OGH 6Ob13/84

OGH6Ob13/8412.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schobel, Dr. Riedler, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) M***** S*****, und 2.) L***** P*****, beide vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Albin Ortner, Rechtsanwalt in Villach, wegen je 140.000 S sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. März 1984, GZ 6 R 18/84‑73, womit infolge der Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. Oktober 1983, GZ 18 Cg 404/80‑65, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

J***** E*****, der Vater der Streitteile, ist am 26. 12. 1976 verstorben. Mit notariellem Übergabsvertrag vom 9. 6. 1965 hatte er der Beklagten seine Liegenschaften EZ *****, *****, *****, ***** und ***** je KG ***** im Gesamtausmaß von 51,4334 ha und seine Anteile an den Liegenschaften, und zwar 15/83 an der EZ ***** KG ***** (2,6312 ha), 9/80 der EZ *****4 KG ***** (165,2121 ha) und ein Drittel der EZ ***** KG ***** (274,1259 ha) samt allem Zubehör übergeben. Als „Gegenleistung“ hiefür verpflichtete sich die Beklagte als Übernehmerin, ihrem Bruder J***** E***** jun den Fruchtgenuss an einem näher bezeichneten Wohnhaus einschließlich Beheizung und Beleuchtung, Einrichtung, Verwaltung und Erhaltung und an verschiedenen Grundstücken einzuräumen und ihn als landwirtschaftlichen Hilfsarbeiter anzustellen, sowie dem Übergeber und dessen Gattin A*****, beiden auf deren Lebzeiten, „folgenden Unterhalt zu leisten und zu gewähren“. Hiebei wurden unter Punkt 2a bis e verschiedene unzweifelhaft als Ausgedinge zu wertende Leistungen wie Wohnung, Kost, Naturalien, Bekleidung, Reinigung, Pflege und Handgeld vereinbart; anschließend unter Punkt 2f sicherte die Beklagte dem Übergeber und seiner Gattin „das Recht zum Bezug von dreihundert Festmeter Nutzholz aus dem am tiefsten gelegenen Drittel des 'Stollerwaldes', welches Recht zu Lebzeiten beider Berechtigter vom Übergeber allein, nach dem Ableben eines Teiles davon vom überlebenden Elternteil allein auszuüben ist, mit dem Ableben des zweitversterbenden Teiles der Berechtigten ... aber vollständig aufhört“, zu.

Der Übergeber hinterließ seine am 7. 2. 1977 verstorbene Gattin A***** sowie die Streitteile und J***** E***** jun als Kinder. Die Übergabsliegenschaften werden von der Hofstelle vulgo M***** in L***** aus bewirtschaftet, mit welcher auch die genannten Liegenschaftsanteile verbunden sind. Der Hof liegt in ca 600 m Seehöhe und ist verkehrsmäßig gut erschlossen. Wasser und Strom werden vom öffentlichen Energieträger bezogen. Im Übergabszeitpunkt war die verkehrsmäßige Erschließung noch ungünstiger. Auch wurde zwischenzeitig die Grundfläche arrondiert, was allerdings damals bereits vorhersehbar war. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind von mittlerer Bonität. Die Hofstelle besteht aus einem 1930 errichteten Wohnhaus, das sich nach Neuverlegung der Böden und Erneuerung der Fenster durch die Beklagte in gutem Bauzustand befindet. Dem Wohnhaus ist ein Wirtschaftsgebäude in gutem Bauzustand angeschlossen, an das von der Beklagten zur Erweiterung der Stallungen ein Zubau angefügt wurde; der Stall ist von ihr nach der Übernahme modernisiert worden. Zu dem Anwesen gehören ferner ein weiteres 1955 gebautes Wohnhaus, eine Abstell‑ und eine Holzhütte sowie eine Almhütte auf der Grautalalpe. Die etwa 20 ha großen Waldungen enthielten bei der Übergabe einen Holzvorrat von rund 2.600 fm; doch sind etwa 900 fm wegen der extrem ungünstigen Bringungsverhältnisse wirtschaftlich nicht nutzbar. Der Viehbestand umfasste bei der Übergabe 20 Rinder und 2 Pferde; der Hof war mit dem üblichen Maschinenpark ausgerüstet. Bei ortsüblicher Nutzung konnte 1965 ein Jahresertrag von 157.370 S erwirtschaftet werden. Der Betrieb war schuldenfrei. Eine Verschuldung in Höhe von 172.527 S in Form zinsenbegünstigter Agrarkredite wäre jedoch betriebswirtschaftlich tragbar gewesen. Außerdem hätten noch Annuitäten von 30.000 S 15 Jahre hindurch aufgebracht werden können, so dass damals ein Kredit von 242.000 S bei üblicher Verzinsung ohne Gefährdung für den Hofbestand hätte zurückgezahlt werden können.

Mit ihrer am 8. 1. 1979 eingebrachten Klage machten die beiden Klägerinnen gegen ihre Schwester Ansprüche auf den Schenkungspflichtteil in einer Höhe von ‑ zuletzt ‑ je 140.000 S geltend. Sie erblickten in der Übergabe zum überwiegenden Teil eine Schenkung, weil das Ausgedinge im Verhältnis zu den von ihnen mit 5 Mio S bewerteten Liegenschaften kaum ins Gewicht falle. Die Klägerinnen behaupteten, von ihrem Vater vor der Übergabe lediglich je 100.000 S und eine Schlafzimmereinrichtung teils als Heiratsgut, teils als Entlohnung für ihre Mitarbeit am Hof erhalten zu haben.

Die Beklagte wendete ein, es liege keine Schenkung vor, weil das Ausgedinge dem „Wohlbestehenswert“ der Liegenschaft entspreche. Außerdem müssten sich die Klägerinnen die Vorempfänge anrechnen lassen. Die Ansprüche seien zudem verjährt, weil die Klägerinnen im Verfahren vom 6. 12. 1979 bis 17. 9. 1980 untätig geblieben seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf noch folgende weitere Feststellungen, die ‑ soweit für die Erledigung der Revision bedeutsam ‑ wie folgt zusammengefasst werden können:

Die Erstklägerin erhielt von ihrem Vater anlässlich ihrer Eheschließung 1957 einen Geldbetrag von 50.000 S und eine Schlafzimmereinrichtung um 12.000 S sowie als Aussteuer Tisch‑ und Bettwäsche; 1961 oder 1962 übergab der Vater ihr einen weiteren Barbetrag von 50.000 S und zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt einen kleinen Schrank. Die Zweitklägerin erhielt vom Übergeber bei ihrer Eheschließung eine Schlafzimmereinrichtung um 10.000 S und eine ähnliche Aussteuer wie ihre Schwester. 1950 übergab ihr der Vater einen Barbetrag von 7.000 S, 1953 einen solchen von 3.000 S, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1953 und 1965 einen Betrag von 50.000 S und 1972 einen Betrag von 40.000 S. Um die Jahreswende 1976/77 realisierten die beiden Klägerinnen ein dem inzwischen verstorbenen Übergeber gehöriges Sparbuch und wendeten sich je die Hälfte des Realisats von 31.000 S zu. Beide Töchter hatten bis zur Eheschließung ‑ die Erstklägerin bis 1957, die Zweitklägerin bis 1949 ‑ bei freier Kost, Station und persönlicher Ausstattung auf dem Hof mitgearbeitet.

Im Zeitpunkt der Übergabe hätten den zum Hof gehörigen Waldungen etwa 1.000 fm Holz entnommen werden können, wofür 1965 ein Erlös von 390.000 S erzielbar gewesen wäre. Die Belastungsgrenze des Hofs ist für diesen Zeitpunkt unter Bedachtnahme auf die auf die Beklagte entfallende Erbquote und die übernommenen Sachleistungen mit 1.382.194 S zu errechnen. Bei Außerachtlassung der J***** E***** jun zugedachten Abfindung, die mit 530.966,50 S zu kapitalisieren ist, hätte man damals dem Hof eine Belastung von insgesamt 1.913.160,60 S auferlegen können, ohne seinen Bestand zu gefährden. Zieht man davon die einen Kapitalaufwand von 770.003,50 S erfordernden Gegenleistungen der Übernehmerin ab, errechnet sich als Obergrenze der zumutbaren weiteren Belastungen ein Betrag von 1.143.157 S. Seit der Hofübernahme hat die Beklagte insgesamt Holz im Gesamtbetrag von 2.092.775,20 S (die Addition der im Urteil des Erstgerichts auf den Seiten 8 und 9 = Seiten 358 und 359 des Akts hinsichtlich der einzelnen Holzverkäufe angeführten Beträge ergibt jedoch den Betraf von 2.092.715,75 S) verkauft; davon entfällt ein Teilbetrag von zumindest 995.232,90 S auf die Zeit nach dem Tode des Übergebers. Den Holzerlös verwendete die Beklagte zur Anschaffung von landwirtschaftlichen Geräten (im Gesamtbetrag von 434.503,90 S), zur Erhaltung und zum Ausbau der Hofgebäude, zur Entwässerung von Grundflächen und zum Zukauf von vier Waldgrundstücken (zum Kaufpreis von insgesamt 350.000 S). Weder der Übergeber noch seine Ehegattin haben das ihnen vertraglich zugesicherte Schlägerungsrecht auch nur teilweise ausgenützt. Unter Bedachtnahme auf den Lebenshaltungskostenindex sind die Vorempfänge der Erstklägerin bis Dezember 1976 auf den Betrag von 264.997 S und jene der Zweitklägerin auf einen solchen von 241.951 S aufzuwerten.

Daraus schloss das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, dass, da der Hof ein Erbhof sei, bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils vom Wohlbestehenswert auszugehen sei. Das krasse Missverhältnis zwischen dem Liegenschaftswert und den der Beklagten auferlegten Gegenleistungen indiziere die Schenkungsabsicht des Erblassers. Zur Wertermittlung sei auf den Zeitpunkt der Übergabe abzustellen, doch seien wertändernde Umstände bis zum Tode des Erblassers mitzuberücksichtigen. Als Pflichtteilsbemessungsgrundlage sei eine Schenkung im Wert von 2.194.861 S zugrunde zu legen. Auch die Vorempfänge der Klägerinnen seien bis zum Tode des Erblassers aufzuwerten und sodann dem Wert der Schenkung zuzuschlagen. Daraus errechne sich bei einer Quote von 3/32 ein Pflichtteil von 253.294 S. Die Erstklägerin habe schon durch ihre Vorempfänge mehr als diesen Betrag erhalten. Soweit der Pflichtteil bei der Zweitklägerin die exakt berechenbaren Vorempfänge übersteige, werde er jedenfalls duch die nicht in Abrede gestellte Aussteuer aufgewogen. Den Klägerinnen stehe daher kein Schenkungspflichtteil zu.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die Revision zulässig ist. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, aus Äußerungen des Erblassers, die Klägerinnen würden von ihm noch weitere Zuwendungen erhalten, könne nicht darauf geschlossen werden, dass seine bisherigen Zuwendungen an sie zum Teil als Abgeltung ihrer Arbeitsleistungen gewidmet gewesen seien. Der Hof sei als Erbhof iSd § 2 Kärntner ErbhöfeG anzusehen. Der Pflichtteilsberechnung sei deshalb der Wohlbestehenswert der Liegenschaften zugrunde zu legen. Der Übergabsvertrag sei jedenfalls bis zur Höhe der Gegenleistungen entgeltlich. Dass ein Teil derselben vorzeitig weggefallen sei, entspreche dem Wesen solcher Verträge, ändere jedoch nichts an der Wertermittlung. Da sich die Beklagte im Vertrag zu Leistungen an den Übergeber und ihren Bruder verpflichtet habe, sei eine gemischte Schenkung anzunehmen, bei der lediglich der geschenkte Teil zur Ermittlung des von den Klägerinnen begehrten Schenkungspflichtteils heranzuziehen sei. Ob eine gemischte Schenkung anzunehmen sei, hänge in erster Linie davon ab, ob zwischen dem Wert der übergebenen Liegenschaften und jenem der Gegenleistungen ein krasses Missverhältnis bestehe und dies dem Übergeber bewusst gewesen sei. Bestehe die Schenkung in unbeweglichen Sachen, sei bei Berechnung der Pflichtteilsbemessungsgrundlage der Wert im Zeitpunkt des Empfangs dem Nachlass hinzuzurechnen. Werde ein Erbhof zu Lebzeiten übergeben, müsse der Übernahmspreis so veranschlagt werden, dass der Übernehmer wohl bestehen könne. Dieser Wert sei vom Erstgericht zutreffend für den Zeitpunkt der Übergabe und nicht für jenen des Schlusses der Verhandlung erster Instanz ermittelt worden. Die Berechnungen des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen seien vertretbar. Das Gesetz selbst enthalte keine Vorschriften über die Berechnung des Übernahmspreises. Die Aufwertung als solche und deren Ergebnisse seien von den Klägerinnen nicht angezweifelt worden. Das Erstgericht habe sich bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils an die Grundsätze des Judikats 114 gehalten; danach seien die Klägerinnen angesichts ihrer (aufgewerteten) Vorempfänge nicht in ihrem Pflichtteil verletzt worden. Daher greife auch nicht die Vorschrift des § 786 ABGB ein, wonach die Verlassenschaft bis zur wirklichen Zuteilung des Pflichtteils im Verhältnis zwischen Erben und Noterben als gemeinschaftliches Gut anzusehen sei. Die Beteiligung des Pflichtteilsberechtigten entfalle, wenn er angesichts seiner Vorempfänge keinen Anspruch auf Auszahlung habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerinnen ist im Ergebnis berechtigt.

Die von ihnen in der Revision geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Übergabe des Hofs an die Beklagte haben die Vorinstanzen übereinstimmend als gemischte Schenkung beurteilt. Eine solche ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn die Leistung des einen Vertragsteils objektiv wertvoller ist als jene des anderen, weil das Entgelt für eine Leistung ‑ wie etwa beim Freundschaftskauf ‑ bewusst niedrig angesetzt wurde; erforderlich ist vielmehr, dass die Vertragspartner einen Teil der zu erbringenden Leistungen als Geschenk ansehen wollten (SZ 53/167; SZ 50/101; SZ 49/43 uva; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 938; Koziol‑Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts6, I 162 f). Doch kann aus den Umständen des Einzelfalls der Schenkungswille erschließbar sein. Das trifft häufig bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen zu, die eine Verschleierung der (teilweisen) Schenkungsabsicht möglich erscheinen lassen. Werden dabei ‑ wie bei Übergabsverträgen, wenn noch weitere Noterben vorhanden sind ‑ schutzwürdige Interessen Dritter berührt, ist bei krassem Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen die Absicht einer ‑ teilweise ‑ unentgeltlichen Leistung zu vermuten (SZ 53/167; 6 Ob 3/83 uva; vgl insbesondere auch Bydlinski im Klang ‑Komm² IV/2 192). Von einer solchen Schenkungsabsicht gingen auch die Vorinstanzen aus. Dass die Liegenschaftsübergabe eine gemischte Schenkung ist, welche Grundlage für den von den beiden Klägerinnen geltend gemachten Schenkungspflichtteil sein kann, wird von den Parteien im Revisionsverfahren auch nicht bezweifelt.

Die Bewertung der im Übergabsvertrag enthaltenen Schenkung ist nach folgenden Grundsätzen vorzunehmen:

In welchem Ausmaß die Liegenschaftsübergabe als entgeltlich bzw unentgeltlich zu beurteilen ist, muss jedenfalls nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden. Allerdings handelt es sich bei dem von der Beklagten übernommenen Hof um einen Erbhof iSd § 2 Kärntner ErbhöfeG. In diesem Fall ist, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, die Bewertung so vorzunehmen, dass der Übernehmer am Hof wohl bestehen kann (§ 9 Abs 2 lit c). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Erbteilung, sondern auch in allen ähnlich gelagerten Fällen, vor allem bei der Hofübernahme unter Lebenden, als stets von Lehre und Rechtsprechung anerkanntes Gewohnheitsrecht (SZ 45/89; 6 Ob 3/83 uva; Schubert aaO; Bydlinski aaO). Mit der dem Gericht auferlegten Bedachtnahme auf das „Wohlbestehenkönnen“ des Hofübernehmers wird ihm im Rahmen des billigen Ermessens ein weiter Spielraum eingeräumt, dessen Grenze jedoch die Leistungsfähigkeit des Hofs und seines Inhabers ist. Die Ermittlung des Übernahmswerts hat sich ‑ in erster Linie ‑ am Ertragswert des Hofs zu orientieren, weil der Hof vom Übernehmer weiter bewirtschaftet und nicht etwa veräußert werden soll (SZ 45/89 mwN). Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen bei der Wertermittlung zur Beantwortung der Frage, ob eine gemischte Schenkung vorliegt (sowie ob und inwieweit die Klägerinnen in ihrem Pflichtteilsrecht verkürzt sind), auch beachtet (vgl Sachverständiger ON 16 AS 127 ff). Dass die Berücksichtigung des Wohlbestehenkönnens des Übernehmers für die weichenden Erben Härten mit sich bringt, weil sie in aller Regel wesentlich weniger erhalten als bei einer Erbteilung unter Bedachtnahme auf den Verkehrswert, muss von ihnen angesichts des Zwecks dieser Regelung ‑ der Erhaltung eines gesunden Bauernstands ‑ in Kauf genommen werden.

Bei der Bewertung der übergebenen Liegenschaften nach den soeben dargelegten Kriterien sind jedoch ‑ entgegen der dem Sachverständigen folgenden Wertermittlung durch die Vorinstanzen ‑ alle Belastungen, die die Beklagte ‑ einschließlich der vom Übergeber für sich und für seinen Sohn bedungenen Rechte ‑ zu übernehmen hatte, als wertmindernd anzunehmen. Als Gegenleistungen sind ‑ wie der erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat (6 Ob 620/82; 6 Ob 805/82) ‑ nur aus dem Vermögen des Übernehmers erbrachte Leistungen zu veranschlagen, zu welchen allerdings auch solche zu rechnen sind, die der Übernehmer dritten Personen zu erbringen hat. Die Vorinstanzen haben indessen die von der Beklagten dem Erblasser (und dessen Gattin) sowie J***** E***** jun eingeräumten Rechte an einer Reihe von Grundstücken nicht bei der Ermittlung des (Übernahms‑)Werts der Liegenschaften, sondern beim Wert der Gegenleistungen in Ansatz gebracht; zu diesen schon bei der Bewertung der Liegenschaften in Anschlag zu bringenden Belastungen ist auch das dem Übergeber (bzw nach seinem Ableben seiner Ehegattin) vorbehaltene Recht der Schlägerung von 300 fm Holz aus dem Stollerwald zu rechnen, mit welchem sich dieser eine Nutzung vorbehalten hat, die ihm früher als Eigentümer zugestanden war.

Einer Anpassung an die geänderten Verhältnisse seit der Übergabe des Hofs ist ausschließlich die für den Übergabszeitpunkt ermittelte Geschenkquote zu unterziehen. Im Anschluss an die überwiegende Lehre (Ehrenzweig‑Kralik, Erbrecht³ 299; Koziol‑Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts6, II 297; Welser in Rummel, ABGB, Rdz 2 und 6 zu § 794; Scheffknecht in NZ 1968, 129 ff; Sperl in Reimer‑FS, 91 ff; aM offenbar Eccher, Antizipierte Erbfolge, 112) hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass für die Ausmessung des Schenkungspflichtteils der im § 794 ABGB genannte Zeitpunkt des Ebanfalls maßgebend ist, gleichviel, ob eine dem § 785 ABGB zu unterstellende Schenkung den Erben selbst oder einen Dritten begünstigt. Sachgerecht ist die Anpassung nach Auffassung des erkennenden Senats allerdings nur dann, wenn ‑ anstelle in wörtlicher Auslegung des § 794 ABGB den Geldwert des Geschenks im Zeitpunkt des Empfangs zu ermitteln (und allenfalls entsprechend der Geldwertänderung aufzuwerten) ‑ zwar der Wert des Geschenks für den Zeitpunkt des Erbanfalls ermittelt, jedoch der Zustand der Sache im Empfangszeitpunkt unter Berücksichtigung aller erst im Zeitpunkt des Erbanfalls aktualisierten, damals aber bereits mit Gewissheit veranschlagbar gewesenen Wertbestimmungsfaktoren zugrunde gelegt wird. Hängt die Ermittlung des Pflichtteils nicht von der wirklichen Zuteilung ab, wäre die Pflichtteilsforderung allerdings bereits ab ihrer Fälligstellung zu verzinsen.

Daraus folgt unter Bezugnahme auf den festgestellten Sachverhalt nachstehende Berechnung:

Vorerst ist der in der Hofübergabe enthaltene Geschenkanteil zu berechnen. Von dem für den Empfangszeitpunkt ermittelten, auf das Wohlbestehenkönnen der Beklagten abzustellenden und am Ertragswert zu messenden Wert des übergebenen Hofs sind die unter Bedachtnahme auf die Lebenserwartung des Übergebers, seiner Frau und seines Sohnes auf diesen Zeitpunkt zu schätzenden Lasten (Fruchtgenuss des Sohnes und das Holzschlägerungsrecht des Übergebers) abzuziehen. Auf diese Weise ist der Wert des übergebenen Hofs im Empfangszeitpunkt zu errechnen. Ferner ist der Gesamtwert der von der Beklagten als Übernehmerin aus ihrem Vermögen zu erbringenden Leistungen ‑ bezogen auf diesen Zeitpunkt ‑ zu ermitteln. Das Verhältnis des Unterschiedsbetrags zwischen Übergabswert und Wert der Gegenleistungen einerseits und des Übergabswerts allein andererseits ergibt den Geschenkanteil, der die Pflichtteilsbemessungsgrundlage bildet. Allerdings ist dieser im Sinne der vorangestellten Erwägungen als Quote des nun auf den Erbanfall zu schätzenden Wohlbestehenswerts des Hofs im Zustand und mit den Belastungen im Zeitpunkt des Empfangs zu verstehen.

Zutreffend haben die Vorinstanzen die in barem Geld bestehenden Vorempfänge der beiden Klägerinnen (nach dem Lebenshaltungskostenindex) bis zum Erbfall aufgewertet. Dies entspricht Lehre (Welser aaO, Rdz 8 zu § 794 ABGB; Koziol‑Welser aaO; 298; Kralik aaO, 299; Scheffknecht in NZ 1968, 132) und Rechtsprechung (EvBl 1962/469, S 598; JBl 1956, 403 mit Anmerkung von Steinwenter). Dagegen vermögen die Klägerinnen nichts Stichhältiges ins Treffen zu führen. Mit der Behauptung, die Barzuwendungen des Übergebers an sie seien ein Entgelt für ihre Arbeitsleistungen auf dem Hof bis zu ihrer Verehelichung gewesen, entfernen sie sich von den Feststellungen des Erstgerichts (AS 362). Sie haben im Übrigen selbst vorgebracht, dass es sich bei den Barzuwendungen um Heiratsgut und Ausstattung gehandelt habe (AS 266). Dass es sich bei den Vorempfängen um Schenkungen gehandelt habe, die einer sittlichen Pflicht entsprochen hätten (§ 785 Abs 3 ABGB), haben die Klägerinnen erstmals in der Revision behauptet. Im Übrigen haben sie hiezu kein tatsächliches Vorbringen in erster Instanz erstattet, sieht man von der nicht bewahrheiteten Behauptung ab, es handle sich um keine eigentlichen Geschenke, weil diese weitgehend durch die Arbeit der Klägerin auf dem Hof aufgewogen würden (AS 22). Die Sittenschenkung enthält zusätzlich zum Leistungsversprechen eine besondere Rechtsgrundabrede, welche die Widmung für die einem gesetzlich vorgeprägten Rechtsverhältnis (zB Unterhalt, Ausstattung usw) nachgebildete Lebensbeziehung gewährleistet (Migsch, Die sogenannte Pflichtteilsschenkung, AcP 173, 46, insbes 53 f, 68). Hiefür fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt.

Erst wenn feststehen wird, wie hoch die Schenkung an die Beklagte zu bewerten ist, ist nach den im Judikats 114 angeführten Grundsätzen zu prüfen, ob den Klägerinnen über die anrechenbaren aufgewerteten Vorempfänge hinaus ein Schenkungspflichtteil gebührt. Infolge der dargelegten Feststellungsmängel (unrichtiger Wertermittlung) bedarf es offenbar einer Ergänzung des Verfahrens durch das Erstgericht; in diesem Sinne erweist sich die Revision als erfolgreich.

Nicht berechtigt ist der Verjährungseinwand der Beklagten (AS 193). Gemäß § 1497 ABGB unterbricht die Klagserhebung die Verjährung nur, wenn die Klage in der Folge „gehörig fortgesetzt“ wird. Eine gehörige Fortsetzung ist nicht anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit an den Tag legt und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung seines Prozessziels nicht gelegen ist. Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen. Konnte oder musste der Kläger eine Tätigkeit des Gerichts erwarten, darf aus seiner eigenen Untätigkeit nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, er sei an einem ihm günstigen Verfahrensausgang gar nicht mehr interessiert. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht der Beklagten außerhalb der mündlichen Streitverhandlung den Erlag eines weiteren Kostenvorschusses von 10.000 S aufgetragen (AS 160), ohne hievon die Klägerinnen zu verständigen, geschweige denn, ihnen anzukündigen, dass bei Nichterlag die Verhandlung nur über ihren Antrag fortgesetzt werden würde. In diesem Fall kann aus der Unterlassung eines Fortsetzungsantrags im Zeitraum vom 21. 3. 1980 ‑ bis dahin war ein Rechtsmittelverfahren in einem Zwischenstreit anhängig ‑ bis zum 17. 9. 1980 nicht der Schluss gezogen werden, dass den Klägerinnen am Erreichen ihres Prozessziels nichts gelegen wäre (vgl SZ 52/30; EvBl 1976/6, S 16; EvBl 1973/17, S 45).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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