European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130565
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Grundstück und Wohnhaus der Klägerin sind vom öffentlichen Straßennetz nur über einen über den Grund des Beklagten verlaufenden Servitutsweg erreichbar; der Rechtsvorgängerin der Klägerin war das immerwährende und unentgeltliche Recht des Gehens und Fahrens eingeräumt worden, wobei die Tragung der Erhaltungskosten des Wegs je zur Hälfte vereinbart wurde.
[2] Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten unter anderem – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – dazu, die von ihm auf dem letzten (etwa 200 Meter langen, etwa 10 % Gefälle aufweisenden und geschotterten) Wegabschnitt vor dem Haus der Klägerin beiderseits entlang des Fahrwegs errichteten einen Meter hohen Holzzäune zu entfernen und sich künftig aller weiteren derartigen Störungen zu enthalten. Es ließ über Abänderungsantrag des Klägers die ordentliche Revision zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[4] 1. Werden – wie hier – in einem Vertrag, in dem eine Servitut bestellt wird, Ausmaß und Umfang des eingeräumten Rechts nicht näher festgelegt, so liegt eine ungemessene Servitut vor (RIS‑Justiz RS0011741; RS0011752 [T2]). Deren Umfang richtet sich ebenso wie die Art der Ausübung nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RS0011720). Maßgebend ist dabei das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes unter Berücksichtigung seiner ursprünglichen Bewirtschaftungsart und Kulturgattung sowie der vorhersehbaren Art der Ausübung (vgl RS0016368; RS0097856; RS0016364). Wird nicht die Betriebsform des herrschenden Gutes wesentlich geändert, so ist für den Umfang der Dienstbarkeit des Fahrrechtes das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend, soweit der Belastete keine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet (RS0016369 [T5]). Die Art der Ausübung findet ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Gutes (RS0097856 [T2]); dem Berechtigten soll der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (RS0097856 [T12]).
[5] Diese gemäß § 484 ABGB vorzunehmenden Interessensabwägungen sind ebenso wie die Fragen nach Ausmaß und Umfang einer Dienstbarkeit sowie den Grenzen ihrer zulässigen Erweiterung stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründen in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0011720 [T17]; RS0016369 [T10]; RS0011664 [T11]).
[6] 2.1. Der Servitutsberechtigte darf die Schneeräumung auf die der fortgeschrittenen technischen Entwicklung entsprechende Art vornehmen lassen. Auch dadurch, dass bei mechanischer Schneeräumung ein Teil der auf dem Servitutsweg liegenden Schneemassen vom Räumgerät auf den anschließenden, vom Fahrtrecht nicht erfassten Teil des Grundes des Beklagten geschoben wird, kann sich der Eigentümer des dienenden Gutes nicht beschwert erachten, weil er die Schneeräumung des Servitutswegs zu dulden hat (4 Ob 5/20v).
[7] 2.2. Hier ist unbestritten, dass der Servitutsweg von Anfang an berechtigterweise mit Fahrzeugen befahren wurde und wird, die der Errichtung und dem (Wohn-)Betrieb des nunmehr der Klägerin gehörenden Hauses dienten, wie etwa mit Öltankwägen, Schneeräumfahrzeugen oder mittelgroßen LKW (wohingegen die Benützung mit größeren Fahrzeugen aufgrund einer Engstelle des Servitutswegs an anderer Stelle von vornherein nicht möglich war und ist).
[8] 2.3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Errichtung eines massiven Zauns entlang des letzten Wegstücks durch den Beklagten, der die mechanische Schneeräumung und insbesondere die Beseitigung der Schneemassen aus dem Servitutsweg verhindert, dem Servitutsrecht entgegensteht, und dass das Verlangen nach der Beseitigung des Zauns hier keine Ausweitung der Servitut bedeutet, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und ist nicht korrekturbedürftig.
[9] 2.4. Die Entscheidung 7 Ob 661/82 betraf den Fall einer gemessenen Wegeservitut, deren exakte Breite im Titel festgelegt worden war, sodass in der Untersagung eines neben dem genau definierten Weg liegenden Zauns eine – im dort zu entscheidenden Einzelfall nicht gerechtfertigte – Ausweitung der Servitut gelegen wäre.
[10] Warum dies mit dem hier vorliegenden Fall einer ungemessenen Servitut vergleichbar sein soll, zeigt die Revision nicht auf, zumal Fragen der Differenzierung zwischen Sommer- und Wintersaison vom Beklagten in erster Instanz nicht aufgeworfen wurden.
[11] 3.1. Zur Auslegung des Spruchs einer gerichtlichen Entscheidung sind auch deren Gründe heranzuziehen (RS0000300). Die Auslegung der Gründe einer gerichtlichen Entscheidung hat wegen der Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891 [T2]; vgl RS0037440 [T6]).
[12] 3.2. Hier ist dem Beklagten die Entfernung der bestehenden Einzäunung entlang des Fahrwegs auferlegt worden. Um welche Einzäunung es sich hier handelte, war zwischen den Parteien völlig unstrittig. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich auch hier nicht.
[13] 3.3. Die Entscheidung 4 Ob 60/19f behandelt die Frage der hinreichenden Bezeichnung eines Bestandobjekts in einem Übergabsauftrag und ist nicht einschlägig.
[14] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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