European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00127.15F.1124.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Grundnachbarn. Mit Kaufvertrag vom 21. 7. 1997 erwarb die Klägerin von der beklagten Partei (einem Stift) ua das Grundstück Nr 162/2 zur Errichtung einer Quellfassung für die Nutz‑ und Trinkwasserversorgung ihrer Mitglieder. In Punkt VIII. des Kaufvertrags wurde festgehalten, dass die beklagte Partei (bzw von ihr beauftragte Dritte) keine Maßnahmen setzen dürfe (dürften), „welche das Eigentumsrecht am kaufgegenständlichen Grundstück und die daraus ableitbaren Nutzungsrechte ‑ dies alles eingeschränkt auf Wasserbauten, die Wasserlieferung, Wasserleitungsverlegung und die Wasserentnahme (Wasserbezug) ‑ zu beeinträchtigen oder zu beschränken geeignet sind“.
Auf dem Grundstück Nr 162/2 befindet sich neben der Quellstube (dem Sammelbecken der Quelle) die zum Hochbehälter im Wasserversorgungsgebiet verlegte Hauptleitung sowie die hier gegenständliche Überwasser‑ und Entleerungsleitung, die mit einer runden, ca 30 cm breiten sogenannten „Froschklappe“ (einer
mechanischen Sperrvorrichtung) aus Metall gegen Rückstauereignisse und Hochwassergeschiebe abgesichert ist.
Mit Bescheid vom 15. 7. 2003, GZ: 3.0‑179/2002 erteilte die Wasserrechtsbehörde der beklagten Partei die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Teichanlage mit drei Teichen und der Ausleitung von Wasser aus dem M*****bach in den K*****bach und zur Speisung der Teiche im Ausmaß von max 10 l/s aus dem K*****‑ und M*****bach. In den Auflagen wurde vorgeschrieben, dass die Rückleitungs‑ und Entnahmebauwerke keine Abflussbehinderung im K*****‑ und M*****bach bewirken dürfen.
Am 13. 1. 2010 fand bei der Teichanlage vor Ort eine wasserbehördliche Überprüfung der Auflagen des Bewilligungsbescheids vom 15. 7. 2003 unter Beteiligung von Vertretern der Streitteile statt.
Bei dieser Verhandlung bemängelte der Obmann der Klägerin mögliche Beeinträchtigungen unter anderem durch nachträgliche ‑ ihrem Standpunkt nach nicht durch den Bescheid vom 15. 7. 2003 gedeckte ‑ bauliche Änderungen der beklagten Partei (Errichtung von Sohlschwellen beim Entnahmebauwerk), die zu einer unzulässigen Anhebung der Bachsohle des K*****bachs und einer daraus resultierenden Gefährdung der Froschklappenfunktion geführt hätten.
Mit Bescheid vom 22. 1. 2013 stellte die Wasserrechtsbehörde fest, dass die von der beklagten Partei errichtete Teichanlage mit der erteilten Bewilligung vom 15. 7. 2003 übereinstimme und genehmigte die im Befund näher beschriebene Änderung in der Ausführung der Anlage nachträglich.
Das Landesverwaltungsgericht wies die Berufung der Klägerin mit Erkenntnis vom 20. 2. 2014 als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen seine Endscheidung gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B‑VG unzulässig sei.
Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision stand bei Schluss der Verhandlung in erster Instanz am 10. 4. 2014 noch aus.
Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, das ursprüngliche Niveau des K*****bachs auf ihrem Grundstück Nr 162/2 wiederherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass es in diesem Gewässer zu keinen vermehrten oder anderen als natürlichen Sedimentierungen und zu keinem Wasserrückstau vom Grundstück der beklagten Partei komme; in eventu, festzustellen, dass die beklagte Partei der Klägerin für alle zukünftigen Schäden aus der Sedimentierung und aus dem Wasserrückstau des K*****bachs hafte. Dazu berief sie sich auf § 364 Abs 2 ABGB und Punkt VIII. des Kaufvertrags vom 21. 7. 1997. Die Hebung des Bachbetts durch den Schwellenbau sei wasserrechtlich nicht genehmigt und nicht als geringfügig iSd § 121 WRG anzusehen.
Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, die Sicherung der Bachsohle mit Sohlschwellen sei im Einvernehmen mit der Wildbach‑ und Lawinenverbauung erfolgt und durch den Bescheid vom 15. 7. 2003 gedeckt. Diese Sicherungsmaßnahme sei für die Klägerin nur vorteilhaft, weil die Bachsohle stabilisiert werde und sich nicht weiter vertiefen könne.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Die beklagte Partei habe gegen vertragliche Unterlassungspflichten verstoßen. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts sei noch nicht rechtskräftig und binde daher nicht. Die Klägerin könne sich daher auch auf § 364 Abs 2 ABGB berufen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Hauptbegehren mit Teilurteil ab. Die Frage, ob der Bescheid nach § 121 WRG vom 22. 1. 2013 in Rechtskraft erwachsen sei, sei eine der rechtlichen Beurteilung. Zivilgerichte seien an rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen gebunden, was umso mehr nach der durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geschaffenen Rechtslage für Erkenntnisse eines Landesverwaltungsgerichts zu gelten habe. Zu prüfen sei daher, ob das wasserrechtliche Verfahren bei Schluss der Verhandlung erster Instanz rechtskräftig beendet gewesen sei, weil dann eine rechtskräftig behördlich genehmigte Anlage nach § 26 Abs 2 WRG vorliege, was eine Sperrwirkung bedeute und den zivilrechtlichen Unterlassungsschutz (auch nach § 364 Abs 2 ABGB) ausschließe. Zwar könne der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof die von der Klägerin im Wasserrechtsverfahren erhobene außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts nach Schluss der Verhandlung erster Instanz zurückgewiesen habe, wegen des im Berufungsverfahren geltenden Neuerungsverbots nicht berücksichtigt werden. Weil aber das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts nur mit einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof bekämpfbar gewesen und dem Rechtsmittel bei Schluss der Verhandlung keine aufschiebende Wirkung zugekommen sei, sei von dessen materieller Rechtskraft und damit auch der Rechtskraft des mit dieser Entscheidung bestätigten Bescheids vom 22. 1. 2013 auszugehen. Damit sei bei Schluss der Verhandlung erster Instanz eine auch in seiner nachträglichen Änderung rechtskräftig genehmigte Wasserbenutzungsanlage (Teichanlage) der beklagten Partei vorgelegen, weswegen das auf § 364 Abs 2 ABGB gestützte Hauptbegehren abzuweisen sei. Punkt VIII. des Kaufvertrags vom 21. 7. 1997 begründe keinen weitergehenden Eigentümerschutz. Nach Rechtskraft dieser Entscheidung werde das Erstgericht über das Eventualbegehren, welches ausdrücklich auch auf § 26 Abs 2 WRG gestützt werde, zu verhandeln und zu entscheiden haben.
Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage, wann ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts, gegen das eine mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung verbundene außerordentliche Revision erhoben wird, rechtskräftig und damit insoweit für das Zivilgericht bindend werde, dass von einem rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage gemäß § 26 Abs 2 WRG auszugehen sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Die Bestimmung des § 26 Abs 2 WRG ist dem § 364a ABGB vergleichbar (dazu Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 364a ABGB Rz 238) und statuiert einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch als Ausgleich für den Entzug von Abwehrrechten. Als Sonderregelung verdrängt § 26 Abs 2 WRG die nachbarrechtlichen Ansprüche nach § 364 Abs 2 und § 364a ABGB (1 Ob 278/00i; 1 Ob 55/02y = ecolex 2002, 580 [Wilhelm]; RIS‑Justiz RS0082428; RS0082422 ua). Das darin enthaltene Tatbestandsmerkmal des „rechtmäßigen Betriebs“ wurde durch den Obersten Gerichtshof zwar ursprünglich eng ausgelegt (1 Ob 48/87 = SZ 60/265), davon ist er in seiner späteren Judikatur jedoch wieder abgerückt. Nunmehr wird in ständiger Rechtsprechung betont, dass aufgrund des Regelungszwecks des § 26 Abs 2 WRG die verschuldensunabhängige Haftung bloß eine „grundsätzliche“ Rechtmäßigkeit des Betriebs der Anlage voraussetze. Die Bestimmung sei daher nicht bereits unanwendbar, wenn der Bestand oder Betrieb der Anlage in irgendeinem Punkt rechtswidrig gewesen ist (1 Ob 204/13a mwN).
2.1 Für die Sperrwirkung, also das Abschneiden von Unterlassungs‑ und Beseitigungsansprüchen im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB, gilt im Anwendungsbereich des § 364a ABGB ganz grundsätzlich, dass sie soweit reicht, als die Einwirkungen von der behördlichen Genehmigung gedeckt sind (Kerschner/Wagner aaO § 364a ABGB Rz 155). Das ist der Fall, wenn der Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage (grundsätzlich) rechtmäßig ist.
2.2 Das Verfahren nach § 121 WRG dient der Feststellung der Übereinstimmung der neu hergestellten bzw in Teilen veränderten Wasseranlage mit der seinerzeitigen Bewilligung. Durch eine nachträgliche Genehmigung allfälliger Abweichungen im Überprüfungsverfahren wird die Rechtswidrigkeit der bisherigen konsenslosen Wassernutzung rückwirkend beseitigt (RIS‑Justiz RS0082407; B. Raschauer, Wasserrecht, § 121 WRG Rz 4). Die Sperrwirkung des § 26 Abs 2 WRG erfasst dann jedenfalls den Bestand und Betrieb der Wasserbenutzungsanlage im (nachträglich) genehmigten Umfang.
2.3 Unstrittig ist, dass der von der beklagten Partei errichteten Teichanlage der rechtskräftige Bewilligungsbescheid vom 15. 7. 2003 zugrunde liegt. Strittig ist hingegen, ob die von der beklagten Partei im Zuge von deren Errichtung vorgenommenen Änderungen, insbesondere die Errichtung von Sohlschwellen, insoweit als vom Bescheid vom 15. 7. 2003 gedeckt anzusehen sind, dass von einer Rechtmäßigkeit von Bestand und Betrieb der Anlage ausgegangen werden kann. Dazu entschied die Wasserrechtsbehörde im Verfahren nach § 121 WRG mit Bescheid vom 22. 1. 2013, dass die Anlage mit der erteilten Bewilligung übereinstimmt und die Änderung in der Ausführung nachträglich genehmigt wird, woraus folgt, dass es sich bei der Wasserbenutzungsanlage der beklagten Partei für den Fall der Rechtskraft um eine behördlich genehmigte Anlage gemäß § 26 Abs 2 WRG (bzw iSd § 364a ABGB) handelt. Das schließt die errichtete Entnahmestelle als Zubehöranlage ein (vgl RIS‑Justiz RS0082196). Weil das Landesverwaltungsgericht die Berufung der Klägerin gegen diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 20. 2. 2014 abwies und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ, ging das Berufungsgericht von der Sperrwirkung einer (materiell) rechtskräftig behördlich genehmigten Anlage (iSd § 26 Abs 2 WRG bzw § 364a ABGB) aus. Auf den die außerordentliche Revision der Klägerin zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. 5. 2014 (Ra 2014/07/001) nahm das Berufungsgericht zu Recht nicht Bedacht, weil auch für die Beurteilung von Unterlassungsklagen auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz abzustellen ist (vgl dazu Fucik in Fasching / Konecny ² III § 406 ZPO Rz 6, 16). Diese Entscheidung begründet eine neue Tatsache, auf die gemäß § 482 ZPO nicht Bedacht zu nehmen ist.
3.1 Ob und inwieweit ein verwaltungsrechtlicher Bescheid in einem anderen Verfahren Bindungswirkung entfaltet, richtet sich nach der jeweiligen Verfahrensordnung (Kneihs, Rechtskraft, ZfV 2015, 171 [191]).
Die Voraussetzungen für eine Bindung des Gerichts an Bescheide von Verwaltungsbehörden sind daher von diesem selbstständig zu beurteilen (vgl Schragel in Fasching/Konecny² II/2 § 190 ZPO Rz 12).
3.2 Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung eine Bindung der Gerichte an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden, mit welchen eine für den Zivilrechtsstreit maßgebliche Vorfrage entschieden wurde, und zwar selbst dann, wenn diese Bescheide fehlerhaft (gesetzwidrig) sein sollten (RIS‑Justiz RS0036880; RS0036981; RS0036864). Der Zivilrichter hat den Bescheid nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu prüfen (RIS‑Justiz RS0036981; RS0036975 [T4]; RS0036864).
3.3 Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (ua VwGH 2010/17/00274; VwGH 2012/05/0026 je mwN). Unter Rechtskraft im materiellen Sinn ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheids zu verstehen. Die materielle Rechtskraft eines Bescheids liegt vor, wenn dieser (auch) von Amts wegen ‑ von der Behörde ‑ nicht mehr aufgehoben oder abgeändert werden kann, sofern nicht eine der ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen (vgl etwa die §§ 68, 69 und 71 AVG) in Betracht kommt (VwGH 2010/17/0274; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 582). Aus der formellen Rechtskraft eines Bescheids folgt grundsätzlich auch seine materielle Rechtskraft (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 68Rz 12 [Stand 1. 1. 2014, rdb.at] mwN). Voraussetzung für die Annahme einer Bindungswirkung ist damit im Regelfall die formelle Rechtskraft.
3.4 Nach einhelliger Auffassung zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hinderte die Zulässigkeit einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht (VwGH 2010/17/0274 mwN; Hengstschläger/Leeb aaO Rz 9; Antoniolli/Koja aaO 581 je mwN). Solche Beschwerden vermochten daher an der Bindung der Zivilgerichte an verwaltungsbehördliche Entscheidungen nichts zu ändern (2 Ob 282/05t; 5 Ob 187/07x; RIS‑Justiz RS0036880 [T19; T21]; RS0036867; vgl auch 4 Ob 335/85), auch nicht, wenn ihnen eine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde (5 Ob 187/07x = RIS‑Justiz RS0036981 [T24]; gegenteilig noch 4 Ob 335/85 = RS0036838).
4.1 Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde eine zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt und der administrative Instanzenzug ‑ abgesehen von Angelegenheiten im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden ‑ abgeschafft. In der Regierungsvorlage (1618 BlgNR 24. GP 4) wird dazu ausgeführt, dass jede Verwaltungsbehörde „erste und letzte“ Instanz sein soll und gegen von ihr erlassene Bescheide (bzw wegen einer Verletzung der Entscheidungspflicht durch sie) als einziges Rechtsmittel Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden können soll, und weiter festgehalten, dass die Verwaltungsgerichte erster Instanz grundsätzlich selber entscheiden sollen und gegen ihre Erkenntnisse und Beschlüsse unter bestimmten Voraussetzungen Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden können soll.
4.2 Der Zeitpunkt, wann ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach der seit 1. 1. 2014 geltenden Rechtslage formell rechtskräftig wird, wird in der Lehre nicht einheitlich beantwortet. So wird die Meinung vertreten, dass der Eintritt der formellen Rechtskraft bereits mit Erlassung des Bescheids durch die Behörde anzunehmen ist. Begründet wird diese Ansicht damit, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht (als außerordentliches Rechtsmittel) die Rechtskraft nicht aufzuschieben vermöge. Insoweit entspreche das Verhältnis der Verwaltungsgerichte zu den Verwaltungsbehörden dem bisherigen [Anm: nach der Rechtslage vor dem 1. 1. 2014] des Verwaltungsgerichtshofs zu den Behörden. Verwaltungsgerichte entscheiden nach dieser Ansicht stets über formell rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen (Ennöckl, Was bedeutet Rechtskraft nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle ‑ am Beispiel des gewerblichen Betriebsanlagen-rechts, ZfV 2014, 795 [796 f]; Grabenwarter/Fister, Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit ‑ Änderungen für den Rechtsschutz, NZ 2013, 353 [361 f]; Eberhard in Bußjäger/Gamper/Ranacher/Sonntag, Die neuen Landesverwaltungsgerichte, 139 [mit Ausnahme des Verwaltungsstrafverfahrens] ua). Nach anderer Meinung verhindert die offene Möglichkeit eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht als ordentliches Rechtsmittel zu erheben, die Rechtskraft des Bescheids (Leeb in Janko/Leeb, Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 111; Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 558; Schiffkorn, „Rechtskraft“ nach dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012, ZVG 2014, 628 [632] ua).
4.3 Nach Art 130 Abs 4 B‑VG und dem in Ausführung dazu ergangenen § 28 Abs 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) haben die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Behörde in der Sache selbst zu entscheiden. Ausgehend von dieser Sachentscheidungs‑ und Sacherledigungskompetenz der Verwaltungsgerichte vertrat der Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfGH B 320/2014) bereits wiederholt die Auffassung, dass jede Entscheidung des Verwaltungsgerichts, welche ‑ allenfalls unter Rückgriff auf den Inhalt bzw Abspruch eines (in Beschwerde gezogenen) verwaltungsbehördlichen Bescheides ‑ die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheids trete. Spätestens mit der „(Sach‑)Entscheidung“ des Verwaltungsgerichts werde der angefochtene
Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt und durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ersetzt. Das gelte auch, wenn das Verwaltungsgericht die gegen einen verwaltungsbehördlichen
Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abweist und den Inhalt des
Bescheids unverändert lässt. Auch in diesem Fall sei das
Erkenntnis derart zu werten, dass das Verwaltungsgericht ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheids übereinstimmendes
Erkenntnis erlassen hat (VwGH Ro 2015/03/0032; vgl auch VwGH Ro 2014/15/0042; VfGH E 1286/2014 [
ausdrücklich unter Verweis auf Entscheidungen
zur Rechtslage vor der Einführung der Verwaltungsgerichte]; so auch Schiffkorn aaO 636; aA Kneihs, Rechtskraft, ZfV 2015, 171 [191]; Stolzlechner, Zur Rechtswirkung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte auf bekämpfte Bescheide ‑ dargestellt anhand der Interpretation des § 359c GewO, ZVG 2014, 640 [646 f]). Damit haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012 vertretene Auffassung, wonach ein Berufungsbescheid an die Stelle des angefochtenen Bescheids trat, für die Rechtslage nach Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit fortgeschrieben.
4.4 Als Zwischenergebnis ist daher in Anknüpfung an die dargestellte Judikatur festzuhalten, dass sich, liegt ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ bereits ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts vor, nicht mehr die Frage nach der Rechtskraft des bei diesem angefochtenen Bescheids und einer allfälligen Bindung daran stellt, sondern jene nach der Rechtskraft und damit der Bindungswirkung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses, das an die Stelle des angefochtenen Bescheids getreten ist.
5.1 Fragen nach der Bindung von Zivilgerichten an gerichtliche Entscheidungen, die die Lösung einer Vorfrage zum Gegenstand haben, stellen sich ebenfalls nur dann, wenn sie rechtskräftig sind. Ganz allgemein tritt die Rechtskraft von (gerichtlichen) Entscheidungen ein, wenn ihre Unanfechtbarkeit im Verfahren gegeben ist.
Erst wenn das (gerichtliche) Urteil durch ordentliche Rechtsmittel unanfechtbar geworden ist, kommt ihm in der Regel auch die materielle Rechtskraft zu (allgemein für das zivilgerichtliche Urteil vgl
Fasching/Klicka in Fasching/Konecny² III vor § 411 ZPO Rz 3). Die Bindungswirkung ist Ausfluss der materiellen Rechtskraft.
Auch für die Frage nach der Bindung der Zivilgerichte an ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist auf dessen Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln abzustellen. Das wirft die Frage auf, inwieweit Erkenntisse von Verwaltungsgerichten der Überprüfung durch ein ordentliches Rechtsmittel im Instanzenzug unterliegen, das den Eintritt der Rechtskraft hindert. Da im vorliegenden Fall die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen wurde, ist für den vorliegenden Fall zu untersuchen, ob die von der Klägerin gegen das Erkenntnis vom 20. 2. 2014 erhobene außerordentliche Revision ein die Rechtskraft hinderndes (ordentliches) Rechtsmittel darstellt.
5.2 Art 133 B‑VG normiert die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Revision in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und regelt die Zuständigkeit, den Revisions‑ bzw Beschwerdegegenstand und den Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs sowie die Berechtigung zur Revisionserhebung (Legitimation). Nach der Regierungsvorlage (1618 BlgNR 24. GP 16 f) orientiert sich das ‑ dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren bis dahin fremde ‑ Revisionsmodell an der
Revision nach den §§ 500 ff ZPO. Danach soll eine „außerordentliche
Revision“ an den Verwaltungsgerichtshof dann in Frage kommen, falls ein Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der
Revision gegen sein Erkenntnis bzw seinen Beschluss verneint. Nach dem Muster der ZPO soll sich die außerordentliche
Revision nicht auf die Anfechtung der Unzulässigerklärung der
Revision beschränken, sondern soll sich „unter einem“ auf die Verletzung in sonstigen Rechten beziehen.
Die einfachgesetzlichen Regelungen finden sich in § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG). Nach Abs 1 dieser Bestimmung hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die
Revision gemäß Art 133 Abs 4 B‑VG zulässig ist. In der Regierungsvorlage (2009 BlgNR 24. GP 10 f) wird dazu auf die Erläuterungen zu Art 133 B-VG verwiesen und angemerkt, dass der Inhalt der
Revision dem Inhalt der bisherigen Bescheidbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof entsprechen soll. Hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass die
Revision gemäß Art 133 Abs 4 B‑VG nicht zulässig ist, kann außerordentliche
Revision erhoben werden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen (§ 34 Abs 1a VwGG).
5.3 Für die (ordentliche und außerordentliche) Revision nach § 502 und § 505 Abs 4 ZPO ist unbestritten, dass es sich um ein ordentliches Rechtsmittel handelt. Dass die rechtzeitige Erhebung einer (ordentlichen oder außerordentlichen) Revision nach der Zivilprozessordnung den Eintritt der Rechtskraft hindert, ist in § 505 Abs 3 und 4 ZPO ausdrücklich angeordnet. Für die (ordentliche und außerordentliche) Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts existiert keine dem § 505 Abs 3 und 4 ZPO vergleichbare Bestimmung. § 30 Abs 1 VwGG ordnet lediglich an, dass der Revision grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedeutet die Pflicht, mit dem Vollzug oder der Berechtigungsausübung nicht zu beginnen bzw darin innezuhalten (zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012 vgl 9 ObA 42/10g = SZ 2010/166).
5.4 In der Literatur liegen zur Rechtsnatur der Revision nach § 25a VwGG bislang nur wenige Stellungnahmen vor. Nach Schiffkorn (aaO 633 f mwN) spreche insbesondere das Überwiegen des kassatorischen Elements in der Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts nach dem VwGG für die Annahme, dass es sich bei der Revision nach Art 133 Abs 1 Z 1 B‑VG um ein „außerordentliches“, dh die Rechtskraft nicht hinderndes Rechtsmittel handelt, sodass die Rechtskraft von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht erst nach ungenütztem Ablauf der sechswöchigen Revisionsfrist oder Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof eintrete. Dazu beruft er sich auf Köhler (Die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte erster Instanz in Steuersachen, Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 118 f), der die bisher auf die „Rechtskraft“ abstellenden Regelungen der BAO nunmehr auf den Abschluss des Verfahrens durch die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts bezieht. Er räumt aber ein, dass sich auch das gegenteilige Ergebnis vertreten ließe. Ein solches vertritt Kneihs (aaO 186), der aus der Übernahme des Revisionsmodells der ZPO ableitet, dass auch die herrschenden zivilprozessualen Rechtskraftvorstellungen in das System der Verwaltungsgerichtsbarkeit übernommen worden seien, sodass Rechtskraft nicht eintrete, solange noch die Revision vorgesehen ist. Dies entspreche auch der die gesamte Reform motivierenden Vorstellung von einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster und zweiter Instanz. Ritz (Formelle Rechtskraft in Abgabenvorschriften, taxlex 2015, 204 [205]) hingegen vertritt dezidiert die Auffassung, dass es sich bei den (nunmehrigen) Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof um keine ordentlichen Rechtsmittel handle. Diese Ansicht teilen auch B. Raschauer (Auswirkungen der Reform auf die Verwaltung, in Österreichische Juristenkommission, Justizstaat: Chance oder Risiko? 241 [FN 13]) und Scharfe (in Ehrke‑Rabl/Merli, Die belangte Behörde, 140 f, 145). Tanzer (Die Rolle der belangten Behörde im Verfahren der Verwaltungsgerichte und der Eintritt Oberster Organe in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht, 293) geht vom Eintritt der materiellen Rechtskraft aus, wenn die Verwaltungsbehörde gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhebt.
5.5 Nach Art 144 B‑VG
idF
der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts, soweit der Beschwerdeführer durch das Erkenntnis in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrags), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrags in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach den Erläuterungen (1618 BlgNR 24. GP 20) soll dadurch keine Änderung im Verhältnis zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof bewirkt werden; der Verfassungsgerichtshof übt danach seine „Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit“ allerdings nicht mehr gegenüber Verwaltungsbehörden, sondern gegenüber den Verwaltungsgerichten aus.
5.6 Die Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle hat darüber hinaus das bereits davor bestehende System der sogenannten Sukzessivbeschwerde aufrechterhalten. Art 144 Abs 3 B‑VG sieht vor, dass Beschwerden, die vom Verfassungsgerichtshof abgewiesen werden oder deren Behandlung abgelehnt wird, auf Antrag der beschwerdeführenden Partei, der ‑ wenn er nicht bereits zuvor gestellt wurde ‑ gemäß § 87 Abs 3 VfGG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs einzubringen ist, an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten sind. In einem solchen Fall beginnt die sechswöchige Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs 3 VfGG zu laufen (§ 26 Abs 4 VwGG).
5.7 Wird von der durch die Reform in den Grundzügen unberührt gebliebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht und gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zunächst der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 144 B-VG angerufen, erhebt sich die Frage, welche Wirkung dieser Schritt in Bezug auf den Eintritt der Rechtskraft eines solchen Erkenntnisses hat. Ganz eindeutig ist, dass das Modell der Sukzessivbeschwerde das bereits davor in Kraft befindlich gewesene System weiterführt. Danach galt, wie bereits eingangs dargestellt, dass eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof den Eintritt der Rechtskraft nicht hinderte. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Novelle 2012 einer Beschwerde nach Art 144 B‑VG idgF insoweit eine andere Bedeutung beimessen und durch die Erhebung einer solche Beschwerde den Eintritt der Rechtskraft eines Erkenntnisses gehindert wissen wollte, fehlen (so aber Kneihs aaO). Aus dem Hinweis in der Regierungsvorlage, wonach der Verfassungsgerichtshof gegenüber den Verwaltungsgerichten eine „Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit“ ausübt, kann vielmehr geschlossen werden, dass der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit Bezug auf die Rechtskraft von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte keine andere Wirkung beigemessen werden kann, als sie den Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nach alter Rechtslage zukam. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Ausübung des Beschwerderechts nach Art 144 B‑VG ‑ anders als nach der Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ‑ nicht mehr davon abhängig ist, dass der Instanzenzug erschöpft ist. Der Entfall dieser Voraussetzung erklärt sich daraus, dass die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte keinem solchen Rechtszug unterliegen (Holzinger in Holoubek/Lang, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz 384 f).
5.8 Der Umstand, dass der Beschwerde nach Art 144 B‑VG keine den Eintritt der Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses hindernde Wirkung zukommt, führt zum Ergebnis, dass auch der Möglichkeit, den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, obwohl das Verwaltungsgericht die Revision nach Art 133 Abs 1 Z 1 B‑VG für nicht zulässig erklärt hat, keine andere Wirkung auf die Rechtskraft eingeräumt werden kann. Anderenfalls müsste nämlich unterstellt werden, dass ‑ wird nicht zugleich auch die Revision erhoben ‑ die bei vorangehender Anrufung des Verfassungsgerichtshofs durch Ablauf der Revisionsfrist eingetretene Rechtskraft nachträglich wegfiele, wenn die Sache gemäß Art 144 Abs 3 B‑VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten wird. Dieser Aspekt und der Umstand, dass in der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine dem § 505 Abs 4 ZPO vergleichbare Bestimmung fehlt, machen deutlich, dass jedenfalls der außerordentlichen Revision nach den die Verwaltungsgerichtsbarkeit regelnden Verfahrensgesetzen keine die Rechtskraft hemmende Wirkung zukommt.
6. Zusammengefasst folgt: Der Gesetzgeber orientiert sich bei Einführung der Revision gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012 zwar am Modell der ZPO; daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass durch die Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts dessen Rechtskraft hinausgeschoben werden sollte. Daraus folgt, dass die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs 1a VwGG kein die Rechtskraft hemmendes Rechtsmittel ist. Damit ist von einer Bindung der Zivilgerichte an ein verwaltungsgerichtliches Erkenntnis auszugehen, auch wenn dagegen eine außerordentliche Revision erhoben wurde.
7. Für den vorliegenden Fall ergibt sich:
Das Landesverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen den Bescheid der Wasserrechtsbehörde vom 22. 1. 2013 mit Erkenntnis vom 20. 2. 2014 als unbegründet abgewiesen und die Revision nicht zugelassen, sodass ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheids übereinstimmendes
rechtskräftiges Erkenntnis vorliegt. Damit steht für das Zivilverfahren bindend fest, dass die von der beklagten Partei errichtete Anlage mit der erteilten Bewilligung [...] vom 15. 7. 2003 [...] übereinstimmt und die im Befund beschriebene Änderung in der Ausführung der Anlage gegenüber der erteilten Bewilligung nachträglich genehmigt wurde. Das Entnahmebauwerk und die Errichtung der Sohlschwellen, welche von der Klägerin für die Wasserspiegelanhebung und die damit einhergehende Gefahr von Verlandungen verantwortlich gemacht werden, entsprechen daher dem wasserrechtlichen Konsens. Damit kommt die Sperrwirkung des § 26 Abs 2 WRG zum Tragen, die zu einer Duldungspflicht der Klägerin und damit zum Ausschluss von auf § 364 Abs 2 ABGB gestützte Ansprüche führt.
8. Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren auch auf Punkt VIII. des Kaufvertrags vom 21. 7. 1997 und sieht darin eine den nachbarschaftsrechtlichen Immissionsschutz gestaltende Sonderrechtsbeziehung zwischen den Streitteilen. Zutreffend ist, dass § 364 Abs 2 ABGB dispositives Recht enthält. Die sich aus dem Nachbarrecht ergebenden Ansprüche sind daher grundsätzlich modifizierbar, und zwar auch durch rein schuldrechtliche Vereinbarungen (RIS-Justiz RS0010534 [T1]). Eine solche vertragliche Regelung zwischen Nachbarn kann die Ausübung und die Grenzen der beiderseitigen Rechte und Verbindlichkeiten abweichend vom allgemeinen Nachbarrecht regeln. Für dieses gilt allgemein, dass ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch nicht berechtigt ist, wenn sich eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse im Sinn einer unmittelbaren Zuleitung auf das Grundstück eines Nachbarn nur geringfügig auswirkt und diese Folge kein Vernünftiger als nennenswerten Nachteil ansähe (vgl RIS‑Justiz RS0121625). Ob durch den Vertrag vom 21. 7. 1997 insoweit eine vom allgemeinen Nachbarrecht abweichende Sonderrechtsbeziehung überhaupt geschaffen wurde, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist die Verkehrsübung unter Heranziehung des Parteiverhaltens und ihrer Erklärungen, gemessen am Empfängerhorizont zu berücksichtigen (vgl RIS‑Justiz RS0044358). Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze kann die von der beklagten Partei in Punkt VIII. des Kaufvertrags übernommene Verpflichtung, die [...] daraus „abgeleiteten Nutzungsrechte (dies eingeschränkt auf Wasserbauten, Wasserlieferung, Wasserleitungsverletzung und Wasserentnahmen)“ nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden, jedenfalls nicht so verstanden werden, dass auch nur ganz geringfügige Einwirkungen durch die von der beklagten Partei errichtete Wasseranlage untersagt und von dieser ungeachtet der wasserrechtlichen Bewilligung zu unterlassen wären. Anhaltspunkte dafür, dass mit der von der beklagten Partei errichteten Anlage mehr als bloß ganz geringfügige Auswirkungen verbunden wären, die bei objektiver Betrachtung als nennenswerter Nachteil angesehen werden könnten, hat aber weder das Beweisverfahren ergeben, noch lässt sich ein solcher dem Vorbringen der Klägerin entnehmen. Steht daher ‑ wie hier ‑ als Ergebnis des Verfahrens nach § 121 WRG bindend fest, dass Bestand und Betrieb der Wasserbenutzungsanlage rechtmäßig sind, und lässt sich auch aus der vertraglichen Sonderbeziehung nicht ableiten, dass von der Beklagten auch ganz geringfügige Einwirkungen zu unterlassen wären, erstreckt sich die Sperrwirkung des § 26 Abs 2 WRG auch auf die von der Klägerin aus der Sonderrechtsbeziehung abgeleiteten Rechte.
9. Der Revision gegen das angefochtene Teilurteil ist damit ein Erfolg zu versagen.
10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0035972).
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