OGH 5Ob2148/96k

OGH5Ob2148/96k2.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Pimmer, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Dipl.Ing. Wolfgang S*****, 2. Dr.Sigrid G*****, 3. Gerhard G*****, 4. Peter H*****, 5. Monika H*****, 6. Herta P*****, und 7.Viktor P*****, sämtliche vertreten durch Dr.Georg Eisenberger, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegner 1. Harald A*****, vertreten durch Mag.Martin Paar, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dagmar R*****, 3. Erika B*****, 4. Hans-Walter R*****, 5. Sabine P***** (vormals M*****), ***** 6. Heinrich B*****, 7. Tuuli F***** K*****, 8. Renate R*****, 9. Sophie M*****, 10. Ales Z*****, 11. Helmut R*****, 12. Martha B*****, 13. Dagmar P*****, 14. Josef S*****, und 15. Eveline S*****, wegen Ersetzung einer Zustimmung gemäß WEG und § 825 ABGB, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 12.April 1996, GZ 3 R 429/95-34, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. Juli 1995, GZ 6 Msch 113/94h-28, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller und Antragsgegner sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 600 Grundbuch ***** mit den Häusern Graz, *****. Mit den Miteigentumsanteilen ist jeweils Wohnungseigentum verbunden. Wohnungseigentumsorganisator war die "S*****gesellschaft mbH" in G*****. Mit ihrem Antrag vom 27. Mai 1993 begehrten die Antragsteller zunächst nur gegenüber dem Erstantragsgegner, in der Folge auch gegenüber den 2.) bis 8.) Antragsgegnern, deren Zustimmung zur Klagsführung der zu 10 Cg 183/92 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz anhängigen Klage vom 30.6.1992, ausgenommen die Teile, die einzelne Wohnungen betreffen, gerichtlich zu ersetzen. Die beiden Wohnhäuser der Wohnungseigentumsanlage wiesen zahlreiche Baumängel sowie Mängel der Art auf, daß vertraglich zugesagte Eigenschaften nicht gegeben seien. Die Antragsteller hätten daher beim Landesgericht für ZRS Graz eine Klage auf Erfüllung des Kaufvertrages und Gewährleistung gegen den Wohnungseigentumsorganisator eingebracht. Im Rahmen eines Teilurteils sei die Klage jedoch soweit rechtskräftig abgewiesen worden, als die Kläger die Beseitigung von Mängeln auch an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage begehrt hätten. Das Berufungsgericht habe die Ansicht vertreten, daß nur sämtliche Miteigentümer als einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO die Durchführung der begehrten Arbeiten erzwingen könnten. Während die als "Beteiligte" bezeichneten

9.) - 15.) Antragsgegner der Klagsführung zugestimmt hätten, hätten sich zunächst der Erst-, dann auch die 2.) bis 8.) Antragsgegner geweigert, einer solchen Klage ihre Zustimmung zu erteilen. Im einzelnen stellten sich die Mängel als Abweichungen von ausdrücklich zugesagte Eigenschaften bzw Verstöße gegen die zum Vertragsinhalt gewordene Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen wie folgt dar: Der Garagenfußboden sei nicht mineralöldicht und weise kein Gefälle gegen die Mitte hin zu, ein Kinderspielplatz sei nicht errichtet worden, Flugdächer für Fahrradabstellplätze seien nicht vorhanden; eine Klopfstange, eine Blitzschutzanlage, eine Sichtschutzmauer seien nicht errichtet worden, das Kellermauerwerk sei nicht weiß gestrichen und eine Einfriedung weise einen Drahtzaun anstelle Baustahlgitterelementen auf; entgegen der einen Vertragsbestandteil darstellenden steiermärkischen Garagenordnung weise die Rampe zur Garage keinen Fußgängerschutz auf, habe keine brandbeständige Decke und sei nicht mit einer vorgeschriebenen Waschmöglichkeit vorgesehen; entgegen der steiermärkischen Bauordnung sei keine für alle Hausbewohner zugängliche Wasserentnahmestelle vorhanden, seien vorgeschriebene Abstellräume nicht errichtet worden, betrage die lichte Durchgangshöhe der Stiegenhäuser teilweise nur 1,92 m statt vorgeschriebener 2,10 m; darüber hinaus seien Feuchtigkeitsschäden am Sockel eines Hauses aufgetreten und dringe Wasser in die Tiefgarage ein.

Der Erstantragsgegner wendete ein, daß einerseits die behaupteten Mängel nicht vorhanden seien und andererseits ihm ein Klagsrisiko nicht zugemutet werden könne. Die 2.) - 8.) Antragsgegner und die zunächst als "Beteiligte" bezeichneten 9.) - 15.) Antragsgegner beteiligten sich nicht am Verfahren.

Das Erstgericht gab in seinem Sachbeschluß dem Antrag statt und ersetzte die Zustimmung der Antragsgegner und Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****Grundbuch ***** zur Klagsführung gegen die System Wohnbaugesellschaft mbH im Sinne der im Akt erliegenden Klage (Beilage ./A) mit Ausnahme der Teile, die einzelne Wohnungen betreffen, wobei mit Rechtskraft des Beschlusses die Zustimmung als erteilt gelte.

Es stellte folgende an der Wohnanlage eingetretene Mängel fest:

Feuchtigkeitseintritt in der Tiefgarage, das Fehlen einer Blitzschutzanlage und eine falsche Durchgangshöhe des Ganges zum Keller. Rechtlich gelangte es zur Ansicht, daß die im vorliegenden Fall von der Mehrheit beschlossenen Maßnahmen keine solchen der ordentlichen Verwaltung, sondern wichtige Veränderungen darstellten, die infolge Widerspruchs durch die Minderheit der Zustimmung des Außerstreitrichters bedüften. Diese sei zu erteilen gewesen, da ein Anspruch auf Behebung der Mängel bestehe und die übrigen Beteiligten und Antragsgegner von keinem Kostenrisiko betroffen seien.

Das Rekursgericht gab dem vom Erstantragsgegner erhobenen Rekurs Folge und änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Klagsführung abgewiesen wurde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erkannte es für nicht zulässig. Bei den Maßnahmen, die klagsweise durchgesetzt werden sollten, handle es sich nicht um Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, sodaß die Zuständigkeit des Außerstreitgerichtes gegeben sei, weil nach dem Vorbringen die Minderheit einem über außerordentliche Maßnahmen gefaßten Mehrheitsbeschluß entgegentrete. Nur die Mehrheit könne daher einen Antrag stellen, die Zustimmung der Minderheit ersetzen zu lassen. Die nunmehr sieben Antragsteller repräsentierten insgesamt jedoch nur 878/3308el Anteile der Liegenschaft, die übrigen Wohnungs- und Miteigentümer einschließlich der "Beteiligten" müßten den Antragsgegnern zugerechnet werden, sodaß es den Antragstellern als Minderheit an der Legitimation fehle. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der im § 528 Abs 1 ZPO genannten Bedeutung sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zuzulassen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergetellt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Erstantragsgegner beantragt in seiner vor der Freistellung eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung, dem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht zum Teil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen erfolgt ebenso wie die von Gewährleistungsansprüchen betreffend gemeinsame Teile der Anlagen einer Liegenschaft, wenn diese ihrer ordnungsgemäßen Erhaltung dient, im Rahmen der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 833 ABGB, § 14 WEG (JBl 1986, 108, WoBl 1991/74 = MietSlg 42.034). Auch die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustandes eines gemeinsamen Teils oder einer Anlage der Liegenschaft dient nur der ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft (RIS-Justiz RS0013431). Lediglich dann, wenn Gewährleistungsansprüche aus der Bauphase nach Abrechnung des Bauvorhabens geltend gemacht werden und die Beseitigung angeblich vorhandener Mängel zumindest insoweit zu einer Nachzahlungspflicht auch der überstimmten Mitglieder führen kann, als der Wohnungseigentumsorganisator berechtigt sein könnte, die Differenzkosten einer besseren Ausführung einzufordern, handelt es sich nicht mehr um eine Maßnahme der ordentliche Verwaltung, sodaß mangels Einstimmigkeit der Außerstreitrichter angerufen werden muß (MietSlg 33.107/9). Im vorliegenden Fall berufen sich die Antragsteller selbst darauf, daß sie nur die Herstellung des - alle Wohnungseigentümer im wesentlichen gleich betreffenden - vertraglichen Zustand begehren. Daß daraus Mehrkosten für Miteigentümer entstehen könnten, weil etwa eine Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand vereinbart und auch erfolgt sei, wurde nicht vorgebracht. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist daher die von den Antragstellern beabsichtigte, auf die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gerichtete Klage als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 14 Abs 1 Z 1 WEG zu beurteilen. Nach dem von den Antragstellern im Verfahren erster Instanz erstatteten Vorbringen ist davon auszugehen, daß die Antragsteller und die als "Beteiligte" bezeichneten Miteigentümer zusammen als Mehrheit der Miteigentümer eine Klagsführung beschlossen haben. Daß durch die Vermehrung der Antragsgegner die Mehrheit der für eine Klagsführung eintretenden Miteigentümer verlorengegangen sei, wurde nicht behauptet. Die Durchführung eines im Rahmen der ordentlichen Verwaltung wirksam zustandegekommenen Mehrheitsbeschlusses erfordert die Beschreitung des streitigen Rechtsweges, wenn sie der positiven Mitwirkung der überstimmten Minderheit, etwa der Abgabe einer nicht anders zu erlangenden Willenserklärung, bedarf (WoBl 1994, 31 ua). Die vom Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in seinem Urteil vom 20. April 1993, GZ 1 R 266/92, geäußerte Rechtsansicht, die Einklagung von Gewährleistungsansprüchen bedürfe der gemeinsamen Klagsführung aller Miteigentümer, kann nicht aufrechterhalten werden. Der erkennende Senat hat in seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 8. Juli 1997, 5 Ob 147/97x, unter Erwägung unterschiedlicher, in Lehre und Rechtsprechung vertretener Meinungen, ausgeführt: "Nach Ansicht des erkennenden Senates ist zu unterscheiden, auf welcher vertraglichen Grundlage Gewährleistung begehrt wird, das heißt, wer Vertragspartner jenes Vertrages ist, in dessen Abwicklung eine Störung eingetreten ist. Handelt es sich um einen von der Wohnungseigentümergemeinschaft, etwa anläßlich der Renovierung einer älteren Anlage, abgeschlossenen Vertrag, so hat als Gewährleistungskläger die Wohnungseigentümergemeinschaft, gemäß § 17 Abs 2 WEG vertreten durch einen bestimmten gemeinsamen Verwalter, aufzutreten. Rührt der Gewährleistungsanspruch aber - wie hier - aus einem vom Erwerber einer Wohnung mit dem Bauträger abgeschlossenen Vertrag her, so ist nur der Erwerber und nicht die (allenfalls noch gar nicht bestehende) dingliche Rechtsgemeinschaft forderungsberechtigt (vgl zum Vorstadium auch Würth in Rummel2 vor § 13 WEG Rz 2 mwN). Es besteht - auch bei Existenz einer Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 13 c WEG - kein überzeugender Grund, dem Erwerber die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus einem individuellen Vertrag mit dem Bauträger abzuerkennen, selbst wenn Mängel nicht sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern allgemeine Teile des Hauses betreffen. .... Auch die Bedachtnahme auf die Interessen anderer Wohnungseigentümer zwingt nicht schon zur Verneinung der Klagslegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers. Allerdings können diese - etwa bei der Wahl zwischen Verbesserung und Preisminderung möglicherweise unterschiedlichen - Interessen nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb bei Bestehen einer dinglichen Rechtsgemeinschaft am Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses grundsätzlich festzuhalten ist; allenfalls wäre bei Untätigkeit der Mehrheit die Erwirkung eines Beschlusses des Außerstreitrichters gemäß § 13 a Abs 1 Z 1, § 26 Abs 1 Z 3 WEG zu erwägen (vgl Würth aaO § 14 WEG Rz 4, 4 a)."

Daraus folgt für den hier vorliegenden Fall, daß die Antragsteller, weil ihrem eigenen Vorbringen nach durch einen Mehrheitsbeschluß gedeckt, zur Klagsführung der Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer, insbesondere der Antragsgegner, nicht bedurften. Wenngleich nach Art III III.Abschnitt 3.WÄG die Übergangsbestimmungen (II.Abschnitt) mit 1.Jänner 1994 in Kraft getreten sind, wonach, insoweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der I.Abschnitt auch für bereits im Wohnungseigentum stehende Wohnungen und sonstige Räumlichkeiten anzuwenden ist (Art III II.Abschnitt Z 1), ändert diese (an sich für Dauerrechtsverhältnisse überflüssige) Bestimmung nichts daran, daß die neuen Rechtsvorschriften des 3.WÄG in der Regel nur auf nach Inkrafttreten desselben verwirklichte Sachverhalte angewendet werden können (Würth-Zingher Wohnrecht '94 3.WÄG Art 3 II.Abschnitt Anm 1). Wenngleich das Datum einer Beschlußfassung durch die Mehrheit und somit Verwirklichung des Sachverhalts im obgenannten Sinn nicht feststeht, sodaß nach der allenfalls anzuwendenden Bestimmung des § 14 Abs 3 WEG in der alten Fassung ein Mehrheitsbeschluß über außerordentliche Maßnahmen der Zustimmung des Außerstreitrichters bedürfte, kann dies im hier vorliegenden Fall auf sich beruhen, weil keine außerordentliche, sondern eine ordentliche Verwaltungsmaßnahme Gegenstand der Beschlußfassung war.

Soweit die Antragsteller erstmalig in ihrem Revisionsrekurs, gestützt auf die vom erkennenden Senat nicht geteilte Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Minderheit einer Mehrheit gegenüberstehe, vorbringen, daß die Erwirkung der Zustimmung der Mehrheit zur Einbringung einer Gewährleistungsklage gemäß § 13 a Abs 1 Z 1, § 26 Abs 1 Z 3 WEG durchgesetzt werden könnte, so ist dies - beim Fehlen der erforderlichen Mehrheit - grundsätzlich zu erwägen (5 Ob 147/97x), doch kann dies, weil einen völlig neuen Anspruchsgrund darstellend und daher gegen das im Verfahren nach § 26 WEG geltende Neuerungsverbot (EvBl 1997/31 ua) verstoßend nicht Gegenstand dieser Entscheidung sein. Letztlich ist auch dem Argument der Antragsteller, es liege mangels Einbringung eines Rekurses durch die 2.) bis 8.) Antragsgegner insoweit Teilrechtskraft des Beschlusses des Gerichtes erster Instanz vor, nicht beigepflichtet werden. In dem Verfahren nach § 26 Abs 1 WEG kommt sämtlichen Antragsgegnern Parteistellung zu. Das besondere Rechtsverhältnis verbindet überdies die Antragsgegner zu einer notwendigen Streitgenossenschaft, auf die auch im außerstreitigen Verfahren die Regeln der §§ 14 und 15 ZPO anzuwenden sind (SZ 54/55, WoBl 1993, 20). Demnach erstreckt sich die Wirkung der Verfahrenshandlung des Erstantragsgegners auch auf die säumigen Streitgenossen (§ 14 zweiter Satz ZPO). Die Erhebung des Rekurses durch den Erstantragsgegner steht daher dem Eintritt einer Teilrechtskraft gegenüber den untätigen Antragsgegnern entgegen.

Dem Revisionsrekurs war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

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