OGH 2Ob156/97y

OGH2Ob156/97y10.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Bank ***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Anna M*****, und 2. Ingeborg M*****, beide vertreten durch Dr.Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen S 276.977,25 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 19.Februar 1997, GZ 3 R 8/97v-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.Oktober 1996, GZ 12 Cg 130/95p-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

12.960 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 2.160, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte kam im Jahre 1990 aufgrund eines Zeitungsinserates, in welchem ein bürgenloser Kredit bis zu einer Höhe von 500.000 S angekündigt wurde, mit einer KreditvermittlungsgesmbH in Kontakt. Sie bewog ihre Schwester, die Zweitbeklagte, sie mit dem Auto nach Wien zu fahren, um sich mit einem Herrn der Kreditvermittlungsgesellschaft vereinbarungsgemäß zu treffen. Die Zweitbeklagte wußte zu diesem Zeitpunkt, daß ihre Schwester auf ein Inserat hin nach Wien fahren wolle, um dort einen bürgenlosen Kredit zu bekommen. Über Vermittlung dieser Gesellschaft wurde der Erstbeklagten von der klagenden Bank ein Kredit über 300.000 S eingeräumt.

Die klagende Partei begehrt von den Beklagten die Zahlung von S 276.977,25 sA mit der Begründung, der der Erstbeklagten eingeräumte Kredit sei wegen Nichteinhaltung der Rückzahlungsverpflichtungen fälliggestellt worden und hafte in der Höhe des Klagsbetrages unberichtigt aus. Die Zweitbeklagte hafte für den offenen Kreditsaldo, weil sie den Kreditantrag als Bürge und Zahler unterfertigt habe. Sie habe mit der Kreditvermittlungsgesellschaft keine Geschäftsbeziehungen gepflogen, weshalb deren Auskünfte oder Erklärungen ihrer Sphäre nicht zugeordnet werden könnten. Die Kreditvergabe und die Bürgschaftsübernahme seien nicht sittenwidrig gewesen, sie würden den wirtschaftlichen Rahmen der Beklagten auch nicht sprengen.

Während gegen die Erstbeklagte ein Teilanerkenntnisurteil erging, bestritt die Zweitbeklagte und wendete ein, Kreditvertrag und Bürgschaftsvertrag verstießen gegen die guten Sitten. Sie habe sich nur deshalb zur Unterschriftsleistung bewegen lassen, weil ihr seitens der Sachbearbeiterin zugesichert worden sei, daß für sie mit der Übernahme der Bürgschaft angesichts der zugleich abzuschließenden Lebensversicherung praktisch kein Risiko verbunden sei. Sie sei als damalige Küchengehilfin völlig unerfahren gewesen und habe nur über ein Nettoeinkommen von 10.000 S verfügt, während ihre Verbindlichkeiten ca 50.000 S betragen hätten. Sie habe an dem Kreditvertrag auch kein wirtschaftliches Eigeninteresse gehabt. Alle diese Umstände seien der Vertreterin der klagenden Partei klar gewesen. Es sei aufgrund der finanziellen Lage der Erstbeklagten sehr wahrscheinlich gewesen, daß der Kredit notleidend würde und daß die Zweitbeklagte als Bürgin in Anspruch genommen werden müßte. Da die Mitarbeiterin der Kreditvermittlungsgesellschaft ein Antragsformular der klagenden Partei in Händen gehabt habe, hätten die Beklagten zu Recht davon ausgehen können, daß deren Erklärungen für die klagende Partei verbindlich seien. Die klagende Partei habe durch die Überlassung des Kreditantragsformulars ein Anscheinsvollmachtsverhältnis geschaffen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab, wobei es - über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus - im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Das Kreditantragsformular der klagenden Partei, einer Bank, wurde im Büro der Kreditvermittlungsgesellschaft von deren Angestellter aufgrund des Gespräches mit der Erstbeklagten, bei welchem die Zweitbeklagte anwesend war, ausgefüllt. Dabei erhielt die Zweitbeklagte erstmals Kenntnis davon, daß ihre Schwester einer anderen Bank 150.000 S schuldete und S 100.000 andere Verbindlichkeiten hatte. Nach Ausfüllung des Antragsformulars telefonierte die Angestellte der Kreditvermittlungsgesellschaft mit dem stellvertretenden Zweigstellenleiter einer Filiale der klagenden Partei. Sie erklärte daraufhin, daß der Kredit nicht ohne Bürgen gewährt werden könne, und fragte die Zweitbeklagte, ob sie nicht Bürgin sein könne. Dabei klärte sie die Zweitbeklagte ganz oberflächlich über den Begriff des Bürgen auf, indem sie ihr sagte, daß dieser an die Stelle des Schuldners treten würde und zahlen müßte. Der Zweitbeklagten war anfangs klar, daß sie als Bürge zahlen müßte, wenn die Hauptschuldnerin nicht zahlen kann. In der Folge schloß jedoch die Erstbeklagte eine Restkreditversicherung mittels eines Antragsformulars, welches ebenfalls von der Angestellten der Kreditvermittlungsgesellschaft ausgefüllt wurde, ab. Die Angestellte der Kreditvermittlungsgesellschaft erklärte hierauf, daß durch diese Versicherung für die Zweitbeklagte nunmehr kein Risiko mehr bestünde, wenn ihrer Schwester "etwas passieren" würde.

Die Zweitbeklagte ließ sich hierauf zur Bürgschaftsverpflichtung überreden und wurde anschließend von der Angestellten der Kreditvermittlungsgesellschaft als Bürge und Zahler im Kreditantrag eingetragen. Die Zweitbeklagte gab bekannt, daß sie 10.000 S als Küchengehilfin verdiene und Schulden von 50.000 S zurückzuzahlen habe. Die Beklagten fuhren dann zur Filiale der klagenden Partei, wo sie mit dem stellvertretenden Filialleiter in Kontakt traten, der sie schon erwartete. Dieser überprüfte noch einmal den Kreditantrag und sprach mit der Erstbeklagten über die zu zahlenden Raten. Er ergänzte den Antrag, indem er die jeweiligen Geburts- und Ausweisdaten an der entsprechenden Stelle einfügte. Über das Wesen der Bürgschaft und der Restkreditversicherung wurde nicht gesprochen.

Weiters wurde vereinbart, daß die Zweitbeklagte noch Einkommens- und Bonitätsunterlagen schicken solle und bis dahin mit der Auszahlung der Kreditsumme zugewartet werde. Anschließend unterschrieben die Beklagten das Kreditantragsformular, wobei sich die Zweitbeklagte in diesem Moment in Irrtum über ihre Pflichten als Bürge und Zahler deshalb befand, weil sie meinte, durch den Abschluß der Restkreditversicherung könne sie praktisch nicht mehr zur Haftung herangezogen werden. Nach Erhalt der von der Zweitbeklagten geforderten Unterlagen wurde die Kreditsumme auf das Konto der Erstbeklagten überwiesen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der mit der Zweitbeklagten abgeschlossene Bürgschaftsvertrag sei sittenwidrig und daher nichtig. Die Zweitbeklagte habe sich trotz fehlenden Eigeninteresses aus wirtschaftlicher Unerfahrenheit zum Vertragsabschluß durch die Kreditvermittlungsgesellschaft hinreißen lassen. Ihre Gutstehung habe bei realistischer Betrachtungsweise ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten überschritten. Es liege ein unerträgliches Ungleichgewicht der beiderseitigen Interessenlagen vor. Dazu komme, daß das Risiko der Zweitbeklagten durch die Angestellte der Kreditvermittlungsgesellschaft deutlich verharmlost worden und sie nur ungenau über Bürgschaften im Zusammenhang mit dem Abschluß von Restkreditversicherungen aufgeklärt und dadurch insoweit in Irrtum geführt worden sei.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Auch das Berufungsgericht vertrat unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.3.1995, 1 Ob 544/95, die Ansicht, die von der Zweitbeklagten eingegangene Bürgschaftsverpflichtung sei infolge Sittenwidrigkeit unwirksam. Die Beklagten seien nämlich durch das Anpreisen eines bürgenfreien Kredites nach Wien "gelockt" worden, erst im Büro der Kreditvermittlungsgesellschaft habe sich herausgestellt, daß entgegen der Anpreisung im Inserat eine Kreditvergabe an die Erstbeklagte ohne Absicherung durch einen Bürgen nicht möglich sei. Die Zweitbeklagte sei also plötzlich vor der Entscheidung gestanden, ihrer Schwester zu helfen oder mit dieser unverrichteter Dinge wieder nach Tirol zurückzufahren. Beide Beklagten seien von der Angestellten der Kreditvermittlungsgesellschaft, deren Vorgangsweise der klagenden Partei zuzurechnen sei, hinsichtlich des Erfordernisses der Übernahme einer Bürgenhaftung überrascht worden, zudem seien die Bedenken der Zweitbeklagten durch den Hinweis der Angestellten der Kreditvermittlungsgesellschaft auf die Kreditversicherung verharmlost oder gar zerstreut worden. Weiters sei unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Erstbeklagten als Hauptschuldnerin (10.900 S netto monatlich) und deren offenen Verbindlichkeiten von 250.000 S von einer hoffnungslosen Überschuldung auszugehen. Dieses grobe Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sei auch bei der Zweitbeklagten vorgelegen. Diese verfüge nur über ein monatliches Nettoeinkommen von 10.000 S bei einem Schuldenstand von 50.000 S. Schließlich deuteten die Umstände des Falles darauf hin, daß sich die Zweitbeklagte, der jegliches Eigeninteresse an einer Kreditvergabe an die Erstbeklagte gefehlt habe, aus wirtschaftlicher Unerfahrenheit zur Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung hinreißen habe lassen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die zweitbeklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil sich der Sachverhalt, der der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SZ 68/64 zugrundeliegt, nicht ohne weiteres mit dem hier zu beurteilenden vergleichen läßt und es die Rechtssicherheit gebietet, die grundsätzliche Frage der Sittenwidrigkeit der Übernahme von Haftungen durch Familienmitglieder neuerlich zu prüfen und die Kriterien für die Annahme einer solchen zu konkretisieren. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es könne eine Sittenwidrigkeit nur dann angenommen werden, wenn die Übernahme einer Haftung vorliege, die in keinem Verhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Haftenden stehe. Dies sei aber hier nicht der Fall, weil der Kredit in monatlichen Raten von lediglich 3.487 S zurückzuzahlen gewesen wäre, dies bei einem monatlichen Einkommen der Zweitbeklagten von 10.000 S netto bzw einem Einkommen der Erstbeklagten von damals 10.257 S. Die vereinbarte Rate habe zum Zeitpunkt der Zuzählung der Kreditvaluta in den damals geltenden Richtlinien über das Existenzminimum jedenfalls Deckung gefunden. Es sei völlig unrichtig, von einer "hoffnungslosen Überschuldung" der Hauptschuldnerin auszugehen.

Dazu komme, daß die Entscheidungsfreiheit der Zweitbeklagten in keiner Weise eingeschränkt gewesen sei. Sie sei freiwillig mit ihrer Schwester nach Wien gereist und habe an den Gesprächen freiwillig teilgenommen. Es seien auch die Hereinnahme der Bürgschaftserklärung und die Annahme dieser Erklärung durch die klagende Partei nicht an dem Tag erfolgt, an dem sie von der Zweitbeklagten abgegeben wurde, sondern die klagende Partei habe die Zuzählung des Kredites auch von der Bonitätsprüfung der Bürgin abhängig gemacht. Die Zweitbeklagte habe in der Folge noch Saldenbestätigungen über den von ihr selbst aufgenommenen Kredit und auch Gehaltsbestätigungen beigebracht. Sie habe es also in der Hand gehabt, die abgegebene Bürgschaftserklärung zu überdenken, und es wäre nur erforderlich gewesen, die angeforderten Unterlagen nicht beizubringen, worauf dann eben der Kredit nicht gewährt und die Kreditvaluta nicht zugezählt worden wäre. Schließlich fehle es auch an einem subjektiven Element auf Seite der klagenden Partei.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der Sittenwidrigkeit riskanter Bürgschaften erstmals in der Entscheidung vom 27.3.1995, 1 Ob 544/95 (= SZ 68/64 = ecolex 1995, 638 = EvBl 1995/156 = JBl 1995, 651 [Mader] = ÖBA 1995, 804 [Graf, 776] = ZVR 1996/31), auseinandergesetzt und dabei ausgeführt, es seien die vom deutschen Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 19.Oktober 1993 NJW 1994, 36 = ZIP 1993, 1775 entwickelten Wertungen bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Haftungserklärungen volljähriger Familienangehöriger ohne jedes oder jedenfalls ohne zulängliches Einkommen und Vermögen auch für den österreichischen Rechtsbereich anwendbar, weil das Prinzip der Privatautonomie durch die Bestimmung des § 879 ABGB begrenzt sei. Die Verbindung der strukturell ungleich größeren Verhandlungsstärke der Gläubigerbank gegenüber dem einem dem Hauptschuldner gutstehenden Angehörigen, dessen Verpflichtung seine gegenwärtigen und in absehbarer Zukunft zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteige, mit weiteren, in der Person des gutstehenden Angehörigen liegenden, seine Entscheidungsfreiheit weitgehend beeinträchtigenden und der Gläubigerbank zurechenbaren Umständen könne in Ausnahmsfällen in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestandes zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit zur Nichtigkeit des die Verpflichtung begründenden Rechtsgeschäfts führen. In diese Entscheidung wurden vom Obersten Gerichtshof 11 Gesichtspunkte aufgezählt, die bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit zu beachten seien: Das grobe Mißverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit des Bürgen und der von ihm übernommenen Haftung, die konkrete vertragliche Ausgestaltung der Mithaftung, die hoffnungslose Überschuldung des Hauptschuldners, die Verharmlosung des Risikos oder der Tragweite der Verpflichtung durch einen Angestellten der Bank, die Überrumpelung des Angehörigen durch die Bank, die Ausnutzung einer seelischen Zwangslage, die sich aus der gefühlsmäßigen Bindung zum Kreditnehmer oder aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihm ergibt, die geschäftliche Unerfahrenheit des Bürgen, das Fehlen eines wesentlichen Eigeninteresses am Zustandekommen des Vertrages, die Sinnlosigkeit der Bürgschaft für die Bank, die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Haftenden sowie die Notwendigkeit, daß diese Umstände der Bank bekannt waren (siehe Graf, Verbesserter Schutz vor riskanten Bürgschaften, ÖBA 1995, 776 [778]). Diese Kriterien sind, wie Graf, aaO 778 f zutreffend hervorhebt, unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes systematisch wie folgt zusammenzufassen:

a) inhaltliche Mißbilligung des Bürgschaftsvertrages,

b) Mißbilligung der Umstände seines Zustandekommens in Form verdünnter Entscheidungsfreiheit sowie

c) Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dieser beiden Faktoren durch den Kreditgeber.

Auslösendes Element der Sittenwidrigkeitskontrolle ist daher die Übernahme einer Haftung, die in keinem Verhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit des Haftenden besteht.

Kriterien für die Annahme der inhaltlichen Störung sind ein grobes Mißverhältniß zwischen Leistungsfähigkeit und übernommener Verpflichtung, das Abdingen von bürgschaftsrechtlichen Schutzvorschriften oder das Fehlen von Haftungsbegrenzungen, eine hoffnungslose Überschuldung des Hauptschuldners, weil die Wahrscheinlichkeit, daß das fehlende Leistungsvermögen des Interzedenten relevant wird, vom Umfang der Überschuldung des Hauptschuldners abhängt; dazu kommt auch noch das Kriterium des fehlenden wirtschaftlichen Eigeninteresses des Sicherungsgebers (Graf, aaO 780).

Im vorliegenden Fall ist der zwischen der klagenden Partei und der Zweitbeklagten abgeschlossene Bürgschaftsvertrag inhaltlich zu mißbilligen, weil - wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - ein grobes Mißverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit der Zweitbeklagten (monatliches Nettoeinkommen von S 10.000 bei einem Schuldenstand von 50.000 S und eine Kreditverbindlichkeit von 300.000 S) vorliegt. Auch die Vermögensverhältnisse der Erstbeklagten (monatliches Einkommen von 10.900 S bei offenen Verbindlichkeiten von 250.000 S) ließen die Inanspruchnahme der Sicherungsgeberin als sehr wahrscheinlich erscheinen. Schließlich fehlte der Zweitbeklagten auch jedes Eigeninteresse an dem der Erstbeklagten eingeräumten Kredit.

Die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, daß das Risiko durch die Angestellte der Kreditvermittlungsgesellschaft - ihr Verhalten ist der klagenden Bank zuzurechnen (vgl SZ 68/77) - unter Hinweis auf die von der Erstbeklagten abzuschließende Kreditversicherung verharmlost wurde. Weiters kam es zu einer Überrumpelung der Zweitbeklagten, weil ja im Inserat der Kreditvermittlungsgesellschaft ein bürgenloser Kredit angekündigt worden war und die Zweitbeklagte erst im Laufe der Gespräche in den Räumlichkeiten der Kreditvermittlungsgesellschaft gefragt wurde, ob sie nicht Bürgin sein könne. Die Zweitbeklagte befand sich dadurch auch in einer Zwangslage, weil ohne Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung die Erstbeklagte wieder unverrichteter Dinge nach Hause fahren hätte müssen. Daran ändert entgegen der in der Revision vertretenen Meinung nichts, daß sie sich verpflichtete, bestimmte Unterlagen nachzureichen. Welche Rechtsfolgen eine Weigerung der Zweitbeklagten, diese Unterlagen der klagenden Partei zu schicken, nach sich gezogen hätte, kann dahingestellt bleiben, weil sie jedenfalls unter dem psychologischen Zwang stand, dies zu tun. Es konnte von ihr nicht erwartet werden, daß sie entgegen einer übernommenen Verpflichtung handelt.

Alle diese Umstände waren auch der Verhandlungsgehilfin der klagenden Partei bekannt, weshalb - wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - die von der Zweitbeklagten abgegebene Bürgschaftserklärung wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist.

Der Revision der klagenden Partei war deshalb keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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