OGH 8Ob29/85

OGH8Ob29/8523.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Max Siebenhofer, Rechtsanwalt in Judenburg, wider die beklagten Parteien 1.) J*****, und 2.) G*****, beide vertreten durch Dr. Hanns Schmölzer, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 409.163 S samt Anhang und Feststellung (Revisionsstreitwert 383.662,49 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1985, GZ 1 R 156/84‑67, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 18. Juni 1984, GZ 6 Cg 293/82‑52, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00029.850.0523.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 14.340,31 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.303,66 S an USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 17. 6. 1979 ereignete sich in K***** ein Verkehrsunfall, an dem der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW (VW 1300, St 817.636) und R***** mit dem PKW (Renault R 4, St 417.091) beteiligt waren. Dabei wurde die im PKW R*****s unangegurtet mitfahrende Klägerin schwer verletzt. Wegen dieses Unfalles wurden beide Lenker der beteiligten Fahrzeuge strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt. Die alleinige Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen der Klägerin ist nicht mehr strittig.

Die Klägerin begehrte ausgehend vom alleinigen Verschulden des Erstbeklagten unter Bedachtnahme auf eine Akontozahlung von 50.000 S den Zuspruch von 409.163 S samt Anhang (darin 300.000 S für Schmerzengeld und 127.963 S für Verdienstentgang) und stellte ein entsprechendes Feststellungsbegehren.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und machten unter anderem geltend, daß die Klägerin durch das grundlose Hinausschieben einer notwendigen Operation den Heilungsprozeß verzögert und dadurch ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe. Unter Bedachtnahme auf die ihr anzulastende Verletzung der Gurtenanlegungspflicht sei ihr Schmerzengeldanspruch mit der bereits erbrachten Leistung abgegolten. Da bei Durchführung der erforderlichen Operation der Heilungsprozeß bereits im Februar 1980 hätte abgeschlossen sein können, müsse sie sich dessen Verzögerung auch auf den Verdienstentgang anrechnen lassen. Die noch vorhandenen Unfallsfolgen seien ebenfalls auf diese Säumnisse der Klägerin zurückzuführen, sodaß auch das Feststellungsbegehren nicht berechtigt sei.

Das Erstgericht sprach der Klägerin ausgehend von der alleinigen Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen unter Bedachtnahme auf ein Mitverschulden der Klägerin wegen Verletzung der Gurtenanlegungspflicht im Ausmaß von 25 % hinsichtlich des Schmerzengeldes und die erbrachte Akontozahlung den Betrag von 375.682,49 S samt Anhang (darin für Schmerzengeld 295.000 S und für Verdienstentgang 104.982,49 S) zu und gab dem Feststellungsbegehren vollinhaltlich statt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, änderte jedoch das Urteil des Erstgerichtes, das in Ansehung des Ausspruches über das Feststellungsbegehren unbekämpft in Rechtskraft erwachsen war, in seinem Leistungsausspruch dahin ab, daß es der Klägerin unter Einbeziehung der bestätigten und unbekämpft gebliebenen Teile des Urteiles des Erstgerichtes den Betrag von 383.662,49 S samt Anhang zusprach und das Zahlungsmehrbegehren von 25.500,51 S samt Anhang abwies. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die der Entscheidung des Berufungsgerichtes zugrunde liegenden, vom Berufungsgericht teilweise ergänzten Feststellungen lassen sich – soweit sie für das Revisionsverfahren bedeutend sind – über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Die damals 17jährige Klägerin erlitt bei dem vorliegenden Unfall multiple Schnittwunden im Gesicht, einen Nasenbeinbruch, einen Bruch des rechten Oberschenkelschaftes sowie einen Schock. Sie wurde mit der Rettung in das Landeskrankenhaus K***** gebracht, wo das rechte Bein nach Versorgung der Gesichtswunden in eine Nagelextension gelegt wurde; außerdem erhielt sie zur Kontrolle des Schockgeschehens durch 9 Tage einen Dauerkatheter und entsprechende Infusionen. Am 19. 6. 1979 wurde am Extensionstisch der Bruch des rechten Oberschenkels offen reponiert, die Markhöhle aufgebohrt und mit einem 13 mm dicken Oberschenkelmarknagel stabilisiert. Am 22. 6. 1979 wurden die Nähte im Gesicht entfernt. Am gleichen Tage sind Fieberschübe festgestellt worden. Außerdem fand sich eine deutliche Anaemie, weswegen weiterhin Bluttransfusionen verabreicht wurden. Am 29. 6. 1979 erfolgte die Nahtentfernung an den Wunden am rechten Oberschenkel, welche als verheilt angesehen wurden. Am 12. 7. 1979 durfte sie mit Bewegungsübungen für das rechte Kniegelenk beginnen. Auffallend war zu diesem Zeitpunkte bereits eine sehr hohe Blutsenkungsgeschwindigkeit. 10 Tage später trat plötzlich eine eitrige Sekretion aus der Operationswunde am rechten Oberschenkel. Am 26. 7. 1979 wurde eine überschüssige Granulationsbildung und eine stinkende eitrige Sekretion festgestellt, aus welchem Grunde die Wunde geöffnet wurde und Leukase-Kegeln eingelegt wurden. Eine am 1. 8. 1979 vorgenommene Röntgenkontrolle zeigte eine gute Lage des Marknagels und eine gute Stellung an der Bruchstelle. Am 2. 8. 1979 wurde die Klägerin wegen der bestehenden Eiterung am rechten Oberschenkel in das Landes-Sonderkrankenhaus S***** transferiert. Bei ihrer Aufnahme in diesem Krankenhaus fand sich außer einer erbsgroßen Fistel über dem Trochanter eine massive eitrige Sekretion. Die Beweglichkeit des Hüftgelenkes war schmerzgehemmt und das rechte Kniegelenk praktisch steif. Auch die Narbe bzw. die umgebende Haut an der Außenseite des rechten Oberschenkels waren gerötet. Die Röntgenbilder zeigten eine mit Nagel stabilisierte Trümmerfraktur des Oberschenkels im mittleren Drittel. Die Kontrastfüllung zeigte das Kontrastmitteldepot bis zur Bruchstelle reichend. Außerdem wurde ein 1 cm breiter Knochensplitter als devitalisiert beurteilt. Es wurde zunächst versucht, den Allgemeinbefund zu bessern und die Anaemie durch entsprechende Medikation zu beheben. Eine neuerliche Fistelfüllung ergab am 23. 8. 1979 eine Kontrastmittelansammlung bis zum oberen Nagelende, wobei der Eindruck bestand, daß der gesamte Markraum im Marknagel mit der Eiterung in Verbindung steht. Aus diesem Grunde wurde am 8. 9. 1979 in Allgemeinnarkose zunächst eine Spülung des Markraumes im Marknagel durchgeführt, wobei sich massiv nekrotisches und eitriges Gewebe ausspülen ließ. Daraufhin wurden von der Bruchstelle massenhaft Granulationsgewebe, nekrotisches Gewebe und ein 4 cm langer Sequester entfernt. Gleichzeitig wurde eine Spül-Saugdrainage angelegt und postoperativ bis 19. 9. 1979 (= 11 Tage) gespült. Eine am 24. 9. 1979 neuerlich durchgeführte Fistelfüllung ergab keine direkte Verbindung der noch bestehenden Fistel mit dem Oberschenkelknochen. Am 3. 10. 1979 wurde die Klägerin probeweise mobilisiert. Dieser Versuch mußte jedoch wegen starker Beschwerden abgebrochen werden. Aus diesem Grunde wurde lediglich mit isometrischen übungen im Bett begonnen. Am 19. 10. 1979 wurde wegen einer leichten Thrombose im Bereiche des Oberschenkels eine Medikation vorgenommen. Bis 30. 10. 1979 war die Schwellung vollkommen zurückgebildet und es wurde daher die Medikation abgesetzt. Am 18. 11. 1979 (155 Tage nach dem Unfall) wurde die Klägerin erstmals als weitgehend beschwerdefrei in häusliche Pflege entlassen. Zu diesem Zeitpunkte war das rechte Kniegelenk in der Beugung noch stark beeinträchtigt, aus welchem Grunde die Verwendung von Stützkrücken erforderlich war. Am 7. 1. 1980 erfolgte eine neuerliche stationäre Aufnahme im Landes-Sonderkrankenhaus S*****. Dabei fand sich noch immer eine stecknadelkopfgroße Fistel im Trochanterbereich rechts mit geringer Sekretion. Eine am 9. 1. 1980 durchgeführte Fistelfüllung zeigte das Kontrastmittel bis zum oberen Nagelende reichend. Wegen privater Gründe wurde die Klägerin am 10. 1. 1980 in häusliche Pflege entlassen, wobei eine Wiederaufnahme für den 20. 1. 1980 vereinbart worden war. Bei dieser am 21. 1. 1980 erfolgten Aufnahme fand sich eine Fistel im überschüssigen Granulationsgewebe im Trochanterbereiche mit mäßiger eitriger Sekretion. Das Kniegelenk war stark, das Hüftgelenk gleichfalls behindert. Die Röntgenaufnahmen zeigten bei liegendem Marknagel eine beginnende septische Pseudarthrose mit deutlicher periostaler Reaktion und beginnender periostaler Kallusbildung auf der Außenseite. Aus diesem Grunde wurde der Klägerin am 5. 2. 1980 vom Primararzt des Landes-Sonderkrankenhauses S***** anläßlich einer Chefvisite eine neuerliche operative Revision des rechten Oberschenkels empfohlen. Am 9. 2. 1980 wurden sowohl der – damals noch minderjährigen – Klägerin als auch ihrer Mutter (und gesetzlichen Vertreterin) vom Stationsarzt (Oberarzt Dr. M*****) die Problematik der Operation genaustens erörtert und erklärt. Sowohl die Klägerin als auch ihre Mutter gaben ihr Einverständnis zu dieser nochmaligen Revision des rechten Oberschenkels. Da die Klägerin auf Grund ihres damaligen schlechten körperlichen Zustandes der auch Depressionen zur Folge hatte, vor dieser neuerlichen Operation Angst bekam, ersuchte sie am 12. 2. 1980 mit der Vorgabe, die Gesellenprüfung ablegen zu müssen, um ihre vorzeitige Entlassung. Am 16. 2. 1980 wurde sie mit Stützkrücken wieder in häusliche Pflege entlassen. Am 6. 5. 1980 meldete sich die Klägerin neuerlich zur Wiederaufnahme im Landes-Sonderkrankenhaus S*****. Auch während dieses bis 20. 5. 1980 dauernden Krankenhausaufenthaltes wurde ihr von den behandelnden Ärzten nochmals die obgenannte Operation vorgeschlagen und empfohlen. Da sie sich jedoch vor diesem neuerlichen operativen Eingriff fürchtete, wurde sie am 20. 5. 1980 auch deshalb in häusliche Pflege entlassen, weil sie vorgab, einer Zeugenladung in den gegen die beiden schuldtragenden Lenker (R***** und Erstbeklagten) geführten Verfahren Folge leisten zu müssen. Mit ihr wurde die Wiederaufnahme für den 9. 6. 1980 vereinbart. Entgegen dieser Vereinbarung kam die Klägerin erst wieder am 28. 7. 1980 zur Aufnahme. In der Zwischenzeit (20. 5. 1980-28. 7. 1980) hat jedoch weder im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten noch im Verfahren gegen R***** eine Hauptverhandlung stattgefunden. In diesen beiden Strafverfahren ist die Klägerin vielmehr schon am 15. 4. 1980 bzw. 14. 1. 1980 vernommen worden. Anläßlich dieses Aufenthaltes wurde der – auch damals noch minderjährigen – Klägerin am 31. 7. 1980 von Oberarzt Dr. M***** die operative Entfernung des Marknagels im rechten Oberschenkel deshalb vorgeschlagen, weil sich die ehemalige Pseudarthrose deutlich konsolidiert hatte und durch die Metallentfernung die chronische Sekretion zum Stillstand gebracht werden könnte. Da sich zu dieser Zeit die Mutter der Klägerin auf Urlaub befunden hatte, somit die erforderliche Einwilligung derselben zur Operation nicht vorlag, die Klägerin sich anderseits – wiederum aus Angst vor der Operation – weigerte, ihre Mutter telegraphisch um diese Einwilligung zu ersuchen, wurde sie am 2. 8. 1980 über eigenes Ersuchen wieder in häusliche Pflege entlassen und ihr Wiedereintritt für den 1. 9. 1980 vereinbart. Anläßlich einer Untersuchung an diesem Tage wurde eine deutliche Sequestrierung im Bereiche der septischen Pseudarthrose am rechten Oberschenkel festgestellt. Es fand sich auch noch immer eine deutliche Fistelung. Am 7. 9. 1980 sprach der behandelnde Oberarzt mit der Klägerin wiederum wegen der bereits mehrfach vorgeschlagenen Operation (Sequestrotomie, neuerliche Revision im Bereiche des mittleren Drittels des rechten Oberschenkels). Auch damals erklärte sie, diese Operation derzeit nicht vornehmen lassen zu wollen, da sie in nächster Zeit die Absicht habe, zu heiraten. Über eigenen Wunsch wurde sie sodann noch am gleichen Tage wieder aus der Spitalsbehandlung entlassen (übernommene Feststellungen des Erstgerichtes). über das Gespräch Dris. M***** mit der Klägerin und deren Mutter am 9. 2. 1980 traf das Berufungsgericht noch folgende weitere Feststellungen:

Dr. M***** teilte der Klägerin und ihrer Mutter dabei mit, daß eine neuerliche Operation (Entfernung eines Sequesters) notwendig sei und ansonsten die Heilung länger dauern dürfte. An eine Entfernung des Marknagels war damals noch nicht gedacht. Dr. M***** erklärte auch, daß gute Erfolgschancen in bezug auf die Operation bestünden, daß jedoch ein Erfolg mit Sicherheit nicht vorausgesagt werden könne. Die Klägerin war wegen der vorangegangenen Operationen und wegen des damals bereits langen Krankenhausaufenthaltes, insbesondere wegen der aufgetretenen Knocheneiterung verunsichert und in einer äußerst labilen psychischen Situation. Sie hatte daher größte Bedenken in bezug auf eine neuerliche Operation, fürchtete sich vor dieser und versuchte sie deshalb, diese wiederholt hinauszuschieben. Das erste Mal wollte sie vorerst ihre Gesellenprüfung ablegen und hat sich tatsächlich Prüfungsakten schicken lassen, wobei allerdings eigentlicher Grund der ersten Aufschiebung der Revisionsoperation, die Dr. M***** billigte, ihre Bedenken und die Angst vor dieser Operation waren. Die Klägerin war auch zu Hause wegen ihrer Verletzungen äußerst niedergeschlagen, weinte häufig und zeigte keine Lust zum Essen. Sie erklärte mehrmals, lieber sterben zu wollen, als sich wieder auf den Operationstisch zu legen. Soweit die Klägerin über ihren Wunsch immer wieder vom Krankenhaus entlassen wurde, wurde ihr mitgeteilt, daß sie im Falle einer Verschlechterung ihres Zustandes, so bei Eintritt von Fieber oder Schwellungen oder Schüttelfrost, wieder das Krankenhaus aufsuchen müsse. Eine derartige Verschlechterung ist aber nie eingetreten. Die Operation wurde der Klägerin bei ihren wiederholten Aufenthalten im Krankenhaus immer wieder nahegelegt, doch gewann diese durch den Umstand, daß sie immer wieder nach Hause entlassen wurde, wenn auch auf eigenen Wunsch, den Eindruck, daß der operative Eingriff nicht so dringend notwendig sei, zumal auch eine Verschlechterung im oben aufgezeigten Sinne nie eingetreten ist. Erst nach einer (im Auftrag der Zweitbeklagten durchgeführten) Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. B***** (April 1981) und nach Belehrung durch ihren Rechtsvertreter, daß die Gefahr bestehe, der Marknagel werde in das Kniegelenk eindringen, entschloß sich die Klägerin im Sommer 1980 (richtig: 1981) zur Operation. Bei diesem am 15. 6. 1981 in Allgemeinnarkose durchgeführten operativen Eingriff wurde der vollkommen gelockerte Marknagel entfernt und ein Beckengipsverband angelegt. Nach Beruhigung der Infektion wurde in einer anschließenden zweiten Operation am 7. 7. 1981 neuerlich in Allgemeinnarkose eine Spongiosaplastik durchgeführt und abermals ein Beckengipsverband angelegt. Am 14. und 15. 7. 1981 wurden schrittweise die Nähte entfernt und am 20. 7. 1981 ein Beckenverband aus Hexelite angelegt. Nach einigen Tagen guter Wundheilung kam es zum neuerlichen Aufbruch einer Fistel an der Außenseite des Oberschenkels, sodaß hier wieder ein Drain eingesetzt werden mußte, aus dem sich massiv Gewebs‑Detritus entleerte. Eine Fistelfüllung am 6. 8. 1981 zeigte Kontrastmittelanreicherung im gesamten Markraum und auch im Bereiche der Spongiosaplastik. Am 13. 8. 1981 wurde sodann die Klägerin, welche damals Weinkrämpfe erlitten hatte und sehr depressiv gewesen war, mit liegendem Beckengipsverband bei bestehender Fistel in häusliche Pflege entlassen, wobei die Wiederaufnahme für den 31. 8. 1981 vereinbart war. Im September 1981 wurde die Klägerin noch mit Schienenhülsenapparaten versorgt und konnte sie dann unter Zuhilfenahme zweier Armstützkrücken gut gehen. In Anbetracht der langwierigen septischen Erkrankung wurde die entstandene Knochenbrücke als minderwertig bezeichnet und vor allem zum Schutz gegen einen neuerlichen Bruch der Stützapparat angelegt. Anläßlich einer Fistelfüllung wurde noch immer eine nußgroße Höhle im Bereiche der ehemaligen Pseudarthrose festgestellt; es fand sich aber kein akuter entzündlicher Schub mehr und hatten sich die Blutsenkungsgeschwindigkeit und Leukozyten weitgehend normalisiert. Dem Hausarzt der Klägerin wurde empfohlen, weiterhin Lokalspülungen der Fistel durchzuführen.

Im Zusammenhang mit der Frage der Schadensminderungspflicht wurden von den Vorinstanzen noch folgende Feststellungen getroffen:

Durch die rechtzeitige und frühere Infektsanierung im Februar 1980 wäre nicht nur eine Verbesserung der lokalen Verhältnisse an der Bruchstelle erreicht, sondern auch zunehmende schädigende Einflüsse auf das Kniegelenk und die umgebenden Weichteile vermindert worden. Durch diese - im Feber 1980 rechtzeitig vorzunehmende – Revisionsoperation wären die durch die Unfallsverletzungen verursachten körperlichen Schmerzen (2 Tage qualvolle Schmerzen, 28 Tage starke, 50 Tage mittelstarke und 180 Tage leichte Schmerzen) um 5 Tage starke Schmerzen, 10 Tage mittelstarke und 60 Tage leichte Schmerzen verringert worden. überdies wäre der Heilungsprozeß um 12-15 Monate verkürzt worden. Die Klägerin wäre ferner ab Jahresbeginn 1981 wieder arbeitsfähig gewesen. Durch die damals (Februar 1980) vorzunehmende Operation wären die festgestellten Dauerfolgen zwar nicht vermieden worden, wohl aber mit großer Wahrscheinlichkeit in ihrem Ausmaße geringer gewesen. Zur Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht der Klägerin durch Hinausschieben des operativen Eingriffes führte das Erstgericht rechtlich aus, daß sich der Verletzte Operationen dann unterziehen müsse, wenn ihm deren Vornahme zumutbar sei. Was dem Geschädigten im Rahmen dieser Schadensminderungspflicht zumutbar sei, bestimme sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Dabei komme es immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Wenn der Erfolg einer, wenn auch ärztlich dringend gebotenen und daher notwendigen Operation zweifelhaft sei, es sich darüber hinaus auch noch um einen schweren, unter Umständen lebensgefährlichen Eingriff handle und die körperliche und geistig-seelische Verfassung des Geschädigten durch die Unfallsfolgen bereits reduziert sei, könne ein Hinausschieben einer hinsichtlich ihres Erfolges nicht sicher zu beurteilenden Operation oder die Weigerung, sich einer solchen zu unterziehen, nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht angesehen werden. Berücksichtige man noch, daß jede operative Maßnahme für den Patienten schon wegen der Allgemeinnarkose ein gewisses Risiko darstelle, so könne, zumal auch ein Mißerfolg der Operation nie habe ausgeschlossen werden können, der damals noch minderjährigen Klägerin das Hinausschieben der Revisionsoperation bis zum 15. 6. 1981 nicht als Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden.

Im Rahmen der Erörterung des Verdienstentgangbegehrens der Klägerin wies das Erstgericht darauf hin, daß sich die Klägerin vom 1. 2. 1980 bis 31. 3. 1982 an insgesamt 133 Tagen in Spitalsbehandlung befunden habe. Für diesen Zeitraum habe sie sich aus dem Titel der Vorteilsausgleichung eine tägliche Haushaltsersparnis in der gemäß § 273 ZPO ermittelten Höhe von 60 S, zusammen daher den Betrag von 7.980 S auf ihren Verdienstentgang anrechnen zu lassen. Das Erstgericht verminderte daher den rechnerisch ermittelten Verdienstentgang um diesen Betrag und sprach der Klägerin einen „effektiven Verdienstentgang“ von 104.982,49 S zu.

Das Berufungsgericht billigte die Ablehnung eines Verstoßes der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht durch das Erstgericht. Der Verletzte müsse sich auch einer zumutbaren Operation unterziehen, wobei diese Zumutbarkeit von der voraussichtlichen Dauer von der Art und Schwere der Schmerzen, von den Erfolgsaussichten und den Gefahren einer Verschlechterung des Zustandes abhänge. Dabei sei auch auf die körperliche und geistig-seelische Verfassung des Verletzten Bedacht zu nehmen. Wenn ein schwerer Eingriff vorzunehmen und der Erfolg der Operation als nicht sicher zu beurteilen sei, sei bei schlechter Verfassung des Verletzten ein Hinausschieben oder eine Verweigerung der Operation nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht zu werten. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Verletzung erst 17 Jahre alt gewesen und durch die eingetretene Komplikation (Knocheneiterung) verständlicherweise weitgehend verunsichert gewesen. Auch der bis zum maßgeblichen Zeitpunkt (Eintritt der Notwendigkeit einer Revisionsoperation) schon lang andauernde Krankenhausaufenthalt und die beiden vorausgegangenen nicht einfachen operativen Eingriffe (Stabilisierung des Bruches durch einen Marknagel und Einführung einer Drainage sowie Entfernung von Granulationsgewebe und eines Sequesters) hätten nicht nur die körperliche, sondern auch die seelisch-geistige Verfassung der jugendlichen Klägerin beeinträchtigt. Im Februar 1980 habe die damals bereits 18jährige Klägerin einem operativen Eingriff zulässigerweise (§ 8 Abs 3 KAG) selbst zugestimmt, sie habe jedoch in der Folge die als notwendig dargestellte Revisionsoperation wiederholt aufgeschoben, wobei ihr dieser Aufschub jeweils ohne größere Schwierigkeiten gewährt worden sei. Eine Verschlechterung ihres Zustandes, der einen sofortigen Eingriff erforderlich gemacht hätte, sei nicht eingetreten. Die Klägerin habe auch ständig Kontakt mit dem Krankenhaus gehalten, sich aber zur Operation nicht entschließen können. Sie habe häufig geweint und größte Angst vor einer neuerlichen Operation gehabt, für die wohl gute, nicht aber sichere Erfolgschancen bestanden hätten. Die Klägerin habe wegen der dritten Operation an der gleichen Stelle auch mit starken Schmerzen bei einem neuerlichen Eingriff rechnen müssen. Bei dieser Revisionsoperation sei ursprünglich die Nagelentfernung auch nicht vorgesehen gewesen, sodaß die Klägerin auch noch mit einem weiteren operativen Eingriff habe rechnen müssen. In Anbetracht des beeinträchtigten seelisch-geistigen Zustandes der Klägerin, der in den schweren und komplikationsreichen Verletzungsfolgen seine Ursache gehabt habe und des Umstandes, daß sie für den Fall des neuerlichen Eingriffes starke Schmerzen habe befürchten müssen, die Erfolgschancen auch nicht eindeutig gegeben gewesen seien und sie auch der Meinung habe sein können, daß die Operation nicht so dringlich sei, sei das Verhalten der Klägerin zu respektieren und ihr das Hinausschieben der notwendigen und wahrscheinlich auch erfolgreichen früheren Operation nicht im Sinne der Verletzung der Schadensminderungspflicht zum Vorwurf gemacht werden. Die Beklagten könnten aus dem beanstandeten Verhalten der Klägerin somit weder zur Frage der Höhe des Schmerzengeldes noch des Verdienstentganges etwas ableiten, weshalb sich die diesbezüglich erhobene Berufung der Beklagten als unberechtigt erweise. Der von der Klägerin hinsichtlich des vom Erstgericht bei der Berechnung des Verdienstentganges vorgenommenen Abzuges von 7.980 S aus dem Titel der Haushaltsersparnis erhobenen Berufung erkannte das Berufungsgericht Berechtigung zu. Mangels Kongruenz sei eine Aufrechnung der Haushaltsersparnis gegenüber dem Verdienstentgang nicht möglich. Daraus ergebe sich eine Änderung des Leistungszuspruches im Sinne einer Erhöhung desselben um den Betrag von 7.980 S.

Demgegenüber beharren die Beklagten in ihrer Revision vorerst auf dem Standpunkt, daß doch eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin gegeben sei, weil objektiv feststehe, daß die Klägerin den Heilungsverlauf durch das Hinausschieben der Operation um 12 bis 15 Monate verzögert habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit ist nicht gegeben, was jedoch keiner Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der im § 1304 ABGB begründeten Pflicht des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten (Wolff in Klang 2 58 f.; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 257; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 37 zu § 1304; ZVR 1979/205; ZVR 1980/153; SZ 54/108; ZVR 1982/137 ua) entsprechend hat der Geschädigte alles vorzukehren, um eine unnötige Vergrößerung des Schadens hintanzuhalten; er darf die Folgen seiner Beschädigung nicht durch Unterlassen des erforderlichen, zumutbaren Verhaltens vergrößern oder verlängern. Diese Schadensminderungspflicht besteht nur, soweit die Maßnahmen zumutbar sind. Bei Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit ist zunächst von objektiven Kriterien auszugehen. Sind objektive Maßnahmen der Schadensminderung objektiv zumutbar, wofür den Schädiger die Behauptungs- und Beweislast trifft, so hat der deliktsfähige Geschädigte zu beweisen, daß ihm subjektiv die Maßnahme unzumutbar war oder ist (Reischauer, aaO, Rdz 38 und 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß sich der Geschädigte auch einer ihm zumutbaren Operation unterziehen muß. Der Oberste Gerichtshof hat - wie die Vorinstanzen richtig ausführten - wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sich die Zumutbarkeit im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach den Interessen beider Teile im Einzelfall und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs bestimmt (ZVR 1975/61; EvBl 1975/45; SZ 47/69 uva) und insgesamt den Umständen des Einzelfalles besondere Bedeutung zukommt (SZ 47/69; ZVR 1978/173 ua). Nach mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ist eine Operation zumutbar, wenn sie einfach und gefahrlos ist und ohne nennenswerte Schmerzen sichere Aussicht auf Erfolg bietet (ZVR 1976/205; ZVR 1982/113 ua); anderseits wurde für die Zumutbarkeit einer Operation die voraussichtliche Dauer und der des allfälligen stationären Aufenthaltes, die Art und Schwere der Schmerzen, die Erfolgsaussichten und die Gefahren einer Verschlechterung des Zustandes infolge der Operation angesehen (SZ 36/37) und - worauf die Vorinstanzen ebenfalls zutreffend hinwiesen - auch ausgesprochen, daß ein Hinausschieben oder auch eine Weigerung, sich der hinsichtlich ihres Erfolges nicht sicher zu beurteilenden Operation zu unterziehen, nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht angesehen werden kann, wenn der Erfolg einer Operation schon an sich zweifelhaft ist und es sich darüber hinaus um einen schweren, unter Umständen lebensgefährlichen Eingriff handelt und die körperliche und geistig-seelische Verfassung des Geschädigten durch die Unfallsfolgen bereits reduziert ist (SZ 47/69). Daß die der Klägerin wegen der beginnenden septischen Pseudarthrose wiederholt vorgeschlagene neuerliche operative Revision des rechten Oberschenkels keine einfache und gefahrlose Operation darstellt und ohne nennenswerte Schmerzen sichere Aussicht auf Erfolg geboten hätte, kann schon im Hinblick darauf, daß der Klägerin und ihrer Mutter die Problematik der Operation vom Stationsarzt wiederholt dargestellt werden mußte nicht gesagt werden. Von entscheidender Bedeutung ist hier aber vor allem auch die durch den komplizierten Behandlungsverlauf verursachte geistig-seelische Beeinträchtigung der Klägerin, die in einer äußersten Niedergeschlagenheit, häufigem Weinen, Appetitlosigkeit und einer besonderen Angst vor der neuerlichen Operation zum Ausdruck kam. Da bei der der Klägerin vorerst angeratenen Operation der Marknagel noch nicht entfernt werden sollte, also noch eine weitere Operation in Vollnarkose notwendig gewesen wäre, muß unter Bedachtnahme auf die aus dem Unfall resultierende damalige physische und psychische Verfassung der etwa 18jährigen Klägerin gesagt werden, daß ihr die beabsichtigten Maßnahmen nach den damals bestandenen Umständen subjektiv nicht zumutbar waren. Daß sich die Klägerin zu den medizinisch indizierten Operationen letztlich erst nach einer Konsoldierung ihrer Gemütsverfassung und eingehender Beratung durch einen medizinischen Sachverständigen und ihren Rechtsfreund entschloß, wurde daher von den Vorinstanzen mit Recht nicht als Verletzung der Schadensminderungspflicht gewertet. In der Außerachtlassung der Weigerung der Klägerin, sich der ihr vorgeschlagenen Operation zu unterziehen, bei der Schmerzengeldbemessung und Feststellung des Verdienstentganges durch die Vorinstanzen kann daher kein Rechtsirrtum erblickt werden. Schließlich wenden sich die Revisionswerber noch gegen die Ablehnung der Berücksichtigung der Haushaltsersparnis der Klägerin während ihres Spitalsaufenthaltes unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung bei Ermittlung ihres Verdienstentganges. Nach Ansicht der Beklagten liege doch eine sachliche und zeitliche Kongruenz vor, weil die Klägerin auch für jene Zeit, die sie im Krankenhaus gewesen sei, einen Verdienstentgang geltend gemacht habe und sie während dieser Zeit für ihre Verpflegskosten keine Auslagen gehabt, sich also die täglichen Verpflegskosten erspart habe. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Zutreffend ist das Berufungsgericht unter Hinweis auf die in SZ 28/28 und ZVR 1979/131 veröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes davon ausgegangen, daß die unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigende Haushaltsersparnis nur gegenüber kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht kommen kann. Es entspricht der Lehre und ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß der geltend gemachte Verdienstentgang mit der Ersparnis der Verpflegskosten im Haushalt während der Zeit der Krankenhauspflege überhaupt nicht zussammenhängt, weil es vollkommen bedeutungslos ist, aus welcher Quelle der Verletzte die Verpflegskosten zu decken pflegt (ZVR 1979/277). Davon abzugehen besteht kein Anlaß.

Die Revision erweist sich daher als unberechtigt, weshalb ihr der Erfolg versagt werden mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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