European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00017.21D.0913.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Entscheidungen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort bei sonstiger Exekution das Abstellen des Fahrzeuges der Marke BMW 3er‑Serie schwarz, Kennzeichen ***** innerhalb der zugunsten des klägerischen Grundstücks 609/2 in EZ ***** auf den Grundstücken 596 und 609/1 in EZ ***** je KG ***** bestehenden Dienstbarkeitsfläche oder mit einem Fahrzeugteil in die Dienstbarkeitsfläche einragend, sowie jede ähnliche Störung der Ausübung der Dienstbarkeit des Fahrens über die dienenden Grundstücke 596 und 609/1 KG ***** zu unterlassen, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.034,37 EUR (darin 339,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.631,49 EUR (darin 167,23 EUR USt und 628,10 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.475,42 EUR (darin 114,82 EUR USt und 786,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist aufgrund eines Übergabsvertrags vom 14. 8. 2015 Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus den Grundstücken 602 und 609/2. Die Zweitbeklagte ist Miteigentümerin (mit Wohnungseigentum) der Liegenschaft EZ *****, GB *****, bestehend aus den Grundstücken 596, 597 und 609/1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das aus dem Spruch ersichtliche Unterlassungsbegehren und insbesondere die Frage, ob die Beklagten durch das Abstellen des vom Erstbeklagten gehaltenen Fahrzeugs auf dem markierten und von ihnen benutzten Parkplatz die dem Kläger eingeräumte Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens beeinträchtigen, oder ob insofern Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB eingetreten ist.
[2] Die Miteigentümer der Grundstücke 596 und 609/1 haben für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum dieser Grundstücke den Rechtsvorgängern des Klägers und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des Grundstücks 609/2 mit Dienstbarkeitsvertrag vom 3. 4. 1989 das immerwährende, unbeschränkte und unentgeltliche Recht des Geh‑ und Fahrwegs über die in einem in den Vertrag integrierten Teilungsplan ersichtlich gemachte Teilfläche der Grundstücke 596 und 609/1 eingeräumt. Gemäß Punkt III des Dienstbarkeitsvertrags obliegt die Errichtung und künftige Erhaltung dieses Geh‑ und Fahrwegs den Eigentümern der belasteten Liegenschaften.
[3] Die Einräumung dieser Wegdienstbarkeit erfolgte im Zusammenhang mit der damals erfolgten Errichtung einer Wohnanlage samt Verlegung des vormaligen öffentlichen Wegs, von dem die Zufahrt zum nunmehrigen Grundstück des Klägers 609/2 abzweigte. Der öffentliche Weg („Feldweg“) wurde nach Norden verlegt. Von diesem Weg aus führt die (neue) Zufahrt in einem Winkel von rund 90 % über die asphaltierte Parkfläche zwischen den zur Wohnanlage gehörenden Gebäuden D***** und F***** (Grundstücke 596 und 609/1) zum nunmehrigen Grundstück des Klägers. Die asphaltierte Parkfläche stellt eine „Allgemeinfläche“ der Wohnungseigentümergemeinschaft dar. Sie wurde in rund 20 Parkplätze aufgeteilt und einzelnen Wohnungseigentümern zur Nutzung zugewiesen. Der der Zweitbeklagten zugehörige, markierte und mit C/4 bezeichnete Parkplatz ist der zweite Parkplatz südlich des „Feldwegs“ und liegt im östlichen Bereich der Parkfläche. Der erste unmittelbar südlich des Feldwegs im östlichen Bereich der Parkfläche liegende Parkplatz C/3 wird durch einen Hydranten zusätzlich verkürzt und vom betreffenden Wohnungseigentümer seit einiger Zeit nicht mehr benützt.
[4] Die Situation stellt sich wie folgt dar (Beil ./H, der Verlauf der Dienstbarkeitstrasse ist in rot hervorgehoben; im Norden [] verläuft der „Feldweg“, die Zufahrt zum Grundstück des Klägers setzt sich am Ende der farblich hervorgehobenen Fläche im Wesentlichen in Richtung Osten fort):
[5] In der Natur war bis zur Vermessung 2018 die Umgrenzung der Dienstbarkeitstrasse auf der durchgehend asphaltierten Parkfläche nicht ersichtlich. Die Parkplätze waren lediglich gegeneinander durch weiße Markierungsstriche abgegrenzt, nicht aber gegenüber der Dienstbarkeitstrasse. Die Wohnungseigentümer haben beim Parken auf den zugewiesenen Parkplätzen nicht immer die Dienstbarkeitsfläche frei gehalten und oft so geparkt, dass ihre geparkten Fahrzeuge teilweise in die Dienstbarkeitsfläche ragten. Dennoch war die Dienstbarkeitsfläche breit genug, um mit einem Pkw befahren zu werden. Mit langen Fahrzeuggespannen (vor allem Traktor mit verschiedenen Arten von Anhängern) musste beim rechtwinkligen Abzweigen vom „Feldweg“ auf die Parkfläche vorsichtig gefahren werden, wenn im nördlichen Bereich der Parkfläche (östlich und/oder westlich der Dienstbarkeitstrasse) Fahrzeuge abgestellt waren und die hinteren Räder des Fahrzeuggespanns eine engere „Schleppkurve“ als die vordersten Räder einhielten. In solchen Fällen holte der Fahrzeuglenker auf dem „Feldweg“ nach links aus und vergrößerte auf diese Weise den Kurvenradius. Es kam auch vor, dass der betreffende Fahrzeuglenker nicht „in einem Zug“ vom „Feldweg“ auf die Parkfläche fuhr, sondern vor‑, zurück- und wieder vorfuhr. Im Jahr 2018 fiel dem Vater des Klägers – dem vormaligen Grundstückseigentümer – auf, dass man mit einem Fahrzeuggespann eines Unternehmens nicht rückwärtsfahrend zum Grundstück des Klägers gelangen konnte. Im September 2018 ließ der Kläger die Dienstbarkeitstrasse von einem Vermessungsbüro nach dem Teilungsplan im Dienstbarkeitsvertrag vermessen und den oben abgebildeten Lageplan anfertigen. Insbesondere den Einmündungstrichter zum „Feldweg“ ließ der Kläger durch Vermessungszeichen mit oranger Farbe markieren.
[6] Die Zweitbeklagte und ihr Ehemann, der Erstbeklagte, nutzen seit rund zehn Jahren regelmäßig und mehr oder weniger täglich den vom „Feldweg“ aus – in Richtung Süden gesehen – zweiten Platz auf der östlichen Hälfte der Parkfläche, wobei die jeweils dem Erstbeklagten gehörenden Pkw, und zwar früher ein VW Golf Kombi und aktuell ein BMW, so lang waren, dass sie selbst bei einem Anstehen am Gebäude östlich der Parkfläche mit dem Heck rund 30 cm in die Dienstbarkeitsfläche hineinragten und die Durchfahrtsbreite auf der Dienstbarkeitsfläche schmälerten. Wenn es gelegentlich vorkam, dass der Pkw des Erstbeklagten weiter nördlich und dabei teilweise auf dem ersten Parkplatz südlich des „Feldwegs“ geparkt wurde, sowie immer dann, wenn der Pkw beim Parken nicht ganz an das Gebäude herangefahren wurde (also praktisch fast immer), ragte das Fahrzeugheck im Bereich des dortigen Einmündungstrichters der Dienstbarkeitstrasse zum Feldweg hin mehr als 30 cm weit in die Dienstbarkeitsfläche.
[7] Der Kläger kaufte, nachdem er im Jahr 2015 Eigentümer des Grundstücks 609/2 geworden war, im Jahr 2017 zur Bewirtschaftung einen schweren Anhänger und stellte über den Winter auf dem Grundstück einen Wohnwagen ab. Die einzige Möglichkeit, mit diesen Anhängern vom öffentlichen Verkehrsnetz auf das Grundstück des Klägers zu gelangen, führt über die gegenständliche Dienstbarkeitstrasse. Wenn dort Fahrzeuge ungünstig geparkt waren, kam der Kläger – insbesondere beim rechtwinkligen Abzweigen vom „Feldweg“ – in die Dienstbarkeitstrasse in fahrtechnische Schwierigkeiten und musste gelegentlich schon auf dem „Feldweg“ reversieren, um rechtwinklig in die Fahrgasse abbiegen zu können. Ab dem Jahr 2018 beschwerte sich der Kläger gegenüber der Eigentümergemeinschaft betreffend die Parkfläche. Es kann nicht festgestellt werden, ob den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks des Klägers vor dem Jahr 2018 bekannt war, dass Fahrzeuge von Wohnungseigentümern, insbesondere das jeweils auf dem Parkplatz C/4 geparkte Fahrzeug des Erstbeklagten, mindestens 30 cm weit in die Dienstbarkeitsfläche laut Teilungsplan ragte.
[8] Der Kläger begehrt von den Beklagten die aus dem Spruch ersichtliche Unterlassung der Störung der Dienstbarkeit. Die Beklagten hätten diese durch wiederholtes Abstellen des Autos gestört. Das geparkte Auto rage 0,5–1 m über die Grenze hinweg in die Dienstbarkeitsfläche hinein. Der Kläger habe die Störung seiner Dienstbarkeit erst 2018 wahrnehmen können. Der Kläger habe keine andere Zufahrtsmöglichkeit zu seiner Liegenschaft.
[9] Die Beklagten wandten – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – dagegen ein, dass ihr Pkw regelmäßig seit 2010 an dem ihnen zugewiesenen Parkplatz abgestellt werde, sodass eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB eingetreten sei.
[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Seit zehn Jahren stellten die Beklagten ihr Fahrzeug auf dem ihnen zugewiesenen Parkplatz ab, behinderten aber nicht die grundsätzliche Zufahrtsmöglichkeit des Klägers. Dem Kläger sei die Verletzung der Dienstbarkeit erst 2018 bewusst geworden, erst zu diesem Zeitpunkt habe er die Dienstbarkeitsfläche vermessen lassen. Dass er dies nicht früher getan habe, sei ihm nicht als Verletzung der Sorgfaltspflicht vorzuwerfen. Der Fristenlauf des § 1488 ABGB beginne daher erst 2018, sodass eine Freiheitsersitzung nicht eingetreten sei.
[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Auf die tatsächliche subjektive Kenntnis des Klägers über die Beeinträchtigung der Dienstbarkeit komme es nicht an. Maßgeblich sei das objektive Kennenmüssen dieser Beeinträchtigung bei Anwendung gehöriger Sorgfalt. Im Dienstbarkeitsvertrag sei ein uneingeschränktes Geh‑ und Fahrrecht für eine genau im Plan festgehaltene Fläche eingeräumt worden, sogar ein „Einmündungstrichter“ sei, vom Feldweg her gesehen, festgehalten worden. Einem verständigen Wegbenützer hätte, auch wenn er die eingeräumte Trasse nur mit einem einfachen Pkw befahren habe, auffallen müssen, dass ein Befahren dieser Trasse mit breiteren oder längeren Fahrzeugen (beispielsweise Traktoren) mit Anhängern nicht ohne weiteres möglich sei. Dem Kläger bzw seinen Rechtsvorgängern hätte die Beeinträchtigung der Dienstbarkeit durch das Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten bei gebotener Sorgfalt daher sehr wohl früher auffallen müssen. Allerdings machten die Beklagten ihr Recht auf Freiheitsersitzung nicht aus ihrer Stellung als Miteigentümer der dienenden Liegenschaft oder aus dem Sachbesitz am Parkplatz geltend, sondern lediglich aus einem obligatorischen Benützungsrecht an einer Allgemeinfläche der Eigentümergemeinschaft. Sie übten das Parken daher nicht als Besitzmittler für die Eigentümergemeinschaft aus und könnten daher – wie ein dritter Dienstbarkeitsberechtigter – nur den Nichtgebrauch der Dienstbarkeit durch dreißig Jahre hindurch, nicht aber Freiheitsersitzung geltend machen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob einzelne Mit‑ oder Wohnungseigentümer in Bezug auf an Allgemeinflächen bestehende Dienstbarkeiten Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB geltend machen könnten.
Rechtliche Beurteilung
[12] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstreben. Die Revision ist zulässig und berechtigt.
[13] 1. Voranzustellen ist, dass die Revisionswerber bereits im Verfahren erster Instanz schikanöse Rechtsausübung durch den Kläger geltend gemacht haben. Sie haben die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass eine solche hier nicht vorliege, in der Berufung nicht bekämpft. Auf diesen gesondert zu beurteilenden Aspekt, den sie nunmehr in der Revision neuerlich geltend machen, ist daher nicht mehr einzugehen (RS0043338 [T11]).
[14] 2.1 Die Revisionswerber machen geltend, dass die Zweitbeklagte Miteigentümerin der dienenden Liegenschaft sei. Sie nutze den Parkplatz gemeinsam mit dem Erstbeklagten als Miteigentümerin und aus dieser Eigenschaft. Der Kreis der „Verpflichteten“ gemäß § 1488 ABGB umfasse auch Rechtsbesitzer, zu denen die Zweitbeklagte zähle. Sie gehöre dem Kreis der Personen an, die die Dienstbarkeit des Klägers zu achten hätten, was für die Geltendmachung des Rechts auf Freiheitsersitzung gemäß § 1488 ABGB genügen müsse.
[15] 2.2 Dienstbarkeiten verjähren durch bloßen Nichtgebrauch gewöhnlich in 30 Jahren (§ 1479 ABGB). § 1488 ABGB verkürzt diesen Zeitraum auf drei aufeinander folgende Jahre, wenn sich der Verpflichtete über diese gesamte Zeit der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte sein Recht, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, nicht geltend macht („Freiheitsersitzung“, Dehn in KBB6 § 1488 Rz 1). Dabei handelt es sich um einen Fall der Verjährung (RS0034333; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1488 Rz 1).
[16] 2.3 Als Verpflichteter kommt neben dem Eigentümer auch der Besitzer des belasteten Grundstücks in Frage (RS0011512). Hingegen kann die von einem Dritten – etwa von einem anderen Dienstbarkeitsberechtigten – ausgehende Beeinträchtigung die Verjährung gemäß § 1488 ABGB nicht in Gang setzen (RS0034288; RS0034264). Auch wer sein Recht prekaristisch vom Eigentümer eingeräumt erhalten hat, kann Verpflichteter im Sinn des § 1488 ABGB sein (4 Ob 213/04h). Verpflichteter ist beispielsweise der Pächter eines Standplatzes für Bojen (stationäre Schiffsanker) in einem See, dem vom Eigentümer des Sees das Setzen der Boje und deren Nutzung gestattet wurde (1 Ob 15, 16/94; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek,ABGB VI4 § 1488 ABGB Rz 3).
[17] 2.4 „Verpflichteter Teil“ im Sinn des § 1488 ABGB ist jedenfalls, wer zur Duldung der Dienstbarkeit verpflichtet ist (vgl RS0034309; 1 Ob 2188/96p). Die Zweitbeklagte ist – worauf der Kläger selbst hinweist – als Miteigentümerin der dienenden Grundstücke zur Duldung der dem Kläger im Dienstbarkeitsvertrag eingeräumten Dienstbarkeit verpflichtet. Die Zweitbeklagte ist als Wohnungseigentümerin auch Miteigentümerin (und Mitbesitzerin) der gesamten Liegenschaft (RS0081766 [T1]; Holzner in Rummel/Lukas ABGB4 § 311 Rz 5 mH auf 2 Ob 155/08w). Ihr wurde der Parkplatz C/4 zur alleinigen Nutzung überlassen. Die Zweitbeklagte wäre als Miteigentümerin auch zur Abwehr von Eingriffen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft berechtigt (5 Ob 144/16m; RS0117352 [T4]). Ausgehend davon kann die Zweitbeklagte hier als „verpflichteter Teil“ im Sinn des § 1488 ABGB angesehen werden. Der Erstbeklagte benützt den Parkplatz C/4 nicht als bloßer Dritter, sondern leitet sein Recht dazu aus dem der Zweitbeklagten zustehenden Recht ab. Die Beklagten können sich daher im konkreten Fall auf eine eingetretene „Freiheitsersitzung“ gemäß § 1488 ABGB berufen.
[18] 3.1 Voraussetzung für den Eintritt der Freiheitsersitzung ist ein fortlaufendes „Widersetzen“ des Verpflichteten gegen die Ausübung der Dienstbarkeit. Dazu ist es erforderlich, dass der Verpflichtete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich macht oder beeinträchtigt (4 Ob 177/19m; RS0034241). Dabei genügt es für den Beginn des Laufs der Frist nach § 1488 ABGB, dass der Dienstbarkeitsberechtigte ein vom Verpflichteten geschaffenes Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit zumindest beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt wahrnehmen hätte können (RS0034271 [T11]). Eine auf Sorglosigkeit beruhende Unkenntnis des Berechtigten von der Errichtung eines der Ausübung der Dienstbarkeit entgegenstehenden Hindernisses hindert den Fristenlauf daher nicht (vgl 1 Ob 166/19x mwN). Die Freiheitsersitzung kann auch zur Einschränkung der Dienstbarkeit, etwa in Bezug auf die räumliche Ausdehnung führen (RS0034281; Vollmaier in Klang 3 § 1488 Rz 18).
[19] 3.2 Nach den Feststellungen parken die Beklagten ihre Fahrzeuge seit rund zehn Jahren auf dem ihnen zugewiesenen Parkplatz nicht nur fallweise, sondern nahezu täglich derart, dass das Fahrzeugende zumindest 30 cm, in der Regel aber etwa 60 cm – nach dem Vorbringen des Klägers sogar 50 cm bis 1 m – in die Dienstbarkeitsfläche hineinragt. Der Parkplatz der Beklagten liegt darüber hinaus im „Einmündungstrichter“ des Dienstbarkeitswegs, der gerade beim (etwa rechtwinkeligen) Abbiegen aus dem „Feldweg“ mit längeren oder breiteren Fahrzeugen sowie mit Anhängern wegen der sogenannten „Schleppkurve“ benötigt wird. Festgestellt ist, dass Schwierigkeiten beim Abbiegen aus dem „Feldweg“ in den Dienstbarkeitsweg mit „langen Fahrzeuggespannen“ bereits in der Vergangenheit bestanden, weil dazu ein (mehrfaches) Vor‑ und Zurückfahren erforderlich war. Zutreffend ist das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund von einem „Widersetzen“ der Beklagten im Sinn des § 1488 ABGB ausgegangen. Für den Kläger und seine Rechtsvorgänger wiederum war nach den Feststellungen bei gewöhnlicher Sorgfalt erkennbar, dass das Parken der Beklagten auf dem von ihnen benützten Parkplatz im Bereich des „Einmündungstrichters“ die Verwendung des Dienstbarkeitswegs beeinträchtigt. Dafür kommt es nicht darauf an, dass die Umgrenzung der Dienstbarkeitstrasse in der Natur bis zur Vermessung im Jahr 2018 nicht erkennbar war. Von einer solchen „Erkennbarkeit“ ist das Berufungsgericht entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung auch nicht ausgegangen, sodass der Vorwurf, es sei unzulässig vom festgestellten Sachverhalt abgewichen, nicht zutrifft.
[20] 3.3 Die objektive Erkennbarkeit der Beeinträchtigung der Dienstbarkeit des Klägers ergibt sich im konkreten Fall auch aus der festgestellten historischen Entwicklung: Die Verlegung des ursprünglichen Zufahrtswegs nach Norden machte ein etwa rechtwinkeliges Einbiegen über den neuen Dienstbarkeitsweg erforderlich. Dies war den Vertragsparteien des Dienstbarkeitsvertrags bewusst, ist doch der Dienstbarkeitsweg dort exakt planmäßig dargestellt, und zwar mitsamt dem für das Einbiegen vom „Feldweg“ beim Abbiegen mit „längeren Fahrzeuggespannen“ erforderlichen „Einmündungstrichter“. Im Zusammenhalt mit den festgestellten tatsächlichen Gegebenheiten wäre für den Kläger (und seine Rechtsvorgänger) selbst ohne vermessungstechnische (neuerliche) Überprüfung durch einen Blick in den dem Vertrag zugrundeliegenden Plan die Beeinträchtigung seiner Dienstbarkeit im Fall des Abbiegens mit „längeren Fahrzeuggespannen“ aus dem „Feldweg“ objektiv erkennbar gewesen. In der Revisionsbeantwortung fordert der Kläger – ohne weitere Begründung –, dass die neben der Dienstbarkeit vertraglich vereinbarte Reallast der Errichtung und Erhaltung der Dienstbarkeitsfläche zu berücksichtigen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch Reallasten verjähren können, was nach den Grundsätzen der Verjährung von Dienstbarkeiten zu beurteilen ist (RS0116186).
[21] Der Revision ist daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird.
[22] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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