OGH 1Ob544/95; 2Ob156/97y; 4Ob45/98s; 1Ob87/98w; 1Ob211/98f; 10Ob98/99f; 8Ob137/99a; 7Ob146/99t; 6Ob200/99a; 8Ob320/99p; 8Ob303/99p; 7Ob217/99h; 8Ob301/99v; 8Ob300/99x; 7Ob35/00y; 6Ob1/00s; 1Ob107/00t; 6Ob117/00z; 10Ob80/00p; 10Ob303/00g; 1Ob288/01m; 1Ob136/02k; 1Ob93/02m; 9Ob172/02p; 10Ob315/02z; 7Ob228/02h; 9Ob80/03k; 8Ob126/17p; 4Ob222/22h (RS0048312)

OGH1Ob544/95; 2Ob156/97y; 4Ob45/98s; 1Ob87/98w; 1Ob211/98f; 10Ob98/99f; 8Ob137/99a; 7Ob146/99t; 6Ob200/99a; 8Ob320/99p; 8Ob303/99p; 7Ob217/99h; 8Ob301/99v; 8Ob300/99x; 7Ob35/00y; 6Ob1/00s; 1Ob107/00t; 6Ob117/00z; 10Ob80/00p; 10Ob303/00g; 1Ob288/01m; 1Ob136/02k; 1Ob93/02m; 9Ob172/02p; 10Ob315/02z; 7Ob228/02h; 9Ob80/03k; 8Ob126/17p; 4Ob222/22h21.11.2023

Rechtssatz

Die Verbindung der strukturell ungleich größeren Verhandlungsstärke der Gläubigerbank, die ein derart starkes wirtschaftliches Übergewicht hat, daß sie vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen und damit den die Privatrechtsordnung tragenden Gedanken der Privatautonomie obsolet machen kann, gegenüber einem dem Hauptschuldner gutstehenden nahen Angehörigen, dessen Verpflichtung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommensverhältnisse und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigt, mit weiteren in der Person des gutstehenden Angehörigen liegenden, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigenden und der Gläubigerbank zurechenbaren Umständen kann in Ausnahmefällen in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbots wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestands zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit des die Verpflichtung begründenden Rechtsgeschäfts führen.

Normen

ABGB §879 Abs1 BIIi
ABGB §880a A
ABGB §1346 G
KSchG §6 Abs1 Z9

1 Ob 544/95OGH27.03.1995

Veröff: SZ 68/64

2 Ob 156/97yOGH10.07.1997
4 Ob 45/98sOGH17.03.1998

Auch

1 Ob 87/98wOGH30.06.1998

Vgl auch; Beisatz: Jene Grundsätze, die im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern einerseits und Lebenspartnern - gleichviel, ob als Ehegatten oder Lebensgefährten - andererseits gelten, lassen sich nicht ohne weiteres auf die Beziehungen erwachsener Geschwister übertragen. Wohnen solche Geschwister räumlich getrennt in voneinander unabhängigen familiären und beruflichen Lebensbereichen, wird eine solche Gestaltung der Lebensumstände gewöhnlich von einer Lockerung persönlicher und emotionaler Bindungen begleitet, weshalb erwachsenen Geschwistern rationale wirtschaftliche Entscheidungen viel leichter fallen als Lebenspartnern, aber auch Kindern, die sich dem Einflußbereich ihrer Eltern noch nicht durch eine Verselbständigung ihrer familiären und beruflichen Existenz entzogen haben. Träfe das einmal nicht zu, hat der Interzedent jene besonderen Umstände, die trotz der Verselbständigung seiner familiären und beruflichen Lebensbereiche nach wie vor eine Situation verdünnter Entscheidungsfreiheit verständlich machen könnten, zu behaupten und zu beweisen. (T1) Veröff: SZ 71/117

1 Ob 211/98fOGH15.12.1998

nur: Die Verbindung der strukturell ungleich größeren Verhandlungsstärke der Gläubigerbank gegenüber einem dem Hauptschuldner gutstehenden nahen Angehörigen, dessen Verpflichtung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommensverhältnisse und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigt, mit weiteren in der Person des gutstehenden Angehörigen liegenden, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigenden und der Gläubigerbank zurechenbaren Umständen kann in Ausnahmefällen in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbots wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestands zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit der Nichtigkeit des die Verpflichtung begründenden Rechtsgeschäfts führen. (T2)

10 Ob 98/99fOGH04.05.1999

Vgl auch; Beisatz: Wichtige Kriterien für die Inhaltskontrolle von Interzessionsgeschäften sind in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes ua die inhaltliche Mißbilligung des Interzessionsvertrages wegen Vorliegens eines krassen Mißverhältnisses zwischen der Vermögenssituation des Interzedenten und dem Umfang der Hauptschuld, die Mißbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten sowie die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers (Kreditgebers) von diesen Faktoren. (T3)

8 Ob 137/99aOGH21.10.1999

Vgl auch

7 Ob 146/99tOGH20.10.1999

Beis wie T3

6 Ob 200/99aOGH21.10.1999

Vgl auch

8 Ob 320/99pOGH27.01.2000
8 Ob 303/99pOGH09.03.2000

Vgl auch; Beis ähnlich wie T1

7 Ob 217/99hOGH16.02.2000

Auch; Beis wie T3

8 Ob 301/99vOGH24.02.2000

Vgl auch; Beis ähnlich T3; Beisatz: Diese Voraussetzungen für ein Sittenwidrigkeitsurteil müssen kumulativ vorliegen. (T4)

8 Ob 300/99xOGH09.03.2000

Vgl auch; Beis ähnlich T1

7 Ob 35/00yOGH26.04.2000

Vgl auch; Beisatz: Ausgangspunkt für die weitere Inhaltskontrolle muss das krasse Missverhältnis des Haftumfanges mit der im Zeitpunkt der Haftungsübernahme bestehenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des sich Verpflichtenden sein. (T5)

6 Ob 1/00sOGH17.05.2000

Vgl

1 Ob 107/00tOGH25.07.2000

Vgl auch; Beis wie T3; Beis wie T4; Beisatz: Die "verdünnte Entscheidungsfreiheit" muss von Kreditgeberseite herbeigeführt worden sein. (T6); Veröff: SZ 73/121

6 Ob 117/00zOGH28.06.2000

Vgl auch; Beis wie T3; Beis wie T5; Beisatz: a) Die zur Inhaltskontrolle von Interzessionsgeschäfteneinkommens- und vermögensschwacher Familienangehöriger für Verbindlichkeiten des Hauptschuldners entwickelten Grundsätze gelten auch für Interzessionsgeschäfte zur Besicherung von Forderungen eines Sozialversicherungsträgers. b) § 25d KSchG ermöglicht ein richterliches Mäßigungsrecht unter den dort genannten Voraussetzungen auch für Verbindlichkeiten gegenüber einem Sozialversicherungsträger. c) Die zur Mäßigung iSd § 25d KSchG führenden Umstände müssen im Zeitpunkt des Abschlusses der Interzessionsvereinbarung soweit vorhanden sein, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits erkennbar wurden. Ein späteres, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorhandenes Missverhältnis, zwischen eingegangener Verpflichtung und Leistungsfähigkeit des Interzedenten kann nicht zu einer Mäßigung iSd § 25d KSchG führen. Allerdings sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Interzedenten zum Zeitpunkt seine Inanspruchnahme insoweit beachtlich, als sie den Umfang der Mäßigung maßgeblich beeinflussen. § 25d KSchG erfasst nicht die Fälle, in denen der ursprünglich einkommens- und vermögenslose oder -schwache Mithaftende später doch zu Einkommen oder Vermögen gelangt. (T7)

10 Ob 80/00pOGH11.07.2000

Vgl auch; Beis wie T3; Beis wie T5; Beisatz: Diese Grundsätze gelten auch für Bürgschaften, die zur Sicherung fälliger oder künftiger Sozialversicherungsbeiträge eingegangen wurden. (T8)

10 Ob 303/00gOGH05.12.2000

Vgl auch; Beis wie T3

1 Ob 288/01mOGH11.06.2002

Auch; Beis ähnlich T1; Beisatz: Die bloße "Sinnlosigkeit" einer Interzession kann deren Nichtigkeit nicht begründen, ist es doch jedermann unbenommen, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die er nur unter besonders günstigen Bedingungen erbringen kann. (T9)

1 Ob 136/02kOGH25.06.2002

Auch; Beis wie T3; Beis wie T5; Beisatz: In bloßen Ausnahmefällen kann Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts vorliegen. (T10); Beisatz: Krasses Missverhältnis zwischen der Vermögenssituation des Beklagten und dem Umfang der eingegangenen Schuld bejaht. (T11)

1 Ob 93/02mOGH11.06.2002

Vgl auch; Beis ähnlich T3; Beis wie T5; Beisatz: Der Pfandbestellungsvertrag ist nach den durch die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Interzessionen durch Familienangehörige entwickelten Grundsätzen schon deshalb nicht sittenwidrig, weil es an einem krassen Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pfandschuldners als Interzedenten mangelt. (T12)

9 Ob 172/02pOGH04.09.2002

Auch; Beis wie T3; Beis wie T5

10 Ob 315/02zOGH26.11.2002

Vgl auch; Beis wie T3; Beis wie T5; Beisatz: Ist vom Vorliegen eines solchen krassen Missverhältnisses als objektives Element auszugehen, so bilden die weiteren für die Inhaltskontrolle rechtserheblichen Gesichtspunkte ein bewegliches Beurteilungssystem, dessen Anwendung ein Sittenwidrigkeitsurteil dann erlaubt, wenn entsprechende Indikatoren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in allen drei Systemelementen verwirklicht waren und diesen in der Gesamtschau - je nach den Umständen des Einzelfalls - erhebliches Gewicht beizumessen ist (ÖBA 2000/909, 922ff mwN ua). (T13)

7 Ob 228/02hOGH11.12.2002

Vgl auch; Beis wie T3; Beis wie T4; Beis wie T5; Beis ähnlich wie T13

9 Ob 80/03kOGH09.07.2003

Vgl; Beis wie T12

8 Ob 126/17pOGH20.12.2017

Vgl

4 Ob 222/22hOGH21.11.2023

vgl; Beisatz: Hier: Zur Unzulässigkeit einer Klausel, die gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG verstößt. (T14)

Dokumentnummer

JJR_19950327_OGH0002_0010OB00544_9500000_005