European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00018.21A.0818.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.736,38 EUR (darin 789,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Im Mai 2004 erstattete der spätere Finanzdirektor der Stadt Linz (Klägerin) einen Amtsbericht, wonach die Fremdwährungsverbindlichkeiten der Klägerin aufgrund der Aufwertung des Schweizer Franken auf umgerechnet 135,45 Mio EUR angestiegen seien und die weitere Entwicklung des Devisenkurses nicht vorhersehbar sei, das Fremdwährungsrisiko aber durch den Abschluss von Finanztermingeschäften in ausländischer Währung abgesichert werden könne. Daraufhin fasste der Gemeinderat der Klägerin am 3. 6. 2004 folgenden Beschluss:
„1. Die Aufnahme von Fremdmitteln zum Zweck der Umschuldung in Höhe der zu tilgenden Finanzverbindlichkeiten wird genehmigt.
2. Die FVV [Anm: = Finanz- und Vermögensverwaltung] wird ermächtigt, das Fremdfinanzierungsportfolio durch den Abschluss von marktüblichen Finanzgeschäften und Finanzterminkontrakten zu optimieren.
3. Die Verrechnung erfolgt auf der VASt … Darlehensaufnahmen Finanzunternehmen.“
[2] Auf der Grundlage dieses Beschlusses begab die Klägerin am 6. 10. 2005 bei der K* AG eine CHF-Anleihe über 195 Mio CHF mit einer Laufzeit bis 14. 10. 2017, die mit dem 6-Monats-CHF-Libor zuzüglich 0,049 % verzinst war. Später wollte der Finanzdirektor der Klägerin das mit dieser Anleihe verbundene Zinsrisiko verringern, weshalb es zu diversen Gesprächen und Korrespondenzen mit derbeklagten Bank kam. Am 26. 9. 2006 unterfertigte der Bürgermeister der Klägerin einen „Rahmenvertrag“, mit dem die Bedingungen für die beabsichtigten Finanztermingeschäfte festgelegt wurden, und ein „Aktuelles Unterschriftenverzeichnis der für Finanztermingeschäfte bevollmächtigten Personen“, in welchem der damalige Finanzdirektor als Bevollmächtigter angeführt war.
[3] Am 12. 2. 2007 schloss der Finanzdirektor für die Klägerin mit der Beklagten die als „Resettable CHF Linked Swap 4175“ bezeichnete Vereinbarung, die den Tausch von Zinszahlungen zu halbjährlichen Fälligkeitszeitpunkten bezogen auf ein Nominale von 195 Mio CHF vorsieht. Die Beklagte verpflichtete sich dabei zur Zahlung von variablen Zinsen gemäß dem 6-Monats-CHF-Libor, die Klägerin hingegen zur Zahlung von Fixzinsen von 0,065 %, wenn der EUR/CHF-Wechselkurs der EZB über 1,54 liegt, ansonsten von Zinsen nach der Formel 0,065 % + ([1,54 – EZB-Wechselkurs]/EZB-Wechselkurs x 100) %.
[4] Dies bedeutet unter der Annahme eines gleichbleibenden CHF-Libor, dass ein Wechselkurs über 1,54 (1 EUR = 1,54 CHF) eine Differenz zugunsten der Klägerin und damit eine entsprechende Zahlungspflicht der Beklagten bewirkt, während die Differenz zugunsten der Beklagten und die Zahlungspflicht der Klägerin umso höher wird, je tiefer der Wechselkurs unter diese Schwelle fällt. Beispielsweise führt ein Wechselkurs von 1 EUR : 1,20 CHF zu einem Zinssatz zu Lasten der klagenden Partei von rund 28 % aus 195 Mio CHF und damit zu einer (jährlichen) Zahlungspflicht der Klägerin von rund 54,5 Mio EUR. Ein Wechselkurs von 1,00 : 1,00 ergibt einen Zinssatz von rund 54 % und damit eine (jährliche) Zahlungspflicht der Klägerin von rund 105 Mio EUR.
[5] Die Vereinbarung hat eine Laufzeit bis 15. 4. 2017 und ist nach § 7 des von den Parteien abgeschlossenen Rahmenvertrags nur aus wichtigem Grund kündbar.
[6] Erst am 26. 9. 2011 beantragte die Klägerin bei der Oberösterreichischen Landesregierungdie aufsichtsbehördliche Genehmigung der Vereinbarung, behauptete aber gleichzeitig das Fehlen eines entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses. Die Oberösterreichische Landesregierung wies diesen Antrag mit Bescheid vom 10. 10. 2011 als unzulässig zurück, weil der Abschluss der Vereinbarung nicht vom Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004, der nur eine „allgemeine Ermächtigung“ enthalte, gedeckt sei.
[7] Die Klägerin begehrt die Rückzahlung der bereits an die Beklagte geleisteten Zahlungen von 30.640.161,40 CHF (25.185.074,30 EUR) und stellte dabei den Zwischenantrag auf Feststellung, dass der „Resettable CHF Linked Swap 4175“ nicht wirksam zustande gekommen, in eventu rückwirkend aufgehoben worden sei. Die Ungültigkeit der Vereinbarung ergebe sich daraus, dass keine Beschlussfassung im Gemeinderat erfolgt und keine aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt worden sei.
[8] Die Beklagte wendete ein, dass die Vereinbarung vom Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004 gedeckt sei, zumal es sich um eine marktübliche Vereinbarung zur Minimierung des Finanzierungsrisikos handle. Darüber hinaus habe die Beklagte auf den vom Gemeinderat geschaffenen äußeren Anschein vertrauen dürfen, weil der Gemeinderat Kenntnis von der Vereinbarung gehabt habe und die „Dept Management Berichte“ im Finanz‑ und Kontrollausschuss diskutiert worden seien. Im Übrigen liege eine nachträgliche Genehmigung vor, weil die Klägerin aufgrund dieserVereinbarung mit Wissen des Gemeinderats Zahlungen von 10.100.000 EUR vereinnahmt habe. Da es sich um keinen Darlehensvertrag handle, habe auch keine Verpflichtung bestanden, eine aufsichtsbehördliche Genehmigung einzuholen.Aufgrund der abgeschlossenen Vereinbarung beansprucht die Beklagte von der Klägerin mit ihrer Widerklage zu AZ 55 Cg 29/18b des Handelsgerichts Wien 417.737.018,29 EUR sA und hält diese Forderung auch dem gegenständlichen Klagebegehren aufrechnungsweise entgegen.
[9] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass der „Resettable CHF Linked Swap 4175“ nicht wirksam zustande gekommen sei, weil der Gemeinderatsbeschluss vom 3. 6. 2004 bloßen Grundsatzcharakter gehabt habe, aber keine Ermächtigung zum Abschluss eines derart risikoreichen Rechtsgeschäfts enthalte. Eine nachträgliche Genehmigung der Vereinbarung scheitere daran, dass der Gemeinderat keine ausreichende Kenntnis von den mit der Vereinbarung verbundenen Risiken gehabt habe. Darüber hinaus hätte die Vereinbarung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft, weil die damit übernommenen Zahlungspflichten die Aufnahme von Darlehen erforderlich machen könnten.
[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ging ebenfalls von der Unwirksamkeit der Vereinbarung aus, weil der „Resettable CHF Linked Swap 4175“ ein Währungs-Spekulationsgeschäft darstelle, das nicht zur Absicherung des mit den Fremdwährungsverbindlichkeiten der Klägerin verbundenen Wechselkursrisikos geeignet gewesen und damit nicht vom Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004 gedeckt sei. Die Beklagte könne sich nicht auf den Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand berufen, weil das Wissen der Ausschüsse dem Gemeinderat nicht zugerechnet werden könne. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision im Hinblick auf die Frage zulässig sei, ob nur das Verhalten des Gemeinderats oder auch jenes seiner Ausschüsse den Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand rechtfertigen könne.
[11] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Zwischenfeststellungsantrags der Klägerin anstrebt.
[12] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen von Zins-Swap-Vereinbarungen von Gemeinden fehlt. Sie ist aber nicht berechtigt.
[14] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Wirksamkeit des von der Klägerin abgeschlossenen „Resettable CHF Linked Swap 4175“. Bei der Frage der Gültigkeit eines von einer Gemeinde abgeschlossenen Vertrags kommt es nach § 867 ABGB entscheidend auf die Bestimmungen der Gemeindeordnung an (RIS‑Justiz RS0014699 [T18]). Die in Organisationsvorschriften von juristischen Personen des öffentlichen Rechts enthaltenen Handlungs-beschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe sind auch im Außenverhältnis wirksam und sollen die Interessen der juristischen Person schützen (RS0014717).
[15] 2. Nach § 49 Abs 1 des Statuts für die Landeshauptstadt Linz idF LGBl 1992/7 (kurz: StL 1992) vertritt der Bürgermeister die Stadt nach außen. Nach § 46 Abs 1 Z 8 StL 1992 ist dem Gemeinderat aber der Erwerb und die Veräußerung beweglicher und unbeweglicher Sachen sowie diesen gleichgehaltener Rechte vorbehalten, wenn der Kaufpreis oder Tauschwert 100.000 EUR übersteigt. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass das Fehlen eines hinreichenden Gemeinderatsbeschlusses zur Unwirksamkeit des abgeschlossenen „Resettable CHF Linked Swap 4175“ führen würde.
[16] 3.1 Ist eine Beschlussfassung durch den Gemeinderat erforderlich, dann ist das ohne eine solche Beschlussfassung vom Bürgermeister abgeschlossene Rechtsgeschäft nach ständiger Rechtsprechung für die Gemeinde nicht verbindlich (RS0014664 [T6, T12]; RS0014699 [T19, T31]; RS0014709 [T6]; RS0014715 [T1]). Damit sind jene Bestimmungen der Gemeindeordnungen, die bestimmte Rechtsgeschäfte dem Gemeinderat vorbehalten, keine bloß internen Organisationsvorschriften, sondern eine Beschränkung der allgemeinen Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters (RS0014664). Die Zuständigkeit des Gemeinderats, der den Wählerwillen der Gemeindebürger am deutlichsten verkörpert, wäre weitgehend sinnlos, wenn andere Organe der Gemeinde unter Umgehung dieser Zuständigkeit für die Gemeinde wirksame Verträge schließen könnten (RS0031238). Ohne einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss kann der Bürgermeister damit auch keinen Dritten zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts bevollmächtigen, das einen Beschluss des Gemeinderats erfordert (RS0014715 [T3]; RS0038754 [T2]).
[17] 3.2 Eine derartige Beschränkung der Vertretungsmacht des Bürgermeisters ist naturgemäß mit einer erheblichen Belastung des Geschäftsverkehrs verbunden, zumal der Vertragspartner der Gemeinde in aller Regel keinen Einblick in gemeindeinterne Beschlussfassungen hat. Die herrschende Lehre geht deshalb entgegen der ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die Zuständigkeiten des Gemeinderats keine außenwirksamen Beschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters bedeuten, sondern dass es sich um bloß interne Pflichtbindungen handelt, welche die Wirksamkeit eines vom Bürgermeister abgeschlossenen Rechtsgeschäfts grundsätzlich unberührt lassen (Grillberger/Probst/Strasser, Privatrechtsgeschäfte der Gemeinde [1981] 75 ff; Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht [1981] 118 ff; Thunhart, Eigenmächtige Vertragsabschlüsse des Bürgermeisters und die Notwendigkeit von Vertrauensschutz im Gemeinderecht, JBl 2001, 69 [75 ff]; Schwarzenegger, Die Vertretung von Gemeinden durch den Bürgermeister, RFG 2009, 192; Riedler in Schwimann/Kodek 5 § 867 ABGB Rz 6; Rummel in Rummel/Lukas 4 § 867 ABGB Rz 11; Aicher, Besonderer Schutz der Gemeinden bei Rechtsgeschäften zur aktiven Schuldenbewirtschaftung? Wbl 2021, 481; anders jedoch Burtscher/Spitzer, Vertretungskonzepte juristischer Personen zwischen Privatautonomie und Verkehrsschutz, SPRW 2014, 201 [214]).
[18] 3.3.1 Die Rechtsprechung mildert die mit einer beschränkten Vertretungsmacht des Bürgermeisters verbundene Belastung des Geschäftsverkehrs ab, indem sie dem Vertragspartner der Gemeinde eine Berufung auf den Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand erlaubt, wenn der Gemeinderat den Anschein erweckt hat, die Vertretungshandlung sei durch seine Beschlussfassung gedeckt (RS0014699 [T26]; RS0014726). Der Oberste Gerichtshof nimmt in solchen Fällen eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht an, welche die ausnahmsweise Wirksamkeit des eigenmächtigen Vertragsabschlusses rechtfertigt (RS0014110 [T10]; RS0014726 [T6]). Mitunter geht die Rechtsprechung auch von einer schlüssigen Genehmigung des vollmachtslosen Handelns des Bürgermeisters durch den Gemeinderat aus (RS0014664 [T19]; RS0014699 [T40]).
[19] 3.3.2 Der Schutz des Vertrauens auf die Wirksamkeit des vom Bürgermeister oder einem anderen Gemeindeorgan eigenmächtig abgeschlossenen Rechtsgeschäfts setzt allerdings voraus, dass der Gemeinderat jenes Verhalten gesetzt hat, aus dem der Vertragspartner auf eine Zustimmung des Gemeinderats schließen konnte (RS0014110 [T1, T17]; RS0014726 [T2, T10]). Demgegenüber kann das Verhalten des Scheinvertreters selbst nach allgemeinen vertretungsrechtlichen Grundsätzen keinen Vertrauensschutz rechtfertigen (RS0014110 [T23]; RS0014726 [T7, T8]).
[20] 3.3.3 Auf das Vorhandensein eines Erklärungswillens seitens des Gemeinderats kommt es nicht an (RS0014726 [T1]). Auch ein passives Verhalten des Gemeinderats kann nach der Rechtsprechung beachtlich sein, wenn den Mitgliedern des Gemeinderats der Abschluss des Rechtsgeschäfts aufgrund der Umstände des Falles nicht verborgen geblieben sein konnte (RS0014110 [T11]; RS0014726 [T4]). Dies gilt besonders dann, wenn aufgrund einer langjährigen Übung keine Zweifel an der Einhaltung der gemeindeinternen Zuständigkeitsverteilung bestehen (RS0014110 [T6]). Mitunter hat es der Oberste Gerichtshof auch ausreichen lassen, dass nicht alle, sondern nur die für das besondere Vertragsverhältnis maßgeblichen Mitglieder des Gemeinderats den äußeren Tatbestand einer vorhandenen Abschlussbefugnis setzten (RS0014739).
[21] 3.3.4 Im Übrigen kann ein vom Bürgermeister oder einem anderen Gemeindeorgan eigenmächtig abgeschlossenes Rechtsgeschäft nach der auch für Gemeinden geltenden Regel des § 1016 ABGB auch nachträglich genehmigt und geheilt werden, indem sich die Gemeinde den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil zuwendet (RS0014709). Voraussetzung einer derartigen Genehmigung ist aber, dass dem Gemeinderat bekannt war, dass das Rechtsgeschäft im Namen der Gemeinde abgeschlossen wurde und der Vorteil, den sich die Gemeinde angeeignet hat, aus diesem Geschäft stammt (RS0014709 [T5]).
[22] 3.4 Ob die Missachtung der Zuständigkeit des Gemeinderats zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führt und sich die Beklagte auf den Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand oder eine nachträgliche Genehmigung des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ berufen kann, muss hier aber nicht beantwortet werden, weil ein Beschluss des Gemeinderats der Klägerin vorliegt.
[23] 4.1 Der Gemeinderat der Klägerin hat die Finanz- und Vermögensverwaltung (FVV) mit Beschluss vom 3. 6. 2004 ermächtigt, „das Fremdfinanzierungsportfolio durch den Abschluss von marktüblichen Finanzgeschäften und Finanzterminkontrakten zu optimieren“. Es stellt sich deshalb die Frage, ob dieser Beschluss des Gemeinderats den Abschluss des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ durch den Finanzdirektor der Klägerin deckt.
[24] 4.2.1 Zins-Swaps sind Vereinbarungen zweier Vertragsparteien über den Austausch zukünftiger Zinszahlungen in einer bestimmten Währung während eines festgelegten Zeitraums (Fülbier, Zivilrechtliche Einordnung von Zins‑ und Währungsswaps, ZIP 1990, 544 [545]; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 [2015] § 35 Rz 14; Jahn/Reiner in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch5 [2017] § 114 Rn 7). Zins-Swaps zählen damit zu den Finanztermingeschäften (Langenbucher/Bliesener/ Spindler, Bankrechts-Kommentar3 [2020] 37. Kap Rn 28; Brauneis/Mestel, Finanzmarktinstrumente2 Unbedingte Termingeschäfte Pkt 1).
[25] 4.2.2 Zins-Swaps sind ein auf den Finanzmärkten seit den 1980er‑Jahren weit verbreitetes Instrument, das es den Vertragsparteien ermöglicht, bestehende Zinsrisiken zu steuern und an die individuellen Zinserwartungen anzupassen (Gondring/Hermann, Zins‑ und Währungsswaps aus bankbetrieblicher Sicht, ÖBA 1986, 327; Dornauer/Mestel, Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten von Swaps, ÖBA 2013, 533). Zins-Swaps werden dementsprechend zur Spekulation, aber auch zur Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken genutzt (Leser/Leser/Habsburg-Lothringen, Finanzinstrumente2 [2019] 185).
[26] 4.2.3 Da ein Zins-Swap es bei einem erwarteten Zinsanstieg ermöglicht, eine variabel verzinsliche in eine festverzinsliche Verbindlichkeit umzuwandeln und dadurch die Höhe der künftigen Zinsbelastung zu begrenzen, handelt es sich auch um ein Instrument zur „Optimierung“ von Finanzierungsstrukuren (so ausdrücklich Erne, Die Swapgeschäfte der Banken [1992] 22). Häufig wird eine Festzinsverpflichtung gegen eine variable Zinsverpflichtung getauscht (Plain Vanilla Swap); es sind aber auch andere, komplexere Ausgestaltungen des Zins-Swaps gebräuchlich (Pax, Der Einsatz von Swaps im Finanzmanagement – Ein Instrument der Zinssteuerung und des Risikomanagments für Zins‑ und Währungspositionen, RFG 2005/59, 189). In der Praxis kommen auch Kombinationen aus Währungs‑ und Zins‑Swaps in unterschiedlichen Ausgestaltungen vor (Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 [2015] § 35 Rz 17). Um den jeweiligen Zinserwartungen der Kunden entsprechen zu können, werden auch strukturierte Swaps angeboten, bei denen sich die Verzinsung nach einem Fremdwährungsindikator richtet (Mader/Pyka, Umschuldungspraxis – Varianten und Instrumente – Möglichkeiten zur Verbesserung von Finanzierungskonditionen, RFG 2004/10, 44 [46 ff]).
[27] 4.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach dieser Beschluss im Hinblick auf die vorangegangenen Amtsberichte des Finanzdirektors der Klägerin dahin auszulegen sei, dass nur eine Absicherung des mit den Fremdwährungsverbindlichkeiten verbundenen Wechselkursrisikos gedeckt sei, widerspricht dem klaren Wortlaut des Beschlusses. Der Gemeinderatsbeschluss ist objektiv nach dem Aussagewert des Textes, dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und im Zusammenhalt mit dem zugrunde gelegenen Geschäftszweck auszulegen (7 Ob 108/17h; 8 ObA 22/21z). Durch die Ermächtigung zur „Optimierung“ des Fremdfinanzierungsportfolios ist daher auch der Abschluss von Finanzgeschäften gedeckt, die bloß auf eine Verminderung der Zinsbelastung der Klägerin abzielen.
[28] 4.4 Ob ein Rechtsgeschäft der Gemeinde von einem bereits gefassten Beschluss des Gemeinderats gedeckt ist, muss immer nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt werden. Dass sich im Nachhinein herausstellt, dass durch den Abschluss eines Zins-Swaps keine Verminderung der Fremdwährungsverbindlichkeiten erreicht werden konnte, sondern aufgrund der ungünstigen Entwicklung des Wechselkurses ganz im Gegenteil erhebliche Verluste drohen, ändert nichts daran, dass solche Geschäfte an sich geeignet waren, eine Verminderung bestehender Zinsbelastung herbeizuführen, was allerdings vorausgesetzt hätte, dass sich der Devisenkurs so entwickelt wie dies von der Klägerin erwartet worden war (dazu Wilhelm, Über Zins‑Swapping – das „Tauschen“ von Zinsen, ecolex 2012, 280 [281]).
[29] 4.5 Die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach es sich beim Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004 um einen bloßen „Grundsatzbeschluss“ handle, wird schon durch den Wortlaut dieses Beschlusses widerlegt, wonach die Finanz- und Vermögensverwaltung (FVV) zum Abschluss solcher Geschäfte „ermächtigt“ wurde, was bereits als „rechtliches Dürfen“ und damit als Erlaubnis zum Abschluss solcher Rechtsgeschäfte zu verstehen ist (P. Bydlinski in KBB6 § 1002 ABGB Rz 2; Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss15 I Rn 640).
[30] 4.6.1 Dem Erstgericht ist aber dahin zuzustimmen, dass der Beschluss des Gemeinderats kein konkretes Rechtsgeschäft betrifft, sondern eine allgemeine Ermächtigung zum Abschluss marktüblicher Finanzgeschäfte zur Optimierung der Fremdwährungsverbindlichkeiten enthält. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts, das insofern der Begründung der Oberösterreichischen Landesregierung im Bescheid vom 10. 10. 2011 folgt, kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass der Abschluss des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ nicht vom Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004 gedeckt wäre.
[31] 4.6.2 Holoubek/Prändl vertreten die Auffassung, dass es eines gesonderten Gemeinderatsbeschlusses bedarf, wenn für ein bereits aufgenommenes Darlehen Derivate eingesetzt werden sollen, lassen jedoch ausdrücklich offen, ob auch die einzelnen Vertragsabschlüsse zur „Optimierung“ solcher Derivate eines gesonderten Gemeinderatsbeschlusses bedürfen, zumal es der Gemeinde dadurch unmöglich gemacht würde, auf veränderte Marktverhältnisse zeitgerecht zu reagieren (Holoubek/Prändl, Öffentliches Finanzmanagement – rechtliche Rahmenbedingungen, in Böck/Hofstätter/Höck/Huemer/Prändl/Schuch, Strukturiertes Finanzmanagement der öffentlichen Hand [2005] 199 [229]).
[32] 4.6.3 Nach Wilhelm ist es dem Gemeinderat in den meisten Fällen gar nicht möglich, Verträge in allen Einzelheiten zu determinieren, sodass es den zur Vertretung nach außen berufenen Organen der Gemeinde obliegt, die Gemeinderatsbeschlüsse im Sinne ihres Ermessensspielraums umzusetzen (Wilhelm, Vertretung 150). Nach Raschauer ist es dem Gemeinderat deshalb gerade bei Bankgeschäften nicht verwehrt, die Vertretungsorgane der Gemeinde zur Durchführung der Einzelabschlüsse aufgrund einer Rahmenvereinbarung „gesamthaft ex ante“ zu ermächtigen (Raschauer, Spekulative Vermögensveranlagung durch Gebietskörperschaften, RFG 2013/16, 70).
[33] 4.6.4 Nach Thunhart kann der Gemeinderat die Ausgestaltung des konkreten Rechtsgeschäfts dem Bürgermeister oder anderen Gemeindeorganen überlassen, solange es sich um keine Pauschalermächtigungen handelt, durch die sich der Gemeinderat pflichtwidrig der Möglichkeit begibt, auf die Vermögensverwaltung Einfluss zu nehmen (Thunhart, Rechtsgeschäftliche Vertretungsregeln im Gemeinderecht [2000] 122 ff). Dies entspricht der herrschenden Auffassung im Familienrecht, wonach die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters auch generell im Voraus erklärt werden kann, solange es sich nicht um eine uneingeschränkte Zustimmung zu jedweden Rechtsgeschäften handelt, die dem Schutzzweck des Gesetzes widerspricht (LGZ Wien 42 R 207/94 EFSlg 75.078; Iro, Verfügungen über Girokonten nicht voll Geschäftsfähiger, ÖBA 1986, 503 [511]; Nademleinsky in Schwimann/Kodek 5 § 170 ABGB Rz 6).
[34] 4.6.5 Der Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004 beschränkte sich auf den Abschluss „marktüblicher Finanzgeschäfte und Finanzterminkontrakte“ zur Optimierung der bestehenden Fremdwährungsverbindlichkeit, sodass keine generelle Ermächtigung zum Abschluss von Bankgeschäften vorliegt, die dem Schutzzweck der gemeinderechtlichen Zuständigkeitsverteilung widersprechen würde. Dass der Gemeinderat der Klägerin die konkrete Ausgestaltung eines marktüblichen Finanzgeschäfts zur Verminderung der Belastung aus den bestehenden Verbindlichkeiten der Finanz- und Vermögensverwaltung (FVV) überließ, führt daher nicht zur Unwirksamkeit der erteilten Ermächtigung.
[35] 4.7 Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob die konkrete Ausgestaltung des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ marktüblich war. Angesichts der damit übernommenen erheblichen und kaum abschätzbaren Risiken muss auch bezweifelt werden, dass der Abschluss dieses Rechtsgeschäfts den damaligen Interessen der Klägerin entsprochen hat. Der Gemeinderat hat aber mit Beschluss vom 3. 6. 2004 die Ermächtigung zum Abschluss marktüblicher Finanzgeschäfte zur Optimierung der bestehenden Verbindlichkeiten erteilt und die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung solcher Verträge damit der Finanz‑ und Vermögensverwaltung (FVV) überlassen. Da Zins-Swaps unter Einbeziehung von Wechselkursindikatoren marktübliche Finanzgeschäfte zur Optimierung von Fremdwährungsverbindlichkeiten waren, hat die Finanz- und Vermögensverwaltung (FVV) die ihr vom Gemeinderat eingeräumten Befugnisse nicht überschritten, weshalb sich die Klägerin nicht auf das Fehlen eines das konkrete Geschäft betreffenden Gemeinderatsbeschlusses berufen kann.
[36] 4.8 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Abschluss des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen vom Beschluss des Gemeinderats vom 3. 6. 2004 gedeckt ist.
[37] 5. Offen bleibt aber die Frage, ob der Abschluss dieses Rechtsgeschäfts einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Oberösterreichischen Landesregierung bedurft hätte.
[38] 5.1 Nach § 78 Abs 1 Z 2 StL 1992 bedarf der „Abschluss von Darlehensverträgen“ der Genehmigung der Landesregierung, wenn durch die Aufnahme des Darlehens der jährliche Gesamtschuldendienst der Stadt 15 % der Einnahmen des ordentlichen Voranschlags des laufenden Rechnungsjahres übersteigen würde. Im Jahr 2007 entsprach dies einer Wertgrenze von 31.391.415 EUR. Nach § 983 ABGB zeichnet sich der Darlehensvertrag dadurch aus, dass der Darlehensgeber vertretbare Sachen übergibt und sich der Darlehensnehmer dazu verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzustellen. Der VwGH hat deshalb in einer Disziplinarsache bereits darauf hingewiesen, dass der „Resettable CHF Linked Swap 4175“ nicht als Darlehensvertrag iSd § 983 ABGB anzusehen ist (VwGH Ro 2015/09/0014; Ra 2017/09/0001). Der VwGH hat in diesen Erkenntnissen aber ausdrücklich offen gelassen, ob der Begriff des „Darlehens“ iSd § 78 Abs 1 Z 2 StL 1992 angesichts des Regelungszwecks, nämlich die Verschuldung der Gemeinde zu überwachen, über die Definition des § 983 ABGB hinaus auch andere, einer Kreditaufnahme gleichzuhaltende Geschäfte erfasst.
[39] 5.2 Da nach der getroffenen Vereinbarung keine Darlehensvaluta ausgezahlt, sondern nur die Differenz zwischen dem variablen 6-Monats-CHF-Libor und einem vom jeweiligen Devisenkurs der EZB abhängigen Zinssatz gezahlt werden sollte, liegt ein sogenanntes Differenzgeschäft vor (RS0106835; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 [2015] § 35 Rz 43). Solche Verträge werden zivilrechtlich als Wette qualifiziert und zählen zu den Glücksverträgen (Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ §§ 1270–1272 ABGB Rz 110; Karollus, Aufklärungspflicht über den anfänglich negativen Marktwert bei strukturierten Finanzprodukten, ÖBA 2013, 306 [307 f]; Dullinger, Rechtliche Möglichkeiten bei Swap‑Geschäften, ecolex 2014, 310 [311]).
[40] 5.3 Mittlerweile hat der Oberösterreichische Landesgesetzgeber die besondere Gefährlichkeit solcher Finanzgeschäfte erkannt (Initiativantrag 507 Blg oöLT 27. GP 1). Mit der Oberösterreichischen Gemeinderechts-Novelle 2012 (LGBl 2012/1) wurden deshalb neben dem Abschluss von Darlehensverträgen auch „sonstige Finanzgeschäfte“ einem aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalt unterstellt, wodurch nunmehr auch derivative Finanzinstrumente wie Optionen, Futures oder Swaps unter den in § 58 StL idgF genannten Voraussetzungen einer Genehmigung bedürfen (AB 507 Blg oöLT 27. GP 2). Da dieses Gesetz erst mit 1. 4. 2012 in Kraft getreten ist, kann es auf den vorliegenden Rechtsfall nicht angewendet werden. Es stellt sich aber die Frage, ob die für Darlehensverträge geltenden Genehmigungsvorbehalte nach § 78 Abs 1 Z 2 StL 1992 auf solche Vereinbarungen zumindest analog anzuwenden sind.
[41] 5.4.1 Die Beklagte verweist darauf, dass der VwGH eine „ausdehnende Auslegung“ der gemeinderechtlichen Genehmigungsvorbehalte mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich garantierte Gemeindeautonomie abgelehnt hat (VwGH 2004/05/0300). Art 119a Abs 8 B‑VG sieht aber ausdrücklich vor, dass einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, insbesondere solche von besonderer finanzieller Bedeutung, durch die zuständige Gesetzgebung an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden können. Auch nach der Rechtsprechung des VwGH ist eine Analogie geboten, wenn das Gesetz einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen – unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers – dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf den im Gesetz geregelten Fall und daher schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung auch dieselben Rechtsfolgen Anwendung finden müssen (VwGH 96/08/0207; Ro 2019/13/0014; Ra 2020/11/0086).
[42] 5.4.2 Voraussetzung der Analogie ist freilich, dass sie nicht einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (VwGH 2012/08/0050; Ro 2015/19/0001; Ra 2019/11/0015). Dabei vertritt der VwGH die Auffassung, dass das Fehlen einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts im Zweifel als beabsichtigt anzusehen sei (VwGH Ro 2019/16/0015; Ro 2020/10/0015; ebenso RS0008912). Gerade die Einführung der Genehmigungspflicht für „sonstige Finanzgeschäfte“ mit der Oberösterreichischen Gemeinderechts-Novelle 2012 zeigt aber, dass eine Beschränkung des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalts auf Darlehensverträge iSd § 983 ABGB nicht beabsichtigt war. Im Übrigen geht der Landesgesetzgeber selbst von der Zulässigkeit eines Analogieschlusses aus, indem er die Neuregelung, die insbesondere den Abschluss von Swap‑Geschäften betrifft, als „Klarstellung der bisher bereits bestehenden aufsichtsbehördlichen Genehmigungspflichten“ bezeichnet (AB 507 Blg oöLT 27. GP 2).
[43] 5.5 In Deutschland wird die Ansicht vertreten, dass Swap‑Geschäfte nicht den für Kreditverträge und kreditähnliche Geschäfte geltenden Regelungen unterliegen und deshalb keiner Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörden bedürfen (Reinhardt, Neue kommunale Finanzierungsmodelle und ihre Bewertung durch die Obersten Kommunalaufsichtsbehörden der Bundesländer, LKV 2005, 333 [337]; Lammers, Pfichtverletzung bei kommunalen Zins-Swaps, NVwZ 2012, 12 [14]; Endler in Zerey, Finanzderivate4 [2016] § 30 Rn 57). Diese Auffassung ist aber nicht auf die österreichische Rechtslage übertragbar, weil Swap‑Vereinbarungen, die nicht geeignet sind, das mit einer bestehenden Kreditverbindlichkeit verbundene Risiko zu minimieren, sondern ein neues Risiko schaffen, nach der deutschen ultra-vires-Doktrin schon wegen Verstoßes gegen das kommunale Spekulationsverbot nichtig sind (Morlin, Die Befugnis kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform zu Spekulationsgeschäften am Beispiel von Zinsswaps, NVwZ 2007, 1159 [1160]; Weck/Schick, Unwirksamkeit spekulativer Swap-Geschäfte im kommunalen Bereich, NVwZ 2012, 18 [20 f]; ablehnend Schmitt/Geier, Neues altes Instrument für vertragsreuige juristische Personen des öffentlichen Rechts? Eine Untersuchung der Anwendbarkeit der Ultra-Vires-Lehre im Licht der jüngsten Swap‑Geschäfte, WM 2014, 1902). Darüber hinaus existieren in Deutschland „Derivaterlasse“ der Länder, mit denen die ausnahmsweise Zulässigkeit des Abschlusses von Finanzderivaten zur Absicherung bestehender Kreditverbindlichkeiten detailliert geregelt wird (dazu Pötsch, Derivate in der kommunalen Praxis – Unabdingbare Instrumente mit abdingbarer Rechtsgrundlage? KommJur 2017, 81 [85 f]).
[44] 5.6 In der österreichischen Literatur wurde die Frage, ob Zins-Swap-Vereinbarungen den Vorschriften für Darlehensverträge unterliegen und deshalb einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen, bislang offengelassen (so etwa Prändl, Der Abschluss von Swap‑Geschäften und die Grenzen der Gemeindeautonomie, JRP 2012, 379 [384]). Die Steiermärkische Landesregierung hat den nach § 90 Abs 1 Z 2 der Steiermärkischen Gemeindeordnung für die „Aufnahme und Gewährung von Darlehen“ geltenden Genehmigungsvorbehalt auch auf Zins‑Swap-Vereinbarungen angewendet und der Vereinbarung wegen der Gefahr einer übermäßigen Verschuldung der Gemeinde die Genehmigung versagt, weil die damit übernommene Zahlungspflicht wirtschaftlich einer Darlehensverpflichtung gleichkomme, woraufhin diese Rechtsansicht vom Obersten Gerichtshof zu 10 Ob 14/19k als „zumindest denkmöglich“ angesehen wurde, ohne dass dazu abschließend Stellung genommen wurde.
[45] 5.7.1 Aus wirtschaftlicher Sicht zählen Differenzgeschäfte zu den Derivaten, weil ihr Preis von anderen Marktwerten – im vorliegenden Fall vom Referenzzinssatz und dem Devisenkurs – abhängt (Fuchs/Kammel, Derivate im österreichischen Recht – Ausgewählte vertrags‑ und aufsichtsrechtliche Aspekte, ÖBA 2010, 598; Schweigbauer-Steiner, Derivate und deren Funktionsweise aus ökonomischer sowie rechtlicher Perspektive, ecolex 2021, 262). Derivate machen es möglich, Preisänderungsrisiken bei Zinsen, Devisen, Aktien oder Waren vom zugrundeliegenden Wirtschaftsgut abzuspalten und getrennt zu handeln (Oppitz, Aktuelle Rechtsfragen des Derivatgeschäfts, ÖBA 2013, 321; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht2 § 35 Rz 1).
[46] 5.7.2 Zins-Swaps wurden dementsprechend zur Optimierung der Zinsbelastung aus bestehenden Kreditverbindlichkeiten eingesetzt (Lehmann, Zinsswaps der öffentlichen Hand: Vertragswirksamkeit und Beratungspflichten, BKR 2008, 488; Fritsche/Fritsche, Rechtliche Beurteilung von Swap-Geschäften zur Zinsoptimierung der Kommunen, LKV 2010, 201). Auch im vorliegenden Fall sollte der „Resettable CHF Linked Swap 4175“ die Zinsbelastung der Klägerin aus den bestehenden Fremdwährungsverbindlichkeiten verändern, ohne dass ein neuer Darlehensvertrag abgeschlossen werden musste, wie dies sonst im Fall einer Umschuldung erforderlich gewesen wäre.
[47] 5.7.3 Die aufsichtsbehördliche Genehmigung von Darlehen soll verhindern, dass durch die Verzinsung und Tilgung der eingegangenen Verbindlichkeit die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinden überschritten wird (Prändl, JRP 2012, 384). Eine analoge Anwendung der für Darlehensverträge geltenden Genehmigungsvorbehalte auf Zins-Swap-Vereinbarungen ist schon deshalb geboten, weil solche Vereinbarungen geeignet sind, die mit einem genehmigungspflichtigen Darlehen übernommene Zinsbelastung nachträglich in einer für die Gemeinde nachteiligen Weise zu verändern, und deshalb – schon um den Zweck der aufsichtsbehördlichen Genehmigung nicht zu unterlaufen – auch selbst einem Genehmigungsvorbehalt unterliegen müssen. Da § 78 Abs 1 Z 2 StL 1992 für den Abschluss von Darlehensverträgen eine aufsichtsbehördliche Genehmigung verlangt, wenn durch die übernommenen Verbindlichkeiten der jährliche Gesamtschuldendienst der Stadt 15 % der Einnahmen übersteigen würde, gilt dies auch für den Abschluss von Zinsderivaten, die diese Schuldengrenze überschreiten.
[48] 5.8.1 Die Beklagte macht geltend, dass bei Abschluss des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ gar nicht festgestanden sei, dass die Wertgrenze des § 78 Abs 1 Z 2 des StL 1992 überschritten wird, zumal die spätere Entwicklung des Wechselkurses zum Schweizer Franken nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Genehmigungsbedürftigkeit eines Geschäfts kann aber nicht davon abhängen, ob die Überschreitung der Wertgrenze bereits feststeht oder aber nur mehr oder weniger wahrscheinlich ist, weil sonst der Zweck der Vorschrift, nämlich eine Überbelastung des Gemeindehaushalts zu vermeiden, nicht mehr gewährleistet wäre. Eine Genehmigungsbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts besteht deshalb schon dann, wenn eine Überschreitung der Wertgrenzen möglich ist. Dies gilt umso mehr, wenn – wie im vorliegenden Fall – trotz der Unvorhersehbarkeit der künftigen Entwicklung von Leitzinsen und Devisenkursen langjährige vertragliche Verpflichtungen eingegangen werden, von denen sich die Gemeinde ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes auch nicht vorzeitig lösen kann.
[49] 5.8.2 Da sich die Klägerin mit dem „Resettable CHF Linked Swap 4175“ für die Dauer von zehn Jahren zu Zinszahlungen von zumindest 0,065 % einer Fremdwährungsnominale von 195 Mio CHF verpflichtete, war gerade angesichts der nicht vorhersehbaren Entwicklung des Devisenkurses ex ante möglich, dass dadurch der jährliche Gesamtschuldendienst der Stadt 15 % der Einnahmen des ordentlichen Voranschlags des laufenden Rechnungsjahres übersteigen wird, was als Überschreitung der Wertgrenze des § 78 Abs 1 Z 2 StL 1992 zu qualifizieren ist.
[50] 5.9 Nach § 78 Abs 3 StL 1992 werden genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte Dritten gegenüber erst mit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam. Die Beklagte kann sich hier auch nicht auf den Schutz ihres Vertrauens auf die Ermächtigung des Finanzdirektors berufen, weil es sich um eine Beschränkung der Verpflichtungsfähigkeit der Gemeinde handelt, die sich schon aus dem Gesetz ergibt (RS0014715). Die Funktion des aufsichtsbehördlichen Genehmigungsvorbehalts als Mittel der präventiven Kontrolle von Rechtshandlungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften kann nur gewährleistet werden, wenn eigenmächtige Vertragsabschlüsse unwirksam sind (10 Ob 14/19k; 8 Ob 11/11t; 8 Ob 103/20k). Wer mit einer Gemeinde einen Vertrag abschließt, muss die geltenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen beachten und auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht gekannt haben sollte (RS0014699 [T20]). Ob damals bei den Gemeinden und Aufsichtsbehörden die Meinung vorherrschte, dass solche Geschäfte nicht genehmigungspflichtig wären, wie dies von der Beklagten behauptet wird, ist deshalb nicht entscheidungswesentlich, weshalb dazu auch keine Feststellungen getroffen werden mussten.
[51] 6. Die Beklagte macht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, dass eine ordnungsgemäße Erledigung ihrer Verfahrens‑ und Beweisrüge unterblieben sei und das Berufungsgericht seine Rechtsansicht zur mangelnden Beschlussfassung im Gemeinderat mit der Beklagten nicht erörtert habe. Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist aber nur gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049). Da die Wirksamkeit des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ am Fehlen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung scheitert und den von der Beklagten angestrebten Feststellungen – soweit es sich nicht ohnehin um rechtliche Wertungen handelt – keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt, muss darauf nicht weiter eingegangen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).
[52] 7. Im Ergebnis ist der Abschluss des „Resettable CHF Linked Swap 4175“ durch den Finanzdirektor der Klägerin nicht wirksam zustande gekommen, weil entgegen § 78 Abs 1 Z 2 StL 1992 keine aufsichtsbehördliche Genehmigung der Oberösterreichischen Landesregierung eingeholt wurde.
[53] 8. Der Revision der Beklagten ist daher nicht Folge zu geben.
[54] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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