VwGH Ra 2017/09/0001

VwGHRa 2017/09/000120.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des Mag. X Y in Z, vertreten durch Shamiyeh & Reiser Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Am Schillerpark, Rainerstraße 6‑8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 19. Oktober 2016, LVwG‑900000/99/SE, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Oberösterreichischen Statutargemeinden‑Beamtengesetz (Oö. StGBG 2002) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission der Landeshauptstadt Linz; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §983
DaKRÄG 2010
GO Magistrat Linz 1999 §8 Abs3 Z3
Statut Linz 1992 idF 2012/001
Statut Linz 1992 §46
Statut Linz 1992 §46 Abs1 Z9
Statut Linz 1992 §58
Statut Linz 1992 §78 Abs1 Z2
StGdBG OÖ 1956 §35 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017090001.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Spruchpunkt I. ‑ soweit es den Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses betrifft ‑ sowie im Spruchpunkt III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Linz hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 2016, Ro 2015/09/0014, Ro 2016/09/0004, verwiesen.

2 Mit diesem Erkenntnis wurde das sowohl von der Dienstbehörde als auch vom nunmehrigen Revisionswerber in Revision gezogene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 6. August 2015 in folgenden Spruchpunkten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben:

„I. Der (Revisionswerber) wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des Swap Geschäft 4175 folgender Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt

2. die Einholung der Gemeinderats‑Zustimmung (Beginn der Unterlassung am 21. Jänner 2007) gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 iVm § 8 Abs. 3 Z 3 GEOM unterlassen zu haben.

...

II. Der (Revisionswerber) wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des SWAP 4175 von den erhobenen Vorwürfen, Dienstpflichtverletzungen durch

1. das Unterlassen der Dokumentationspflicht gem. § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 iVm § 19 Abs. 1 GEOM, freigesprochen.

...

III. Über den (Revisionswerber) wird gemäß §§ 102 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 und 103 Oö. StGBG 2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 Euro verhängt, davon werden 2.500 Euro gem. § 124 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 auf 3 Jahre bedingt nachgesehen.

IV. Der (Revisionswerber) hat gemäß §§ 123 Abs. 2 und 128 Abs. 2, zweiter Satz, erster Halbsatz Oö. StGBG 2002 die mit dem Verfahrensaufwand verbundenen Kosten des Disziplinarverfahrens in der Höhe von 1.000 Euro zu ersetzen.“

3 Im Übrigen wurden die Revisionen abgewiesen.

Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass der Schuldspruch zu den in Spruchpunkt I.1 des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts vom 6. August 2015 inkriminierten Informationspflichtverletzungen in Rechtskraft erwachsen ist.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 19. Oktober 2016 gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde teilweise statt, sodass der Spruch lautete:

„I. Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ‑ VwGVG wird der Beschwerde teilweise stattgegeben. Die Spruchpunkte I.2., II.1. und III. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses lauten nunmehr wie folgt:

‚I. Der [Revisionswerber] wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des Swap‑Geschäfts 4175 folgender Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt

2. die Einholung der Zustimmung des Gemeinderats (Beginn der Unterlassung am 31. Jänner 2007) gemäß § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Z 3 GEOM

unterlassen zu haben.

II. Der [Revisionswerber] wird im Zusammenhang mit dem Abschluss des Swap‑Geschäfts 4175 von den erhobenen Vorwürfen, Dienstpflichtverletzungen durch

1. das Unterlassen der Dokumentationspflicht gemäß § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 GEOM

begangen zu haben, freigesprochen.

III. Über den [Revisionswerber] wird gemäß §§ 134, 135 Abs. 1 Z 3 und 103 Oö. StGBG 2002 eine Geldstrafe von € 4.500,‑ ‑ verhängt, davon werden € 2.000,‑ ‑ gemäß § 124 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 auf drei Jahre bedingt nachgesehen.

Der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses wird ersatzlos behoben.“

5 Abschließend erklärte das Landesverwaltungsgericht die ordentliche Revision für unzulässig.

6 In seiner Begründung führte das Landesverwaltungsgericht ‑ soweit für den Revisionsfall von Bedeutung ‑ hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung durch Unterlassen der Einholung eines Gemeinderatsbeschlusses zusammengefasst aus, dass unbestritten geblieben sei, dass für den Abschluss des Swap‑Geschäfts 4175 ein Gemeinderatsbeschluss der Landeshauptstadt Linz vom 3. Juni 2004 nicht ausreichend gewesen sei und deshalb die Angelegenheit dem Gemeinderat neuerlich gemäß § 46 Abs. 1 Z 9 und auch gemäß § 46 Abs. 1 Z 12 Oö. StL 1992 vorzulegen gewesen wäre.

Dem Revisionswerber sei 2007 auch bewusst gewesen, dass sich aus dem Swap‑Geschäft 4175 zumindest phasenweise Zahlungsverpflichtungen der Stadt Linz ergeben würden und die dem Swap 4175 zugrunde gelegte Formel rechnerisch und objektiv betrachtet mit einem nach oben hin unbegrenzten Währungsrisiko verbunden gewesen sei. Eine neuerliche Beschlussfassung des Gemeinderats der Landeshauptstadt Linz sei daher angesichts der mit dem Swap‑Geschäft 4175 verbundenen finanziellen Tragweite jedenfalls indiziert. Nach § 46 Abs. 1 Z 12 Oö. StL 1992 bestehe eine Zuständigkeit des Gemeinderats beim Abschluss und der Auflösung sonstiger Verträge, wenn das darin festgesetzte einmalige Entgelt € 100.000,‑ ‑ oder das jährliche Entgelt € 50.000,‑ ‑ übersteige. Die Beschlussfassung des Gemeinderats am 3. Juni 2004 gründe sich ausschließlich auf § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992. Das Faktum, dass zusätzlich Zahlungsverpflichtungen für die Stadt Linz entstehen könnten, sowie das nach oben hin unbegrenzte Währungsrisiko sei hier nicht berücksichtigt worden. Das habe der Revisionswerber wissen müssen, weil er der Verfasser des diesbezüglichen Amtsberichts gewesen sei. Von ihm als Leiter der Finanz‑ und Vermögensverwaltung der drittgrößten Stadt Österreichs könne vorausgesetzt werden und sei es ihm somit zumutbar, dass er ‑ auch wenn er kein Jurist sei ‑ über die in seinen Aufgabenbereich fallenden Zuständigkeitsbestimmungen des Gemeinderats, zu denen jedenfalls § 46 Abs. 1 Z 9 und 12 Oö. StL 1992 gehörten, Kenntnis habe. Ferner sei dem Revisionswerber eine rechtsbetreuende Dienststelle, das Finanzrechts‑ und Steueramt für die Klärung von Rechtsfragen zur Verfügung gestanden, die er jedoch nicht befasst habe. Bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Prüfung wäre man zu dem Schluss gekommen, dass das Swap‑Geschäft 4175 über den durch Beschluss vom 3. Juni 2004 genehmigten Umfang hinausgehe und eine neuerliche Befassung des Gemeinderats der Landeshauptstadt Linz erforderlich sei.

7 Bezüglich der Strafzumessung führte das Landesverwaltungsgericht ausgehend von der durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. April 2016 bestätigten Dienstpflichtverletzung der Unterlassung von Informationspflichten aus, dass der Revisionswerber durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen habe. Die durch die Unterlassung der Einholung der Gemeinderatszustimmung begangene Dienstpflichtverletzung wiege im Vergleich zur pflichtwidrigen Unterlassung der Informationspflicht deshalb schwerer, weil dadurch ein Finanzgeschäft in nicht unbeträchtlicher Höhe konsenslos durchgeführt worden sei und dadurch auch konsenslos Dritten gegenüber Pflichten eingegangen worden seien.

8 Gegen den schuld‑ und strafaussprechenden Teil dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Revision. Die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die außerordentliche Revision als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 26. April 2016 im Zusammenhang mit der Pflicht zur Einholung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung ausgesprochen, dass das Wort „Darlehen“ im Sinn der Legaldefinitionnach § 983 ABGB nicht dahingehend ausgelegt werden könnte, dass davon Zinsswaps (wie der verfahrensgegenständliche SWAP 4175) erfasst wären. Die Bestimmung des § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL 1992 habe der Verwaltungsgerichtshof dahingehend ausgelegt, dass der Revisionswerber keine zumutbaren Zweifel daran hegen musste, dass ein derartiges Geschäft nicht als „Darlehen“ oder „Darlehensvertrag“ anzusehen sei. Die Einholung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung sei daher nicht indiziert gewesen.Die Voraussetzungen für die Einholung einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung gemäß § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL 1992 und der Zustimmung des Gemeinderates gemäß § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992 seien ihrem Inhalt nach ähnlich, weil sie beide auf den Darlehensbegriff abstellten. Dennoch sei das Landesverwaltungsgerichtin Zusammenhang mit dem Vorwurf der Unterlassung der Einholung der Zustimmung des Gemeinderates von dieser Rechtsprechung abgewichen, wenn es eine Pflicht zur Einholung eines Gemeinderatbeschlusses annehme.

12 Schon mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision zulässig und berechtigt.

13 Die im Revisionsfall anzuwendenden Bestimmungen lauten (auszugsweise) wie folgt:

14 § 46 des Statuts für die Landeshauptstadt Linz 1992, LGBl. Nr. 7, idF LGBl. Nr. 1/2005 lautet:

„Zuständigkeit des Gemeinderates

(1) Dem Gemeinderat sind außer den ihm in diesem Gesetz und in anderen gesetzlichen Vorschriften zugewiesenen Aufgaben folgende Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches vorbehalten:

...

9. die Aufnahme und Gewährung von Darlehen oder die Leistung von Bürgschaften, wenn das Darlehen oder die Bürgschaft den Betrag von 100.000 Euro übersteigt;

...

12. der Abschluss und die Auflösung sonstiger Verträge, wenn das darin festgesetzte einmalige Entgelt 100.000 Euro oder das jährliche Entgelt 50.000 Euro übersteigt;

...“

15 § 78 Oö. StL 1992 idF LGBl. Nr. 1/2005 lautet:

„Genehmigungspflicht

(1) Maßnahmen der Stadt, die der Genehmigung der Landesregierung bedürfen, sind außer den in sonstigen gesetzlichen Vorschriften vorgesehenen Fällen folgende:

...

2. der Abschluss von Darlehensverträgen, wenn durch die Aufnahme des Darlehens der jährliche Gesamtschuldendienst der Stadt 15% der Einnahmen des ordentlichen Voranschlages des laufenden Rechnungsjahres übersteigen würde;

3. die Übernahme von Bürgschaften oder sonstigen Haftungen durch die Stadt, wenn dadurch der Gesamtstand der von der Stadt übernommenen Haftungen 30% der Einnahmen des ordentlichen Voranschlages des laufenden Rechnungsjahres übersteigen würde.

...“

16 § 35 des Landesgesetzes über das Dienstrecht der Beamten und Beamtinnen der Städte mit eigenem Statut (Oö. Statutargemeinden‑Bedienstetengesetzes 2002 Oö. StGBG 2002) LGBl. Nr. 50, idF LGBl. Nr. 2/2011 lautet:

„Allgemeine Dienstpflichten

(1) Der Beamte (Die Beamtin) ist verpflichtet, seine (ihre) dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung und der innerdienstlichen Regelungen treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Er (Sie) hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

...“

§ 8 Abs. 3 Z 3 GEOM (Geschäftsordnung für den Magistrat der Landeshauptstadt Linz) lautete im Zeitraum der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen:

„Den Gruppenleitern obliegen außer den ihnen in dieser GEOM und in anderen Vorschriften zugewiesenen Aufgaben auch:

...

3. die Herbeiführung von grundsätzlichen, aber ausstehenden Entscheidungen und Weisungen der Kollegialorgane, des Bürgermeisters, einzelner Mitglieder des Stadtsenates oder des Magistratsdirektors und

...“

17 In die Zuständigkeit des Gemeinderates fällt gemäß § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992 unter anderem die Aufnahme und Gewährung von Darlehen. In einem solchen Fall wäre ein Gruppenleiter, wie auch der Revisionswerber, gehalten, ausgehend von § 8 Abs. 3 Z 3 GEOM iVm § 35 Abs. 1 Oö. StGBG 2002 die Zustimmung des Gemeinderates herbeizuführen.

18 Bei der Beurteilung, ob der hier in Rede stehende Zinsswap 4175 ein Darlehen iS des § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992 ist, verweist die Revision zutreffend auf das Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 2016, in dem der Verwaltungsgerichtshof zu § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL 1992 (Genehmigungspflicht der Landesregierung) Stellung genommen und den dort enthaltenen Begriff „Darlehen“ im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Zinsswap‑Geschäft 4175 ausgelegt hat.

19 Er führte dazu folgendes aus:

„Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. September 1979, 255/79, und vom 24. November 2006, 2006/02/0235) erkennt, ist nach dem Auslegungsprinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssprache im Allgemeinen davon auszugehen, dass in der Rechtssprache geprägte Begriffe die gleiche Bedeutung haben. Der Zweitrevisionswerber zeigt nicht auf, dass im StL 1992 vor der Nov LGBl Nr 1/2012 den Begriffen Darlehen und Darlehensvertrag etwa auf Grund einer Legaldefinition eine andere Bedeutung zuzumessen gewesen sei als nach der seit Jahrzehnten in § 983 ABGB verankerten Definition. Der Hinweis darauf, dass bis zum Inkrafttreten des Darlehens- und Kreditrechtsänderungsgesetzes (DaKRÄG), BGBl. I 2010/28, nur Realkontrakte erfasst waren, ist nicht ausreichend, um aufzuzeigen, dass es einem Normunterworfenen zumutbar gewesen wäre, die im StL 1992 vor der Nov LGBl Nr 1/2012 ausdrücklich genannten Begriffe Darlehen und Darlehensverträge mangels jeglichen Hinweises, dass damit auch Zinsswaps wie der SWAP 4175 gemeint sein könnten, anders zu verstehen als nach § 983 ABGB.

§ 983 definierte unter der Überschrift ‚Darleihen‘ seit dem Inkrafttreten am 1. Jänner 1812 bis zur Novelle BGBl. I Nr. 28/2010 wie folgt:

‚Wenn jemanden verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit eben so viel von derselben Gattung und Güte zurück geben soll; so entsteht ein Darleihensvertrag. ...‘

Nur um aufzuzeigen, dass auch die neue Fassung des § 983 ABGB, gültig seit 11. Juni 2010, keine inhaltlichen Änderungen gebracht hat, sei diese erwähnt:

‚Im Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer vertretbare Sachen mit der Bestimmung zu übergeben, dass der Darlehensnehmer über die Sachen nach seinem Belieben verfügen kann. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dem Darlehensgeber spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugeben.‘

Hingegen ist unter einem Zinsswap (wie hier dem SWAP 4175) ein Zinsderivat zu verstehen, bei dem zwei Vertragspartner vereinbaren, zu bestimmten zukünftigen Zeitpunkten Zinszahlungen auf festgelegte Nennbeträge auszutauschen. Der gegenständliche Zinsswap wurde (siehe S. 11 des angefochtenen Erkenntnisses) zur Absicherung gegen steigende Zinsen geschlossen.

Selbst wenn man ‑ über die Definition des § 983 ABGB hinausgehend ‑ unter dem Begriff des ‚Darlehens‘ iSd vorgenannten Bestimmungen vom Regelungszweck der Überwachung der Verschuldung her auch Kreditaufnahmen oder gleichzuhaltende Geschäfte verstehen wollte, so wären diese von Maßnahmen zur Verringerung damit einhergehender Risiken (hier des Risikos steigender Zinsen) grundsätzlich zu unterscheiden.

Derartige Finanzgeschäfte sind erst durch die Oö Gemeinderechtsnovelle 2012 (LGBl. Nr. 1/2012) ausdrücklich erfasst.

Es ist dem Landesverwaltungsgericht zu folgen, dass der Zweitrevisionswerber zum Zeitpunkt des Abschlusses des SWAP 4175 keine zumutbaren Zweifel (anders als im Hinblick auf die Normen zur Informationspflicht, siehe oben) daran hegen musste, dass ein derartiges Geschäft nicht als ‚Darlehen‘ oder ‚Darlehensvertrag‘ anzusehen war.“

20 Nichts anderes gilt auch für den in § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992 enthaltenen Darlehensbegriff. Schon im Hinblick auf die gleichen Wortfolgen wie in § 78 Abs. 1 Z 2 Oö. StL 1992 besteht kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Sichtweise bei der Beurteilung, ob ein Zinsswap als Darlehen anzusehen ist.

21 Zu den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber sei bewusst gewesen, dass für den Abschluss von „marktüblichen Finanztermingeschäften und Finanzterminkontrakten“ zur Optimierung des Fremdfinanzierungsportfolios die Zustimmung des Gemeinderates gemäß § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992 einzuholen sei bzw. beim Revisionswerber hätten Bedenken aufkommen müssen, ob der Gemeinderatsbeschluss vom 3. Juni 2004 noch als Grundlage für den Abschluss des Swap‑Geschäftes 4175 herangezogen werden könne, ist festzuhalten, dass es bei der Subsumtion des gegenständlichen Finanzgeschäftes unter § 46 Abs. 1 Z 9 Oö. StL 1992 darauf nicht ankommt. Ausgehend von der taxativen Aufzählung in § 46 leg. cit. hätte sich das Landesverwaltungsgericht mit den dort normierten Tatbestandserfordernissen beschäftigen müssen, die eine Zustimmung des Gemeinderates vorsehen, wie im Fall der Z 9, ob fallbezogen mit dem Abschluss eines Zinsswap tatsächlich ein Darlehen aufgenommen wurde. Hinzu kommt, dass auch hier erst durch die Oö Gemeinderechtsnovelle 2012 (LGBl. Nr. 1/2012) derartige Finanzgeschäfte ausdrücklich erfasst sind.

22 Auch auf die Z 9 leg. cit. ließ sich ein Schuldspruch daher nicht gründen.

23 Aber auch die vom Landesverwaltungsgericht herangezogene Z 12 des § 46 Abs. 1 Oö. StL 1992 stellt auf Basis der bisherigen Erwägungen im angefochtenen Erkenntnis keine taugliche Grundlage für einen Schuldspruch dar.

24 Das Landesverwaltungsgericht hat die gebotene Auseinandersetzung mit den dort normierten Tatbestandselementen zur Gänze unterlassen. Es hat auch keine Feststellungen getroffen, ob der Zinsswap überhaupt ein solcher Vertrag ist, der ein festgesetztes Entgelt von € 100.000 oder einen das jährliche Entgelt übersteigenden Betrag von € 50.000 beinhaltet.

25 Aus all diesen Gründen erweist sich das angefochtene Erkenntnis in seinem Spruchpunkt I. ‑ soweit es den Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses betrifft ‑ als inhaltlich rechtswidrig und war dieser Spruchpunkt und demzufolge auch der Ausspruch über die Strafe wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. September 2018

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