European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00220.16S.1024.000
Spruch:
Sämtliche Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Begründung:
Dem Verfahren zentral zugrunde liegt die Festsetzung des Übernahmspreises für einen geschlossenen Hof in Tirol, bei dem Ertragswert und Verkehrswert weit auseinanderklaffen und auch noch weitere (walzende) Liegenschaften vorhanden sind, die in engem (land-)wirtschaftlichen Konnex stehen, weil sie sinnvoll nur gemeinsam mit dem Hof bewirtschaftet werden können.
Das Rekursgericht setzte den Übernahmspreis mit 3 Millionen EUR fest. Den Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, es fehle gesicherte Rechtsprechung, ob für die Landwirtschaft nicht „erforderliche“ Baugrundstücke zwingend mit dem Verkehrswert zu berücksichtigen sind.
Rechtliche Beurteilung
I. Der Revisionsrekurs der Tochter des Verstorbenen gegen die Zurückweisung ihres Rekurses – der vom Rekursgericht ausführlich inhaltlich behandelt wurde – betreffend die Ablehnung der Sachverständigen ist unzulässig, (RIS-Justiz RS0016522 [T9, T16]; RS0046065 [T9]).
II. Im Übrigen sind die Revisionsrekurse entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil kein Revisionsrekurswerber eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt.
1. Bei der Festsetzung des Übernahmswerts ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung des hier anzuwendenden § 21 Abs 1 TirHöfeG der Ertragswert des Hofes der entscheidende Orientierungspunkt, jedoch nicht die einzige Richtschnur, sollen doch die Mit- und Noterben nicht leer ausgehen (RIS-Justiz RS0063847; 2 Ob 129/16h).
Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in einzelnen Fällen auch bei „lebensfähigen“ geschlossenen Höfen iSd § 1 TirHöfeG bei weitem Auseinanderklaffen von Ertragswert und Verkehrswert auch letzteren angemessen berücksichtigt hat (RIS-Justiz RS0063847 [T4]; weitere Nachweise in 2 Ob 151/16v). Eine höhere Bewertung von Bauland anhand des Verkehrswerts ist dann vorzunehmen, wenn die künftige Verbaubarkeit so konkret Gestalt angenommen hat, dass sie nach der Verkehrsauffassung bereits als zusätzliches werterhöhendes Moment anzusehen ist (6 Ob 156/13d; 6 Ob 121/10b). Diesen Entscheidungen ist aber entgegen der in den Revisionsrekursen der Kinder des Erblassers vertretenen Auffassung nicht zu entnehmen, dass in diesen Fällen allein der Verkehrswert maßgeblich wäre.
Eine solche Betrachtungsweise verbietet sich schon deswegen, weil der Übernahmswert nach ständiger Rechtsprechung so festzusetzen ist, dass der Übernehmer wohl bestehen kann. Er ist demnach in die Lage zu versetzen, seinen Abfindungsverpflichtungen ohne Gefahr für die Lebensfähigkeit des Hofes nachzukommen (1 Ob 184/72 SZ 45/89; 2 Ob 129/16h; RIS‑Justiz RS0063871). Die Entscheidung 7 Ob 56/10a kann der Sohn für seinen Standpunkt nicht heranziehen: Der dort entschiedene Fall betraf nicht das Höferecht.
Da die Ermittlung des Übernahmswerts nach dem TirHöfeG eine Ermessensentscheidung ist, ist die Frage, inwieweit Ertragswert- und Verkehrswertkomponenten ihren Niederschlag im Übernahmswert finden sollen, regelmäßig eine solche des Einzelfalls (6 Ob 109/11i; 6 Ob 156/13d). Die diesbezügliche Entscheidung des Rekursgerichts, die sich mit dieser Frage ausführlich und umfassend auseinandersetzte und Ertragswert und Verkehrswert im Verhältnis 3:1 gewichtete, hält sich im Rahmen des eingeräumten Ermessensspielraums und ist nicht korrekturbedürftig.
2. Das Partikularrecht für geschlossene Höfe in Tirol geht, anders als das Anerbengesetz oder das Kärntner Erbhöfegesetz, für die Qualifikation als Erbhof von einer rein formalen Betrachtungsweise aus (vgl 6 Ob 181/00m). Nach § 1 TirHöfeG sind Bestand und Umfang des Erbhofs nur durch die grundbücherliche Eintragung bestimmt, wenn der Hof in die Abteilung I des Hauptbuchs des Grundbuchs eingetragen ist (RIS-Justiz RS0063713). War dies der Fall, so finden die besonderen Erbteilungsvorschriften Anwendung, selbst wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Eintragung des geschlossenen Hofs nicht mehr gegeben wären (6 Ob 108/97v). Auch eine allfällige Verpachtung ist nicht zu berücksichtigen (6 Ob 156/13d). Die Entscheidung 6 Ob 13/84 ist nicht einschlägig, weil sie zum insoweit divergierenden Kärntner Erbhöferecht erging.
3. Die Übernehmerin wendet sich unter Hinweis auf ihr Alter (rund 66 Jahre im Zeitpunkt des Erbanfalls) gegen die Kapitalisierungsdauer bei Ermittlung des Ertragswerts. Das Rekursgericht hat jedoch (im Gegensatz etwa zu den Entscheidungen 1 Ob 55/72 und 6 Ob 288/02z: jeweils 25 Jahre Kapitalisierungsdauer) dem Sachverständigengutachten folgend ohnehin nur eine jedenfalls vertretbare Kapitalisierungsdauer von bis zu höchstens 10 Jahren zugrunde gelegt.
4. Die Einbeziehung der walzenden Liegenschaften in die Bestimmung des Übernahmspreises durch das Erstgericht war entgegen der Auffassung der Übernehmerin als Vorfrage für die Ermittlung des Übernahmspreises der Rechtskraft nicht zugänglich. Alle Rekurswerber erhoben eine Rechtsrüge. Das Rekursgericht hatte daher die Rechtsfrage nach allen Richtungen – somit auch in Richtung der Einbeziehung der walzenden Liegenschaften – zu prüfen, weil es sich dabei in Bezug auf die strittige Festsetzung des Übernahmspreises nicht um ein selbstständige Rechtsfrage oder Einwendung handelt (RIS‑Justiz RS0043352 [T30, T31, T33, T35]).
5. Ein Kostenersatz findet nicht statt (RIS-Justiz RS0123203).
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