European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00156.20Z.1020.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Streitteile betreiben österreichweit in zahlreichen Filialen den Einzelhandel unter anderem mit Lebensmitteln. Die Beklagte vertreibt auch Fleischprodukte, die nicht aus Österreich stammen.
[2] In den Flugblättern für die 17. und 18. KW 2020 bewarb die Beklagte Fleischprodukte mit der als Blickfang in den Vordergrund gerückten Ankündigung „100 % RIND, SCHWEIN UND HENDL AUS ÖSTERREICH“.
[3] Mit Schreiben vom 28. 4. 2020 forderte der Klagsvertreter die Beklagte auf, binnen fünf Tagen schriftlich zu bestätigen, dass sie ab sofort die beanstandete Ankündigung oder gleichsinnige Ankündigungen unterlasse, wenn sie nicht Rind, Schwein und Hendl ausschließlich österreichischer Herkunft anbiete und vertreibe.
[4] Der Leiter der Rechtsabteilung der Beklagten teilte dem Klagsvertreter am 30. 4. 2020 telefonisch mit, dass die Beklagte auf die Flugblätter für die KW 19 und 20 keinen Einfluss mehr nehmen könne und die beanstandeten Ankündigungen in diesen Flugblättern daher mit einem „Sternchen-Hinweis“ versehen würden. Ab der KW 21 werde die Werbung korrekt sein. Die Abgabe einer Unterlassungserklärung sei im Lebensmittelhandel nicht üblich.
[5] Die Werbungen für die folgenden Kalenderwochen (insbesondere 18. und 19. KW) waren mit einem Sternchen nach dem Wort Österreich versehen, der auf eine fast nicht oder nur teilweise leserliche Fußnote („gilt nur für Sortimentsprodukte“ bzw „gültig für alle dauerhaft gelisteten Frischfleischartikel“) verwies.
[6] Mit E‑Mail vom 6. 5. 2020 wiederholte der Klagsvertreter seine Forderung auf Abgabe der geforderten Bestätigung binnen drei Tagen. Mit E‑Mail vom 11. 5. 2020 wiederholte die Beklagte ihren Standpunkt und teilte mit, dass die Angelegenheit als erledigt betrachtet werde.
[7] Mit E‑Mail vom 13. 5. 2020 übermittelte der Beklagtenvertreter schließlich eine „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“ mit folgendem Inhalt:
„Die [Beklagte], Zweigniederlassung Salzburg, verpflichtet sich hiermit unwiderruflich, es zu unterlassen,
‑ den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dass ihr gesamtes Fleischsortiment bezogen auf 'Rind, Schwein und Hendl' aus Österreich stammen würde, wenn das tatsächlich nicht der Fall ist und sie nicht ausschließlich Rind, Schwein und Hendl österreichischer Herkunft anbietet und vertreibt, und/oder
‑ mit der Ankündigung '100 % RIND, SCHWEIN UND HENDL AUS ÖSTERREICH' oder einer gleichsinnigen Ankündigung zu werben, wenn sie nicht gleichzeitig in gleicher Weise in unmittelbarer Nähe der Ankündigung darauf hinweist, dass diese Aussage nur für einen besonders gekennzeichneten Teil ihres Sortiments gilt.
Weiter verpflichtet sich [die Beklagte], für jeden einzelnen Verstoß gegen diese Unterlassungsverpflichtung aus dem Titel der Vertragsstrafe verschuldensunabhängig 1.000 EUR an [die Klägerin] zu bezahlen, wobei diese Vertragsstrafe über Aufforderung durch [die Klägerin] oder ihre rechtsfreundliche Vertreterin sofort fällig wird.
Aufgrund der bereits erfolgten Drucklegung für die Kalenderwoche 20 gilt diese Erklärung für alle Werbungen und Produktankündigungen ab Kalenderwoche 21, somit unwiderruflich ab 18. Mai 2020.“
[8] Das in der KW 21 aufgelegte Flugblatt enthielt auf der Seite mit Frischfleischangeboten für den Aktionszeitraum 28. 5. bis 30. 5. die beanstandete blickfangartige Ankündigung (roter Kreis), die um die Überschrift „Unser Dauersortiment“ und einen Zusatz wie folgt ergänzt wurde:
[9] Mit Schreiben vom 20. 5. und 22. 5. 2020 teilte der Klagsvertreter mit, dass die abgegebene Unterlassungs-und Verpflichtungserklärung „unwiderruflich ab 18. 5. 2020“ gelte, was von der Beklagten aber nicht eingehalten worden sei.
[10] Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen – auf § 2 UWG gestützten – Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung die Ankündigung „100 % RIND, SCHWEIN UND HENDL AUS ÖSTERREICH“ oder gleichgesinnte Ankündigungen zu verbieten, wenn nicht tatsächlich das gesamte von ihr angebotene Sortiment an Rind, Schwein und Hendl aus Österreich stamme oder wenn nicht unübersehbar, in unmittelbarem Zusammenhang mit der beanstandeten Ankündigung und in verständlicher Weise darauf hingewiesen werde, welche Fleischprodukte nicht österreichischer Herkunft seien. Die Beklagte werbe seit Wochen mit der Behauptung, dass sie zu „100 % RIND, SCHWEIN UND HENDL AUS ÖSTERREICH“ anbiete. Dies sei unwahr, weil ein nicht unerheblicher Teil des Angebots der Beklagten an Rind-, Schwein- und Hendlfleisch nicht aus Österreich stamme. Mit Schreiben vom 28. 4. 2020 habe sie die Beklagte aufgefordert, schriftlich zu bestätigen, dass die irreführende Ankündigung sofort unterlassen werde. Die Beklagte habe zwar den Fehler zugestanden und eine Änderung ihrer Werbung ab der KW 21 zugesagt, diese Zusage aber nicht eingehalten. Die geforderte Unterlassungserklärung habe die Beklagte verweigert. An die erst vom Beklagtenvertreter übermittelte Erklärung habe sich die Beklagte nicht gehalten. Der zunächst nur hinzugefügte „Sternchen-Hinweis“ sei unzureichend gewesen.
[11] Die Beklagte entgegnete, dass weder Wiederholungsgefahr noch eine irreführende Werbung vorliege.
[12] Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Durch das ab der KW 21 ausgegebene Flugblatt werde weder Wiederholungsgefahr noch eine Irreführung des Durchschnittslesers begründet.
[13] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagte habe den Nachweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr nicht eindeutig erbracht und die Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr daher nicht widerlegen können. Der ernstliche Wille der Beklagten, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen, sei unter Berücksichtigung ihres Gesamtverhaltens nicht zu erkennen.
Rechtliche Beurteilung
[14] Mit ihrem gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[15] 1.1 Bei der Prüfung, ob Wiederholungsgefahr vorliegt, darf nicht engherzig vorgegangen werden. Es genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Berechtigten behaupteten Rechte (RIS‑Justiz RS0037673; vgl auch RS0012087). Zudem wird nach einer erfolgten Verletzungshandlung die Wiederholungsgefahr grundsätzlich vermutet (4 Ob 147/18y; 4 Ob 179/18d). Die Behauptungs- und Beweislast für den Wegfall der Wiederholungsgefahr trifft den Verletzer. Er muss daher besondere Umstände dartun, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen erscheinen lassen (RS0005402; RS0080065; 4 Ob 5/19t).
[16] 1.2 Nach der Rechtsprechung wird der Wegfall der Wiederholungsgefahr daher in der Regel nur dann angenommen, wenn der Verletzer einen den gesamten Unterlassungsanspruch (samt dem berechtigten Veröffentlichungsanspruch) umfassenden, an keinerlei Bedingungen und Einschränkungen geknüpften gerichtlichen Unterlassungsvergleich anbietet bzw abschließt und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seiner Willensänderung bestehen (RS0079962; RS0079898; 4 Ob 5/19t). Der Kläger muss alles das erhalten, was er durch ein seinem Begehren stattgebendes Urteil hätte erlangen können (4 Ob 179/18t). Demgegenüber reicht die Abgabe einer bloß außergerichtlichen Unterlassungserklärung, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, nach der Rechtsprechung im Allgemeinen dann nicht aus, wenn die Erklärung unter dem Druck des drohenden Prozesses abgegeben wurde oder der Beklagte im Prozess ein zwiespältiges Verhalten zeigt (RS0080134; 4 Ob 5/19t).
[17] 1.3 Diese Grundsätze zeigen, dass für den Wegfall der Wiederholungsgefahr zwischen einem vollstreckbaren Unterlassungsvergleich und einer Unterlassungserklärung ein maßgebender Unterschied besteht. Bei bloßen – selbst strafbewehrten – Unterlassungserklärungen ist die Rechtsprechung zurückhaltend; solche Erklärungen reichen nur in jenen Ausnahmefällen aus, in denen an der eigenen Einsicht und am künftigen Wohlverhalten des Beklagten auch nicht die geringsten Zweifel bestehen. Dafür ist im Allgemeinen vorausgesetzt, dass der Beklagte sich vom Verstoß unverzüglich ernsthaft distanziert, die als gesetzwidrig erkannte Tätigkeit unverzüglich einstellt und geeignete Maßnahmen zur Verhinderung künftiger gleichartiger Vorfälle ergreift, den allfälligen Schaden noch vor dem Prozess gutmacht und die Prozessführung unter vorbehaltsloser Anerkennung des Rechtsstandpunkts des Klägers auf die Frage der Wiederholungsgefahr beschränkt (vgl 4 Ob 179/18d).
[18] 1.4 Die Beurteilung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr ist typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042818; RS0031891).
[19] 2. Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen:
[20] 2.1 Entgegen den Ausführungen der Beklagten trifft es nicht zu, dass die Klägerin keine Unterlassungserklärung, sondern nur eine Bestätigung gefordert, die Beklagte die verlangte Bestätigung uneingeschränkt abgegeben und die Klägerin das erhalten habe, was sie gefordert habe.
[21] Bei der von der Klägerin verlangten „Bestätigung“ handelte es sich um nichts anderes als um eine Unterlassungserklärung. Die Klägerin hat nicht nur einen bestimmten Inhalt der Erklärung verlangt, sondern deren Abgabe zweimal befristet. Die Beklagte hat die Abgabe der verlangten Erklärung zunächst verweigert und erst am 13. 5. 2020 verspätet abgegeben. Außerdem hat sie die Unterlassungserklärung – ungeachtet der inhaltlichen Änderungen – zeitlich für Werbungen ab der KW 21 begrenzt und damit eingeschränkt; ob sie „Gründe“ dafür angeben konnte, bleibt unerheblich. Hinzukommt, dass die Beklagte aufgrund der Rüge des Klagsvertreters nach Abgabe der Unterlassungserklärung damit argumentierte, dass diese nicht „für Werbungen ab der KW 21“, sondern nur für ab der KW 21 neu aufgelegte Flugblätter gelte, obwohl sich in der Unterlassungserklärung für eine solche weitere Einschränkung kein Anhaltspunkt findet.
[22] 2.2 Unrichtig ist schließlich auch, dass die Klägerin die Unterlassungserklärung vom 13. 5. 2020 als ausreichend akzeptiert und gar nicht behauptet habe, dass diese Erklärung nicht geeignet sei, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Die Klägerin hat ausdrücklich vorgebracht, dass die Beklagte die geforderte Unterlassungserklärung mehrfach verweigert habe. Bei verständiger Würdigung ihrer weiteren Behauptungen ist in diesen jedenfalls auch das Vorbringen enthalten, dass die Beklagte die geforderte Unterlassungserklärung nicht sofort, sondern erst für Werbungen ab der KW 21 abgegeben und zudem selbst diese Zusage nicht eingehalten habe.
[23] 3. Ausgehend von dieser Sachlage hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Wiederholungsgefahr im Anlassfall nicht weggefallen sei, weil die Beklagte die geforderte Unterlassungserklärung zunächst nicht, sondern erst nach Klagsandrohung am 13. 5. 2020 abgegeben habe und diese Erklärung einem prätorischen Unterlassungsvergleich aufgrund der Einschränkungen nicht gleichgehalten werden könne, weshalb das Verhalten der Beklagten zwiespältig geblieben sei, im Rahmen der Rechtsprechung.
[24] 4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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