrigens könnte schon vorher (vor dem Anfalle des Rechtes) sich der Begünstigte gegenüber den Versprechenden verpflichten, von dem ihm anfallenden Recht keinen Gebrauch zu machen.
Wollte man aber gar annehmen, daß in dem nach Anfall des Rechtes auf Abschluß des Versorgungsvertrages erklärten Verzicht eine Zurückweisung im Sinne des § 882 ABGB. gelegen wäre, dann könnte jedenfalls nicht auf Abschluß des vom Begünstigten zurückgewiesenen Vertrags mit diesem oder auf Feststellung geklagt werden, daß ein solcher Vertrag als abgeschlossen anzusehen sei.
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