OGH 8ObA252/95

OGH8ObA252/9514.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Ignaz Gattringer als Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erster T*****, Rudolf R*****, vertreten durch Dr.Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Faruk A*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Hans Heißl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.März 1995, GZ 5 Ra 25/95-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. Oktober 1994, GZ 43 Cga 104/94-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Das Haus *****, stand bis April 1994 im Eigentum der Martha M*****, die Kommanditistin der klagenden Partei war. Martha M***** hat das gesamte Haus schon vor vielen Jahren der klagenden Partei zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Die klagende Partei hat in den Wohnungen dieses Hauses insbesondere Dienstnehmer untergebracht, darunter auch Hussein A*****, den Vater des Beklagten, der seit 1974 eine dieser Wohnungen bewohnt. Der Beklagte wohnte von klein auf ebenfalls in dieser Wohnung. 1988 wurde er ebenso wie sein Vater als Arbeiter bei der klagenden Partei eingestellt und blieb zunächst weiterhin in der Wohnung seines Vaters wohnhaft. Anfang 1992 bat der Beklagte den Geschäftsführer der klagenden Partei, Mag.Peter Z*****, ihm die streitgegenständliche Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern mit Kochmöglichkeit, WC und Veranda, zu Wohnzwecken zu überlassen. Zwischen dem Beklagten und Mag.Z***** wurde vereinbart, daß dem Beklagten die Wohnung unentgeltlich überlassen wird. Dem Beklagten wurde bei der Lohnverrechnung für die Benutzung der Wohnung auch keinerlei Sachbezug angerechnet.

Mitte 1992 entzog die Eigentümerin des Hauses, Martha M*****, ihrem Schwiegersohn, dem Geschäftsführer der klagenden Partei Mag.Peter Z*****, die Verfügungsbefugnis über das Haus. Als sie feststellte, daß die gegenständliche Wohnung vom Beklagten bewohnt wird, versuchte sie ua auch diese Wohnung zu räumen und brachte am 20.12.1993 zu 17 C 1053/93 des Bezirksgerichtes Innsbruck gegen den Beklagten eine Räumungsklage ein. Bereits vorher, nämlich Ende November 1993, war das Dienstverhältnis zwischen dem Beklagten und der klagenden Partei einvernehmlich beendet worden, wobei der Beklagte auch ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß er mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auch die Wohnung zu räumen habe, wobei aber dem Beklagten auf sein Ersuchen zur Räumung eine Übergangszeit von 1 bis 2 Monaten mit weiterer unentgeltlicher Nutzung der Wohnung gewährt wurde.

Im März 1994 kam es dann zu einem Gespräch zwischen dem Beklagten und Reingard S*****, der Tochter der Martha M*****, das diese in Vertretung ihrer Mutter mit dem Ziel führte, eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der Benutzung der Wohnung durch den Beklagten zu erzielen. Am Gespräch nahm auch der Vater des Beklagten, Hussein A*****, teil. In diesem Gespräch kam Reingard S***** in Vertretung ihrer Mutter als Liegenschaftseigentümerin mit dem Beklagten überein, daß dieser unter der Voraussetzung, daß er einen Mietzins entrichtet, weiterhin in dieser Wohnung als Mieter verbleiben könne. Anfang April 1994 verkaufte jedoch Martha M***** die Liegenschaft mit dem Haus an Siegfried M*****. Zwischen dem Beklagten und dem neuen Eigentümer des Hauses kam es zu keiner mietvertraglichen Vereinbarung über diese Wohnung. Wohl aber haben die klagende Partei und Siegfried M***** ua hinsichtlich dieser Wohnung einen Mietvertrag geschlossen, nach dem nunmehr die klagende Partei Mieterin dieser Wohnung ist.

Martha M***** schränkte in der Folge ihre Räumungsklage gegen den Beklagten zu 17 C 1053/93 des Bezirksgerichtes Innsbruck auf Kosten ein. Mit Urteil vom 11.10.1994 wurde Martha M***** zum Kostenersatz verpflichtet, wobei das Bezirksgericht Innsbruck davon ausging, daß bei dem Gespräch wenige Tage vor dem Verkauf der Liegenschaft mit dem Beklagten vereinbart wurde, daß er in der Wohnung bleiben kann und dafür einen angemessenen Mietzins zu bezahlen hat. Rechtlich würdigte das Bezirksgericht Innsbruck diesen Sachverhalt dahin, daß die Vereinbarung eines angemessenen Bestandzinses zum gültigen Zustandekommen des Bestandvertrages genüge und sohin keine titellose Benützung durch den Beklagten vorliege. Dieses Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Die klagende Partei begehrte mit der am 27.5.1994 eingebrachten Klage, den Beklagten zur Räumung der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses titellos benützten Dienstwohnung zu verpflichten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, er habe mit der früheren Hauseigentümerin einen mündlichen Mietvertrag geschlossen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es von dem eingangs festgestellten Sachverhalt und der Ergänzung, daß es infolge des Verkaufes des Hauses zu der in Aussicht genommenen Mietvertragsunterfertigung nicht mehr gekommen sei, ausging. Rechtlich führte das Erstgericht aus, für die dem Beklagten überlassene Dienstwohnung sei das Mietrechtsgesetz nicht anzuwenden (§ 1 Abs 2 Z2 MRG). Ein Mietvertrag zwischen dem Beklagten und der Hauseigentümerin sei nicht zustandegekommen, sodaß der Beklagte keinen die Benützung der Wohnung rechtfertigenden Titel habe. Zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Ende November 1993 sei Mag.Peter Z***** für den Arbeitgeber berechtigt gewesen, die Räumung der Wohnung zu begehren.

Das Berufungsgericht gab der gegen das erstgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei - nach Verwerfung der Nichtigkeitsberufung - Folge, und änderte es dahin ab, daß das Räumungsbegehren abgewiesen wurde. Die Nichtigkeitsgründe, nämlich die behauptete Rechtskraft des im Verfahren 17 C 1053/93 des BG Innsbruck ergangenen Urteiles lägen nicht vor. Dieses Urteil habe nach Einschränkung auf Kostenersatz zwischen dem von der klagenden Partei verschiedenen Kläger und dem Beklagten keine Rechtskraftwirkung für das gegenständliche Verfahren. Der klagenden Partei fehle jedoch die Aktivlegitimation zur Räumungsklage, da sie nicht Eigentümerin des Hauses sei, weshalb es sich erübrige, auf die Mängel - und Beweisrüge der beklagten Partei einzugehen (S 9 des berufungsgerichtlichen Urteiles = AS 181). Die Befugnis zur Räumungsklage ergebe sich aus dem Recht des Eigentümers, seine ihm vorenthaltene Sache von jedem Inhaber gerichtlich zu fordern. Wenn auch analog zu § 372 ABGB der auf einen schuldrechtlichen Titel gestützte Sachinhaber mit einer Räumungsklage geschützt werde, sei die klagende Partei nie in die Sachinnehabung ihres nunmehrigen Mietrechtes gelangt. Ihre frühere, von der früheren Hauseigentümerin abgeleitete Verfügungsbefugnis sei dadurch erloschen, daß der klagenden Partei vor dem Verkauf des Hauses die Verfügungsbefugnis entzogen worden sei. Die klagende Partei habe erst durch den Vertrag mit dem neuen Hauseigentümer ihr Mietrecht zu einer Zeit erworben, als schon der Beklagte faktisch die Wohnung benützte und die Sachinnehabung auf ein Mietverhältnis mit der Voreigentümerin stützte. Dadurch sei die klagende Partei nie in die Sachinnehabung ihres nunmehrigen Mietrechtes gelangt.

Die Revision sei zulässig, die Klagebefugnis des früheren Arbeitgebers betreffend eine Räumungsklage hinsichtlich der früheren Dienstwohnung, die nicht im Eigentum des Arbeitgebers steht, stelle eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG dar.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des Eventualantrages auch berechtigt.

Die Räumungsklage des Hauseigentümers gegen den titellosen Inhaber einer Wohnung ist als Eigentumsklage zu beurteilen (E 14 zu § 366 ABGB in MGA34); dies schließt aber keineswegs aus, daß ein anderweitig Nutzungsberechtigter (Hauptmieter, Fruchtnießer und andere) derivativ seine Berechtigung an einen anderen übertragen und nach Ende des derivativen Benützungsrechtes die Räumung begehren kann. Dies unter der Voraussetzung, daß die Übertragung des Nutzungsrechtes zulässig ist, was etwa bei der Unübertragbarkeit des Gebrauchsrechtes (§ 507 zweiter Halbsatz ABGB) bzw im Falle eines Umgehungsgeschäftes (§ 2 Abs 3 MRG) nicht der Fall wäre.

Es besteht kein Zweifel, daß auch der Arbeitgeber, der nicht Eigentümer der einem Arbeitnehmer überlassenen oder weiter belassenen Wohnung ist, die Räumung der Wohnung nach Beendigung des die Benützung rechtfertigenden Rechtsverhältnissen begehren kann. Wenn auch die Räumungsklage des Eigentümers bei - von einem anderen Verfügungsberechtigten - abgeleiteter Benützungsbefugnis unzulässig ist (MietSlg 41.008 mwN), so steht diese Befugnis dem Arbeitgeber, dem die Nutzungsberechtigung - unabhängig von der Sachinnehabung - vom Hauseigentümer übertragen worden war, zu und zwar wegen des schuldrechtlichen Bandes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch nach Beendigung der Nutzungsbefugnis des Arbeitgebers. Dies umsomehr, wenn dem Arbeitgeber vom neuen Eigentümer erneut eine Nutzungsbefugnis eingeräumt wurde. Daß daneben möglicherweise auch dem Hauseigentümer das Recht zusteht, gegen den titellosen Benützer mit Räumungsklage vorzugehen, schließt die entsprechende Klagebefugnis des früher nutzungsberechtigten Arbeitgebers, der sodann sein Nutzungsrecht auf eine Vereinbarung mit dem neuen Eigentümer gründen kann, nicht aus. Das notwendige Korrelat zur Verfügungsberechtigung des nutzungsberechtigten Arbeitgebers ist daher die Klageberechtigung, die Beendigung des abgeleiteten Nutzungsrechtes des Arbeitnehmers gerichtlich durchzusetzen (im gleichen Sinn OLG Linz in Arb 10.766 unter Hinweis auf die unzulässige Trennung von materieller Rechtsbefugnis und die Willkür der Prozeßstandschaft). Das Berufungsgericht hat schon zutreffend ausgeführt, daß das im Verfahren zwischen der (früheren) Hauseigentümerin und dem Beklagten ergangene Urteil keine Rechtskraftwirkung auf die am Verfahren nicht beteiligte klagende Partei (dem früheren Arbeitgeber des Beklagten) haben kann (§ 411 ZPO).

Da das Berufungsgericht ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht die Berufung des Beklagten hinsichtlich der Mängel - und Beweisrüge nicht vollständig erledigte, erweist sich das Verfahren von dem Berufungsgericht als ergänzungsbedürftig, insbesondere hinsichtlich des vom Berufungswerber behaupteten Abschlusses eines Mietvertrages, der auch für den späteren Käufer des Hauses wirksam wäre.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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