European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00179.18D.1023.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
1. Das angefochtene Urteil wird in Ansehung des Unterlassungsbegehrens zu Klausel 2 (Pkt 3.2. im Spruch des Erstgerichts) dahin abgeändert, dass es insoweit lautet:
„Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Verwendung der nachstehend genannten Klausel oder sinngleicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind:
2. P***** gewährleistet nicht den jederzeitigen ordnungsgemäßen Betrieb bzw die ununterbrochene Nutzbarkeit bzw Erreichbarkeit des Services (Pkt 6.4. erster Satz),
wird abgewiesen.“
2. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil bestätigt.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.797,68 EUR (darin enthalten 2.234,78 EUR USt und 1.389 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist eine klagebefugte Einrichtung im Sinn des § 29 KSchG; sie macht Unterlassungsansprüche nach § 28 Abs 1 und § 28a KSchG geltend.
Die Beklagte betreibt eine Online‑Plattform zur Partnervermittlung. Sie ist Unternehmerin iSd § 1 KSchG und tritt im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig mit Verbrauchern in ganz Österreich in geschäftlichen Kontakt. Beim Abschluss von Verträgen über die Erbringung der von ihr angebotenen Dienstleistungen verwendet sie Allgemeine Geschäftsbedingungen, die – soweit im vorliegenden Verfahren relevant – wie folgt lauten (die Nummerierung folgt jener in der Klage):
„1. P***** übernimmt überdies keine Haftung für den eventuellen Missbrauch von Informationen. Es ist möglich, dass Kunden den P*****-Service trotz Verbot in unzulässiger oder gesetzwidriger Weise nutzen. Für eine solche unzulässige oder gesetzwidrige Nutzung ist jede Haftung von P***** ausgeschlossen.
2. P***** gewährleistet nicht den jederzeitigen ordnungsgemäßen Betrieb bzw die ununterbrochene Nutzbarkeit bzw Erreichbarkeit des Services.
3. Ferner haftet P***** nicht für die unbefugte Kenntniserlangung Dritter von persönlichen Daten von Kunden (zB durch einen unbefugten Zugriff von ‘Hackern‘ auf die Datenbank).
4. Der Kunde verpflichtet sich, P***** schadlos von jeglicher Art von Klagen, Schäden, Verlusten oder Forderungen zu halten, die durch seine Anmeldung und/oder Teilnahme bei diesem Service entstehen könnten, sofern der Kunde schuldhaft gehandelt hat. Dies gilt insbesondere für Schäden wegen übler Nachrede, Beleidigung, Verletzung von Persönlichkeitsrechten, wegen des Ausfalls von Dienstleistungen für andere Kunden, einem Verstoß gegen diese Geschäftsbedingungen, wegen der Verletzung von Immaterialgütern oder sonstiger Rechte.
5. Als Gerichtsstand wird – soweit zulässig – Wien vereinbart.“
Zudem wendet sie im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern folgende Geschäftspraktiken an:
1. Die Beklagte belehrt ihre Kunden in den Vertragsunterlagen über deren Widerrufsrecht. Wenn ein Kunde verlangt, dass die Ausführung der Dienstleistung während der Widerrufsfrist beginnen soll, verrechnet die Beklagte im Fall eines Widerrufs dem Kunden einen Wertersatz, indem sie den vereinbarten Produktpreis (Preis für eine Premium‑Mitgliedschaft) durch die Anzahl der in Anspruch genommenen Kontakte im Verhältnis zur Zahl der garantierten Kontakte (sieben Kontakte bei einer zwölfmonatigen Mitgliedschaft) dividiert und das Ergebnis mit 0,75 multipliziert. Erfolgt innerhalb der 14‑tägigen Widerrufsfrist ein Widerruf, sind aber schon alle garantierten Kontakte zustande gekommen, so verrechnet die Beklagte 75 % des Jahresentgelts.
2. Die Beklagte vereinbart mit dem Kunden eine Vertragsverlängerung für den Fall, dass dieser zum Ende der Mitgliedschaft keine Kündigung vornimmt. Dazu sendet die Beklagte vor Ablauf der Mitgliedschaft an den Kunden eine E‑Mail, in deren Betreff und Text nur auf „Neuigkeiten zu Ihrer Mitgliedschaft“ hingewiesen wird. Zusätzlich enthält diese E‑Mail einen Link; die Information, dass mangels Kündigung durch den Kunden eine Vertragsverlängerung erfolgt, ist erst bei Betätigung des Links zugänglich.
Die Klägerin begehrte, der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern
I. (Geschäftspraktik 1) ihren Kunden im Fall der Ausübung des Rücktrittsrechts gemäß § 11 Abs 1 FAGG für die bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines Verlangens des Kunden gemäß § 10 FAGG vertragsgemäß bereits erbrachten Dienstleistungen ein ausgehend von § 16 Abs 1 FAGG überhöhtes Entgelt zu verrechnen, indem nicht auf den Zeitraum der tatsächlichen Nutzung der Internet-Plattform www.*****.at im Verhältnis zum vereinbarten Nutzungszeitraum, für den der Kunde das vereinbarte Entgelt bezahlt, abgestellt und das vereinbarte Entgelt entsprechend aliquotiert wird, sondern etwa auf die Anzahl der Kontakte des Kunden zu anderen Mitgliedern im Zeitraum der tatsächlichen Nutzung der Internet-Plattform www.*****.at, ohne dass aber die Anzahl derartiger Kontakte im Austauschverhältnis mit der Gegenleistung des Kunden steht bzw relevant für die Höhe des vom Kunden zu leistenden Entgelts wäre; und
II. (Geschäftspraktik 2) ihren Kunden, mit denen sie die Vertragsverlängerung im Wege der Erklärungsfiktion vereinbart hat, den besonderen Hinweis iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG in der Form zu erteilen, dass sie ihren Kunden ein E‑Mail übermittelt, ohne im Betreff und im Text dieses E-Mails eindeutig und unmissverständlich auf die mangels ausdrücklicher Kündigung binnen bestimmter Frist stattfindende automatische Vertragsverlängerung hinzuweisen, insbesondere indem sie ihren Kunden ein E-Mail mit dem Betreff „Neuigkeiten zu Ihrer Mitgliedschaft“ und dem Text „Neuigkeiten zu Ihrer Mitgliedschaft stehen Ihnen jetzt zur Verfügung. Klicken Sie einfach auf den folgenden Link: http://sbv *****.at/profile/cancellation/termtime" oder einen gleichartigen Inhalt übermittelt, wobei die Information, dass es mangels Kündigung durch den Kunden zu einer Vertragsverlängerung kommen wird, erst unter diesem Link einsehbar ist; sowie
III. die angeführten Klauseln 1 bis 5 oder sinngleiche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu verwenden und sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind.
Zudem stellte die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren.
Die Unterlassungsansprüche stützte die Klägerin auf Verstöße gegen § 16 Abs 1 FAGG und gegen mehrere Bestimmungen des KSchG; zudem berief sie sich auf § 879 Abs 3 ABGB und § 14 DSG 2000.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und vertrat die Ansicht, dass die beanstandeten Geschäftspraktiken und Klauseln rechtskonform und zulässig seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Dazu stellte es fest, dass die Beklagte ihren Kunden unter anderem eine Premium‑Mitgliedschaft in der Dauer von zwölf Monaten um 31,92 EUR bzw 39,90 EUR pro Monat anbietet. Im Rahmen ihres Online‑Angebots ermöglicht die Beklagte den Kunden das unbegrenzte Austauschen von Nachrichten, das Einsehen in Profile und freigegebene Bilder und das Sortieren von Partnervorschlägen. Die Premium‑Mitgliedschaft umfasst auch die automationsunterstützte Erstellung eines „Porträts der Partnerschaftspersönlichkeit“, das auf dem (kostenlosen) Persönlichkeitstest beruht. Bei einer Premium‑Mitgliedschaft von zwölf Monaten garantiert die Beklagte dem Kunden sieben Kontakte, wobei als „Kontakt“ jede Antwort auf eine von ihm verschickte Nachricht definiert wird. Werden die garantierten Kontakte bis zum Ende der Vertragslaufzeit nicht erreicht, so verlängert sich die Premium‑Mitgliedschaft auf Wunsch des Kunden kostenlos um weitere sechs Monate. Der durchschnittliche Kunde versendet und empfängt in den ersten beiden Wochen bis zu 25 Erstnachrichten wöchentlich, danach typischerweise weniger als fünf pro Woche.
Der computerunterstützte (kostenlose) Persönlichkeitstest ist für die Beklagte mit keinem besonderen Aufwand verbunden; dieser Persönlichkeitstest muss von jedem Nutzer schon bei der Anmeldung eines kostenlosen Basis‑Profils durchlaufen werden. Auch das P*****‑Porträt begründet für die Beklagte keinen besonderen Aufwand; dabei handelt es sich um die computergenerierte Langfassung der Auswertung des Persönlichkeitstests.
Vor dem Abschluss des Partnervermittlungsvertrags mit der Beklagten muss der Nutzer ausdrücklich anklicken, dass er damit einverstanden ist, dass die Beklagte vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der beauftragten Dienstleistung beginnt und ihm bekannt ist, dass er im Fall des Widerrufs einen Wertersatz für die bereits erbrachten Dienstleistungen leisten muss.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Gleichzeit sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist teilweise (in Ansehung der beanstandeten Klausel 2) auch berechtigt.
1. Wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er seinen Verträgen zugrunde legt oder in dabei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, kann nach § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart wurde. § 28a KSchG erweitert den Anwendungsbereich der Verbandsklagen auf gesetzwidrige Geschäftspraktiken von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern. Die Unterlassungsklage ist in dieser Hinsicht berechtigt, wenn der Unternehmer durch seine gesetzwidrige Geschäftspraktik die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt.
2. Allgemein gilt, dass im Verbandsprozess nach § 28 KSchG die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen hat (RIS‑Justiz RS0016590). Zudem ist eine „geltungserhaltende Reduktion“ im Verbandsprozess unzulässig, weshalb auf eine allfällige teilweise Zulässigkeit einer Klausel nicht Rücksicht genommen werden kann (RIS‑Justiz RS0038205). Der Einwand, eine gesetzwidrige Klausel werde in der Praxis anders gehandhabt, ist im Verbandsprozess unerheblich (RIS‑Justiz RS0121943).
Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners iSd § 879 Abs 3 ABGB schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0016914&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ).
Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Nach dem aus dem Transparenzgebot abzuleitenden Gebot der Richtigkeit, der Vollständigkeit und der Klarheit darf eine Klausel die Rechtslage nicht verschleiern oder unrichtig oder undeutlich wiedergeben, weil dadurch der rechtsunkundige Verbraucher über die rechtliche bzw vertragliche Position getäuscht und von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden kann. Das Transparenzgebot verlangt auch, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0115219&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T9]; RS0115217 [T8]). Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0037107&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T6]).
Zu Geschäftspraktik 1 (Wertersatz bei Rücktritt):
1. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass diese Geschäftspraktik der Beklagten gegen § 16 Abs 1 FAGG verstoße, weil sie im Fall eines Rücktritts vom Verbraucher Entgelte beanspruche, die über einen aliquoten Wertersatz hinausgingen.
Die Beklagte entgegnete, dass eine aliquote Berechnung des Wertersatzes nach der Vertragslaufzeit nicht sachgerecht sei, weshalb sie von den zustande gekommenen Kontakten ausgehe.
Das Erstgericht qualifizierte diese Geschäftspraktik als gesetzwidrig, weil sich der Wertersatz nach § 16 Abs 1 FAGG nach dem für die gesamte Dienstleistung geschuldeten Entgelt richte.
Das Berufungsgericht schloss sich dieser Ansicht an. Da sich die Gesamtleistung der Beklagten nicht auf die garantierten Kontakte beschränke, sondern die Nutzung des Online‑Angebots für zwölf Monate umfasse, verstoße die Bemessung des zu zahlenden Entgelts gegen § 16 Abs 1 FAGG.
In der Revision führt die Beklagte aus, dass die zeitanteilige Berechnung des Wertersatzes im Anlassfall nicht zwingend sei. Außerdem erbringe sie mit der Registrierung zu Beginn der Vertragslaufzeit verschiedene „kopflastige Leistungen“ (Vermessung der Persönlichkeit, Öffnung des Mitgliederbestands). Das Porträt der Partnerschaftspersönlichkeit sei als eigener Leistungsbestandteil zu berücksichtigen. Außerdem stehe die Entscheidung der Vorinstanzen mit der Rechtsprechung, die in Deutschland zu dieser Frage ergangen sei, im Widerspruch.
2.1 Die Verbraucherrechte‑Richtline 2011/83/EU sieht vor, dass bei Dienstleistungsverträgen und Verträgen über Leistungen von öffentlichen Versorgungsunternehmen über ausdrückliches Verlangen des Verbrauchers schon während der Widerrufsfrist mit der (sofortigen) Leistungserbringung begonnen werden kann (Art 7 Abs 3 und Art 8 Abs 8 der Richtlinie; § 10 FAGG). In solchen Fällen bleibt das Rücktrittsrecht des Verbrauchers bestehen (Erwägungsgrund 50 der Richtlinie), bei Dienstleistungsverträgen jedoch nur bis zur vollständigen Vertragserfüllung (Art 16 lit a der Richtlinie; § 18 Abs 1 Z 1 FAGG).
Art 14 Abs 3 der Richtlinie normiert in einem solchen Widerrufsfall eine Abgeltungspflicht des Verbrauchers. Diese Bestimmung lautet:
„Übt ein Verbraucher das Widerrufsrecht aus, nachdem er ein Verlangen gemäß Art 7 Abs 3 oder Art 8 Abs 8 erklärt hat, so zahlt er dem Unternehmer einen Betrag, der verhältnismäßig dem entspricht, was bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher dem Unternehmer von der Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet, im Vergleich zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistungen geleistet worden ist. Der anteilige Betrag, den der Verbraucher an den Unternehmer zu zahlen hat, wird auf der Grundlage des vertraglich vereinbarten Gesamtpreises berechnet. Ist der Gesamtpreis überhöht, so wird der anteilige Betrag auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistung berechnet.“
Der sich darauf beziehende Erwägungsgrund 50 der Richtlinie lautet:
„Der anteilige Betrag sollte ausgehend vom vertraglich vereinbarten Gesamtpreis berechnet werden; falls der Verbraucher jedoch nachweist, dass der Gesamtpreis selbst unverhältnismäßig ist, wird der zu zahlende Betrag auf der Grundlage des Marktwertes der erbrachten Dienstleistung berechnet.“
Der von der Europäischen Kommission aufgelegte Leitfaden zur Verbraucherrechte‑Richtlinie, der als Orientierungs- und Interpretationshilfe gedacht ist, enthält im gegebenen Zusammenhang auf den Seiten 59 bis 61 folgende Ausführungen:
„Tritt der Verbraucher während der Widerrufsfrist vom Vertrag zurück, nachdem er zuvor dessen sofortige Ausführung verlangt hatte, so enthält Art 14 Abs 3 die Forderung an den Verbraucher, an den Unternehmer einen Betrag zu zahlen, der verhältnismäßig dem entspricht, was im Vergleich zum vereinbarten Gesamtpreis geleistet worden ist: Beispielsweise hätte ein Verbraucher, der von einem Mobiltelefonvertrag zurücktritt, nachdem er die Leistungen zehn Tage lang in Anspruch genommen hat, an den Unternehmer ein Drittel der Monatsgebühr zuzüglich des Preises etwaiger zusätzlicher Leistungen, die er in diesem Zeitraum bezogen hat, zu entrichten.
Ist die Erbringung von Dienstleistungen mit einmaligen Kosten für den Unternehmer verbunden, damit diese für den Verbraucher bereitgestellt werden können, so kann der Unternehmer diese Kosten in die Berechnung des Abgeltungsbetrags einbeziehen: Beispielsweise kann der Unternehmer die Kosten für die Arbeiten in Rechnung stellen, die im Rahmen eines Vertrags über elektronische Festnetzdienste zur Herstellung eines Anschlusses in der Wohnung des Verbrauchers erfolgt sind, bevor der Verbraucher den Vertrag widerrufen hat.
Ist der Gesamtpreis überhöht, sollte jedoch der Abgeltung der Marktwert dessen, was bereits erbracht wurde, zugrunde gelegt werden.“
Art 14 Abs 3 der Verbraucherrechte‑Richtlinie wurde nahezu wortgetreu in § 16 Abs 1 FAGG umgesetzt. Die Gesetzesmaterialien enthalten zur Berechnung des Abgeltungsbetrags keine näheren Ausführungen.
2.2 In der Literatur weist Stabentheiner (Das neue Fern- und Auswärtsgeschäfts‑Gesetz, VbR 2014/68, 108 [122]) darauf hin, dass bei einem vorzeitigen Vertragsrücktritt durch den Verbraucher der Unternehmer Anspruch auf Zahlung eines seiner Teilleistung entsprechenden Entgelts hat. Die Höhe dieses Teilentgelts sei grundsätzlich nach dem für die Gesamtleistung vertraglich vereinbarten Gesamtpreis zu bemessen: Wenn der Unternehmer bis zum Rücktritt des Verbrauchers beispielsweise 40 % der vereinbarten Dienstleistung erbracht habe, müsse der Verbraucher 40 % des verabredeten Gesamtpreises bezahlen; eine andere Bemessung des Teilentgelts als diese verhältnismäßige Aliquotierung sei nicht vorgesehen. Wenn allerdings der Gesamtpreis überhöht sei, sei das Teilentgelt auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistungen zu berechnen.
Schwarzenegger (in Schwimann/Kodek 4 § 16 FAGG Rz 18) führt zum Ausmaß und zur Bemessung des Wertersatzes aus, dass Ausgangspunkt der Berechnung das für die gesamten geschuldeten Dienstleistungen vereinbarte Entgelt sei. Davon sei jener Anteil zu leisten, der dem Anteil der schon erbrachten am Gesamtvolumen der vertraglich geschuldeten Dienstleistungen entspreche; sei also etwa ein Drittel der geschuldeten Dienstleistungen schon erbracht worden, so sei ein Drittel des vereinbarten Entgelts zu leisten.
Nach Kolba/Leupold (Das neue Verbraucherrecht [2014] Rz 359) bemisst sich die Höhe des anteiligen Entgelts grundsätzlich nach dem den bereits erbrachten Leistungen entsprechenden Anteil am vereinbarten Gesamtentgelt (verhältnismäßige Aliquotierung).
2.3 Nach den angeführten Rechts- und Erkenntnisquellen, insbesondere unter Heranziehung des aussagekräftigen Leitfadens der Europäischen Kommission, hat die Berechnung des verhältnismäßigen Abgeltungsbetrags nach § 16 Abs 1 FAGG derart zu erfolgen, dass dieser Anteil am vereinbarten Gesamtpreis (wenn dieser überhöht ist am marktüblichen Gesamtpreis) jenem Verhältnis entspricht, in dem die erbrachte Dienstleistung zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistung steht. Bei dem von der Europäischen Kommission im Leitfaden beispielhaft angeführten Mobiltelefonvertrag wird auf den sogenannten „pro rata temporis‑Grundsatz“ verwiesen.
Bei der Berechnung des aliquoten Abgeltungsbetrags ist somit auf den Gesamtumfang der geschuldeten Leistung abzustellen und zu beurteilen, ob dafür eine bestimmte Quantität (ein bestimmtes Volumen) oder die Zeitkomponente maßgebend ist. Kommt es auf die Zeitkomponente an, so ist der pro rata temporis‑Grundsatz maßgebend.
3. Im Anlassfall wird die kostenpflichtige Premium‑Mitgliedschaft für eine bestimmte Dauer abgeschlossen. Die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen sind daher durch die Zeitkomponente bestimmt.
Das von der Beklagten herangezogene Bemessungskriterium der garantierten Kontakte (sieben Kontakte bei einer Mitgliedschaft von zwölf Monaten = 75 % des vereinbarten Entgelts) ist für die vereinbarte Gesamtleistung nicht maßgebend. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass Kunden der Beklagten in den ersten beiden Wochen einer Mitgliedschaft verhältnismäßig viele Nachrichten senden und empfangen, weil es für die Bemessung des verhältnismäßigen Entgelts nicht auf das Nutzerverhalten ankommt. Vielmehr ist maßgebend, dass der Nutzer die von der Beklagten bereitgestellten Dienste während der gesamten Vertragslaufzeit in Anspruch nehmen kann. Auch wenn zu Beginn einer Mitgliedschaft besonders viele Nachrichten ausgetauscht werden, bedeutet dies im Übrigen nicht, dass sich in dieser Zeit auch der Vermittlungserfolg einstellt.
Zum Porträt der Partnerpersönlichkeit und zum Persönlichkeitstest hat das Erstgericht festgehalten, dass diese computergenerierten Ergebnisse für die Beklagte keinen besonderen Aufwand begründen. Aus diesem Grund können für die „Vermessung der Kunden“ keine einmaligen Kosten bei der Ermittlung des Abgeltungsbetrags berücksichtigt werden. Die Ermöglichung des Zugriffs auf die Mitgliederdatenbank ist bei einer Online‑Partnervermittlung die Hauptleistung, die über die gesamte Vertragslaufzeit erbracht werden muss. Auch dabei handelt es sich um keine Sonderleistung zu Beginn des Vertrags. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann bei ihrem Online‑Dienst daher nicht von einem „kopflastigen Angebot“ mit besonders aufwendigen Leistungen zu Beginn des Vertrags ausgegangen werden.
4. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Beklagte bei der Berechnung des anteiligen Abgeltungsbetrags iSd § 16 Abs 1 FAGG im Fall eines Rücktritts bei einer vom Verbraucher verlangten sofortigen Leistungserbringung nur eine zeitabhängige Aliquotierung im Verhältnis zur vereinbarten Gesamtlaufzeit des Partnervermittlungsvertrags vornehmen darf. Die beanstandete Geschäftspraktik ist damit rechtswidrig und der Beklagten zu untersagen.
5.1 Richtig ist, dass die hier beanstandete Abrechnungsmethode der Beklagten bereits Gegenstand eines Verbandsprozesses in Deutschland war. Das Berufungsgericht (OLG Hamburg zu AZ 3 U 122/14) wies die Klage ab. In der Begründung seiner Entscheidung beanstandete das Oberlandesgericht Hamburg die Abrechnungsmethode der Beklagten, wies in der Folge aber darauf hin, dass der Kläger nicht nur das Verbot der praktizierten Wertersatzform verlange, sondern dem Verbot eine zeitanteilige Berechnung zugrunde legen wolle. Es sei allerdings nicht ersichtlich, dass jede andere Berechnung stets eine planmäßige und wider besseres Wissen unzutreffende Berechnung des Wertersatzes sei. Dazu wies das Oberlandesgericht Hamburg darauf hin, dass auch einmalige Leistungen des Unternehmers einen Wertersatz rechtfertigen könnten, der über den zeitanteiligen Wertersatz hinausgehe. Der Kläger habe aber weder dargelegt noch sei es ersichtlich, dass die einmalig von der Beklagten gewährten Leistungen für den Kunden keinen Wert hätten.
Der Bundesgerichtshof wies in der Entscheidung zu I ZR 47/17 die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberlandesgericht Hamburg zurück, weil Art 14 Abs 3 der Verbraucherrechte‑Richtlinie und (richtig) § 357 Abs 8 BGB keine Anhaltspunkte enthielten, dass die von der Klägerin verlangte ausschließliche zeitanteilige Abrechnung vorgegeben sei.
5.2 Das Ergebnis der referierten Entscheidungen der deutschen Gerichte ist auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Anlassfall steht fest, dass der Persönlichkeitstest und das Porträt der Partnerpersönlichkeit keine besonderen Leistungen der Beklagten sind, die aufgrund eines besonderen Personal- oder Sachaufwands bei der Bemessung des Abgeltungsbetrags zu berücksichtigen wären. Die Beurteilung des Oberlandesgerichts Hamburg, dass das Angebot der Beklagten zu Beginn der Mitgliedschaft besonders attraktiv sei, kann sich bei einer rein zeitbezogenen Gesamtleistung nicht auf den anteiligen Abgeltungsbetrag auswirken.
Zu Geschäftspraktik 2 (Vertragsverlängerung durch Erklärungsfiktion und Wiederholungsgefahr):
1. Die Klägerin brachte vor, dass eine Zustimmung des Verbrauchers mittels Erklärungsfiktion (hier zur Vertragsverlängerung mangels Kündigung zum Endtermin) nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG nur dann zulässig sei, wenn der Verbraucher auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen werde. Die E‑Mail‑Erklärung der Beklagten, die lediglich eine Verlinkung zu den entsprechenden Informationen enthalte, genüge diesen Anforderungen nicht.
Die Beklagte entgegnete, dass der Hinweis auf die Rechtsfolgen ausreichend deutlich sei, weil auch im Link selbst die Begriffe „cancellation“ und „termtime“ vorkämen und die Aufmerksamkeit des Verbrauchers weckten.
Das Erstgericht erkannte die Geschäftspraktik der Beklagten unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in einem Parallelprozess (4 Ob 80/17v) als unzulässig.
Im Rechtsmittelverfahren behauptet die Beklagte nur noch den Wegfall der Wiederholungsgefahr, weil sie im Parallelverfahren bereits rechtskräftig verurteilt worden sei.
Das Berufungsgericht teilte die Ansicht der Beklagten nicht: Auch wenn die Beklagte ihre Geschäftspraktik geändert haben sollte, lasse ihr gleichzeitiges Beharren auf der Gesetzmäßigkeit der beanstandeten Praktik die Wiederholungsgefahr bestehen. Im Übrigen entspreche es der Rechtsprechung, dass das Bestehen eines Unterlassungstitels gegenüber einem anderen klagebefugten Verband die Wiederholungsgefahr nicht beseitige.
In der Revision wiederholt die Beklagte ihren Standpunkt, wonach sie am 16. 9. 2018 den Inhalt ihrer E‑Mail umgestellt habe. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 91/89 sei nicht einschlägig, weil in diesem Vergleichsfall ein Medieninhaber einen anderen Medieninhaber geklagt habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass einem Urteil in einem Verbandsprozess erhöhte Bindungswirkung zukomme. Im Übrigen mangle es der Klägerin am Rechtsschutzbedürfnis.
2. Nach ständiger Rechtsprechung spricht für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr die Vermutung, dass derjenige, der einen Verstoß gesetzt hat, dazu neuerlich geneigt sein wird. Er hat daher jene besonderen Umstände darzutun, die die Gefahr der Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch als äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0080065; RS0079652). Entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr hat die Frage, ob dem Verhalten des beklagten Störers in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS‑Justiz RS0012087). Dabei kommt es immer auf die Art des Eingriffs und die Willensrichtung des Störers an, für die insbesondere sein Verhalten nach der Beanstandung und während des Rechtsstreits wichtige Anhaltspunkte bieten kann (RIS‑Justiz RS0012087 [T10]). Das Angebot eines (ausreichenden) vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs beseitigt im Regelfall die Wiederholungsgefahr, sofern der Kläger alles das erhält, was er durch ein seinem Begehren stattgebendes Urteil hätte erlangen können (RIS‑Justiz RS0079899 [T33]). Ein ernsthafter Sinneswandel des Störers kann etwa dann angenommen werden, wenn sich der Beklagte sofort nach dem Bekanntwerden des Verstoßes von diesem distanziert und Maßnahmen zur Verhinderung künftiger gleichartiger Vorfälle ergreift oder die als gesetzwidrig erkannte Tätigkeit unverzüglich einstellt, den Schaden noch vor dem Prozess gutmacht und die Prozessführung unter vorbehaltsloser Anerkennung des Rechtsstandpunkts der Gegenseite auf die Frage der Wiederholungsgefahr beschränkt (RIS‑Justiz RS0079652 [T9 und T12]). Während ein angebotener vollstreckbarer Unterlassungsvergleich die Wiederholungsgefahr auch dann beseitigt, wenn der Beklagte den Vergleich unter dem Druck des Prozesses und nicht aufgrund besserer Einsicht anbietet, gilt dies für eine bloße Verhaltensänderung des Verletzers unter dem Eindruck des Unterlassungsprozesses im Allgemeinen nicht (vgl 6 Ob 131/16g).
3. Im Anlassfall sind die Voraussetzungen für den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Die Beklagte hat keinen vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten und auch ihren Prozessstandpunkt nicht widerrufen. Das Umstellen der Erinnerungs-E‑Mail nach Zustellung der Entscheidung im Parallel-Prozess zu 4 Ob 80/17v genügt für die verlässliche Annahme eines ernsthaften Sinneswandels der Beklagten nicht, weil sie unter dem Eindruck des hier anhängigen Verbandsprozesses gestanden ist.
4. Das Argument der Beklagten, dass ein Unterlassungsvergleich die Wiederholungsgefahr beseitige und dies umso mehr für ein OGH‑Urteil zugunsten eines anderen Klägers in einem Parallelfall gelten müsse, überzeugt nicht. Der Unterlassungsvergleich wird vom Verletzer selbst angeboten und abgeschlossen und bringt dessen geänderte Haltung oder zumindest den festen Willen zum Ausdruck, die eingegangene Verpflichtung auch einzuhalten. Demgegenüber zeigt ein verurteilendes Erkenntnis in einem Parallelprozess nur, dass der Verletzer auch im anderen Verfahren einen gegenteiligen Standpunkt vertreten hat.
Außerdem wurde in der Entscheidung zu 4 Ob 91/89 ausgesprochen, dass ein Beklagter die gegen ihn sprechende Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht schon damit entkräften kann, dass er einem anderen Unterlassungskläger einen vollstreckbaren Vergleich anbietet, während er den übrigen Klägern gegenüber nur die Abweisung der Klage beantragt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass auch der neue Kläger die Möglichkeit haben müsse, selbst Exekution zu führen, weil sich der Verletzer mit dem Kläger im Parallelprozess auch einigen könnte (vgl RIS‑Justiz RS0079356). Überhaupt könne sich nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Beurteilung ergeben, dass bei Würdigung des Gesamtverhaltens eine ernstliche Willensänderung eingetreten sei. In der Entscheidung 4 Ob 362/84 = ÖBl 1985, 43 sei dies angenommen worden, weil der Beklagte die Unterlassungspflicht (aus einem außergerichtlichen Vergleich) gegenüber einem Dritten über mehrere Monate tatsächlich eingehalten habe.
In der referierten Entscheidung zu 4 Ob 91/89 setzte sich der Oberste Gerichtshof mit den Grundsätzen für den Wegfall der Wiederholungsgefahr auseinander, die auch heute noch Gültigkeit haben. Der Ansicht der Beklagten, dass der Vergleichsfall ganz anders gelagert gewesen sei, weil dort ein Medieninhaber einen anderen Medieninhaber geklagt habe, ist nicht beizutreten.
5. Auch auf eine „erhöhte Bindungswirkung“ eines Urteils in einem Verbandsprozess kann sich die Beklagte nicht berufen. In der von der Beklagten zitierten Entscheidung des EuGH zu C‑472/10, Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság, führte der EuGH aus, die wirksame Umsetzung der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln erfordere es, dass eine für missbräuchlich erklärte AGB‑Klausel in Verbraucherverträgen weder für die am Unterlassungsverfahren beteiligten Verbraucher noch für diejenigen Verbraucher verbindlich sei, die mit dem betroffenen Gewerbetreibenden einen Vertrag mit denselben Geschäftsbedingungen geschlossen haben (Rn 38).
Aus dieser Entscheidung folgt somit die unionsrechtliche Vorgabe, dass eine konkrete, als missbräuchlich beurteilte Klausel im Verhältnis zu allen betroffenen Verbrauchern unwirksam ist. Diese rechtliche Konsequenz allein führt aber nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, weil sie nur einen entsprechenden Unterlassungsanspruch begründet, aber keine Gewähr dafür bietet, dass sich der – im Verhältnis zu einem anderenKläger – verurteilte Unternehmer auch tatsächlich an die Unterlassungspflicht hält.
6. Das Urteil im Parallelverfahren beseitigt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die hier vorliegende Klage, weil die klagenden Parteien nicht ident und die Adressaten der Urteile – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht die Verbraucher sind, sondern lediglich deren kollektive Interessen durch befugte Verbände geltend gemacht werden.
7. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass durch die Zustellung des über das Einschreiten eines anderen Klägers ergangenen Urteils im Parallelverfahren zu 4 Ob 80/17v an die Beklagte die Wiederholungsgefahr für das hier vorliegende Verfahren nicht weggefallen ist.
Zu Klausel 1 (keine Haftung für den Missbrauch von Informationen):
1. Die Klägerin brachte vor, dass diese Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG verstoße.
Die Beklagte wendete ein, dass die Klausel nur informativen Charakter habe, weil sie für das Fehlverhalten Dritter ohnedies keine Haftung treffe.
Das Erstgericht erkannte die Klausel als unzulässig, weil sie vom Durchschnittsverbraucher dahin verstanden werde, dass jegliche Haftung der Beklagten für den Missbrauch von Informationen ausgeschlossen sei.
Das Berufungsgericht schloss sich der Beurteilung des Erstgerichts an. Bei kundenfeindlichster Auslegung beziehe sich die Klausel auch auf eigenes missbräuchliches Verhalten der Beklagten. Darüber hinaus erfasse der Haftungsausschluss auch Fälle, in denen die Beklagte keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen oder auf missbräuchliches Verhalten ihrer Kunden nicht reagiert habe.
In der Revision führt die Beklagte aus, dass die in Rede stehende Klausel klar auf ein unzulässiges oder gesetzwidriges Verhalten der Kunden abstelle.
2. Nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB nicht verbindlich, nach denen eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz eines Schadens an der Person ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder eine Pflicht des Unternehmers zum Ersatz sonstiger Schäden für den Fall ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, dass er oder eine Person, für die er einzustehen hat, den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat (10 Ob 60/17x mwN).
3. Satz 1 der hier zu prüfenden Klausel enthält einen allgemeinen Ausschluss der Haftung der Beklagten „für den eventuellen Missbrauch von Informationen“. Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung erstreckt sich der Haftungsausschluss auch auf Missbrauchshandlungen der Beklagten selbst oder von Personen, für die sie einzustehen hat, wie etwa Erfüllungsgehilfen (vgl RIS‑Justiz RS0111810; 7 Ob 170/98w). Der Haftungsausschluss erfasst dabei jedes Verhalten, also auch vorsätzliches oder grob fahrlässiges.
An dieser Beurteilung vermögen die Sätze 2 und 3, die auf „Kunden“ Bezug nehmen, nichts zu ändern, weil sie Satz 1 unberührt lassen. Außerdem sind durchaus Situationen denkbar, in denen die Beklagte an Missbrauchshandlungen von Kunden (Dritten) vorsätzlich oder grob fahrlässig mitwirkt, indem sie beispielsweise keine zumutbaren Maßnahmen gegen den Missbrauch Dritter ergreift oder solche Missbrauchshandlungen trotz Kenntnis nicht mit zumutbaren Mitteln abstellt.
Die Haftungsfreizeichnung verstößt damit gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG. Die Klausel ist nicht mit der in der Entscheidung zu 9 Ob 42/07b beurteilten Freizeichnung vergleichbar, weil die dortige Klausel die Rechtslage zur Zurechnung des Verhaltens anderer Personen (Personal-, Erfüllungs- bzw Besorgungsgehilfen) der dortigen Beklagten vollständig und richtig wiedergegeben hat (vgl RIS‑Justiz RS0050109).
Zu Klausel 2 (keine Gewährleistung der ständigen Erreichbarkeit des Services):
1. Die Klägerin brachte vor, dass die Klausel eine unzulässige Einschränkung der Gewährleistung begründe und daher nach § 9 Abs 1 KSchG unzulässig sei.
Die Beklagte entgegnete, dass die Gewährleistung einer ununterbrochenen Nutzbarkeit des Online‑Angebots technisch nicht möglich sei; die Verfügbarkeit sei im Jahresmittel zu 99,5 % sichergestellt.
Das Erstgericht qualifizierte die Klausel als unzulässige Einschränkung der Gewährleistungsrechte der Verbraucher.
Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an. Bei der Klausel handle es sich um keine zulässige Leistungsbeschreibung. Die Beklagte nehme vielmehr die Zulässigkeit von Unterbrechungen des Online‑Angebots in Anspruch, die weder ihrem Grunde noch ihrer Dauer nach beschränkt seien.
In der Revision führt die Beklagte aus, dass im hier fraglichen Pkt 6.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich die Service‑Beschreibung in Pkt 3.4 im Rahmen der Haftung gespiegelt werde; ein Internet‑Service könne nicht dauerhaft erreichbar sein.
2. Nach § 9 Abs 1 KSchG können Gewährleistungsrechte des Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Das Verbot des Gewährleistungsausschlusses darf nicht durch einschränkende Leistungsbeschreibungen umgangen werden. Allerdings ist nicht jede Leistungsbeschreibung als Umgehung anzusehen. Ob eine grundsätzlich zulässige Leistungsbeschreibung oder eine Umgehung von § 9 KSchG vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Umgehung könnte insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Leistungsbeschreibung nicht den realen Gegebenheiten entspricht oder wenn mit umfassenden Formulierungen versucht wird, die Pflicht des Unternehmers zum Erbringen einer mangelfreien Leistung überhaupt auszuschließen, also kein Gewährleistungsfall übrig bleibt (vgl RIS‑Justiz RS0122042). Eine Leistungsbeschreibung kann aber durchaus zulässig sein, wenn etwa der Unternehmer übliche Beeinträchtigungen je nach Art der Sache so offenlegt, dass der Verbraucher die Tragweite seines Entschlusses erkennen und den „Mangel“ ins Kalkül ziehen kann. Soweit also die Leistungsbeschreibung den Schuldinhalt präzisiert, insbesondere Zweifel über bestimmte Eigenschaften, Verwendungsmöglichkeiten und Funktionen des Leistungsgegenstands beseitigt und bestimmte „Mängel“ offenlegt, mit denen der Verbraucher angesichts des Materials, der Art der Herstellung, der Konstruktion und dergleichen rechnen muss, wird das Verbot des Gewährleistungsausschlusses in der Regel nicht umgangen (vgl 7 Ob 84/12x).
3.1 Die in Rede stehende Haftungsklausel lautet vollständig wie folgt:
„P***** gewährleistet nicht den jederzeitigen ordnungsgemäßen Betrieb bzw die ununterbrochene Nutzbarkeit bzw Erreichbarkeit des Service. Insbesondere haftet P***** nicht für Störungen der Qualität des Zugangs zum Service aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund von Ereignissen, die P***** nicht zu vertreten hat.“
Sie steht mit der Leistungsbeschreibung in Pkt 3.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verbindung, die wie folgt lautet:
„Der P*****-Service ist durchgehend 24 Stunden, sieben Tage die Woche einsatzfähig mit einer Verfügbarkeit von 99,5 % im Jahresmittel. Hiervon ausgenommen sind Ausfallzeiten durch Wartung und Software-Updates sowie Zeiten, in denen der Dienst aufgrund von technischen oder sonstigen Problemen, die nicht im Einflussbereich von P***** liegen (höhere Gewalt, Verschulden Dritter etc), über das Internet nicht zu erreichen ist.“
3.2 Durch die zu beurteilende Klausel wird offengelegt, dass es zu nicht zu verhindernden Betriebsunterbrechungen kommen kann, zumal Wartungszeiten und nicht im Einflussbereich der Beklagten stehende Internetprobleme technisch nicht zu verhindern sind, weshalb der Nutzer damit rechnen muss. Damit werden mit der Klausel reale Gegebenheiten der Internetnutzung abgebildet. Es wird aber keineswegs jeglicher Gewährleistungsfall ausgeschlossen oder eine von der Beklagten verschuldete Betriebsunterbrechung vom Gewährleistungsausschluss erfasst.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liegt hier nur eine zulässige einschränkende Leistungsbeschreibung zur Erreichbarkeit des Online‑Angebots der Beklagten, aber keine Einschränkung der Gewährleistung vor. Damit verstößt die Klausel nicht gegen § 9 KSchG.
4. Die Klausel ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht intransparent. Durch sie wird ausgedrückt, dass der Internet‑Service der Beklagten nicht ununterbrochen erreichbar sein muss, was vor allem für Wartungsarbeiten und nicht von der Beklagten zu vertretende Internetprobleme gilt. Damit wird aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers weder die Rechtslage verschleiert noch bleibt sie undeutlich; der Kunde wird auch nicht über die Rechtsfolgen oder über seine rechtliche Position getäuscht.
Die Klausel ist daher insgesamt als zulässig zu qualifizieren.
Zu Klausel 3 (keine Haftung für Kenntniserlangung durch Dritte):
1. Die Klägerin führte aus, dass diese Klausel einen nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG unzulässigen Haftungsausschluss enthalte. Davon abgesehen sei die Beklagte nach § 14 Abs 1 DSG 2000 verpflichtet, geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Die Beklagte entgegnete, dass sie die Daten bestmöglich abgesichert habe, aber keinen 100%igen Schutz gewährleisten könne.
Das Erstgericht qualifizierte die Klausel als intransparent, weil angesichts der bloß beispielhaften Anführung von „Hackerangriffen“ nicht klar sei, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte hafte.
Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an. Der Oberste Gerichtshof habe ausgesprochen, dass ein Unternehmer zumutbare Maßnahmen treffen müsse, um Hackerangriffe abzuwehren; die Verletzung dieser Verpflichtung mache schadenersatzpflichtig. Die hier beanstandete Klausel schließe eine solche Haftung aus, weshalb sie gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG verstoße.
In der Revision führt die Beklagte aus, dass die Kunden laufend über Sicherheitsmaßnahmen informiert würden. Die Nutzer könnten daher die notwendigen Dispositionen treffen, um sich vor Hackerangriffen zu schützen.
2. Der hier zu beurteilende Haftungsausschluss bezieht sich auf die unbefugte Kenntniserlangung persönlicher Kundendaten durch Dritte, ohne auf mögliche Begünstigungs- oder Beteiligungshandlungen der Beklagten Bedacht zu nehmen. Der Haftungsausschluss erstreckt sich in diesem Sinn auch auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln der Beklagten. Eine Begünstigung durch die Beklagte (durch Unterlassen) kommt sogar bei den im Klammerausdruck als Beispiel angeführten Hacker-Zugriffen in Betracht, weil solche durch geeignete technische Sicherheitsmaßnahmen verhindert oder zumindest erschwert werden können.
Den Betreiber einer Datenbank, insbesondere wenn diese über offene Netzwerke zugänglich ist, trifft die vertragliche Nebenpflicht (im Sinn von Schutz- und Sorgfaltspflichten), zumutbare, das heißt technisch mögliche und wirtschaftlich tragbare Abwehrmaßnahmen zu treffen (vgl 4 Ob 30/16i). Zudem besteht für den Datenverantwortlichen bzw den Auftragsverarbeiter die datenschutzrechtliche Verpflichtung, angemessene Datensicherheitsmaßnahmen zu treffen, um unbefugte Zugriffe, auch durch Hacker, zu vermeiden (siehe dazu § 14 Abs 1 DSG 2000 bzw seit 25. 5. 2018 Art 32 Abs 1 lit b DSGVO).
3. Dass die Klausel, wie die Beklagte meint, nur die Verwendung externer Kommunikationsmittel erfassen soll, weil sie in einem solchen Fall die Sicherheit nicht gewährleisten könne, geht aus der Klausel nicht hervor.
Ob der Nutzer über von der Beklagten getroffene oder sonst mögliche Sicherheitsmaßnahmen informiert wird, bleibt unerheblich, weil sich die Klausel auf die unbefugte Kenntniserlangung durch Dritte und damit auf erfolgreiche „Angriffe“ bezieht.
4. Die Haftungsfreizeichnung verstößt damit gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG.
Zu Klausel 4 (Schadloshaltung bei Verschulden des Kunden):
1. Die Klägerin qualifiziert die Klausel als intransparent, weil nicht erkennbar sei, welches Fehlverhalten des Kunden Schadenersatzpflichten auslösen könne. Da die Klausel die Beklagte zudem von jeder Mithaftung freizeichne, liege auch eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB vor.
Die Beklagte entgegnete, dass eine taxative Aufzählung der möglichen Ursachen für eine Ersatzpflicht nicht möglich sei und die beispielhafte Aufzählung für den Kunden ein Mehr an Transparenz biete.
Das Erstgericht qualifizierte die Klausel als intransparent, weil nicht ersichtlich sei, wann den Kunden eine Ersatzpflicht treffe; zudem sei die Klausel gröblich benachteiligend.
Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an. Die Klausel sei gröblich benachteiligend, weil sie eine unbeschränkte Haftung des Kunden auch für den Fall vorsehe, dass die Beklagte am entstandenen Schaden ein erhebliches oder überwiegendes Mitverschulden treffe. Die völlig unbestimmte Umschreibung des haftungsbegründenden Fehlverhaltens des Verbrauchers mache die Klausel auch intransparent.
In der Revision wiederholt die Beklagte, dass sie sich bemüht habe, die abstrakten Ausführungen durch konkrete Beispiele für den Verbraucher besser greifbar zu machen. Aus der Klausel lasse sich nicht ableiten, dass diese auch dann gelte, wenn sie selbst am entstandenen Schaden ein erhebliches oder überwiegendes Mitverschulden treffe.
2. Die in Rede stehende Klausel überträgt die Verantwortung für die Verletzung von Rechten Dritter durch die Teilnahme an der Online‑Plattform der Beklagten zur Gänze auf den Kunden. Sie lässt außer Acht, dass in diesem Zusammenhang auch eine Verantwortlichkeit der Beklagten (als Gehilfin) in Betracht kommt, die gegenüber der möglichen Haftung des Kunden für Rechtsverletzungen zB durch Kommentare oder Bildveröffentlichungen keineswegs subsidiär ist (vgl 4 Ob 121/17y). Zwar haftet der Plattformbetreiber als Host‑Service‑Provider bei rechtswidrigen fremden Inhalten (hier der Nutzer) für Schadenersatzansprüche Dritter nach § 16 ECG nur eingeschränkt. Bleibt er bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von den Inhalten bei gleichzeitiger Offenkundigkeit der Rechtswidrigkeit aber untätig und veranlasst er keine Sperre oder löscht er die Inhalte nicht, so trifft ihn als Gehilfe selbst die Verpflichtung zum Schadenersatz (vgl 6 Ob 12/17h). Davon abgesehen bleiben Unterlassungspflichten des Providers wegen der Beteiligung an Rechtsverletzungen nach § 19 ECG unberührt. Deren Geltendmachung setzt nach § 81 Abs 1a UrhG (analog) nur eine vorherige Abmahnung sowie bei Rechtswidrigkeit des Inhalts die Missachtung der Pflicht zur Sperre oder zum Löschen voraus (vgl 4 Ob 22/15m; auch 4 Ob 140/14p).
Soweit die Beklagte in diesem Sinn eine eigene Schadenersatzpflicht oder Unterlassungspflicht trifft, führt die Klausel zu einer Überwälzung der daraus resultierenden Zahlungspflichten einschließlich von Kostenersatzpflichten auf den Kunden. Diese Übertragung des Risikos findet im dispositiven Recht keine Deckung. Sie bezieht sich auf die Verletzung von Handlungs- und Sorgfaltspflichten der Beklagten selbst, weshalb die Überwälzung sachlich auch nicht gerechtfertigt ist. Damit ist die Klausel gröblich benachteiligend.
3. Die Schadloshaltung „wegen des Ausfalls von Dienstleistungen für andere Kunden, einem Verstoß gegen die Geschäftsbedingungen oder einer Verletzung sonstiger Rechte“ ist nicht näher bestimmt und vermittelt dem Kunden ein unklares Bild über die Haftungssituation. Damit ist die Klausel auch intransparent.
Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass sie ohnedies mögliche Anspruchsgründe aufzähle, um die Bestimmung für den Kunden besser greifbar zu machen. Die demonstrative Aufzählung bezieht sich nur auf möglicherweise beeinträchtigte Rechtsgüter und Eingriffshandlungen. Bei den hier fraglichen Verstößen handelt es sich jedoch um gesonderte Rechtsverletzungen, die mit den demonstrativen Aufzählungen in keinem Zusammenhang stehen.
Zu Klausel 5 (Gerichtsstandsvereinbarung):
1. Die Klägerin führte aus, dass diese Klausel den Gerichtsstand des § 14 KSchG verschleiere und daher intransparent sei.
Die Beklagte entgegnete, dass der Einschub „soweit zulässig“ den Verbraucher darauf hinweise, dass der vereinbarte Gerichtsstand nicht zwingend sei. Die Klausel sei daher zulässig.
Das Erstgericht qualifizierte die Klausel als intransparent, weil dem Verbraucher der Gerichtsstand des § 14 KSchG verschleiert werde.
Das Berufungsgericht schloss sich dieser Beurteilung an. Nach ständiger Rechtsprechung verstoße die Vereinbarung eines Gerichtsstands in den Geschäftsbedingungen „sofern nicht gesetzliche Regelungen entgegenstehen“ gegen das Transparenzgebot.
In der Revision führt die Beklagte aus, dass dem Verbraucher ein richtiges Bild über die Rechtslage vermittelt werde. Außerdem handle es sich um keine „nachgeschobene“ salvatorische Klausel.
2. In der Entscheidung 4 Ob 221/06p beurteilte der Oberste Gerichtshof eine ähnliche Klausel („Erfüllungsort und Gerichtsstand ist der Sitz der Bank in Wien, sofern nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen“) als intransparent. Dazu wurde ausgeführt, dass die Klausel dem Verbraucher den unrichtigen Eindruck vermittelt, der Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten mit der Beklagten sei deren Sitz in Wien. Dies trifft für Klagen der Beklagten gegen den Verbraucher aber grundsätzlich nicht zu, weil § 14 KSchG einer derartigen Vereinbarung entgegensteht und Klagen nur am allgemeinen Gerichtsstand des Verbrauchers (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Ort der Beschäftigung) zulässt. Es handelt sich um eine (nachgeschobene) salvatorische Klausel, die dem Verbraucher das Risiko aufbürdet, die (teilweise) Rechtswidrigkeit der beanstandeten Regelung zu erkennen, und die daher für deren Beurteilung im Verbandsprozess unerheblich ist. Die Klausel vermittelt dem Verbraucher daher ein unrichtiges Bild der Rechtslage und verstößt gegen § 6 Abs 3 KSchG.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, an welcher Stelle die salvatorische Klausel im beanstandeten Text platziert wird, weil dies für das durch die Klausel vermittelte Bild unerheblich ist. Auch die hier zu beurteilende Klausel verstößt gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG.
Ergebnis:
Zusammenfassend war der Revision der Beklagten nur in Ansehung der Klausel 2 Folge zu geben, die zulässig ist. Im Übrigen, also in Ansehung der beiden Geschäftspraktiken und der Klauseln 1, 3, 4 und 5 war die Entscheidung des Berufungsgerichts hingegen zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. Die Klägerin ist mit rund 90 % ihrer Ansprüche durchgedrungen; der verhältnismäßig geringfügige Teil, mit dem sie unterlegen ist, hat keine besonderen Kosten veranlasst.
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