OGH 10Ob98/99f

OGH10Ob98/99f4.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Elisabeth E*****, Sekretärin, *****, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen öS 1,970.758,75 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. März 1999, GZ 3 R 3/99m-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 15. Oktober 1998, GZ 5 Cg 57/98g-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bestimmungen der §§ 25b ff KSchG idF BGBl I 1997/6, womit der Gesetzgeber in der Frage der Haftung volljähriger Familienangehöriger ohne zulängliches Vermögen und Einkommen bei der Übernahme von Interzessionen eine von den Grundzügen der Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 544/95 (SZ 68/64 = JBl 1995, 651 [Mader] =

ÖBA 1995, 804 [Graf, 776] = EvBl 1995/156 = ZIK 195, 124 = ecolex

1995, 638 = ZVR 1996/31 = EFSlg 32/1) abweichende Regelung gefunden

hat, sind hier noch nicht maßgeblich, weil diese Regelung gemäß § 41a Abs 4 Z 2 KSchG nicht auf Verträge anzuwenden ist, die - wie die vorliegenden - vor dem 1. Jänner 1997 geschlossen wurden (so auch 1 Ob 211/98f).

2. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der genannten grundlegenden Entscheidung 1 Ob 544/95 erstmals mit der Inhaltskontrolle von Interzessionsgeschäften vermögensschwacher Familienangehöriger für Verbindlichkeiten des Hauptschuldners auseinandergesetzt. Mehrere Folgeentscheidungen haben in dieser Frage mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt (siehe etwa ÖBA 1997, 1027; JBl 1998, 36 = RdW 1997, 659; ecolex 1998, 761; ÖBA 1998, 967 [Graf];

zuletzt 3 Ob 224/97f; 1 Ob 211/98f; 4 Ob 354/98g). Wichtige Kriterien

für die Inhaltskontrolle solcher Geschäfte sind danach in sinngemäßer

Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes ua die inhaltliche

Mißbilligung des Interzessionsvertrages wegen Vorliegens eines

krassen Mißverhältnisses zwischen der Vermögenssituation des

Interzedenten und dem Umfang der Hauptschuld, die Mißbilligung der

Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter

Entscheidungsfreiheit des Interzedenten sowie die Kenntnis oder

fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers (Kreditgebers) von diesen

Faktoren. Der Rechtsprechung diente die zitierte Leitentscheidung

seither als Richtschnur zur Beurteilung der jeweiligen Einzelfälle

(ÖBA 1998, 124 = RdW 1997, 659 = ZIK 1998, 35 = ecolex 1997, 921; 3

Ob 214/97k; 9 Ob 48/97t; 6 Ob 117/98v = ecolex 1998, 761 mwN; 6 Ob

43/98m = ecolex 1998, 471; 8 Ob 51/98b = ÖBA 1998, 723 = ecolex 1998,

687; RIS-Justiz RS0048300, RS0048309, RS0048312). Die Lehre stimmte dieser Leitentscheidung im wesentlichen zu (P. Bydlinski, Die Sittenwidrigkeit von Haftungsverpflichtungen in ZIK 1995, 135 ff, 136 ff; Graf, Verbesserter Schutz vor riskanten Bürgschaften in ÖBA 1995, 776; Mader in JBl 1995, 655 f [Glosse] und in Schwimann2 § 1346 ABGB Rz 12; Rabl, Sittenwidrige Bürgschaften vermögensschwacher Angehöriger, in ecolex 1998, 8; Rehbein, Bürgschaften mittelloser Angehöriger, in ÖBA 1996, 25 ff, 33); zu einzelnen Kritikpunkten der Lehre wurde in der Entscheidung 1 Ob 87/98w (ecolex 1998, 762 = ÖBA 1998, 967 [Graf] = JBl 1998, 778 = RdW 1998, 733 = EvBl 1999/2) Stellung genommen. Der 10. Senat schließt sich der dargestellten Rechtsprechung an.

Hier wurde die von der Beklagten, der damaligen Ehefrau des Hauptschuldners, behauptete Sittenwidrigkeit ihrer Kreditbürgschaften von beiden Vorinstanzen aufgrund der in den bisherigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs dargestellten Kriterien verneint. Dabei unterlief dem Berufungsgericht in Bestätigung des Ersturteils jedenfalls keine gravierende Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müßte; eine solche wäre jedoch eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision (vgl RZ 1994/45; EvBl 1993/59). Die Argumente der Revisionswerberin versuchen bloß, eine Fehlbeurteilung im konkreten Einzelfall aufzuzeigen, ohne die auch vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der ständigen neueren Rechtsprechung in Frage zu stellen (vgl insbesondere auch 1 Ob 240/97v - Zurückweisung einer außerordentlichen Revision; 1 Ob 211/98f - Zurückweisung einer ordentlichen Revision).

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen, ohne daß es noch einer weitgehenden Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

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