OGH 7Ob228/02h

OGH7Ob228/02h11.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Gen.mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Andrea L*****, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen EUR 56.134,64 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 3. Juli 2002, GZ 6 R 163/02p-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 11. April 2002, GZ 3 C 1396/01p-10, infolge Berufung der klagenden Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

  1. 1.) Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.
  2. 2.) Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.

    Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

    Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte und der ursprünglich Erstbeklagte, gegen den am 11. 9. 2001 ein Versäumungsurteil erging, das in Rechtskraft erwachsen ist, waren bis 1991 miteinander verheiratet und lebten nach der Scheidung weiter in Lebensgemeinschaft. Sie sind Eltern eines Kindes, für das der vormals Erstbeklagte (im folgenden Lebensgefährte genannt) (Geld-)Unterhalt zu leisten hat. Bis April 1999 führte die Beklagte in der Firma des Lebensgefährten die Buchhaltung. Danach gründete sie ein eigenes, von der Firma des Lebensgefährten unabhängiges, aber am selben Firmensitz geführtes Unternehmen, das sich ebenso wie die Firma des Lebensgefährten mit Stuckatur und Trockenausbau beschäftigt und dessen gewerblicher Geschäftsführer der Lebensgefährte ist. Dieser hatte am 4. 11. 1994 mit der klagenden Partei einen Kreditvertrag über (umgerechnet) EUR 18.168,21 abgeschlossen, der am 7. 11. 1996 um weitere (umgerechnet) EUR 18.168,21 erhöht wurde. Für diesen Kredit hatte die Beklagte die persönliche Haftung übernommen. Mit einem Bürgschaftsvertrag vom 18. 7. 1997 hatte die Beklagte die Haftung als Bürgin und Zahlerin auch für einen dem Lebensgefährtin eingeräumten weiteren Kredit in Höhe von (umgerechnet) EUR 26.888,95 übernommen.

Im November 1999 hafteten diese beiden Kredite mit (umgerechnet) EUR 27.709,-- bzw EUR 27.179,64 (insgesamt mit EUR 54.888,64) unberichtigt aus. Am 10. 12. 1999 unterzeichnete die Beklagte einen (weiteren) Bürgschaftsvertrag, wodurch sie von der Klägerin vereinbarungsgemäß hinsichtlich der beiden erwähnten Kredite als Mitkreditnehmerin und Bürgin aus der Haftung entlassen wurde, gleichzeitig aber die Bürgschaft (Haftung als Bürge und Zahler) für ein neu eröffnetes Kreditkonto (Abstattungskredit) des Lebensgefährten in Höhe von (umgerechnet) EUR 52.295,37, rückzahlbar in 213 monatlichen Pauschalraten á EUR 476,73 übernahm. Zur Übernahme dieser Haftung war die Beklagte von der klagenden Partei erstmals bereits im März 1999 aufgefordert worden. In der Folge hatte es zwischen den Streitteilen mehrere Gespräche gegeben, wobei seitens der klagenden Partei von der Beklagten vergeblich auch die Vorlage von Bonitätsunterlagen verlangt worden war. Anlässlich der Unterfertigung des neuen Bürgschaftsvertrages schlossen die beiden Beklagten über Aufforderung der klagenden Partei je eine Lebensversicherung ab, die zu Gunsten der Klägerin vinkuliert wurde. Die klagende Partei hatte schon längere Zeit vor der Unterfertigung des Bürgschaftsvertrages vom 10. 12. 1999 angekündigt, die Vorfinanzierungen bereits begonnener Bauvorhaben des Lebensgefährten einzustellen, was das Ende des Betriebes des Erstbeklagten bedeutet hätte. Die Beklagte unterfertigte die betreffende Bürgschaftserklärung letztlich, um dies zu verhindern und auch weil sie auf den Unterhalt, den der Lebensgefährte für das gemeinsame Kind leistete, angewiesen war. Sie wollte den Lebensgefährten in der Hoffnung, dass sich dessen wirtschaftliche Situation verbessern werde, auch unterstützen. Dem Lebensgefährten wurde am 10. 2. 1999 noch ein weiterer Kredit im Betrag von (umgerechnet) EUR 107.192,43 eingeräumt, für den die Beklagte keine Haftung übernahm. In weiterer Folge wurde dem Lebensgefährten mit Schreiben vom 30. 5. 2001 von der klagenden Partei die Fälligstellung sämtlicher Kredite angedroht, falls ihr nicht die ihr (bereits) vinkulierten Lebensversicherungen abgetreten und ein - nicht den Abstattungskredit vom 10. 12. 1999, betreffender - Ratenrückstand in Höhe von S 88.851,-- binnen 14 Tagen bezahlt werde. Dieses Schreiben wurde auch der Beklagten unter Hinweis auf ihre Bürgenhaftung zur Kenntnis gebracht. Die Sicherheitssituation bezüglich der Kredite hatte sich seit dem Jahr 1999 nicht verändert. Der (neue) Geschäftsleiter der klagenden Partei sah sich jedoch veranlasst, weitere Sicherheiten sowie Bonitätsunterlagen zu verlangen, da ihm die bestehenden nicht ausreichend erschienen. Die Raten des Abstattungskredites wurden seit der Fälligkeit der ersten Rate am 15. 8. 2001 regelmäßig von der Beklagten bedient.

Im Oktober 2001 wurde über die Firma des Lebensgefährten das Konkursverfahren eröffnet.

Die (den Kreditverträgen zugrundegelegten) Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (AGBKr) weisen ua folgende Bestimmungen auf:

Punkt 23.(1): Die Kreditunternehmung hat ihren Kunden gegenüber jederzeit Anspruch auf die Bestellung oder angemessene Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten für alle Verbindlichkeiten, auch soweit sie bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind.

Punkt 36.(1): ... darf die Kreditunternehmung die Geschäftsverbindung

aus wichtigem Grunde jederzeit beendigen, insbesondere, wenn der

Kunde ... der Aufforderung zur Stellung oder Verstärkung von

Sicherheiten nicht nachkommt.

Punkt 37.(1): Mit der Beendigung der Geschäftsverbindung wird der Saldo jedes für den Kunden geführten Kontos sofort fällig ... Die klagende Partei begehrte mit der Klage von der Beklagten und ihrem Lebensgefährten zur ungeteilten Hand S 811.789,44 (EUR 58.995,04) sA und darüber hinaus vom Lebensgefährten S 321.402,77 (EUR 23.357,25) sA. In der mündlichen Streitverhandlung am 31. 1. 2002 schränkte die klagende Partei das Klagebegehren betreffend die Beklagte um die bezahlten Raten für den Zeitraum August bis Jänner 2002 von monatlich EUR 476,73 auf restlich EUR 56.134,64 sA ein. Weiters stellte die Klägerin in dieser Verhandlung den "Eventualantrag" auf Feststellung, dass die Beklagte auf Grund des Bürgschaftsvertrages vom 10. 12. 1999 für den jeweils aushaftenden Saldo aus dem betreffenden Abstattungskreditvertrag als Bürgin und Zahlerin hafte. Zur Begründung ihres Klagebegehrens brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, nach Punkt 23. und 36. der AGBKr zur Fälligstellung des Kredites berechtigt gewesen zu sein, da die Beklagten wichtige Vertragsbestimmungen verletzt und keine Bonitätsunterlagen vorgelegt hätten und auch keine Verstärkung der Sicherheiten erfolgt sei.

Die Beklagte beantragte das Klagebegehren abzuweisen. Sie wendete ein, der gegenständliche Bürgschaftsvertrag vom 10. 12. 1999 sei sittenwidrig zustandegekommen und daher nichtig, weil sie durch Drohungen seitens der klagenden Partei zur Unterfertigung des Vertrages genötigt worden sei. Zudem sei sie bei Unterfertigung auch insofern in Irrtum geführt worden, als ihr der Vertrag als "Besserstellung verkauft" worden sei. Der Kredit sei im Übrigen noch gar nicht fällig, weil er vereinbarungsgemäß bedient werde. Sie, die Beklagte, habe die Bürgschaftserklärung als Privatperson unterfertigt und sei deshalb als Konsumentin zu betrachten. Die klagende Partei sei ihren Verpflichtungen nach § 25c KSchG nicht nachgekommen. Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und verband damit den Beschluss, dass der "Eventualantrag auf Feststellung" abgewiesen werde. Den von ihm festgestellten, bereits eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, dass zwar der Bürgschaftsvertrag nicht sittenwidrig, der gegenständliche Kredit aber noch nicht fällig sei, da kein wichtiger Grund nach Punkt 36. AGBKr vorliege und die Kreditraten von der Zweitbeklagten pünktlich bezahlt würden. Auch der Eventualantrag sei mangels eines rechtlichen Interesses abzuweisen gewesen, da die damit begehrte Feststellung im Prozess ohnehin zu klären gewesen sei. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,--, nicht aber EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO - vorbehaltlich eines Antrages nach § 508 ZPO - nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus, die klagende Partei wende sich gegen die Meinung des Erstgerichtes, dass die Klagsforderung nicht fällig sei. Ihrer Ansicht nach wäre die vorzeitige Fälligstellung des Kredites zu Recht erfolgt, da wichtige Gründe im Sinne des Punktes 23. AGBKr vorgelegen seien. Infolge gesetzmäßiger Rechtsrüge sei die rechtliche Beurteilung allseitig zu überprüfen. Vorerst werde daher der - vom Erstgericht verneinte - Einwand der Sittenwidrigkeit untersucht. Lege man die vom Obersten Gerichtshof zur Frage der Sittenwidrigkeit der Angehörigenbürgschaft herausgearbeiteten Kriterien auf den vorliegenden Fall um, müsse von einem massiven Überreden der Beklagten zur Übernahme der gegenständlichen Bürgschaft gesprochen werden. Die Beklagte und ihr (damaliger) Lebensgefährte, hätten sich in einer Zwangslage befunden, da der Kredit unbedingt benötigt worden sei, weil ansonsten der Betrieb des Lebensgefährten nicht weitergeführt hätte werden können. Der Kredit sei also in der Hoffnung aufgenommen worden, dass dadurch eine bessere Geschäftssituation für den Lebensgefährten entstehe, was für die Beklagte von wesentlicher persönlicher Bedeutung gewesen sei, da sie auf den vom Lebensgefährten zu leistenden Unterhalt für das gemeinsame Kind angewiesen gewesen sei. Damit zeige sich zweifelsfrei die Notlage, in der sich die Beklagte befunden habe. Die vom Obersten Gerichtshof herausgearbeiteten wesentlichen Merkmale für das Sittenwidrigkeitsurteil seien daher gegeben, weshalb der gegenständliche Bürgschaftsvertrag nach § 879 ABGB als nichtig anzusehen sei. Da das Erstgericht das Hauptbegehren schon deshalb im Ergebnis zu Recht abgewiesen habe, sei der Einwand der mangelnden Fälligkeit nicht mehr zu prüfen gewesen. Es könne angemerkt werden, dass die diesbezügliche Begründung im Ersturteil nicht stichhältig erscheine.

Der von der klagenden Partei gestellte "Eventualantrag auf Feststellung" stelle ein Eventualbegehren dar, dessen Abweisung von der klagenden Partei zu Recht mit Berufung bekämpft worden sei. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens sei aber frei von Rechtsirrtum erfolgt, weil ein Feststellungsbegehren dann ausgeschlossen sei, wenn schon das Leistungsbegehren all das biete, was mit dem Feststellungsbegehren angestrebt werde. Dies treffe im vorliegenden Fall zu.

Zur Begründung seines Ausspruches der Unzulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, es sei der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt; im Übrigen liege eine Einzelfallentscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Ungeachtet des Ausspruches der Unzulässigkeit der Revision "vorbehaltlich eines Antrages nach § 508 ZPO" hat die klagende Partei gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz ohne weiteres außerordentliche Revision erhoben. Dies ist gesetzeskonform (§ 505 Abs 4 ZPO). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Bewertung (offenbar) des (eventualiter gestellten) Feststellungsbegehrens war im Hinblick darauf, dass schon das berufungsgegenständliche, ausschließlich in einem Geldbetrag (EUR 56.134,64) bestehende Hauptbegehren EUR 20.000,-- übersteigt, jedenfalls entbehrlich, da für die Zulässigkeit der Revision nicht der Revisionsgegenstand, sondern der Entscheidungsgegenstand in zweiter Instanz maßgebend ist (Kodek in Rechberger2 Rz 1 zu § 502 ZPO). Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 508 Abs 1 ZPO ist daher unbeachtlich bzw verfehlt.

Die Revisionswerberin macht Nichtigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze Folge gegeben werde. In eventu möge das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung entweder an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Die Nichtigkeit der Berufungsentscheidung wird von der Klägerin darin erblickt, dass das Berufungsgericht dadurch, dass es den von der Beklagten in erster Instanz erhobenen Einwand der Sittenwidrigkeit des gegenständlichen Bürgschaftsvertrages prüfte, die Grenzen der Berufungsanträge verlassen habe. Das Berufungsgericht habe zwar zufolge (gesetzmäßiger) Rechtsrüge die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes allseitig zu überprüfen. Es sei jedoch dabei an eine Beschränkung der Klagegründe durch den Berufungswerber gebunden und dürfe den Rechtsmittelantrag nicht überschreiten; andernfalls verstoße seine Entscheidung nach oberstgerichtlicher Judikatur nicht nur gegen § 405 ZPO, sondern auch gegen die eingetretene (Teil-)Rechtskraft (§ 466 ZPO), womit Nichtigkeit begründet werde. Da das Berufungsgericht im vorliegenden Fall seine Überprüfungsbefugnis überschritten habe, sei seine Entscheidung nichtig. Diese Ansicht ist rechtsirrig. Nach hM hat das Gericht zweiter Instanz infolge (gesetzmäßiger) Rechtsrüge die rechtliche Beurteilung allseitig zu prüfen (Kodek in Rechberger2 Rz 9 zu § 471 mwN), wobei das Rechtsmittelgericht allerdings nach stRsp an eine allfällige Beschränkung der Klagegründe oder der Einwendungen durch den Rechtsmittelwerber gebunden ist (4 Ob 1085/94, RZ 1995/93 mwN; uva). Die klagende Partei missversteht diese Judikatur dahin, dass der Umstand, dass sie in ihrer Berufung auf den (vom Erstgericht ja verworfenen) Sittenwidrigkeitseinwand der Beklagten nicht zurückgekommen sei, dem Berufungsgericht eine Erörterung dieses Einwandes verwehrt hätte. Sie übersieht dabei, dass darin (in der Nichterwähnung des Sittenwidrigkeitseinwandes in der Berufung) selbstredend kein Verzicht auf die Geltendmachung dieses Einwandes durch die Beklagte erblickt werden kann. Selbstverständlich können auch im Rechtsmittelverfahren die Klagegründe nur vom Kläger und Einwände des Beklagten nur von diesem eingeschränkt werden. Im vorliegenden Fall hätten daher nur Ausführungen der Berufungsgegnerin, aus denen ein Verzicht auf den Einwand der Sittenwidrigkeit abzuleiten wäre, eine Überprüfung dieses Einwands durch das Berufungsgericht verhindert. Dass die Beklagte im Rahmen ihrer Berufungsbeantwortung von ihrem Einwand der Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages (ausdrücklich oder konkludent) Abstand genommen hätte, wird von der Revisionswerberin aber gar nicht behauptet.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auch noch einen Verstoß des Berufungsgerichtes gegen das Verbot der reformatio in peius moniert, ist sie darauf hinzuweisen, dass eine nachteilige Änderung der Entscheidungsgründe allein nicht gegen das aus den §§ 466 und 505 Abs 3 ZPO abzuleitende Schlechterstellungsverbot verstößt (Fasching, LB2 Rz 1746).

Dadurch, dass das Berufungsgericht den Sittenwidrigkeitseinwand der Beklagten überprüft (und für stichhältig erachtet) hat, ist das Verfahren der zweiten Instanz also nicht mit einer Nichtigkeit behaftet.

Das von der Revisionswerberin im Rahmen ihrer Rechtsrüge bekämpfte, vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis dieser Überprüfung, der gegenständliche Bürgschaftsvertrag sei sittenwidrig, hält allerdings der rechtlichen Kontrolle durch den Obersten Gerichtshof nicht stand:

Die in ständiger gefestigter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0048300; RS0048309; RS0048312 mit Entscheidungsnachweisen) geforderten, in sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB) entwickelten maßgeblichen Kriterien für die Annahme der Sittenwidrigkeit der sog. Angehörigenbürgschaft (wozu auch die Bürgschaft der Lebensgefährtin zu zählen ist - vgl 8 Ob 320/99p) sind die inhaltliche Missbilligung des Bürgschaftsvertrages, die Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Bürgen und die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von diesen Faktoren. Diese Voraussetzungen bilden ein bewegliches Beurteilungssystem, dessen Anwendung ein Sittenwidrigkeitsurteil dann erlaubt, wenn entsprechende Indikatoren im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in allen drei Systemelementen (kumulativ) verwirklicht waren und diesen in der Gesamtschau - je nach den Umständen des Einzelfalles - erhebliches Gewicht beizumessen

ist (1 Ob 87/98w, JBl 1998, 778; 7 Ob 146/99t, ÖBA 2000, 626 = ecolex

2000, 281 = EFSlg 90.039; ua). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof

auch darauf hingewiesen, dass das eine weitere Inhaltskontrolle eines Bürgschaftsvertrages in Richtung Sittenwidrigkeit (überhaupt erst) auslösende Moment immer ein krasses Missverhältnis zwischen Haftungsumfang einerseits und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Interzedenten andererseits ist (1 Ob 87/98w; 7 Ob 146/99t; 10 Ob 80/00p; 1 Ob 107/00t, EvBl 2001/10; 9 Ob 85/02v ua). Das Vorliegen dieser "Grundvoraussetzung" wurde im vorliegenden Fall aber nicht festgestellt, ja von der Beklagten nicht einmal behauptet. Diese hat vielmehr ausdrücklich betont, dass der gegenständliche Kredit von ihr vereinbarungsgemäß bedient werde (und die gesamte Kreditvaluta daher noch nicht fällig sei). Der Einwand der Sittenwidrigkeit wurde allein damit begründet, dass sie, die Beklagte, durch "Drohungen" seitens der klagenden Partei zur Unterfertigung des Bürgschaftsvertrages genötigt worden sei. Dies konnte aber, wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht unter Beweis gestellt werden.

Da sich der Einwand der Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages demnach als unberechtigt erweist, ist auf die von den Vorinstanzen unterschiedlich beantwortete Frage der Fälligstellung des Kredites einzugehen.

Der betreffende Einwand der Zweitbeklagten, die Fälligstellung durch die klagende Partei sei zu Unrecht erfolgt, weil sie die Kreditraten vereinbarungsgemäß geleistet habe, setzt sich über Punkt 36.(1) der (auch) dem gegenständlichen Kreditvertrag unstrittig zugrundegelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (AGBKr) hinweg, wonach die Kreditunternehmung die Geschäftsverbindung aus wichtigem Grunde jederzeit beendigen darf, insbesondere, wenn der Kunde der Aufforderung zur Stellung oder Verstärkung von Sicherheiten nicht nachkommt. Schon im Hinblick auf die nur kurze Zeit später erfolgte Konkurseröffnung kann das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" für die Beendigung der Geschäftsverbindung mit dem Kreditnehmer nicht ernsthaft bezweifelt werden. Daran vermag der vom Erstgericht betonte Umstand, dass sich die "Sicherheitssituation" bezüglich der Kredite seit 1999 nicht verändert hatte, nichts zu ändern, zumal die von der klagenden Partei geforderte Verstärkung der Sicherheiten angesichts der durch den festgestellten, einen anderen Kredit betreffenden Ratenrückstand indizierten wirtschaftlichen Situation des Lebensgefährten sachlich begründet erscheint. Da gemäß Punkt 37. (1) AGBKr mit der Beendigung der Geschäftsverbindung der Saldo jedes für den Kreditnehmer geführten Kontos sofort fällig wird, geht der von der Zweitbeklagten erhobene Einwand der mangelnden Fälligkeit der gesamten unberichtigt aushaftenden Kreditvaluta ins Leere.

Als unberechtigt ist auch der von den Vorinstanzen nicht weiter relevierte Einwand der Beklagten anzusehen, sie sei bei der Unterfertigung des Bürgschaftsvertrages in Irrtum geführt worden. Dieser Vorwurf wurde auf die bloße Behauptung gestützt, der Vertrag sei ihr zu Unrecht als "Besserstellung verkauft" worden. Erstmals im Berufungsverfahren wurde von der Beklagten dazu ergänzend vorgebracht, bei den "Vorkrediten" vom 4. 11. 1994 und 7. 11. 1996 habe es sich um "reine Sicherungskredite für Haftrücklässe aus abgewickelten Bauvorhaben" gehandelt, wobei das Konto zwar bei Ausstellung der Bankgarantie mit der Haftungssumme belastet werde, jedoch nach Ablauf von drei bzw fünf Jahren für den Fall, dass keine Bankgarantie gezogen werde, auf Null berichtigt werde. Die gegenständlichen Konten wären bis längstens 5. 11. 2001 zur Gänze erloschen bzw sei lediglich eine Bankgarantie im Betrag von S 16.966,51 am 13. 9. 2001 gezogen worden. Ein darüber hinausgehender Betrag sei aus dieser Haftrücklasssicherstellung nicht offen. Da dieses gesamte Vorbringen, mit dem die Beklagte in zweiter Instanz ihre Behauptung, ihre Position als Kreditbürgin habe sich durch den neuen Bürgschaftsvertrag verschlechtert, zu stützen sucht, gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO verstößt, kann es nicht weiter beachtet und daher auch nicht zum Anlass genommen werden, das Verfahren zum Vorwurf der Irreführung zu ergänzen.

Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz allerdings schließlich auch noch den Einwand erhoben, dass die klagende Partei ihren Verpflichtungen (als Kreditgeber gegenüber ihr als Interzedent) nach § 25c KSchG nicht nachgekommen sei. § 25c KSchG (der gemäß § 41a Abs 4 Z 2 KSchG hier grundsätzlich anwendbar ist, da der gegenständliche Bürgschaftsvertrag nach dem 31. 12. 1996 abgeschlossen wurde) statuiert die Verpflichtung des Gläubigers (Kreditgebers), den Verbraucher, der einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant beitritt (Interzession), auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners (Kreditnehmers) hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Unterlässt der Unternehmer diese Information, so haftet der Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte. Die für die Anwendung dieser Bestimmung notwendige Verbrauchereigenschaft wird von der Beklagten erfüllt: Sie ist, da die Beurteilung, ob es sich beim gegenständlichen Bürgschaftsvertrag um ein Verbrauchergeschäft handelte, nur vom funktionellen Verhältnis zwischen den Streitteilen abhängt (SZ 53/103; RIS-Justiz RS0065309 und RS0065241), ungeachtet des Umstandes, dass sie seit April 1999 selbst ein Unternehmen betrieb, als Verbraucher anzusehen, weil der Abschluss des Bürgschaftsvertrages ohne jeden Zusammenhang mit ihrer eigenen unternehmerischen Tätigkeit erfolgte (s zur Frage, ob es sich bei der Interzession um ein Verbrauchergeschäft iSd § 1 KSchG handelt, auch die RV 311 BlgNR 20. GP 25).

Den Gläubiger, der bis zu dem dafür maßgeblichen Zeitpunkt des Zustandekommens der Interzession (Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayr, KSchG, § 25c Rz 11; 1 Ob 29/01y) erkennt oder erkennen muss, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird, trifft also eine Informationspflicht: Er hat den interzedierenden Verbraucher auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners auch dann hinzuweisen, wenn dieser über die finanzielle Situation des Hauptschuldners Bescheid weiß (was hinsichtlich der Beklagten als Lebensgefährtin des ursprünglich erstbeklagten Kreditnehmers, die bis einige Monate davor noch in dessen Betrieb mitgearbeitet hatte, lebensnah anzunehmen ist). Dies soll das Risiko des Einstehenmüssens für eine (materiell) fremde Schuld verringern und den Interzedenten nachdrücklich warnen: Die Auskunft soll diesem die wirtschaftlichen Gründe des Gläubigers vor Augen führen, aus denen dieser neben der Haftung des Hauptschuldners auf der Haftung einer weiteren Person besteht. Demzufolge hat der Gläubiger den Interzedenten darüber zu informieren, inwiefern die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners erwarten lässt, dass dieser seiner Verbindlichkeit voraussichtlich nicht (vollständig) erfüllen wird, sodass die Haftung des Interzedenten schlagend wird (RV, 311 BlgNR

20. GP, 25; 7 Ob 261/99d, ÖBA 2000, 527; zust Rabel in ecolex 2000,

271; 1 Ob 107/00t, ÖBA 2001, 166 [Graf] = EvBl 2001/10 = RdW 2001, 15

= ecolex 2001, 44 [Wilhel]; Apathy in Schwimann2 § 25c KSchG Rz 3; 1

Ob 29/01y). Die Rechtsfolge der unterbliebenen Aufklärung durch den Kreditgeber nach § 25c KSchG, nämlich die Haftungsbefreiung des Interzedenten, tritt aber bei Unterbleiben der Information nicht schon jedenfalls, sondern nur dann ein, wenn der Kreditgeber bei Abschluss des Interzessionsvertrages erkannte oder erkennen musste, dass der Kredit wahrscheinlich notleidend werden wird. Nur dann ist ein Verstoß gegen die Informationspflicht denkbar (3 Ob 312/00d; 1 Ob 29/01y; Jesser/Kiendl/Schwarzenegger, Das neue Konsumentenschutzrecht 45 f).

Die Vorinstanzen haben sich auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsmeinungen, das Klagebegehren sei schon aus anderen Gründen abzuweisen, mit dem Einwand der Beklagten in Richtung § 25c KSchG nicht auseinandergesetzt. Festgestellt wurde lediglich, dass es zwischen den Streitparteien vor Unterfertigung der gegenständlichen Verträge mehrere Gespräche gab; deren Inhalt, insbesondere ob die Beklagte dabei von der Klägerin im aufgezeigten Sinn informiert wurde, steht nicht fest. Ebenso ist ungeklärt geblieben, ob bzw inwieweit die klagende Partei erkennen hätte müssen, dass der Lebensgefährte als ursprünglich erstbeklagter Kreditnehmer seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen werde können. Da die klagende Partei hinsichtlich einer Haftungsübernahme der Beklagten festgestelltermaßen initiativ wurde, ist allerdings prima facie anzunehmen, dass sie die Einbringung ihrer Kreditforderung beim erstbeklagten Hauptschuldner als nicht gesichert angesehen hat (vgl RIS-Justiz RS0113882, zuletzt etwa 8 Ob 115/02y;

Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayr aaO § 25c Rz 8). Für den Fall, dass eine Informationspflichtverletzung durch die klagende Partei festgestellt würde, wäre auch noch zu klären, ob bzw inwieweit die Beklagte die Haftung als Bürge und Zahler für den gegenständlichen Kredit auch nach vollständiger Information durch die Klägerin übernommen hätte, wofür die klagende Partei die Beweislast träfe (Apathy aaO § 25c KSchG Rz 6; Kosesnik-Wehrle aaO § 25c Rz 18; 1 Ob 29/01y). Da diese Umstände alle ungeklärt geblieben sind, erweist sich das Verfahren noch als ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht wird im aufgezeigten Sinne zu untersuchen haben, ob die von der Beklagten behauptete Verletzung der Informationspflicht der klagenden Partei iSd § 25c KSchG gegeben ist und wenn ja, welche Verpflichtung die Beklagte bei Vorliegen von dem § 25c KSchG entsprechenden Informationen allenfalls dennoch übernommen hätte.

In Stattgebung der Revision war daher spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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