OGH 1Ob163/03g

OGH1Ob163/03g2.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits, Mag. Verena Riedherr und Dr. Bernhard Loimer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 23.592,09 EUR sA und Feststellung (Streitwert 36.336,42 EUR) infolge Revision der klagenden Partei gegen das mit Beschluss vom 6. Mai 2003, GZ 4 R 63/03t-16, berichtigte Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. April 2003, GZ 4 R 63/03t-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Februar 2003, GZ 12 Cg 211/01d-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Auf einer Liegenschaft im Land Salzburg war die Errichtung einer Wohnungseigentumsanlage geplant. Deshalb beantragten ihre damaligen Miteigentümer am 2. 5. 1993 die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Ableitung der Oberflächen- und Dachwässer. Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz bewilligte mit Bescheid vom 25. 5. 1993 die Errichtung und den Betrieb "einer Retentionsanlage zur Sammlung und anschließenden Beseitigung der bei den geplanten Wohnobjekten anfallenden Dach- und Oberflächenwässer mit Retentionsanlage, Schluckbrunnen und Notüberlauf". Die Wasserableitung sollte über einen Kanal in einen Bach erfolgen. Dieses "Wasserbenutzungsrecht" wurde nach Punkt IV. des Bescheids "mit dem Eigentum an den auf Grundstück 363/1 geplanten Wohnobjekten dinglich verbunden". Am 26. und 27. 6. 1998 wurden die Kellerräume der - nunmehr bereits errichteten - Wohnungseigentumsanlage infolge Hochwassers überflutet. Dadurch entstanden Schäden an der Heizungs- und der Wasseraufbereitungsanlage sowie an Türen und Fenstern.

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch von 23.592,09 EUR sA und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei "für sämtliche kausalen, zukünftigen, derzeit noch nicht bekannten Schäden aus der Annahme eines zu kleinen Einzugsgebiets der Oberflächenwässer ... unter einer Fläche von ca. 7 ha seitens des Amtssachverständigen ... der ... Wasserrechtsbehörde, insbesondere durch dadurch verursachte Überflutungen der Kellerräume der Objekte der Wohnanlage". Der Bescheid der Wasserrechtsbehörde vom 25. 5. 1993 beruhe auf dem unrichtigen Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen. Dieser habe einen hochwasserführenden Graben "nicht bzw nicht ausreichend in die Berechnung oder Annahme des Einzugsgebiets der Oberflächenwässer miteinbezogen". Die Annahme unrichtiger Abfließwerte in Verkennung örtlicher Gegebenheiten sei den Organen der Wasserrechtsbehörde subjektiv vorwerfbar. Diese hätten somit "Warn- und Hinweispflichten" schuldhaft verletzt. Am 26. und 27. 6. 1998 seien in den Kellerräumen und Stiegenhäusern Schäden durch Hochwasser eingetreten. Sie beträfen allgemeine Teile der Wohnungseigentumsanlage. Der Klageanspruch sei nicht verjährt. Ein bereits 1995 erfolgter Wassereintritt sei durch "Undichtheit" des Retentionsbeckens verursacht worden. Nach Behebung dieses Mangels habe erst aufgrund der "erneuten Überflutung mit der Ursachenforschung begonnen" werden können. Die Schadensursache sei lange Zeit nicht feststellbar gewesen. Erst nach einem im Dezember 1998 erstatteten wasserbautechnischen Gutachten und einem Sickerversuch im Jänner 1999 habe "die Versickerungsleistung als kritisch" beurteilt werden können.

Die beklagte Partei wendete ein, Amtshaftungsansprüche könnten nur die einzelnen Miteigentümer geltend machen. Solche Ansprüche beträfen keine Angelegenheit der Verwaltung. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft habe überdies nicht vorgebracht, sie habe im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung durch Organe der beklagten Partei bereits bestanden. Schon deshalb sei die klagende Partei nicht anspruchsberechtigt. Es mangle ferner an einem schadenskausalen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten von Organen der Wasserrechtsbehörde. Die der Klage zugrunde liegende Überschwemmung sei auf Baumängel der Retentionsanlage zurückzuführen. Die erhobenen Ansprüche seien auch verjährt, weil sich die Miteigentümer schon am 24. 10. 1995 darüber beschwert hätten, "dass die Retentionsanlage zur Sammlung und anschließenden Beseitigung der anfallenden Dach- und Oberflächenwässer mit Schluckbrunnen und Notüberlauf nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei und es bereits mehrfach zu Überschwemmungen gekommen sei". Die Miteigentümer hätten deshalb bereits im Dezember 1995 Sanierungsmaßnahmen angeregt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem durch das am 1. 1. 1994 in Kraft getretenen 3. WÄG eingefügten § 13c Abs 1 WEG 1975 bildeten alle Wohnungs- und sonstigen Miteigentümer der Liegenschaft zu deren Verwaltung die Wohnungseigentümergemeinschaft. Adressaten des wasserbehördlichen Bescheids vom 25. 5. 1993 seien noch die vorherigen Miteigentümer der Liegenschaft gewesen. Durch das Inkrafttreten des 3. WÄG sei es "zu keiner kumulativen Übernahme aller Verpflichtungen und Berechtigungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft" gekommen. Nicht anzunehmen sei ferner "eine ex lege eintretende Gesamtrechtsnachfolge". Materiell seien die einzelnen Wohnungseigentümer Berechtigte des wasserbehördlichen Bescheids vom 25. 5. 1993. Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei deshalb nicht anspruchsberechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Dem seit 1. 1. 1994 geltenden § 13c Abs 1 WEG 1975 nach dem 3. WÄG - nunmehr § 18 Abs 1 WEG 2002 - sei kein Anhaltspunkt für eine Gesamtrechtsnachfolge zu entnehmen. § 13c WEG 1975 habe im Übrigen keine Rückwirkung auf bereits vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG verwirklichte Sachverhalte entfaltet, sondern "nur die unbefristete Weitergeltung des alten Rechts für vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG geschaffenes Wohnungseigentum verhindert". Ansprüche aus der Zeit vor der Konstituierung der Eigentümergemeinschaft seien weder gegen diese noch von dieser geltend zu machen. Daher könne die Eigentümergemeinschaft Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche nur dann im eigenen Namen geltend machen, wenn "die Mängel aus einer Zeit nach ihrer Entstehung" herrührten. Die Rechtssubjektivität der Eigentümergemeinschaft beschränke sich außerdem auf Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft. Außerhalb dieses Geschäftskreises könne "sie nicht als Rechtspersönlichkeit auftreten". Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 25. 5. 1993, der als Klagegrund diene, sei vor dem 1. 1. 1994 ergangen. Daher könne die Eigentümergemeinschaft nicht forderungsberechtigt sein. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage mangle, ob diese Rechtslage auch für Amtshaftungsansprüche gelte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

1. Eigentümergemeinschaft - Klagerecht

Die nunmehr in § 2 Abs 5 WEG 2002 ausdrücklich geregelte, auf Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung beschränkte Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft wurde bereits in dem durch das 3. WÄG eingefügten § 13c Abs 1 WEG 1975 umschrieben. Danach sind Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer von den bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen der einzelnen Teilhaber, aber auch von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Anteile zu unterscheiden. Zur Verwaltung gehört nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts berühren könnte (5 Ob 268/02a = wobl 2003, 146; siehe ferner RIS-Justiz RS0109188). Verwaltungshandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass Geschäfte der Gemeinschaft besorgt werden. Sie zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen (5 Ob 299/99b = MietSlg 51.525). Maßnahmen zur Geltendmachung von Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen, die allgemeine Teile einer Liegenschaft im Miteigentum betreffen und deren ordnungsgemäßen Erhaltung dienen, gehören regelmäßig zur ordentlichen Verwaltung nach § 833 ABGB und § 14 Abs 1 WEG 1975 (5 Ob 147/97x = SZ 70/129; 5 Ob 2148/96k = MietSlg 49.516/31 je mwN). An dieser Rechtslage hat § 28 Abs 1 WEG 2002 nichts geändert. Solche Ansprüche sind gewöhnlich Gesamthandforderungen der Miteigentümer iSd §§ 848 Satz 2, 890 ABGB (1 Ob 282/99y; 5 Ob 274/97y = MietSlg 49.071/40; 5 Ob 147/97x = SZ 70/129 je mwN). Bei bestehendem Wohnungseigentum ist seit dem Inkrafttreten des 3.WÄG im Allgemeinen die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13c Abs 1 WEG 1975 - nunmehr die Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 1 WEG 2002 - aktiv legitimiert (5 Ob 274/97y = MietSlg 49.071/40; 5 Ob 147/97x = SZ 70/129). Einem einzelnen Wohnungseigentümer steht nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Durchsetzung von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen wegen Mängeln an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage nur dann zu, wenn sie auf den individuellen Vertrag mit dem Bauträger (5 Ob 190/02f; 5 Ob 147/97x = SZ 70/129 je mwN) bzw auf die Abtretung solcher Rechte gestützt werden (5 Ob 190/02f). Über die Verwaltungsrechte hinaus sind der Eigentümergemeinschaft keine Eigentümerrechte zugeordnet. Sie kann daher nur in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, sowie klagen und geklagt werden (5 Ob 268/02a = wobl 2003, 146 mwN).

2. Übergangsrecht

Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung 5 Ob 16/96 (= wobl 1997, 196) aus, dass der durch das 3. WÄG in das WEG 1975 eingefügte, am 1. 1. 1994 in Kraft getretene § 13c keine Rückwirkung auf bereits vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG verwirklichte Sachverhalte entfaltet, sondern nur die unbefristete Weitergeltung des alten Rechts für vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG geschaffenes Wohnungseigentum verhindert habe. Deshalb hätten Dritte, die schon vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG Rechte gegen die einzelnen Miteigentümer erworben hätten, dieser Rechte durch die gemäß § 13c WEG 1975 erfolgte Begründung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht wieder verlustig gehen können (ebenso etwa 5 Ob 244/98p; 5 Ob 113/98y; 1 Ob 72/97p = SZ 70/159 [unter Berufung auf 5 Ob 16/96]). Durch die Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ab 1. 1. 1994 sei es weder zu einer privativen noch zu einer kumulativen Schuldübernahme gekommen. Es finde sich aber auch für die von einem Teil der Lehre befürwortete Gesamtrechtsnachfolge kein Anhaltspunkt im Gesetz (5 Ob 306/98f = WoBl 1999, 183). In der Folgeentscheidung 5 Ob 244/98p wird diese Rechtslage ganz allgemein auf die Legitimation einzelner Wohnungeigentümer zur Durchsetzung der vor Inkrafttreten des § 13c WEG 1975 entstandenen Ansprüche (Hervorhebung durch den erkennenden Senat) bezogen. An der erörterten Rechtslage hat sich durch das WEG 2002, das nach dessen § 54 Abs 1 am 1. 7. 2002 in Kraft trat, materiell nichts geändert. Gemäß § 2 Abs 5 WEG 2002 wurde bloß der bisherige Begriff "Wohnungseigentümergemeinschaft" durch die Bezeichnung "Eigentümergemeinschaft" für jene juristische Person, die von allen Wohnungseigentümern zur Verwaltung der Liegenschaft gebildet wird, ersetzt.

3. Beurteilung des Klageanspruchs und Zusammenfassung

Dem von der klagenden Eigentümergemeinschaft erhobenen Amtshaftungsanspruch liegt ein Schaden zugrunde, der durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft verursacht worden sein soll. Dieses Verhalten sei vor dem 1. 1. 1994 gesetzt worden, ein Schaden sei jedoch erst im Sommer 1998 eingetreten. Angesichts dieser Behauptungen kann nicht zweifelhaft sein, dass die Geltendmachung eines solchen, auf den Titel der Amtshaftung gestützten Schadenersatzanspruchs - nach den Erwägungen unter 1. - die Verwaltung der Liegenschaft betrifft und nur der Eigentümergemeinschaft zustünde, wenn deren Klagelegitimation im Übrigen aus dem anzuwendenden Übergangsrecht ableitbar wäre.

Ein Sachverhalt, der einen Schadenersatzanspruch tragen kann, ist erst nach Eintritt eines Schadens vollständig verwirklicht. Erst dann kann ein solcher Anspruch mit Aussicht auf Erfolg geltend machen, ist er doch vorher noch nicht entstanden. Allein ein Verhalten, dem eine weder bekannte noch unmittelbar erkennbare Eignung innewohnt, unter bestimmten, erst zukünftig hinzutretenden Umständen als Schadensursache wirksam zu werden, ist daher - im Licht der Erwägungen unter 2. - noch nicht als Verwirklichung eines anspruchsbegründenden Sachverhalts anzusehen.

Alle bisherigen Erwägungen sind somit folgendermaßen zusammenzufassen:

Nur die "Eigentümergemeinschaft" kann Amtshaftungsansprüche wegen Schäden an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage geltend machen, wenn zwar das schadensursächliche Organverhalten vor dem 1. 1. 1994 gesetzt wurde, ein Schaden jedoch erst ab diesem Zeitpunkt eingetreten ist.

Aus dieser Leitlinie folgt, dass der hier geltend gemachte Schadenersatzanspruch nur der Eigentümergemeinschaft zustehen kann. Diese Rechtslage wurde von der klagenden Partei zutreffend erkannt, weshalb ihrer Revision Folge zu geben ist. Die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen erweist sich als unvermeidlich, mangelt es doch an Feststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache ermöglichten. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den behaupteten Klagegrund im Einzelnen zu prüfen haben, falls sich die Verjährungseinrede der beklagten Partei als unzutreffend herausstellen sollte.

4. Kosten

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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