European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117574
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.411,36 EUR (darin 341,56 EUR an Umsatzsteuer und 1.362 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrt vom beklagten Wohnungseigentümer, „drei große Steine vom Wohnweg“, nach den Klagebehauptungen eine Allgemeinfläche, zu entfernen. Diese Steine verhinderten die Durchfahrt mit einem zweispurigen Kraftfahrzeug und damit insbesondere die Zufahrt mit Feuerwehr- und Rettungsfahrzeugen.
Der Beklagte behauptet demgegenüber, die Steine seien ausschließlich auf einer in seinem Eigentum stehenden Gartenfläche positioniert.
Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender aktiver Klagslegitimation ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Klägerin keine im Rahmen der Verwaltung zu besorgende Angelegenheit, sondern vielmehr einen Anspruch aus dem Eigentum geltend mache, die ihr nach § 18 Abs 2 WEG 2002 hätten abgetreten werden müssen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin dahin Folge, dass es das angefochtene Urteil aufhob und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Es bejahte rechtlich, insbesondere unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 18/06t, die aktive Klagslegitimation der Eigentümergemeinschaft und trug dem Erstgericht die materielle Prüfung des Entfernungsbegehrens auf.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufungsgericht habe sich im Wesentlichen auf die Entscheidung 5 Ob 18/06t gestützt. Es sei bislang ungeklärt, ob die Klagslegitimation der Eigentümergemeinschaft auch nach der WRN 2006 dann zu bejahen sei, wenn diese gestützt auf die Zweckbestimmung allgemeiner Liegenschaftsteile eine Verwaltungsangelegenheit verfolge.
Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils.
Die Klägerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise diesem keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
1. § 18 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 beschränkt die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft auf Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung. Demnach kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden.
2. Die Lehre umschreibt den Begriff der Verwaltung (der gemeinsamen Sache) etwa als Maßnahmen rechtlicher oder tatsächlicher Natur, die der Erhaltung oder Verbesserung des gemeinsamen Gutes oder der Erzielung und Veräußerung der Früchte (Erträge) dienen sollen (Gruber/Sprohar‑Heimlich in Schwimann/Kodek 4 § 833 ABGB Rz 7; Tanczos/Eliskases in Rummel4 § 833 ABGB Rz 3) oder als von den Teilhabern im Gemeinschaftsinteresse gesetzte Maßnahmen des „Umgangs“ mit der Sache (H. Böhm in Kletěcka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 833 Rz 3). Zur Verwaltung einer Liegenschaft gehört nach Würth (in Rummel³ § 28 WEG Rz 1) alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts beeinträchtigen (1 Ob 163/03g; 5 Ob 116/01x = wobl 2002/5 [Call]) oder fördern könnte (so auch Schauer in Illedits/Reich Rohrwig, Wohnrecht2 § 18 WEG Rz 5; 5 Ob 181/03h = wobl 2005/6 [Call] = immolex 2004, 342 [Vonkilch]). Löcker (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 28 WEG Rz 24 und 27) betont in diesem Zusammenhang, es sei allen verwaltungsbezogenen Bestimmungen des WEG gemein, dass das Verwaltungsobjekt die Liegenschaft, genauer: die allgemeinen Teile der Liegenschaft sei(en).
3. Nach der Rechtsprechung zielen Verwaltungshandlungen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsgutes wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0109188 [T12]). Sie erfordern gemeinschaftliches Vorgehen, weil es um die wohl verstandenen Interessen aller Gemeinschafter geht (RIS-Justiz RS0109188 [T3]; 5 Ob 226/14t; 5 Ob 86/09x). Besitz- und Gebrauchshandlungen einzelner Miteigentümer sowie Verfügungen, die in die Gemeinschaftsrechte oder in die Anteilsrechte der Miteigentümer eingreifen, zählen nicht zur Verwaltung der Liegenschaft (5 Ob 206/07s; 5 Ob 88/04h).
4. Die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs billigt jedem Mit- und Wohnungseigentümer das Recht zu, eigenmächtige Eingriffe – auch eines anderen Miteigentümers – in das gemeinsame Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB (actio negatoria) gerichtet auf Beseitigung, Wiederherstellung des vorigen Zustands und/oder Unterlassung nicht genehmigter Änderungen abzuwehren (vgl RIS-Justiz RS0012112; so auch Illedits/Illedits-Lohr, Wohnungseigentum5, Eigentumsfreiheits‑klage nach § 523 ABGB, 266 Rz 890; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 523 Rz 9; Spath in Schwimann/Kodek 4 § 523 ABGB Rz 10).
5.1. Die Abwehr von Nutzungs‑ oder Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft ordnet der Oberste Gerichtshof überwiegend nicht der Verwaltung zu (5 Ob 268/02a = wobl 2003/74 [Call]; 5 Ob 206/07s = wobl 2008/60 [Call]; 5 Ob 88/16a; zur auf Unterlassung gerichteten actio confessoria: 3 Ob 140/11a = wobl 2012/70 [Terlitza]; vgl RIS-Justiz RS0117352).
5.2. Abweichend davon hat der entscheidende Senat in der auch hier vom Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrundegelegten Entscheidung 5 Ob 18/06t (wobl 2006/97 [Call]) die Geltendmachung eines Räumungsanspruchs in Ansehung eines Heizraums gegen einen Dritten als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung erkannt. Im Vordergrund stand bei dieser Entscheidung die Rechtsansicht, dass die Eigentümergemeinschaft in der bezeichneten Konstellation nicht eigene Rechte zum Besitz, sondern solche aller Mit- und Wohnungseigentümer geltend mache. Als „Verwaltungsgemeinschaft“ sei die Eigentümergemeinschaft jedenfalls hinsichtlich notwendig allgemeiner Teile der Liegenschaft Besitzmittlerin für die Gesamtheit der Mit- und Wohnungseigentümer und habe die gesetzliche Zweckbestimmung solcher Liegenschaftsteile (dort: Heizraum), im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben und Befugnisse zu gewährleisten.
5.3. Diese Entscheidung 5 Ob 18/06t ist mehrfach auf Kritik gestoßen (vgl Terlitza, Zur Abgrenzung von Verwaltung und Verfügung – eine dogmatische Frage von eminenter pragmatischer Bedeutung, wobl 2011, 185 [192 f]; Stabentheiner, Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2006, wobl 2006, 277 [291]; Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 18 WEG Rz 29b; Schauer in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht² § 18 WEG Rz 7).
5.4. Zutreffend hat Terlitza darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der Aktivlegitimation nicht das Ergebnis der (erfolgreichen) Rechtsverfolgung als der Verwaltung dienlich maßgeblich sein könne (Terlitza, wobl 2011, 185 [193]), weil bei einem solchen Ansatz nahezu immer ein Zusammenhang mit der Verwaltung hergestellt werden könnte. Maßgeblich muss vielmehr sein, auf welchen Rechtsgrund das geltend gemachte Begehren beruht. Insofern ist aber unzweifelhaft, dass die Abwehr von Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft, wie sie auch hier den Gegenstand des Klagebegehrens bilden, auf dem Anteilsrecht, also der dinglichen Rechtsposition der Mit- und Wohnungseigentümer, beruht (vgl Terlitza, wobl 2012, 193; allgemein zum Eigentum als Rechtsgrund für die actio negatoria vgl Spath in Schwimann/Kodek 4 § 523 ABGB Rz 6; Bittner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 523 ABGB Rz 8). Diesem hält der Beklagte vermeintlich eigene Eigentumsrechte entgegen.
6. Auch im vorliegenden Fall ist daher der herrschenden Rechtsprechungslinie zu folgen, dass die Abwehr von Eingriffen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft als dem Eigentumsrecht entspringend nicht der Verwaltung der Liegenschaft zuzuordnen ist. Soweit die Entscheidung 5 Ob 18/06t von diesem Grundsatz abweicht, ist diese nicht mehr aufrecht zu erhalten.
7. Im Ergebnis folgt: Die von der klagenden Eigentümergemeinschaft vom beklagten Wohnungseigentümer begehrte Entfernung von drei großen Steinen vom Wohnweg, der nach den Klagebehauptungen eine Allgemeinfläche darstellt, ist keine Maßnahme der Liegenschaftsverwaltung, sondern beruht auf dem (Mit-)Eigentumsrecht der Mit- und Wohnungseigentümer. Die Aktivlegitimation kommt daher nicht der Eigentümergemeinschaft zu; dass eine Anspruchsabtretung an diese erfolgt sei (§ 18 Abs 2 WEG 2002), hat die Klägerin nicht behauptet, wiewohl die Frage ihrer Aktivlegitimation im Vordergrund des gesamten bisherigen Verfahrens stand. In Stattgebung des Rekurses war somit die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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