Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben; die Entscheidungen der Untergerichte werden aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt mit der am 7.5.1982 eingebrachten Klage, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die unbefugte Ausübung des Gewerbes des Lebensmittel- und Genußmittelhandels mit Austern, Brötchen, Sekt und Säften sofort zu unterlassen. Zur Begründung bringt sie im wesentlichen vor, die beklagte Partei habe bei der Anmeldung des Handelsgewerbes im Sinne des § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO eine gewerberechtliche Geschäftsführerin namhaft gemacht und gleichzeitig um Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis angesucht. Daraus folge, daß die namhaft gemachte Geschäftsführerin die für den Befähigungsnachweis erforderlichen Voraussetzungen nicht besitze. Die Ausübung des angemeldeten Handelsgewerbes sei so lange unbefugt, so lange die beantragte Nachsicht nicht erteilt worden sei. Eine solche Nachsicht sei aber tatsächlich nicht erteilt worden.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Da das Geschäftslokal der beklagten Partei im Zeitpunkt der Einbringung der Klage bereits geschlossen gewesen und seither nicht mehr eröffnet worden sei, fehle der klagenden Partei das Rechtsschutzinteresse. Das Ansuchen um Nachsicht von den Voraussetzungen des Befähigungsnachweises sei nur vorsichtshalber gestellt worden. Tatsächlich besitze die Geschäftsführerin die hiefür erforderlichen Voraussetzungen. Die beklagte Partei habe im übrigen keine Tätigkeit ausgeübt, die dem gegenständlichen Handelsgewerbe zuzurechnen sei.
Nachdem das Erstgericht einen im Hinblick auf ein anhängiges Verwaltungsverfahren (einer von der beklagten Partei gegen den Untersagungsbeschluß erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hat dieser aufschiebende Wirkung zuerkannt) gestellten Unterbrechungsantrag abgewiesen hatte, gab es dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:
Die beklagte Partei meldete mit Schreiben vom 21.2.1982 das Handelsgewerbe gemäß dem § 103 Abs 1 lit b Z 25 GewO an. Sie machte als gewerberechtliche Geschäftsführerin Christine I namhaft und suchte gleichzeitig um Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis an. Mit Bescheid des Magistrats Graz vom 6.9.1982 wurde der beklagten Partei die Ausübung des am 23.2.1982 von ihr angemeldeten oben genannten Gewerbes mangels Erbringung des dafür vorgeschriebenen Befähigungsnachweises für Christine I gemäß dem § 340 Abs 7 in Verbindung mit den §§ 9 Abs 1 und 39 Abs 2 GewO untersagt. Das Amt der Steiermärkischen Landesregierung bestätigte diese Entscheidung mit Bescheid vom 17.1.1983. Der von der beklagten Partei dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erkannte dieser mit Beschluß vom 29.4.1983 aufschiebende Wirkung zu. Die J K L M N O, Sektion Handel, hatte dem Magistrat Graz mit Schreiben vom 29.3.1982 aus den näher dargelegten Gründen mitgeteilt, daß sie die von der beklagten Partei vorgenommene Gewerbeanmeldung nicht zur Kenntnis nehmen könne. Die namhaft gemachte Geschäftsführerin habe nämlich vor allem nicht die notwendige einjährige kaufmännische Verwendung nachgewiesen, so daß dem Nachsichtsansuchen nicht entsprochen werden könne. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, mangels Erteilung der Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis und im Hinblick auf den rechtskräftigen Untersagungsbescheid liege eine unbefugte Gewerbeausübung vor.
Darin sei ein sittenwidriges Handeln der beklagten Partei im Sinne des § 1 UWG zu erblicken.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision unzulässig sei. Das Berufungsgericht wies ferner den von der beklagten Partei (neuerlich) gestellten Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens zurück. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Im übrigen habe die beklagte Partei gar nicht behauptet, daß sie die gemäß dem § 339 Abs 3 Z 2 GewO für den Befähigungsnachweis erforderlichen Belege dem Magistrat Graz vorgelegt habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die ao. Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, die ao. Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die ao. Revision ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionswerberin weist mit Recht darauf hin, daß der Frage der (von den Untergerichten bejahten) Bindung der Gerichte an den Bescheid der Verwaltungsbehörde, wenn der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt, weil diesbezügliche veröffentlichte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, soweit ersichtlich, nicht vorliegen. Dieser Verfahrensfrage wurde vom Berufungsgericht zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen und diese Frage im Ergebnis unrichtig gelöst. Auszugehen ist davon, daß die Gerichte an rechtskräftige Verwaltungsbescheide grundsätzlich - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmsfällen abgesehen - gebunden sind (Fasching. Zivilprozeßrecht, RdZ 95; derselbe im Kommentar, II, 927, mwH). Verwaltungsrechtliche Fragen sind, wenn darüber noch kein rechtskräftiger Bescheid einer Verwaltungsbehörde ergangen ist, vom Gericht als Vorfragen selbständig zu beurteilen. Ist ein Verwaltungsverfahren darüber aber bereits anhängig, so kann das Gericht sein Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verwaltungsverfahren unterbrechen (§ 190 ZPO). Gegen die Abweisung eines Antrages auf Unterbrechung des Verfahrens ist gemäß dem § 192 Abs 2 ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig, so daß der unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erfolgten Bekämpfung der Abweisung des im Berufungsverfahren gestellten Unterbrechungsantrages ebenso die Berechtigung fehlt wie dem im Revisionsverfahren diesbezüglich erneuerten Antrag. Im gegenständlichen Fall liegt wohl ein formell rechtskräftiger Verwaltungsbescheid über die Untersagung der Gewerbeausübung vor, doch hat der Verwaltungsgerichtshof der von der beklagten Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß dem § 30 Abs 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuerkannt. Dies hat zur Folge, daß nicht nur die Vollstreckbarkeit dieses Bescheides im Sinne einer zwangsweisen Verwirklichung des bescheidmäßigen Zustandes im Wege einer Exekution aufgeschoben wird, sondern daß die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit, also der Eintritt der durch die Rechtsordnung an einen Bescheid geknüpften Rechtswirkungen, hinausgeschoben wird (VwGHSlg. NF 10.381 A; 4 Ob 103/83; Schmelz, Die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln im österreichischen Verwaltungsrecht - dargestellt am Sozialversicherungsrecht, ZAS 1982,83 ff, insbesondere 85, mit vielen Hinweisen. Der Aufschiebungsbescheid kann aber nicht mehr Wirkung äußern als ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben wird. Ein solcher Aufschiebungsbescheid steht daher der Einleitung und Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens, in dem die Unterlassung der Ausübung des angemeldeten Gewerbes aus Gründen des Wettbewerbs angestrebt wird, nicht entgegen Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß durch den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die rechtsgestaltende Untersagungswirkung des (formell rechtskräftigen) Verwaltungsbescheides aufgeschoben wurde. Ein die Gerichte bindender rechtskräftiger Verwaltungsbescheid liegt daher nicht vor. Dies bedeutet, daß die Gerichte entweder die verwaltungsrechtliche Vorfrage (hier:
Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Handelsgewerbes) selbständig zu beurteilen oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen, eine Bindungswirkung hervorrufenden Beendigung des Verwaltungsverfahrens unterbrechen müssen. Da die Untergerichte eine selbständige Beurteilung der vorerwähnten Vorfrage im Hinblick auf die von ihnen zu Unrecht angenommene Bindungswirkung unterlassen haben, ist eine Aufhebung ihrer Entscheidungen und die Rückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und Fällung einer neuen Entscheidung an das Erstgericht notwendig. Das Erstgericht wird, wenn es das Verfahren fortsetzt, nunmehr neuerlich die Frage zu prüfen haben, ob nicht dem Unterlassungsanspruch - dies selbst für den Fall einer inzwischen ergehenden voll wirksamen rechtskräftigen Entscheidung im Sinne einer Untersagung der Ausübung des Handelsgewerbes - schon im Hinblick darauf die Grundlage fehlt, daß ein sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG mangels Vorliegens eines subjektiv vorwerfbaren Verhaltens (ÖBl.1983, 40 ua), etwa weil die von der beklagten Partei für richtig gehaltene Auslegung gewerberechtlicher Vorschriften immerhin vertretbar ist, nicht angenommen werden kann. Hiezu kann aber auch den noch näher zu klärenden Gründen für die Stellung eines Nachsichtsantrages und für dessen spätere Zurückziehung sowie für die Auskünfte, welche die beklagte Partei beim Magistrat Graz über die Berechtigung zur Ausübung des angemeldeten Handelsgewerbes erhalten hat (siehe dazu die Beweisergebnisse AS 66 f) Bedeutung zukommen. Sollte eine Prüfung dieser Umstände ergeben, daß das Verhalten der beklagten Partei dieser subjektiv vorzuwerfen ist, müßten die objektiven Grundlagen der Berechtigung der Ausübung des angemeldeten Handelsgewerbes, insbesondere das Vorliegen der Voraussetzungen für den Befähigungsnachweis der Geschäftsführerin, geprüft werden. Hiebei wird auch festzustellen sein, ob und in welchem Zeitraum die beklagte Partei in ihrem Geschäftslokal das angemeldete Handelsgewerbe tatsächlich ausgeübt hat (siehe dazu die Bestreitung AS 55). Der als Bestreitung des Vorliegens der Wiederholungsgefahr zu beurteilende Einwand des mangelnden Rechtsschutzinteresses infolge Schließung des Geschäftslokales ist im Hinblick darauf verfehlt, daß die beklagte Partei im Prozeß weiterhin die Auffassung vertreten hat, zur Ausübung des Handelsgewerbes infolge Vorliegens der Voraussetzungen für den Befähigungsnachweis berechtigt zu sein.
Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.
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