OGH 2Ob275/97y

OGH2Ob275/97y3.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Danninger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz W*****, vertreten durch Czerwenka & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen S 389.684,49 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 9. Mai 1997, GZ 12 R 32/97g-70, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 6. Dezember 1996, GZ 22 Cg 280/93i-65, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.550,-- (darin enthalten S 2.925,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei hat im noch im Bau befindlichen und unbewohnten Haus des Beklagten Wasserinstallationsarbeiten durchgeführt und Rechnung in Höhe des in der Klage geforderten Betrages von S 389.684,49 gelegt.

Bei der Installation verschloß ein langjähriger Mitarbeiter zwei Wasseranschlüsse im Badezimmer des Obergeschosses mit Baupfropfen. Er umwickelte sowohl den blauen Pfropfen als auch den roten mit Hanf und drehte die Pfropfen, soweit es ging, ein. Anschließend verband er die Hauswasserleitung mit dem öffentlichen Wasserleitungsnetz, öffnete das Hauptsperrventil und setzte die Anlage unter Druck. Nachdem er sich durch eine Druckprobe mit einem Druck von 10 bar überzeugt hatte, daß die Anlage dicht war, verließ er gegen 16.00 Uhr die Baustelle. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch Arbeiter anderer Unternehmen im Haus. Der Beklagte stellte bei einem Kontrollgang zwischen 20.00 Uhr und 21.00 Uhr nirgends Wasseraustritte fest. Das Haus, das noch keine Fenster hatte, blieb unversperrt. Im Laufe der Nacht wurde durch eine äußere Gewalteinwirkung der blaue Pfropfen, der das im Badezimmer oberhalb der Brausetasse befindliche Rohr abdichtete, herausgerissen, worauf es zum Wasseraustritt kam. Der rote Pfropfen wurde ebenfalls durch Gewalteinwirkung abgebrochen, wobei das Gewinde dieses Pfropfens in der Wandscheibe verblieb. Der blaue Pfropfen hätte nach den Montagerichtlinien des Herstellers nicht mit Hanf eingedichtet werden dürfen. Wäre der blaue Pfropfen nicht mit Hanf eingedichtet worden, so wäre er so wie der rote Pfropfen zwar abgebrochen, aber das Gewinde in der Wandscheibe verblieben und es nicht zum Wasseraustritt gekommen. Durch das im Badezimmer des Obergeschosses austretende Wasser wurden das Obergeschoß, das Erdgeschoß und der Keller überflutet. Es entstanden Schäden am Bauwerk und an den im Keller gelagerten Türen, deren Behebung einen Aufwand von S 226.406,99 erforderte. Darüberhinaus wurden im Keller gelagerte Bücher und weitere Gegenstände beschädigt. Der dem Beklagten entstandene Schaden übersteigt die Klagsforderung.

Das Erstgericht erkannte ausgehend von diesen Feststellungen die Forderung der klagenden Partei als mit S 389.684,49, die kompensando eingewendete Gegenforderung bis zu dieser Höhe als zu Recht bestehend und wies das Klagebegehren ab.

Rechtlich erörterte es, daß der Wasseraustritt und die dadurch entstandenen Schäden auf ein Fehlverhalten der klagenden Partei zurückzuführen sei. Bei fachgerechter Montage des blauen Pfropfens - ohne Hanfumwicklung - wäre dieser bei Gewalteinwirkung derart abgebrochen, daß es zu keinem Wasseraustritt gekommen wäre. Die klagende Partei habe den Wasserschaden zumindest mitzuverantworten. Da ungeklärt geblieben sei, wie es zur Gewalteinwirkung auf den blauen Pfropfen gekommen sei, könne nicht geklärt werden, zu welchen Teilen eine Haftung der klagenden Partei und eventueller weiterer Verursacher bestehe. Sie habe daher gemäß § 1302 ABGB zur Gänze für den Wasserschaden einzustehen. Da die eingewendeten Gegenforderungen das Klagebegehren überstiegen, sei die Klage zur Gänze abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der klagenden Partei diese Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen rechtliche Beurteilung. Es stehe fest, daß der Erfüllungsgehilfe der klagenden Partei den blauen Pfropfen nach den Montagerichtlinien des Herstellers nicht mit Hanf hätte abdichten dürfen. Wäre er derart montiert worden, wäre er aber so wie der rote Pfropfen abgebrochen, das Gewinde in der Wandscheibe verblieben und der Schaden nicht eingetreten. Der Mitarbeiter der klagenden Partei habe ganz allgemein gegen die gebotene Sorgfalt verstoßen, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob der blaue Pfropfen einer üblichen Beanspruchung durch normalen oder allenfalls außergewöhnlichen Wasserdruck standgehalten hätte. Die falsche Montage sei auch kausal für den Schadenseintritt und der Schaden sei adäquat verursacht worden. Die Adäquanz sei als angehobener Sorgfaltsmaßstab begreifbar, der aus einer Ex-ante-Betrachtung sage, mit welchen Folgeschäden in abstracto zu rechnen sei. Es komme nicht darauf an, ob der Schädiger den Schaden voraussehen konnte, sondern vielmehr darauf, ob nach objektiven Kriterien die Folgen nicht ganz außergewöhnlich, nicht ganz unwahrscheinlich seien, mögen sie auch atypisch sein. Es könne nicht gesagt werden, daß nach objektiven Kriterien ein Wassereintritt als Folge eines falsch eingedichteten Baupfropfens ganz außergewöhnlich oder ganz unwahrscheinlich sei. Bei fachmännischer Montage hielten Baupfropfen auch dann dicht, wenn sie durch äußere Gewalteinwirkung beschädigt würden. § 1302 ABGB sei auch dann anzuwenden, wenn einer der Teilnehmer an der Schadenszufügung unbekannt sei. Selbst wenn man unterstelle - was aber nicht feststehe -, daß die Gewalteinwirkung auf die Pfropfen das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung gewesen sei, sei daraus für die klagende Partei nichts gewonnen. Habe ein Schädiger eine rechtswidrige Handlung dem Geschädigten gegenüber gesetzt und komme es durch die einem Dritten vorwerfbare Handlung zur Schadensentstehung oder Erweiterung, so hafteten beide in der Regel solidarisch. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten im Sinn einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten komme nicht in Betracht, weil die klagende Partei einen derartigen Einwand im Verfahren erster Instanz nicht erhoben habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil den Fragen der Rechtswidrigkeit der Handlung des Mitarbeiters der klagenden Partei sowie die Grenze der Adäquanz oder des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zur Wahrung der Rechtssicherheit über den Anlaßfall hinaus erhebliche Bedeutung zukomme.

Die klagende Partei beantragt mit ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobenen Revision die Abänderung der Entscheidung im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist unzulässig.

In der Revision wird darauf hingewiesen, daß der blaue Pfropfen zumindest während eines Zeitraumes von rund fünf Stunden dicht gewesen ist. Die in den Nachtstunden eingetretenen Ereignisse, nämlich die äußere Gewalteinwirkung auf die Pfropfen, seien für den Mitarbeiter der klagenden Partei atypisch und nicht voraussehbar gewesen. Darüberhinaus sei durch das Hinzutreten von Handlungen eines Dritten der "Kausalzusammenhang unterbrochen", wenn mit derartigen Handlungen und dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht gerechnet werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt aber die klagende Partei Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, die die meritorische Behandlung der Revision erfordern würden, nicht auf.

Zutreffend hat zunächst das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß sich nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Grenze, bis zu der dem Urheber eines Schadens die Haftung für die Folgen seiner Handlungen auferlegt wird, nach der sogenannten Adäquanztheorie bestimmt. Danach ist eine adäquate Verursachung (eines später eingetretenen Schadens) dann anzunehmen, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung des zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zur Zeit der Handlung dem Täter oder einem Durchschnittsmenschen bekannten oder erkennbaren Umstände des Falles geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des Eingetretenen in nicht ganz unerheblichem Grade zu begünstigen (Koziol,

Haftpflichtrecht I3 Rz 8/10 mwN; SZ 58/104; VR 1992, 121; SZ 65/94 =

JBl 1993, 399 = WBl 1993, 41; ÖBA 1996, 213 ua). Nach der negativen

Formulierung ist ein Schade dann inadäquat, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 8/8; SZ 29/84 = EvBl 1957/132; ÖRZ 1979/15; ZVR 1980/16; ZVR 1983/39; ZVR 1995/73).

Zu der in der Revision aufgeworfenen Frage, daß Adäquität dann nicht mehr gegeben sei, wenn ein Dritter in den Kausalablauf eingegriffen habe, ohne daß der Schädiger auf dessen Verhalten Einfluß nehmen konnte wurde ebenfalls bereits Stellung genommen und ausgesprochen, daß eine derartige "Unterbrechung des Kausalzusammenhanges" abgelehnt werde und zu prüfen sei, ob mit der Handlung des Dritten noch gerechnet werden mußte (JBl 1954, 400; ZVR 1971/224; ZVR 1973/131; JBl 1974, 372; ZVR 1980/150 und 299; EvBl 1980/112; JBl 1981, 93; ZVR 1989/130). In der herrschenden Lehre wird ebenfalls die Meinung vertreten, daß auch durch Handlungen, die auf dem freien Willen Dritter beruhen, die Adäquität nicht notwendigerweise ausgeschlossen wird, sondern es allein darauf ankommt, ob dieses Verhalten des Dritten nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/13 mwN).

Bei der Prüfung der Frage, ob die Handlung des Täters nach der zunächst genannten Definition objektiv geeignet war, eine Schadensfolge von der Art der eingetretenen in nicht ganz unerheblichem Grade zu begünstigen, bzw ob das schädigende Ereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war, schließlich ob das Handeln eines Dritten außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag und sohin der Schaden als inadäquat zu bezeichnen ist, kommt es aber immer auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an. Die Revision wäre daher nur zulässig, wenn dem Berufungsgericht bei der Lösung dieser Fragen eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RZ 1994/45 ua). Das trifft hier jedoch nicht zu, zumal, was in der Revision verkannt wird, jedenfalls versehentliche Gewalteinwirkung nicht atypisch ist.

Abschließend ist noch auf die in der Revision vertretene Rechtsmeinung einzugehen, das Berufungsgericht hätte aussprechen müssen, daß das zu Recht bestehende Klagebegehren mit 10 % Zinsen seit dem 25. 12. 1991 zu verzinsen sei.

Der Beklagte hat gegen die Forderung der klagenden Partei die ihm entstandenen Schäden kompensando eingewendet. Nach herrschender Ansicht (Koziol/Welser10 I 280; Rummel in Rummel2 § 1438 Rz 14; Gschnitzer in Klang2 VI, 499) und ständiger Rechtsprechung (zuletzt SZ 55/121; JBl 1989, 171; JBl 1991, 379; JBl 1994, 181; RdW 1995, 467; ZVR 1977/173; 2 Ob 57/98s), gegen die in der Revision nichts vorgebracht wird, tritt mit dem Zugang der Aufrechnungserklärung die Tilgung rückwirkend in demjenigen Zeitpunkt ein, in dem die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüber gestanden sind. Mit diesem Zeitpunkt sind aber auch die Verzugsfolgen beendet (Rummel in Rummel2 § 1438 Rz 15; WBl 1987, 66). Da die Schadenersatzforderung bereits am 2. 10. 1991 und damit vor Fälligkeit der Forderung der klagenden Partei (25. 12. 1991) entstanden ist und die Aufrechnungserklärung das Erlöschen dieser Forderung zum Zeitpunkt der Fälligstellung der Klagsforderung bewirkte, bedurfte es ebenfalls keiner Feststellungen über die Verzinsung der Forderung. Auch in diesem Punkt entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes daher der vorhandenen herrschenden Rechtsprechung.

Insgesamt ist somit die Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes keine erhebliche Bedeutung im Sinne dieser Gesetzesstelle zukommt. Da der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden ist, war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, waren ihm die Kosten der Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

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