OGH 9Ob48/97t

OGH9Ob48/97t28.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wider die beklagten Parteien 1) Heinfried G*****, 2) Ingrid G*****,

3) Wolfgang G*****, ***** 4) Theresia C*****, alle vertreten durch Dr. Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 20,468.442,38 sA, S 14,412.544,08 sA, S 13,054.008,91 sA und S 1,000.000,-, infolge außerordentlicher Revision der zweit-, dritt- und viertbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Oktober 1996, GZ 5 R 121/96t-35, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der zweit-, dritt- und viertbeklagten Parteien wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag der Revisionsgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit der Frage der Sittenwidrigkeit von Haftungserklärungen von Familienangehörigen des Hauptschuldners hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner sowohl von den Vorinstanzen als auch von den Revisionswerbern zitierten Entscheidung SZ 68/64 (= ÖBA 1995, 804 [Graf 776] = JBl 1995, 651 [Mader] = ecolex 1995, 638 = ZIK 1995,

124) grundlegend auseinandergesetzt. Die dort vertretene (und hier von niemand bestrittene) Rechtsauffassung wurde zu 8 Ob 2315/96s bekräftigt. Ihre Anwendung auf den Einzelfall stellt grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iS § 502 Abs 1 ZPO dar.

Grundvoraussetzung des in SZ 68/64 umschriebenen Sittenwidrigkeitstatbestandes ist, daß die vom gutstehenden Angehörigen abgegebene Haftungserklärung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigt. Dazu müssen weitere, in der Person des gutstehenden Angehörigen liegende, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigende und der Gläubigerbank zurechenbare Umstände treten, um in Ausnahmefällen in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes die Annahme der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit des die Verpflichtung begründenden Rechtsgeschäftes zu rechtfertigen.

Bei der Viertbeklagten fehlt es an der Grundvoraussetzung der (relativen) Einkommens- und Vermögenslosigkeit. Sie ist nämlich Eigentümerin einer Liegenschaft, von der nicht einmal behauptet wird, daß ihr Wert zur übernommenen Haftung in einem Mißverhältnis steht. Aber auch der insofern behauptungs- und beweispflichtige Drittbeklagte (SZ 68/64) hat in erster und zweiter Instanz mit keinem Wort behauptet, (relativ) vermögenslos zu sein. Eine solche Behauptung kann weder als "selbstverständlich vorausgesetzt" noch durch das in der Revision erstmal geltend gemachte Wissen der Klägerin von der angeblichen Vermögenslosigkeit des Drittbeklagten ersetzt werden. Daß beim Drittbeklagten, der als "zukünftiger Betriebsnachfolger" in den Betrieb eingebunden und "entsprechend informiert" war, ein gegen die Sittenwidrigkeit seiner Haftungserklärungen sprechendes Eigeninteresse an den zu sichernden Kreditaufnahmen angenommen werden muß (vgl SZ 68/64 sowie deren Besprechung durch Mader in JBl 1995, 655 f [656]) braucht daher nicht näher erörtert zu werden. Die Sittenwidrigkeit der Haftungserklärungen der Zweitbeklagten wird in der Revision gar nicht geltend gemacht.

Zum Vorwurf der Viertbeklagten, sie sei von der Klägerin nicht über die Aussichtslosigkeit der Sanierung des Unternehmens aufgeklärt worden, hat schon das Berufungsgericht zutreffend auf die Entscheidung JBl 1990, 523 verwiesen. Danach besteht eine derartige Mitteilungspflicht nur dann, wenn der Gläubiger erkennt, daß der Haftende von der bedrohlichen wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners nichts weiß. Diese Rechtsauffassung wurde in SZ 68/64 ausdrücklich bekräftigt. Daß die Klägerin zum Zeitpunkt der Entgegennahme der Haftungserklärungen nicht nur von einer bedrohlichen wirtschaftlichen Lage ihres Kreditnehmers, sondern auch davon Kenntnis hatte, daß dies der Viertbeklagten (seiner Schwiegermutter) nicht bekannt gewesen sei, wurde aber nicht einmal behauptet. Dies gilt in gleichem Maße für die Zweit- und Drittbeklagten.

Auf "den neuen § 31 a Abs 3 KSchG" (gemeint offenbar: der durch BGBl I Nr 6/1997 geschaffene § 25 c KSchG) können sich die Revisionswerber schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil diese Bestimmung - wie sie selbst erkennen - hier noch nicht anzuwenden ist. Auch nach § 25 c KSchG bleibt aber die Haftung des Interzedenten im Falle des Unterbleibens der Aufklärung unberührt, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte.

Ob die Revisionswerber in erster Instanz hinreichend deutlich und wirksam Schadenersatzansprüche als Gegenforderung eingewendet haben, hängt von der Auslegung ihres Prozeßvorbringens ab. Die Auslegung des Vorbringens einer Partei stellt aber - vom hier nicht vorliegenden Fall einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine Rechtsfrage iS § 502 Abs 1 ZPO dar (6 Ob 2341/96z, 10 Ob 1608/95 uva).

Der Revisionsgegnerin wurde die Beantwortung der außerordentlichen Revision nicht iS § 508 Abs 2 Satz 1 ZPO freigestellt. Die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gilt daher gemäß § 508a Abs 2 Satz 3 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

Stichworte