OGH 5Ob18/06t

OGH5Ob18/06t21.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der EZ ***** Grundbuch *****, vertreten durch Dr. Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Alexander K*****, vertreten durch Schmid & Horn, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Herausgabe, Unterlassung und Räumung (Streitwert EUR 9.000), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 16. September 2005, GZ 3 R 119/05z-16, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25. Mai 2005, GZ 8 C 49/05d-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte ist Mieter der Wohnung top Nr 1 im Haus P*****gasse 25/Parterre sowie eines nicht im Wohnungseigentum stehenden Geschäftsraumes im Keller des Hauses P*****gasse 25a. Der neben diesem Geschäftsraum gelegene Heizraum gehört zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, deren Verwaltung der klagenden Partei obliegt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Eigentümergemeinschaft vom Beklagten, der vorübergehend unentgeltlich bzw später gegen geringfügiges Entgelt im Haus gewisse Aufsichtstätigkeiten verrichtet hat und im Zuge dessen in den Besitz der Schlüssel zum Heizraum gekommen ist,

  1. 1. alle Schlüssel zum Heizraum herauszugeben,
  2. 2. diesen Heizraum nicht mehr zu betreten und jede weitere Benützung zu unterlassen,

    3. diesen Heizraum von den von ihm eingebrachten Fahrnissen zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben.

    Der Beklagte sei von seinen Tätigkeiten im Haus enthoben worden, verweigere jedoch die Rückgabe des Schlüssels mit der unzutreffenden Begründung, er habe berechtigterweise Elektroleitungen zu seinem Kellerraum durch den Heizraum verlegt und benötige den Schlüssel zu Instandhaltungs- und Kontrollzwecken.

    Die Klägerin stützte ihr Klagebegehren auf den Titel des Eigentums (ON 9/5), auf ihre Verfügungsberechtigung über den Heizraum (ON 9/6) sowie darauf, dass es sich beim Heizraum um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft handle, dessen Verwaltung der Eigentümergemeinschaft obliege (ON 10/1).

    Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Er berief sich auf eine Berechtigung, den Schlüssel zu behalten, sein Benützungsrecht an den Kellerräumlichkeiten umfasse auch ein Zutrittsrecht zum Heizraum. Daneben hat der Beklagte auch die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten.

    Beide Vorinstanzen wiesen das gesamte Klagebegehren mit der Begründung ab, dass einer Eigentümergemeinschaft nicht Eigentümerrechte sondern nur Verwaltungsrechte zustünden, dass sie weder zur Abwehr von Besitzstörungen noch überhaupt zur Abwehr von Eingriffen Dritter legitimiert sei, auch nicht zu einer auf das Eigentum gestützten Klage. Die Durchsetzung petitorischer Rechtsschutzansprüche, hier eines Räumungs- und Unterlassungsbegehrens, das auf das Eigentumsrecht der Mitglieder der Eigentümergemeinschaft gestützt sei, sei keine Angelegenheit der Verwaltung im Sinn des § 18 WEG. Solche Ansprüche könnten nur die einzelnen Wohnungseigentümer erheben (RIS-Justiz RS0117352; 5 Ob 88/04h). Was das Begehren auf Herausgabe der Schlüssel zum Heizraum betreffe, sei noch maßgeblich, dass dem Beklagten diese Schlüssel nicht von der Klägerin, sondern von einem Dritten überlassen worden seien, sodass die Klägerin daher auch diesbezüglich nicht sachlegitimiert sei.

    Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO maßgeblich seien und das Berufungsgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt sei.

    Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag (zwecks Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht) gestellt.

    Der Beklagte hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten, Gebrauch gemacht und darin beantragt, die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil zur Frage, ob Ansprüche zur Freihaltung von notwendig allgemeinen Teilen der Liegenschaft von der Eigentümergemeinschaft durchgesetzt werden können, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Die Revision ist im Sinne des in ihr gestellten Aufhebungsantrags, der allerdings in einen solchen auf Aufhebung zur Verfahrenserneuerung an das Gericht erster Instanz umzudeuten war (vgl RIS-Justiz RS0043632; RS0042177; Zechner in Fasching³ Rz 15 zu § 506 ZPO), auch berechtigt.

Zusammengefasst zieht die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision die fehlende Aktivlegitimation einer Eigentümergemeinschaft für petitorische Ansprüche nicht in Zweifel, sondern legt - wie übrigens auch schon in der Berufung - das Schwergewicht der Rechtsrüge darauf, dass sie sich nicht ausschließlich auf den Rechtstitel des Eigentums gestützt habe. Ihre Sachlegitimation resultiere daraus, dass ihr Verwaltungsrechte zugeordnet seien. Bei dem in Frage stehenden Heizraum handle es sich um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, der in der ordentlichen Verwaltung der Klägerin stehe. Das Klagebegehren halte sich daher im Rahmen der ordentlichen Verwaltung, weshalb die Aktivlegitimation der Klägerin zu bejahen sei.

Es stelle eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, dass sich das Berufungsgericht ausschließlich mit dem Rechtsgrund des Eigentums für das gegenständliche Klagebegehren auseinandergesetzt habe, nicht aber auch mit dem des Umfangs der ordentlichen Verwaltung. Das wird von der Revisionswerberin auch unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit angezogen. Im Weiteren argumentiert die Revisionswerberin damit, dass der Eigentümergemeinschaft im Rahmen der Verwaltung die Sachlegitimation auch für deliktische Handlungen und Unterlassungen zugeordnet werde, wohingegen noch nicht geklärt sei, ob die Eigentümergemeinschaft nicht auch bereits zur Vorbeugung und Vermeidung eines Schadens die aktive Klagslegitimation besitze. Das stelle jedenfalls eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Zunächst trifft zu, wie schon oben ausgeführt wurde, dass die Klägerin ihr Klagebegehren nicht nur auf den Titel des Eigentums und ihre Verfügungsberechtigung über den Heizraum gestützt hat, sondern auch darauf, dass es sich beim Heizraum um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft handle, dessen Verwaltung ihr obliege. Die Vorinstanzen hätten sich daher auch mit diesem Rechtsgrund auseinandersetzen müssen.

Mit den Entscheidungen 5 Ob 88/04h und 5 Ob 268/02h wurden tatsächlich Rechtsschutzansprüche einer Eigentümergemeinschaft, die sich auf das Eigentumsrecht der Mitglieder der Eigentümergemeinschaft stützten, nicht als Angelegenheit der Verwaltung im Sinn des § 18 WEG 2002 bewertet und daher der Eigentümergemeinschaft die Sachlegitimation für eine Eigentumsfreiheitsklage (Entfernung und Unterlassung hinsichtlich eines auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft befindlichen Schanigartens bzw Unterlassung der Benützung eines Abstellplatzes) abgesprochen.

In der zu § 13c WEG 1975 bzw § 18 WEG 2002 ergangenen Rechtsprechung (vgl nur RIS-Justiz RS0109188 ua) wird aber immer wieder betont, dass zur Verwaltung alles gehört, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts beeinträchtigen könnte. Verwaltungshandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gemeinschaftliches Vorgehen erfordern, weil es um die Interessen aller Gemeinschafter geht. Es werden mit ihnen Geschäfte der Gemeinschaft besorgt (vgl etwa 5 Ob 283/99z = immolex 2000/52). Für die aktive Klagslegitimation ist maßgeblich, dass der geltend gemachte Rechtsschutzanspruch sich wenigstens abstrakt mit den Verwaltungsagenden der Eigentümergemeinschaft in Verbindung bringen

lässt (5 Ob 119/04t = JBl 2005, 49).

So wurde in 5 Ob 159/01w = EWr II/13c/153 die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft für eine negative Feststellungsklage bejaht, die darauf gerichtet war, dass einem Dritten keine Mietrechte an einem im Allgemeineigentum stehenden Abstellplatz zukämen. Begründet wurde das damit, dass die Vermietung von Kfz-Abstellplätzen, die im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, zu den Verwaltungsagenden gehört, weshalb der Eigentümergemeinschaft auch das Recht zugestanden werden müsse, gerichtlich klären zu lassen, ob Mietrechte an einem gemeinschaftlichen Kfz-Abstellplatz bestehen, die mit einem schon abgeschlossenen oder erst abzuschließenden Mietvertrag kollidieren. Damit wurde einem Eventualbegehren stattgegeben; das als Hauptbegehren erhobene Räumungsbegehren wurde abgewiesen, weil der dort Beklagte weder Gewahrsame noch wenigstens mittelbaren Besitz am strittigen Kfz-Abstellplatz hatte. Daneben wurde noch die Frage aufgeworfen, ob einer Eigentümergemeinschaft überhaupt ein Räumungsanspruch zukommen könne, weil ein solcher ja aus dem Eigentumsrecht (zuletzt 9 Ob 85/00s) oder wenigstens aus einem Nutzungsrecht (8 ObA 252/95) an einer titellos benützten Sache abgeleitet werde. Einer Eigentümergemeinschaft komme ja kein Eigentums- oder Nutzungsrecht an der Liegenschaft zu. Im dortigen Verfahren hatte die klagende Eigentümergemeinschaft ihr Räumungsbegehren auf den Titel des Eigentums gestützt. Im vorliegenden Fall ist das von der Klägerin erhobene Rechtsschutzbegehren darauf gerichtet, einen Heizraum, somit einen notwendigerweise allgemeinen Teil der Liegenschaft (§ 2 Abs 4 zweiter Fall WEG 2002) von unberechtigter Inanspruchnahme durch Dritte freizuhalten. Ein solcher Anspruch kann nicht nur von den Wohnungseigentümern aus dem Titel des Eigentums, sondern auch von der Eigentümergemeinschaft als ordentliche Verwaltungsmaßnahme durchgesetzt werden. Dabei ist die Klägerin keineswegs auf einen Feststellungsanspruch beschränkt, sondern berechtigt, alle dem Ziel der Freimachung und Freihaltung dienenden Ansprüche zu verfolgen, wozu auch ein Räumungsanspruch zu zählen ist. Die Klägerin macht diesfalls nicht eigene Rechte zum Besitz, sondern solche aller Mit- und Wohnungseigentümer geltend. Als „Verwaltungsgemeinschaft" ist sie jedenfalls hinsichtlich notwendig allgemeiner Teile der Liegenschaft Besitzmittlerin für die Gesamtheit der Mit- und Wohnungseigentümer und hat die gesetzliche Zweckbestimmung solcher Liegenschaftsteile, wie hier des Heizraums, im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben und Befugnisse zu gewährleisten.

Die Klägerin ist also zur Verfolgung der Klagsansprüche aktiv legitimiert.

Die Vorinstanzen haben es - ausgehend von ihrer vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht - unterlassen, Sachverhaltsgrundlagen zur Beurteilung der Berechtigung des Begehrens zu schaffen. Das wird im erneuerten Verfahren vom Erstgericht nachzutragen sein. Eine Aufhebung war daher unumgänglich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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