BVwG W257 2146880-1

BVwGW257 2146880-123.2.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W257.2146880.1.00

 

Spruch:

W257 2146880-1/15E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert Gerhard MANTLER, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX, Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 19.01.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.02.2018 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

1. Verfahrensgang

 

1.1. Der Beschwerdeführer wurde gemeinsam am 04.09.2014 mit seinem Cousin väterlicherseits XXXX am Linzer Hauptbahnhof von der Polizei angehalten und stellte am 05.09.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

1.2. In seiner Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.09.2014 gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan, stamme aus dem Distrikt XXXX, aus der Provinz Ghazni, sei schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er sei ledig und kinderlos.

 

1.1.1. Aus Afghanistan sei er geflohen, weil in seinem Dorf eines Tages ein amerikanischer Fahrzeugkonvoi durchgefahren sei und die Taliban vermutet hätten, dass er und sein Bruder die Talibanpräsenz in dem Dorf den Amerikanern verraten hätte. Daraufhin sei es zu einem Schusswechsel zwischen den Taliban und den Amerikanern gekommen. Sein Bruder sei von den Taliban am gleichen Tag getötet worden.

 

1.1.2. Er habe einen Vater, eine Mutter, drei jüngere Brüder und eine Schwester. Alle würden noch in dem Heimatdorf leben. Die Schlepperkosten hätten ca 6.000 Euro betragen.

 

1.1.3. Er könne nach Afghanistan nicht mehr zurückkehren, weil er genauso wie sein Bruder umgebracht werden würde.

 

1.3. Mit Verfahrensanordnung vom 08.07.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, (in Folge: "BFA" genannt) das Geburtsdatum des Beschwerdeführers unter Verweis auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 20.05.2015 mit XXXX fest.

 

1.4. Am 23.06.2015 gab der Beschwerdeführer vor dem Richter des Bezirksgerichtes Gänserndorf als Pflegschaftsgericht an, dass sein Vater von den Taliban verschleppt worden wäre. Dies wurde im späteren Verfahren nicht mehr vorgebracht.

 

1.5. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 29.07.2016 wiederholte der Beschwerdeführer im Grunde die Angaben wie er Sie vor der Polizei tätigte. Er stamme aus dem DorfXXXX, aus dem Distrikt Andar, aus der Provinz Ghazni. Es sei mit seinem Bruder zur Feldarbeit gegangen, hätte bemerkt dass ein amerikanischer Konvoi durch die Ortschaft fahre, hätte ebenso bemerkt dass die Taliban auf diesen Konvoi warten würden, sei in der Folge von einem Dolmetscher der Amerikaner gefragt worden ob sich in dieser Ortschaft Taliban aufhalten würden, sei in ein Feuergefecht zwischen den wartenden Taliban und ankommenden Amerikanern geraten, sei anschließend mit seinem Bruder nach Hause gelaufen, sei - als sein Bruder am Abend die Tür öffnete und sofort öffnen Taliban beschossen worden sei - zu seiner Tante geflohen, hätte dort zwei Tage verbracht und als dem Vater ihm Geld gesandt hätte, wäre er nach Europa geflohen. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren weil er sofort von den Taliban umgebracht werden würde.

 

1.6. Am 30.8.2016 wurde der Beschwerdeführer von seinem Wohnort in Gänserndorf von der Polizei weggewiesen. Es wurde ebenso ein Betretungsverbot ausgesprochen. Grund war die Auseinandersetzung mit einem Mitbewohner der Unterkunft wobei dieser verletzt und in das Krankenhaus gebracht wurde. Es kam zu keiner Anklageerhebung seitens der StA.

 

1.7. Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit oben genanntem Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Eingangs führte die Behörde die Verfahrensschritte zur Altersfeststellung aus und legte dar, warum die Behörde XXXX um ein zusammenfassendes Gutachten ersuchte. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen, war es für die Behörde zusammengefasst nicht schlüssig, weswegen der Beschwerdeführer geflohen sei. Er sei - nach seinen Schilderungen und insofern nicht überprüfbar - Zeuge einer Kampfhandlung zwischen den Taliban und den Amerikanern gewesen. Die Aggression hätte sich nicht gegen Ihn oder seinen Bruder gerichtet. Der Darstellung, dass sein Bruder am gleichen Tag im Haus der Eltern erschossen worden sei, sei für die Behörde nicht glaubhaft gewesen. Die Behörde vermeinte, dass eine Rückkehr nach Afghanistan, speziell nach Kabul, möglich und zumutbar wäre, weil er unter anderem die Unterstützung seiner Familie erwarten könne.

 

1.8. Gegen den abweisenden Spruchteil richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des Beschwerdeführers, wobei er im Wesentlichen die Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht und unrichtige Beweiswürdigung geltend machte.

 

1.9. Zusätzlich zu den bisher vor dem BFA vorgebrachten Fluchtgründen (primäres Fluchtvorbringen) brachte er ergänzend vor, dass er wegen der Zugehörigkeit zur Minderheit der schiitischen Hazara einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt sei.

 

1.10. Beweise wurden aufgenommen durch die Einvernahme des Beschwerdeführers, Einsicht in den Verwaltungsakt (OZ 1), einem Strafregisterauszug vom 06.02.2018, einer Anfrage bei der Sicherheitsbehörde erster Instanz (sh dazu oben unter Punkt 1.6; OZ 7 und OZ 10),

 

1.11. sowie aus den unten angeführten Länderberichten, welche am 14.12.2017 den Parteien zur Stellungnahme (OZ 8) zugesandt wurden:

 

 

 

 

Stellungnahmen seitens der Verfahrensparteien langten dazu nicht ein.

 

1.12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.02.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner gewillkürten Rechtsvertretung ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der Behörde übermittelt.

 

1.13. In der mündlichen Verhandlung wiederholte er im Grunde die Angaben vor der Behörde. Die Rechtsvertretung wies auf die fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers hin.

 

1.14. In der Verhandlung wurde der Rechtsvertretung nochmals eine 14-tägige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme langte seitens der Vertrauensperson - ohne einer Vollmacht des Beschwerdeführers - ein (sh dazu nächsten Punkt).

 

1.15. Nach dieser Verhandlung langten seitens seiner Vertrauensperson am 08.02.2018 (OZ 12), am 19.02.2018 (OZ 13) und am 21.02.2018 (OZ 14) am mehrere Stellungnahmen und Unterstützungserklärungen, sowie eine bedingte Einstellungszusage ein. Eine Vollmacht des Beschwerdeführers an diese Vertrauensperson liegt nicht vor, weswegen Sie auch nicht als Beweismittel in das Verfahren einbezogen werden können. Dessen ungeachtet zeichnet sich ein durchwegs gleichbleibendes Bild von dem Beschwerdeführer: Er ist hilfsbereit und in der Örtlichkeit XXXX gut integriert.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

2. Feststellungen

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

 

Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Angaben zu seiner Person dienen lediglich einer Identifizierung für das Verfahren. Der Beschwerdeführer ist volljährig Staatsbürger von Afghanistan. Er ist im Dorf XXXX, im Distrikt XXXX, in der gleichnamigen Provinz aufgewachsen. Er lebte bis zu seiner Ausreise in diesem Dorf, wobei er nur zwei Jahre (im Alter von 7 bis 9) die Schule besucht hat. Er arbeitete in der Landwirtschaft auf den Feldern seines Vaters. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten.

 

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte, gemeinsam mit seinem Verwandten aus der gleichen Ortschaft, am 05.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus dem

 

 

 

Sowohl die Kernfamilie als auch sein Onkel arbeiten in der Landwirtschaft. Seine Familie befindet sich noch in Afghanistan.

 

Der Beschwerdeführer hatte regelmäßig Kontakt zu seiner Familie. Er verfügt über keine Anknüpfungspunkte in Kabul und wohnte noch nie in Kabul.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass sein weiterer Bruder namens XXXX verstorben ist.

 

Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanzielle Unterstützung durch die Familie erfahren können.

 

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Episode und hat Angstzustände und Schlafstörungen. Er ist arbeitsfähig und grundsätzlich gesund. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Taliban verfolgt wurde, psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt war oder im Falle der Rückkehr verfolgt werden würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass er von den Taliban zwangsrekrutiert werden würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass er aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazaras verfolgt wurde oder im Falle der Rückführung verfolgt werden würde.

 

Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem Cousin, XXXX XXXX, aus Afghanistan aus.

 

Der Beschwerdeführer reiste aus wirtschaftlichen Gründen aus Afghanistan aus.

 

2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

 

Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Ghazni ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

 

Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in eine größere Stadt wie zB nach Kabul kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Der Beschwerdeführer liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

 

2.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

 

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung am 05.09.2014 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bezieht seit seiner Antragstellung Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

 

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen Cousin väterlicherseits. Mit diesem ist er gemeinsam nach Österreich eingereist. Er hat zu diesen keinen persönlichen Kontakt.

 

Der Beschwerdeführer konnte den Besuch einiger Deutschkurse vorweisen. Eine Prüfung hat er noch nicht abgeschlossen. Er ist am 23.02.2018 für die Prüfung A1 und am 06.04.2018, sowie am 07.04.2018 für die Prüfung A2 angemeldet.

 

Er betätigt sich in seiner Freizeit sportlich (Fußball). Er lebt in XXXX, NÖ. Er ist dort gut integriert. Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht war eine Vertrauensperson anwesend. Er arbeitet 12 Stunden bei einem Sozialdienst, stellte im Februar 2018 über das AMS eine Bewerbung als Tischler in einem örtlichen Unternehmen in XXXX.

 

Er konnte sich mit dem Richter in der mündlichen Verhandlung am 08.02.2018 flüssig unterhalten, dies auch seinen 4-jährigen Aufenthalt in Österreich zurückzuführen ist. Er hat keine Partnerschaft oder Sorgepflichten in Österreich. Er ist Mitglied bei Amnesty International und einem Sportverein in Wien (XXXX), den er aber wegen der Entfernung zum Wohnort derzeit nicht aufsucht. Es liegen drei Empfehlungsschreiben von Privatpersonen vor (sh zu den weiteren Schreiben unter Punkt 1.15). Der Beschwerdeführer ist in XXXX gut integriert.

 

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

2.5.1. UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016,

 

"[...] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:

 

(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und

 

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

 

[...] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [...] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [...] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [...] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.

 

[...]

 

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

 

Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [...]"

 

2.5.2. Allgemeine Lage in Afghanistan:

 

2.5.2.1. Auszug von der integrierten Kurzinformation vom 21.12.2017; beinhaltet im Länderinformationsblatt, Punkt 1:

 

"Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

 

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

 

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017)."

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.)....

 

High-profile Angriffe:

 

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

 

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

 

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

 

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)."

 

2.5.2.2. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Punkt 3:

 

"Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016)."

 

2.5.3. Lage im Herkunftsort des Beschwerdeführers (Provinz Ghazni)

 

2.5.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Punkt 2:

 

"Ghazni

 

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

 

Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet - die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

 

Gewalt gegen Einzelpersonen 39

 

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 952

 

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 140

 

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 155

 

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 4

 

Andere Vorfälle 2

 

Insgesamt 1.292

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

 

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vgl. auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

 

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

 

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vgl. auch:

ATN News 19.2.2017).

 

Quellen:

 

[...]"

 

2.5.4. Allgemeine Lage von Kabul

 

2.5.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Punkt 2

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Distrikt Kabul

 

Gewalt gegen Einzelpersonen 21

 

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 18

 

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 50

 

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 31

 

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 28

 

Andere Vorfälle 3

 

Insgesamt 151

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

Gewalt gegen Einzelpersonen 5

 

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe 89

 

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen 30

 

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften 36

 

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt 1

 

Andere Vorfälle 0

 

Insgesamt 161

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Quellen:

 

[...]

 

2.5.5. Sicherheitslage in Kabul

 

Sh Punkt 2.5.1. und 2.5.4

 

2.5.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, KI vom 22.6.2017:

Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

"High-profile Angriffe:

 

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017). [...]"

 

2.5.6. Versorgungslage in Kabul

 

2.5.6.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Punkt 21 (Grundversorgung und Wirtschaft)

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016). [...]

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

2.5.7. Zu den Hazaras

 

2.5.7.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Punkt 16.1

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

2.5.7.2. Auszug aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 02.09.2016, a-9737-V2, zur Lage der Hazara:

 

"In einem Update zur Sicherheitslage in Afghanistan vom September 2015 thematisiert die regierungsunabhängige Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Situation von Hazara und beschreibt Maßnahmen gegen Hazara wie folgt:

 

‚Diskriminierung gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten sind verbreitet und es kommt immer wieder zu Spannungen zwischen verschiedenen Ethnien, welche zu Todesopfern führen. Die Diskriminierung Angehöriger der Hazara äußert sich in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung. Hazara wurden überdurchschnittlich oft zu Opfern gezielter Ermordungen.' (SFH, 13. September 2015, S. 18)

 

Der im April 2016 veröffentlichte Länderbericht des US-Außenministeriums (US Department of State, USDOS) zur Menschenrechtslage (Berichtsjahr: 2015) hält fest, dass Hazara von fortwährender, sozial, rassisch oder religiös motivierter gesellschaftlicher Diskriminierung in Form von Gelderpressungen durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen seien. Laut NGOs seien Hazara-Mitglieder der Afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte (ANSF) einem stärkeren Risiko ausgesetzt, in unsicheren Gebieten eingesetzt zu werden als Nicht-Hazara-Beamte. Aus mehreren Provinzen, darunter Ghazni, Zabul und Baghlan, seien eine Reihe von Entführungen von Hazara berichtet worden. Die Entführer hätten Berichten zufolge ihre Opfer erschossen, enthauptet, Lösegeld für sie verlangt oder sie freigelassen. Im Februar 2015 hätten Aufständische 31 Hazara-Männer aus einem Bus in der Provinz Zabul entführt und im Mai 2015 19 Geiseln und im November 2015 acht weitere freigelassen. Mit Stand November 2015 seien die übrigen vier Geiseln weiterhin vermisst gewesen. ...

 

Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) bemerkt in ihrem im Februar 2016 erschienenen Jahresbericht zum Jahr 2015, dass sie während des Jahres 2015 einen starken Anstieg bei Entführungen und Tötungen von Hazara-ZivilistInnen durch regierungsfeindliche Kräfte verzeichnet habe. So hätten regierungsfeindliche Kräfte zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2015 mindestens 146 Mitglieder der Hazara-Gemeinde bei insgesamt 20 verschiedenen Vorfällen getötet. Mit Ausnahme eines einzigen Vorfalls hätten sich alle in ethnisch gemischten Gebieten ereignet, die sowohl von Hazara als auch von Nicht-Hazara-Gemeinden besiedelt seien, und zwar in den Provinzen Ghazni, Balch, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jowzjan und Ghor. UNAMA habe die Freilassung von 118 der 146 entführten Hazara bestätigen können.

 

13 entführte Hazara seien von regierungsfeindlichen Kräften getötet worden, während zwei weitere in Geiselhaft verstorben seien. UNAMA habe den Verbleib der übrigen Geiseln nicht eruieren können. Die Motive für die Entführungen seien unter anderem Lösegelderpressung, Gefangenenaustausche, Verdacht der Mitgliedschaft bei den Afghanischen Nationalen Sicherheitskräften (ANSF) und Nichtbezahlung illegaler Steuern gewesen. In manchen Fällen seien die zugrundeliegenden Motive unbekannt gewesen. UNAMA führt folgende Beispiele für Entführungen und anschließende Tötungen von Hazara an:

 

Am 23. Februar 2015 seien im Bezirk Shajoy der Provinz Zabul 30 Hazara-Insassen zweier öffentlicher Busse, die von Herat nach Kabul unterwegs gewesen seien, von regierungsfeindlichen Gruppen entführt worden. Drei der Entführungsopfer seien während ihrer Gefangenschaft getötet worden, während zwei offenbar aufgrund von natürlichen Ursachen verstorben seien. Zwischen Mai und August 2015 seien die übrigen Geiseln freigelassen worden, nachdem es Berichten zufolge zu einem Austausch mit einer Gruppe von Häftlingen gekommen sei.

 

Am 13. Oktober 2015 hätten regierungsfeindliche Kräfte sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter zwei Frauen, zwei Jungen und ein Mädchen, die sich auf der Autobahn zwischen Kabul und Kandahar auf dem Weg in den Distrikt Jaghuri (Provinz Ghazni) befunden hätten, entführt. Stammesälteste hätten sich vergeblich um deren Freilassung bemüht. Die Hazara seien im Distrikt Arghandab der Provinz Zabul festgehalten worden, bis Kämpfe zwischen rivalisierenden regierungsfeindlichen Gruppen, darunter auch der Gruppe, zu denen die Entführer gehört hätten, ausgebrochen seien. Im Zeitraum von 6. bis 8. November hätten die regierungsfeindlichen Kräfte allen sieben Hazara-ZivilistInnen, darunter auch den Kindern, die Kehlen durchgeschnitten. Dieser Vorfall habe Demonstrationen in der Stadt Kabul ausgelöst, bei denen mehr Schutz für die Hazara-Gemeinschaft gefordert worden sei. [...]

 

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll, nennt in einem Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan vom Jänner 2016 Beispiele von Sicherheitsvorfällen, die Hazara betreffen. Demnach seien im Februar 2015 bei zwei Vorfällen Mitglieder der Hazara Minderheit von maskierten bewaffneten Männern im Distrikt Kajran [Provinz Daykundi, Anm. ACCORD] in ihren Fahrzeugen gestoppt worden. Die Reisenden seien nach ihrem religiösen Glauben gefragt worden und 55 der Reisenden seien entführt und an unbekannte Orte gebracht worden. Laut offiziellen Quellen hätte es sich bei den Entführern um Taliban gehandelt, Augenzeugenberichte würden aber auf eine Beteiligung der Gruppe Islamischer Staat (IS) hindeuten. [...]

 

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erwähnt in ihrem World Report vom Jänner 2016, dass es im Jahr 2015 einen Anstieg von Entführungen und Geiselnahmen von ZivilistInnen durch aufständische Gruppen gegeben habe, darunter auch die zwei Vorfälle in der Provinz Zabul, nämlich die Entführung und Tötung von 7 ZivilistInnen am 9. November und die Entführung von 31 Businsassen am 23 Februar, von denen 19 wieder freigelassen worden seien. In beiden Fällen seien die Opfer offenbar wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu den Hazara ins Visier genommen worden.

[...]

 

Der in Prag ansässige, vom US-Kongress finanzierte Radiosender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im August 2015, dass vier Männer, die in der Woche zuvor entführt worden seien, im Distrikt Nawur der Provinz Ghazni erschossen aufgefunden worden seien. Bei drei der Toten handle es sich um Hazara, bei dem Vierten um einen Paschtunen. Bei einem weiteren Vorfall im August seien mindestens acht weitere Hazara auf dem Weg in die Stadt Ghazni entführt worden. Im Februar seien 30 Hazara in der Provinz Zabul, im Süden von Ghazni, entführt worden. 19 seien im Mai wieder freigelassen worden, zwei seien getötet worden, und neun seien noch als vermisst gemeldet. Im Juli seien 11 Hazara im Norden der Provinz Baghlan entführt worden. [...]

 

Die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) berichtet im September 2015, dass Bewaffnete im Distrikt Zari der größtenteils ruhigen Provinz Balch 13 männliche Hazara erschossen hätten, nachdem sie zwei Fahrzeuge aufgehalten und die Insassen gezwungen hätten, auszusteigen. [...]

 

Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) berichtet im November 2015 über die Entführung von mindestens sieben Hazara durch die Taliban, nachdem es zu einem lokalen Streit um Schafe gekommen sei. Die Taliban hätten drei Busse in der Provinz Zabul aufgehalten und zunächst 17 Geiseln genommen und neun von ihnen wieder freigelassen. Ein örtlicher Taliban-Anführer habe die Entführungen mit der Begründung angeordnet, dass Hazara Schafe gestohlen hätten. [...]

 

In einer Pressemitteilung vom November 2015 schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über Proteste in der afghanischen Hauptstadt Kabul am 11. November 2015 aufgrund einer Reihe von ethnisch motivierten Tötungen.

 

Die Pressemitteilung berichtet über die Entführung und anschließende Tötung von sieben Hazara, darunter auch zwei Mädchen, am 9. November in der Provinz Zabul. Es habe sich keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt.

 

Weiters wird beschrieben, dass sich die Sicherheitslage im Berichtsjahr 2015 in vielen Gebieten Afghanistans verschlechtert, die Gewalt gegen Zivilisten zugenommen habe und dass es zu internen Machtkämpfen zwischen rivalisierenden Fraktionen innerhalb der Taliban gekommen sei. HRW berichtet, dass eine der größten Splitterfraktionen der Taliban von Mullah Abdul Manan Niazi angeführt werde, welcher zur Zeit des Massakers an tausenden von Hazara in Mazar-e-Sharif 1998 Taliban-Gouverneur in der Provinz Balch gewesen sei. Diese Gruppe werde Berichten zufolge vom Islamischen Staat (IS) unterstützt und sei in dem Gebiet in der Provinz Zabul aktiv, in dem die sieben Hazara getötet worden seien.

 

Wenngleich alle Zivilisten in Konfliktgebieten gefährdet seien, würden die Tötungen in Zabul die besondere Gefährdung aufzeigen, mit denen Hazara konfrontiert seien. In den vergangenen zwei Jahren seien bei einer Reihe von Vorfällen Hazara-Buspassagiere von anderen Insassen ausgesondert und entführt und in manchen Fällen getötet worden. [...]

 

BBC Monitoring schreibt in der Zusammenfassung eines Berichts der in Pakistan ansässigen privaten Nachrichtenagentur Afghan Islamic Press News Agency im März 2016, dass in der nördlichen Provinz Sar-e Pol 11 Hazara entführt worden seien. Laut des Polizeichefs der Polizeizentrale von Sar-e Pol, seien die 11 Hazara aufgrund ihrer Ethnizität von den Taliban entführt worden. Es handle sich bei den Entführten um Zivilisten, die nicht für die Regierung arbeiten würden. Die Taliban hätten sich noch nicht zu dem Vorfall geäußert.

 

In der Vergangenheit seien einige ethnische Hazara in Zabol, Ghazi und anderen Provinzen entführt worden. Manche seien freigelassen, andere seien getötet worden. [...]

 

Im Juni 2016 berichtet die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP), dass Bewaffnete im Bezirk Santscharak der Provinz Sar-e-Pul mindestens 17 reisende Hazara, bei denen es sich allesamt um Zivilisten, die nicht mit der Regierung in Verbindung gebracht werden könnten, handle, aus ihren zivilen Fahrzeugen gezerrt und in ein entlegenes Gebiet gebracht hätten, das sich unter Taliban-Kontrolle befinde. Laut dem ortsansässigen Gouverneur seien die Dorfältesten gebeten worden mit den Taliban über die Freilassung der Entführten zu verhandeln. [...]

 

Zwei Tage später berichtet Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), dass die 17 oben erwähnten, von den Taliban entführten Hazara freigelassen worden seien. Der Vorfall in der Provinz Sar-e-Pul sei Teil einer Serie von Angriffen auf zivile Fahrzeuge gewesen. Die Taliban hätten sich nicht zu dem Vorfall geäußert.

 

In den letzten Monaten habe es einen Anstieg der Gewalt gegen Hazara in Form einer Reihe von Entführungen und Tötungen gegeben. In einem der letzten Vorfälle hätten die Taliban 10 Busreisende getötet, viele davon seinen summarisch hingerichtet worden, und ein Dutzend andere seien im Norden der Provinz Kunduz entführt worden. Laut dem Provinz-Gouverneur hätten die Dorfältesten und die ortsansässigen Bewohner die sichere Befreiung der Geiseln, bei denen es sich um Zivilisten handelte, ausgehandelt. [...]

 

In einem Statement vom Juni 2016 äußert sich die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UN Assistance Mission in Afghanistan, UNAMA) besorgt über den Anstieg von Entführungen, Geiselnahmen sowie summarischen Hinrichtungen und berichtet von einer bewaffneten Entführung von 25 ZivilistInnen, bei denen es sich Berichten zufolge allesamt um Hazara gehandelt habe. Die Entführten seien in zwei Fahrzeugen im Bezirk Balkh Ab, der nördlichen Provinz Saripul (Sar-e-Pul), unterwegs gewesen. Während vier Frauen und ein älterer Herr wieder freigelassen worden seien, sei der Verbleib der 20 Anderen nicht bekannt. [...]

 

Im Juli 2016 beschreibt die deutsche Tageszeitung (Taz) einen Anschlag der Gruppe Islamischer Staat (IS) während einer Demonstration von Hazara in der Stadt Kabul, bei dem mindestens 80 Personen ums Leben gekommen seien:

 

‚Die Zahl der Todesopfer bei einem Anschlag auf friedliche Demonstranten in der afghanischen Hauptstadt Kabul ist auf mindestens 80 gestiegen. Außerdem seien bei dem Bombenanschlag am Samstag 231 Menschen verletzt worden, teilte das afghanische Innenministerium mit. Nach vorläufigen Informationen sei die Tat von drei Selbstmordattentätern begangen worden. ‚Der dritte Angreifer wurde von Sicherheitskräften niedergeschossen', hieß es weiter.

[...]

 

Tausende Angehörige der ethnischen Minderheit der Hazara hatten in der afghanischen Hauptstadt für den Bau einer Stromtrasse in der vernachlässigten Region Bamijan demonstriert, als inmitten der Menschenmenge mindestens ein Sprengsatz detonierte. Ein AFP-Fotograf sah am Tatort dutzende zum Teil völlig zerfetzte Leichen. Krankenwagen hatten Schwierigkeiten, zum Explosionsort zu gelangen, weil die Behörden Straßenkreuzungen blockiert hatten, um zu verhindern, dass die Demonstranten zum Präsidentenpalast marschieren.

 

Zu der Tat bekannte sich die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS). Die radikalislamischen Taliban, die derzeit ihre Sommeroffensive gegen die afghanischen Sicherheitsbehörden führen, wiesen jegliche Beteiligung an dem Anschlag zurück." (Taz, 23. Juli 2016)

 

In einem weiteren Artikel vom Juli 2016, geht die Taz auf die Motive für den oben beschriebenen Anschlag ein:

 

‚Der IS-Anschlag auf die Friedensdemo in Kabul mit mindestens 80 Toten hatte militärisch keinen Sinn. Ziel war eine schiitische Minderheit.

 

Es gibt kaum Zweifel daran, dass der schwere Anschlag am Sonnabend in Kabul vom örtlichen Ableger des Islamischen Staates (IS) durchgeführt worden ist. Die Handschrift des Anschlags spricht eindeutig dafür: Es ist ein skrupelloser Akt ohne jeglichen militärischen Sinn: gegen den friedlichen, von Zivilisten getragenen Protest der schiitischen Hazara-Minderheit und gegen die schiitische Minderheit insgesamt gerichtet, die vom IS und seinen Geistesgenossen nicht als ‚richtige' Muslime angesehen werden.'

(Taz, 25. Juli 2016)

 

[...]"

 

2.5.8. Medizinische Versorgung in Afghanistan

 

2.5.8.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Punkt 22:

 

"Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016). [...]"

 

Die Feststellungen ergeben sich aus der folgenden

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Punkt 2.1)

 

3.1.1. Zu seinen Namen: Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde, in der eingebrachten Stellungnahme und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

3.1.2. Zu sein Geburtsdatum: Nachdem der Beschwerdeführer bei der Polizei angab erst 14 Jahre alt zu sein und daher vorerst als Minderjährig galt, war der gesetzliche Vertreter die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft Gänerndorf. Die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf übertrug diese Vollmacht an XXXX des Vereins "Verein.menschen.leben", 2500 Baden. Am 20.5.2016 erstellte der Gutachter XXXX einen Befund wonach der Beschwerdeführer Untersuchungszeitpunkt im Jahre 2015 ein Mindestalter von 17,5 Jahren hätte. Mit Verfahrensanordnung vom 08.07.2016 wurde somit festgestellt dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren wurde und somit volljährig ist. Die gesetzliche Vertretung, welche XXXX für die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf ausübte, erlosch. Am 11.07.2016 bevollmächtige der nun eigenberechtigte Beschwerdeführer XXXXzur Akteneinsicht. Am 15.07.2016 legte XXXX ohne Bevollmächtigung eine Stellungnahme, sowie Nachweise der Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers vor. In dieser Stellungnahme wurde die Altersfeststellung von XXXX in Zweifel gezogen, weil ein nachträglich eingeholtes Gutachten von dem Ludwig Boltzmann Institut in Graz nicht zum Verfahren zugezogen wurde. Die Behörde legte bereits am 10.6.2016 einen Aktenvermerk an, indem die Vorgehensweise begründet wurde. Die Vorgehensweise ist für das Gericht nachvollziehbar, im Übrigen es auch mittlerweile bei Annahme des seitens XXXX angenommenen Geburtsdatum des Beschwerdeführers, der 01.01.2000, bei ihm die Volljährigkeit eingetreten.

 

3.1.3. Die Feststellung zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers beruht somit für das Gericht auf dem nachvollziehbaren medizinischen Sachverständigengutachten vom 20.05.2015 und der Vorgehensweise der Behörde, ersichtlich auf AS 223 der OZ 1.

 

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Er brachte vor, dass er der Volksgruppe der Bayat angehöre. Der Dolmetscher erklärte bei der Behörde, dass dies ein Unterstamm der Hazara sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht bracht er selbst ebenso vor, dass dies ein Unterstamm von den Hazaras ist. Er wird daher für dieses Verfahren den Hazaras zugeordnet, zudem in der Beschwerde auf die Lage der Hazaras vorgewiesen wird.

 

3.1.4. Zu seinem Herkunftsort: Der Beschwerdeführer gab vor der Polizei an dass er aus XXXX aus der Provinz Ghazni stamme. Vor der Behörde bracht er hervor, dass er aus der Ortschaft XXXX, aus dem Distrikt Andar, aus der Provinz Ghazni stamme.

 

3.1.5. Das Gericht nahm Einsicht in die vorliegenden digitalen Karten der OCHA (District Atlas, April 2014). Es konnte eine Ortschaft mit dem Namen XXXX gefunden werden. Dieses liegt jedoch nicht in dem Distrikt Andar, sondern im Distrikt Ghazni in der gleichnamigen Provinz Ghazni. Ein Ausschnitt davon wurde den Parteien zugesandt. Eine Stellungnahme langte hierzu nicht ein. Der gleiche Ausschnitt wurde dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgehalten. Er brachte vor, dass nach seiner Auffassung sich das Dorf im Distrikt Angar befände. Aufgrund der eindeutigen Karten und der Nähe der Ortschaft zur Grenze zu dem Distrikt Ghazni, wurde entscheiden, dass sich Dorf dem Distrikt Ghazni befindet.

 

3.1.6. Zu seinem Lebenslauf, Familienstand, zu seiner wirtschaftlichen Situation:

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburtsort, seinen Aufenthaltsorten, seinem schulischen und beruflichen Werdegang, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seiner Einreise nach Österreich sowie seiner Fluchtroute waren im Wesentlichen - soweit dies angesichts des fehlenden Bildungshintergrundes gefordert werden kann - gleichbleibend und widerspruchsfrei, weitgehend chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Afghanistan plausibel.

 

Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

 

3.1.7. Zum Aufenthalt seiner Familie und zur Unterstützungsmöglichkeit des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer brachte vor der Behörde, am 29.07.2016 vor, dass sich die Familie nach wie vor im Heimatdorf befände. Vor dem Gericht am 08.02.2018 brachte er dagegen vor, dass die ganze Familie in den Iran gezogen sei. Als Grund gab er an, dass sie wegen ihm belästigt worden wären (Seite 7 der Niederschrift). Weiter befragt brachte er vor, dass die Taliban angeblich zwei- bis dreimal bei seiner Familie gewesen wären.

 

Die Bedrohung durch die Taliban wäre nach seiner Schilderung 2014 gewesen. Vor dem Gericht brachte er vor, dass die Familie im Juni 2017 in den Iran verzogen sei. Das sind drei Jahre nach dem von ihm geschilderten Vorfall mit den Taliban. Dabei handelt es sich bei seiner Familie um Landwirte mit vier Kindern. Befragt, was mit der Landwirtschaft passiert sei, vermeinte er es nicht zu wissen; sein Vater hätte alles zurückgelassen. Er stünde jedoch regemäßig mit Ihnen in Kontakt.

 

Das ist aus mehreren Gründen nicht glaubhaft: (i) Ein Landwirt wird wohl seinen Sohn erklären, was mit den Grundstücken passiert ist, die er in Afghanistan zurückgelassen hat. (ii) Wenn man bedroht werden würde, dann flüchtet man nicht drei Jahre nach der Bedrohung, wobei im gegenständlichen Fall nur von einer "Belästigung" gesprochen wird. Es ist nicht denkbar, nach zwei- oder dreimalige "Belästigung" abzuwarten und dann zwei oder drei Jahre danach zu flüchten. Damit besteht zwischen der Belästigung und dem Wegzug vom Dorf kein sinnlogischer Zusammenhang. Im Übrigen - wie unten festgehalten - bestand keine Bedrohung gegen den Beschwerdeführer. Es ist somit auch von keiner Bedrohung, oder Belästigung gegenüber der Familie auszugehen, die der Beschwerdeführer von seiner persönlichen Bedrohung ableitet ("Dann waren sie bei meiner Familie und haben sie belästigt. Sie waren auf der Suche nach mir," so auf Seite 7 der gerichtlichen Niederschrift). Seine ganze Familie befindet sich daher noch in dem Heimatdorf.

 

3.1.8. Die Feststellung, dass die Familie ihn im Falle der Rückkehr nach Kabul unterstützen könne ergibt sich daraus:

 

Wie aus einen Zugriff unter https://www.aib.af/ am 12.02.2018 durch das Gericht ersichtlich ist, bietet die "Afghanistan International Bank" alle Varianten des Bankwesens inklusive Online Banking an. Neben der "Afghanistan International Bank" sind mit der "New Kabul Bank" auch weitere Banken in Afghanistan tätig und Geldüberweisungen aus dem Ausland und innerhalb von Afghanistan möglich. Die AZIZ Bank, die zweitgrößte Bank bietet weltweiten Bargeldtransfer an. Es ist somit ein Geldtransfer grundsätzlich möglich.

 

Die Familie lebt nach wie vor von der Landwirtschaft und hat dadurch ein Einkommen, das sie auch teilweise dem rückkehrenden Beschwerdeführer zusenden kann. Er selbst brachte vor, dass es der Familie finanziell "mittelmäßig" geht (Seite 7 des Bescheides). Aus diesem Grund geht das Gericht davon aus, dass es den Familienangehörigen möglich wäre, den Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Kabul auch aus der Heimatprovinz finanziell zu unterstützen.

 

3.1.9. Zu dem Treffen mit seinem Cousin in der Türkei:

 

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er alleine aus Afghanistan geflohen sei und erst in der Türkei aus Zufall seinen Cousin traf. Wörtlich brachte er vor, "das war wie Zufall, als ich ihn traf" (Seite 13 der mündlichen Verhandlung). Dem ist kein Glauben zu schenken. Bei Millionen von Flüchtlingen ist es mit den logischen Denkgesetzen nicht vereinbar, dass man getrennt vom Cousin, bei dem man vorher Unterschlupf fand, aus Afghanistan nach Europa flüchtet und ihn dann zufällig in der Türkei wiederfindet. Selbst wenn das der Fall sein sollte, dann ist es mit den logischen Denkgesetzen zu vereinbaren, dass man es aus freien Stücken erzählt und nicht erst bei einer Aufforderung durch den Richter.

 

Der Beschwerdeführer fand laut seinen Aussagen nach seiner Flucht Unterschlupf bei seiner Tante - mit dem besagten Cousin -, flüchtete dann Europa, traf diesen Cousin zufällig in der Türkei und auf die Frage, ob auch dieser Cousin verfolgt werde, würde er das nicht wissen. Es ist nicht denkbar, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Cousin nicht über die Fluchtgeschichte des Cousins unterhielt, wenn er ihn schon zufällig in der Türkei getroffen hat. Dieser Teil seines Fluchtvorbringens ist daher nicht nachvollziehbar. Vielmehr gelangt das Gericht zur Auffassung, dass er gemeinsam mit seinem Cousin aus Afghanistan flüchtete.

 

3.1.10. Zu seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer abgesehen von posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Episode, Angstzustände und Schlafstörungen, grundsätzlich gesund ist und an keinen relevanten medizinischen Beschwerden leidet, konnte aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung getroffen werden. Er erwähnte zwar, dass er krank sei, doch steht dieser Aussage kein dauerhaftes Krankheitsbild entgegen. Die erwähnten Belastungsstörungen ergeben sich aus der Beilage A1 der Niederschrift vom 08.02.2018 (XXXX vom 19.01.2018 und einer Bestätigung der XXXX vom 22.01.2018, dass er an unter einer traumapsychologischen Betreuung steht). Diese Störungen hindern den Beschwerdeführer jedoch nicht, an dem Berufsleben teilzunehmen. Dies bewies er selbst, indem er sich aus eigenem Antrieb für eine Tischlerlehre beworben hat. Zudem arbeitet er laut einer Bestätigung bereits 12 Stunden in der Woche bei einem Sozialverein.

 

Er brachte nicht vor, dass er wegen seiner Krankheit verfolgt werden würde oder nicht behandelt werden könnte. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

3.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (Punkt 2.2)

 

3.2.1. Allgemeines zur Glaubwürdigkeit:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.

 

Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

 

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

 

In diesem Zusammenhang ist der - unmittelbar anzuwendende - Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337, 9, (Statusrichtlinie), maßgeblich:

 

"Artikel 4

 

Prüfung der Tatsachen und Umstände

 

(1) - (4) [ ]

 

(5) Wenden die Mitgliedstaaten den Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

 

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen;

 

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war; und

 

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

 

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

3.2.2. Zu seinem primären Fluchtgrund:

 

3.2.3. Er brachte Folgendes vor:

 

Es sei eines Tages mit seinem Bruder zur Feldarbeit gegangen. Dabei hätten sie in seiner Ortschaft auf einer Straße zwei Taliban gesehen. Sie hätten sich hinter einem Baum versteckt. Sie gingen bei ihnen vorbei und als sie ca 400 Meter weiter gegangen seien, wären Ihnen die Amerikaner entgegen gekommen. Sie wären in einem Fahrzeugkonvoi in Schrittgeschwindigkeit gefahren. Ein Dolmetscher hätte Sie gefragt, ob hier Taliban leben würden. Daraufhin hätte sein Bruder ihm zu verstehen gegeben, dass er die Taliban nicht verraten solle. Dann seine schon Schüsse seitens der Taliban gefallen. Sie seien nach Hause geflüchtet.

 

Am Abend, so gegen 21.00, seien die Taliban zu Ihnen nach Hause gekommen. Sein Bruder habe die Tür geöffnet und hätte die Taliban sofort das Feuer eröffnet und den Bruder erschossen. Sein Bruder hätte noch zu ihm gesagt, "XXXX, lauf weg!". Er sei über die Terrasse auf die Felder und zu seiner Tante geflohen und hätte sich dort versteckt. Zwei Tage später hätte er Afghanistan in Richtung Iran verlassen.

 

3.2.4. Die Behörde schenkte diesem Fluchtvorbringen keinen glauben.

 

3.2.5. In der Beschwerde rügte der Beschwerdeführer die unrichtige Beweiswürdigung.

 

3.2.6. Vor dem Gericht wiederholte der Beschwerdeführer im Grund die Aussage (Seite 9 der gerichtlichen Niederschrift).

 

3.2.7. Das Gericht erkennt ebenso, dass dem Fluchtvorbringen keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden kann und gründet dies auf folgende Punkte:

 

Es ist wenig bis kaum glaubhaft, dass ein amerikanischer Konvoi durch eine unsichere Ortschaft durchfährt, ohne dass sich alle Soldaten innerhalb des schusssicheren Fahrzeugs befinden. Ein amerikanischer Konvoi wird wohl kaum auf die Aussagen von zwei Jugendlichen vertrauen, ob sich in der Ortschaft Taliban befänden und zudem die beiden Jugendlichen in Gefahr bringen.

 

Der Beschwerdeführer kann eine Entfernung in Meter gut abschätzen (sh gerichtliches Protokoll, Seite 11). Lt seinen Angaben lag bei dem Schusswechsel beinahe ein halber Kilometer (400 Meter) zwischen den Taliban und den Amerikanern. Für solch eine Entfernung bedarf es nach notorischem Amtswissen ein Scharfschützengewehr um einen gezielten Schuss abgeben zu können (Der Richter war 14 Jahre lang bei der Gendarmerie Waffenträger). Mit einer von den Taliban üblicherweise verwendenden Kalaschnikow, welche mit Kieme und Korn ausgestattet sind, kann der Schuss entweder eine Warnung gewesen sein oder als reiner Zufallstreffer in Richtung der Amerikaner abgefeuert worden sein. Die Einsatzweite der AK-47 ist üblicherweise 300 bis 400 Meter. Jedenfalls konnten die Taliban auf solch einer Entfernung die Warnung des Bruders des Beschwerdeführers (sh Seite 11 der gerichtlichen Niederschrift) nicht wahrnehmen (Der Bruder legte einen Finger auf den Mund und führte einen Zischlaut aus).

 

Der Beschwerdeführer gab selbst an, dass die Taliban wohl auch dann geschossen hätten, falls er und sein Bruder nicht zufällig vorbeigekommen wären (Seite 11 der gerichtlichen Niederschrift). Es besteht somit kein Zusammenhang zwischen den beiden Brüdern und der Schussabgabe.

 

Damit steht auch fest, dass die Taliban - bei Wahrunterstellung dass dieser Schusswechsel tatsächlich stattfand, das wie beschrieben angezweifelt wird - den beiden Brüdern auch nichts unterstellen konnten und somit auch nicht einer Gewalt ausgesetzt waren.

 

Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass sein Bruder ihm noch gesagt hätte, dass er weglaufen soll. Dies, nachdem er erschossen worden wäre. Darauf befragt gab er an, dass der Schuss und die Stimme gleichzeitig fielen. Das ist kaum glaubhaft und nicht nachzuvollziehen. Ebenso wenig, dass sich der Beschwerdeführer nur 6 Meter von seinem Bruder, welcher erschossen wurde, entfernt befand. Dies falls hätte er wohl seinen Bruder gehört, jedoch wäre er nicht - wie von ihm beschrieben - im ersten Stock im Wohnhaus gewesen, wie er vorbrachte. Wäre er weiter weg gestanden, also im ersten Stock und hätte von dort flüchten können, hätte er wiederrum seinen Bruder nicht gehört, dass er fliehen solle. Beides ist nicht vereinbar. Entweder er hätte ihn gehört und befand sich tatsächlich 6 Meter entfern, oder er wäre weiter weg gestanden und hätte leicht flüchten können. Es ist auch kaum glaubhaft, dass sein Bruder nach dem Schuss noch etwas sagen hätte können. Darauf angesprochen brachte er vor, dass beides gleichzeitig war, was noch viel weniger glaubhaft ist.

 

Auf den Widerspruch aufmerksam geworden, brachte er nach einer Pause vor dem Gericht von selbst vor, dass es 6 Meter waren, jedoch nur Luftlinie. Damit wird der Widerspruch allerdings auch nicht aufgelöst.

 

Dass er einer Blutfehde ausgesetzt ist, so wie es in der Beschwerde vorgebracht wurde, kann nicht nachvollzogen werden, zudem es seiner Aussagen keine Hinweise dazu gibt. Zu einer Solchen Fehde bedarf es einen familiären Ausgangspunkt, der nicht vorgebracht wurde.

 

Es gab somit keinen Schusswechsel zwischen den Amerikanern und den Taliban. Selbst wenn, dann wurde sein Bruder nicht getötet und es besteht gegen den Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr. Aus diesem Grund musste die Feststellung getroffen werden, dass er, gemeinsam mit seinem Cousin, Afghanistan aus wirtschaftlichen Gründen verließ.

 

3.2.8. Zu seinen nachträglich vorgebrachten Fluchtgründen der Zwangsrekrutierung:

 

In der Beschwerde brachte er vor, dass er im Falle der Rückkehr zwangsrekrutiert werden würde. Dies wurde seitens der damaligen Rechtsvertreterin vorgebracht. Dies wird jedoch in keiner Weise von der freien Erzählung des Beschwerdeführers in den Einvernahmen erwähnt. Die erwähnte Zwangsrekrutierung stützt sich auch auf allgemeine Aussagen und wurde nicht substantiiert. Erst als der Richte dem Beschwerdeführer darauf ansprach, meinte er, dass er im Falle der Rückkehr auch zwangsrekrutiert werden würde und brachte ebenso allgemeine Aussage vor. Dieses Vorbringen ist in keiner Weise und durch keinen Sachverhalt konstruktiv vorgebracht. Zudem widerspricht es das generelle Vorbringen, denn wenn die Taliban ihn verfolgen und wie seinen Bruder töten würden, würden die Taliban ihn wohl kaum gleichzeitig für die eigene Sache rekrutieren wollen.

 

3.2.9. Zu seinen nachträglich vorgebrachten Fluchtgründen der Gruppenverfolgung:

 

In der Beschwerde brachte er vor, dass er wegen der Zugehörigkeit zu den Hazaras verfolgt werden würde. Dabei stützen sich seine und auch die Angaben in der Beschwerde auf allgemeine Aussagen. Er selbst wurde, weil er Hazara ist, nicht konkret verfolgt.

 

Der Beschwerdeführer ist in der Provinz XXXX groß geworden und lebte bis zur der Flucht in dieser Region, südlich der gleichnamigen Hauptstadt XXXX. In dem vom Gericht eingebrachten Länderberichten von ACCORD, sh Punkt 2.5.7, welcher auch zugleich in der Beschwerde eingebracht wurde (Seite 8 der Beschwerde) wird die Situation der Hazaras mit Kenntnisstand 02.09.2016 beschrieben. Dieser Bericht wurde eingebracht, weil er - im Lichte des Erk des VwGH vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0171 - ein genaueres Bild der Hazaras in Ghazni darlegt. Hier ist allerdings festzuhalten, dass durch das Länderinformationsblatt vom 02.03.2017 (Punkt 2.5.7, Punkt 16.1. aus dem Länderinformationsblatt) ein aktuelleres Bild gezeichnet wird. Das Gericht versuchte anhand der vorliegenden Quellen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, ACCORD Anfragebeantwortung, Quellen in der Beschwerde, aktuelle Internetrecherche) speziell auf die Hazaras in Ghazni einzugehen und kommt zu folgendem Ergebnis:

 

 

 

 

 

 

Die Lage hat sich seit dem Jahr 2015 deutlich verbessert zudem militärische Operationen zur Beseitigungen der Taliban gezielt vorgenommen werden. Das Gericht gelangt daher zur Überzeugung, dass die Hazaras generell in Ghazni nicht verfolgt werden.

 

3.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat (Punkt 2.3)

 

Die Feststellungen zu den Folgen bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Ghazni ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten (Pkt. 2.5.3). Auf das Wesentliche zusammengefasst geht daraus hervor, dass Ghazni eine sehr volatile Provinz ist. Obgleich keine Entführungsfälle von Hazaras gemeldet wurden, ist die Region nach wie vor volatil.

 

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen und insbesondere in der Stadt Kabul ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan (vgl. Punkt 2.5.1.) - aus den oben angeführten Länderberichten zu Kabul. Siehe dazu

 

 

 

 

Vor diesen objektiven Hintergrund werden die Aussagen des Beschwerdeführers gestellt. Dabei ist festzuhalten, dass dieser am Arbeitsleben aktiv teilnehmen möchte, somit grundsätzlich arbeitsfähig ist. Er verfügt über Erfahrung in der Landwirtschaft und eine zweijährige Schulbildung. Er verfügt zudem bei der Rückkehr Erfahrungen im europäischen Raum und kann Deutsch sprechen. Er hat selbst bewiesen, dass er sich in einer fremden Kultur rasch zurechtfinden kann und er hat auch selbst bewiesen, dass er sich in eine fremde Kultur gut integrieren kann. Erst recht muss die Integration gelingen, wenn er sich in eine Kultur wieder einfinden muss, welche er seit der Kindheit an kennt und mit der er vertraut ist.

 

3.4. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich (Punkt 2.4):

 

Zu seinem Gesundheitszustand und seiner grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit wurde bereits unter Punkt 3.1.10 behandelt.

 

Die Feststellung zu Aufenthaltsdauer und -titel, der familiären Situation und der Integration des Beschwerdeführers in Österreich stützen sich auf die Aktenlage, insbesondere auf die von ihm vorgelegten Unterlagen, wie sie unter Punkt 2.4 beschrieben wurde, sowie auf die damit übereinstimmenden, glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem).

 

Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung eine Vertrauensperson mitgenommen und wurde diese auch hinsichtlich seiner Integrationsschritte befragt. Es zeigt sich - auch unter Einbezug der nicht als Beweismittel in das Verfahren aufgenommenen Empfehlungsschreiben (sh dazu Punkt 1.15), dass die Vertrauensperson sehr um ihn bemüht ist. Die Schreiben - ungeachtet der fehlenden Vollmacht - zeigen, durchwegs ein Bild einer guten Integration.

 

Am 21.02.2018 langte eine Einstellungszusage der Firma XXXX (OZ 14) ein. Dies wurde mit E-Mail seiner Vertrauensperson dem Gericht - ohne Vollmacht des Beschwerdeführers - vorgelegt. Ungeachtet des Vollmachtmangels ist darin angeführt, dass der Beschwerdeführer am dem 02.07.2018 als Lagerarbeiter anfangen könne, wobei er vorerst einen Nachweis über eine abgeschlossene Ausbildung zum Führen von Hubstaplern und einen Nachweis über den Erwerb der Deutschkenntnisse auf Niveau B1 vorlegen müsse. Die Einstellungszusage - ungeachtet der darin verbundenen Einstellungsbedingungen - ist nach Ansicht des Gerichtes, ebenso wie die Integrationstiefe in XXXX, welche deutlich durch seine Vertrauensperson vorangetrieben wird, kein Grund zur Annahme, dass eine Rückführung in sein Heimatstaat ein ungerechtfertigter Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstellt.

 

3.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat (Punkt 2.5)

 

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

 

Folgende Länderberichte wurden seitens des Gerichtes in das Verfahren eingebracht:

 

 

Die aktuellere Fassung des Länderinformationsblattes (21.12.2017) betraf die eingefügte Kurzinformation, welche im gegenständlichen Erkenntnis berücksichtigt wurde (sh Punkt 2.5.1). Die übrigen Bestandteile des Länderinformationsblattes vom 02.03.2017 blieben unverändert. Insofern kann man von einer aktuellen Fassung ausgehen.

 

 

 

Die oben wiedergegebenen Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer am 14.12.2017 (OZ 8) übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer nahm zur mündlichen Verhandlung von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch. In der mündlichen Verhandlung wurde ihm nochmals eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt.

 

Soweit die Beschwerde des Beschwerdeführers auf weiteres Berichtsmaterial verweisen, ist festzuhalten, dass es sich bei der Staatendokumentation des BFA, die den Großteil der in das Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen zusammengetragen hat, um eine in österreichischen Gesetzen verankerte Abteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl handelt, deren Pflicht es ist, Neutralität, Objektivität und Transparenz zu wahren, und deren Aufgabe es ist, auf Basis von internationalen Berichten, internationalen Kooperationen und der Durchführung von Fact Finding Missions ausgewogene Länderinformationen zu erstellen und verfügbar zu machen. Dass sich die Recherche der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dafür auf öffentlich zugängliche Internetquellen stützt, die den (hohen) Standards der Staatendokumentation entsprechen, ist geradezu Voraussetzung für die Erfüllung der Aufgaben der Staatendokumentation. Fallgegenständlich ist daher kein hinreichender Grund erkennbar, von diesen (oben angeführten) Länderfeststellungen abzuweichen. Dies gilt ebenso für die Stellungnahme des Beschwerdeführers.

 

Dies gilt auch deshalb, weil das weitere Berichtsmaterial in der Beschwerde in keiner Weise einen konkreteren Bezug zum Beschwerdeführer aufweist bzw. konkreter auf dessen persönliche Umstände eingeht als die oben angeführten Länderfeststellungen. So wurde in der Beschwerde moniert, dass die Länderfeststellungen, auf dem sich der Bescheid begründet hinsichtlich der Situation der schiitischen Hazaras veraltet sei, wobei selbst lediglich auf einen Artikel von Online-Fassung von der Tageszeitung Standard ohne Datum verwiesen wird (Seite 5 der Beschwerde). Weiters wird auf die Blutrache/Blutfehde eingegangen, wobei im gegenständlichen Fall - wie oben beschrieben hier kein Fall einer Blutrache vorliegt (sh Punkt 3.2.7). Dass die schiitischen Hazaras - wie auf Seite 7 beschrieben - lt UNHCR der ethnischen Minderheit unterliegen, wurde weder im Bescheid, noch im gegenständlichen Erkenntnis bestritten. Teilweise wird in der Beschwerde auf einen Bericht hingewiesen, welche das Gericht selbst auch einbrachte (zB die ACCORD Anfragebeantwortung). Das die Herkunftsregion unsicher ist, hat die Behörde festgestellt und auch das Gericht (Seite 12 bis 17). Insofern auf die Sicherheitslage in Kabul hingewiesen wird, liegt dem Gericht natürlich - durch den Zeitablauf - mittlerweile ein aktuelleres Bild vor und wurde auch in das Verfahren eingebracht (sh Punkt 2.5.5).

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

Die Beschwerde ist zulässig.

 

Zu A) Abweisung der zulässigen Beschwerde:

 

4.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

 

Das BFA begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft habe machen können und eine solche auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt sei. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

 

1.15.1. Zu seinem primären Fluchtgrund - der behaupteten Verfolgungsgefahr durch die Taliban (sh Beweiswürdigung unter Punkt 3.2.2 ff)

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubhaftigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb insoweit insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen. Im Übrigen ist der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Furcht keine asylrelevante Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu entnehmen, weil es diesbezüglich an einem kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Gesinnung) mangelt.

 

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan sowie der mangelnden Glaubhaftigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer insofern im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

 

4.1.1. Zu seinen nachträglich vorgebrachten Fluchtgrund - der behaupteten Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die Taliban (sh Beweiswürdigung unter 3.2.8):

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei bei einer Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die Taliban ausgesetzt ist, ebenso keine Glaubhaftigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb insoweit auch hier nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

 

1.15.2. Zu seinen nachträglich vorgebrachten Fluchtgrund - der behaupteten Gefahr der Gruppenverfolgung (sh Beweiswürdigung unter 3.2.9):

 

Eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara wurde - wie bereits unter Punkt 3.2.9 dargelegt - nicht hinreichend substantiiert ausgeführt. In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und vor dem Hintergrund der in der Beschwerde getroffenen Ausführungen zu prüfen, ob der Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat auf Grund generalisierender Merkmale - konkret wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Das ist jedoch nicht der Fall:

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Den oben zitierten Länderberichten (insbesondere jene unter Punkt 2.5.7) ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - verschiedenen gesellschaftlichen Diskriminierungen durch die sunnitische/paschtunische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara (oder der Schiiten) in Afghanistan für gegeben zu erachten.

 

An dieser Ansicht ändert sich auch nichts, weil der Beschwerdeführer aus der Provinz Ghazni stammt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung eine Gruppenverfolgung für Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan nicht ausgeschlossen, weil das Bundesverwaltungsgericht im betreffenden Fall zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen hatte (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/19/0106). Dies ist jedoch im vorliegenden Erkenntnis nicht der Fall: Es wurden hier sehr wohl Feststellungen zur Lage der Hazara getroffen. Sh dazu die vorgenommene Zusammenfassung unter 3.2.9.

 

Aus den Länderfeststellungen zu Afghanistan ergaben sich keine Hinweise für eine Gruppenverfolgung der Hazara bzw. Schiiten, vielmehr hat sich deren Situation seit dem Ende der Talibanherrschaft deutlich und nachhaltig verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkannte in seiner Entscheidung vom 05.07.2016 (29094/09, A.M./The Netherlands) zwar die schlechte Situation für die Angehörigen der Hazara in Afghanistan, verneinte jedoch eine automatisch vorliegende Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr allein auf Grund der Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe.

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

4.2. Zwischenergebnis

 

Der Beschwerdeführer vermochte sohin nicht glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht; schon aus diesem Grund war sein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen.

 

4.3. Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

 

4.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 leg.cit. mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 leg.cit. zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 leg.cit.) offen steht.

 

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

 

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

4.3.2. Für den hier in Rede stehenden Herkunftsstaat Afghanistan hat der Verwaltungsgerichtshof jüngst mehrfach auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass schon alleine die Rückkehr eines Antragstellers dorthin eine ernsthafte Bedrohung für die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde (vgl. dazu VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, 18.03.2016, Ra 2015/01/0255, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, jeweils mit zahlreichen Hinweisen auf die seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

 

In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren zum Herkunftsstaat Afghanistan ergangenen Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61204/09; siehe dazu auch VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255).

 

4.3.3. Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Ihre Inanspruchnahme muss dem Fremden zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort). Dass das mögliche Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 AsylG 2005, wonach sich die innerstaatliche Fluchtalternative, die als ein Kriterium u.a. die Zumutbarkeit des Aufenthalts in einem bestimmten Teil des Staatsgebietes vorsieht, auf den "Antrag auf internationalen Schutz" und somit auch auf jenen auf Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten bezieht (vgl. hierzu auch VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233).

 

Betreffend die auch im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan führte der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausdrücklich aus, dass nicht von vornherein erkennbar sei, weshalb ein Fremder durch mangelnde tragfähige Beziehungen und mangelnde Ortskenntnisse in afghanischen Großstädten trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten und der Sprache in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens komme (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof führte in einem jüngst ergangenen Erkenntnis ausdrücklich aus, dass das Faktum, dass ein Beschwerdeführer nicht über hinlängliche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreiche und dass mit dem Hinweis auf die schwierige Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche und in wirtschaftlicher Hinsicht keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und damit keine Verletzung von Art. 3 EMRK dargetan werde (vgl. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

 

4.3.4. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes festzuhalten:

 

4.3.5. Die Familie des Beschwerdeführers stammt aus der Provinz Ghazni , welche - wie aus den Länderberichten (vgl. Punkt 2.5.3) ableitbar - eine der Provinzen mit besonders volatiler Sicherheitslage in Afghanistan ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher - in Übereinstimmung mit dem BFA (vgl. Seite 51 des angefochtenen Bescheides) - davon aus, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.

 

4.3.6. Der Beschwerdeführer kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan (vgl. 2.5.1) - nach den oben angeführten Länderberichten zu Kabul (vgl. 2.5.4, 2.5.5, 2.5.6.) aus folgenden Gründen in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in andere Landesteile Afghanistans, konkret in die Hauptstadt Kabul, verwiesen werden:

 

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Hierzu ist auszuführen, dass die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen für sich alleine betrachtet noch nicht die Schlussfolgerung zu tragen vermag, dass die Ausweisung in einen von Terroranschlägen betroffenen Staat automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde bzw. für den Betroffenen unzumutbar wäre. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

 

Laut den oben auszugsweise wiedergegebenen Richtlinien des UNHCR (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103) müssen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist. Nach Auffassung von UNHCR stellen alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf Ausnahmen von der Anforderung eines Zugangs zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet dar; diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen.

 

Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.

 

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter mit zweijähriger Schulbildung und Berufserfahrung als Landwirt, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Er will auch von sich selbst am Erwerbsleben teilnehmen, sh dzu Punkt

2.4.

 

Der Beschwerdeführer hat zwar bislang noch nicht in Kabul gelebt und verfügt dort über keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte. Er hat jedoch den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, wodurch er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und der Sprache vertraut ist. Die wirtschaftliche Situation der Familie des Beschwerdeführers stellt sich als durchschnittlich und es kann davon ausgegangen werden, dass er von ihr bei einer Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich finanzielle Unterstützung erfährt. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Familie des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, diesen finanziell zu unterstützen. Mit dieser Unterstützung ist dem Beschwerdeführer der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm seine Fremdsprachenkenntnis in Deutsch zu Gute kommt.

 

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer an einer diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung, einer depressiven Episode, Angstzustände und Schlafstörungen leidet, was vor dem Hintergrund der oben angeführten Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Afghanistan (Pkt. 2.5.8) und der strengen höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist - vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139) bei einer möglichen Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan für sich allein betrachtet keine Art. 3-EMRK-Verletzung nach sich ziehen würde und auch im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative angesichts der grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers zu keinem anderen Ergebnis führt.

 

Im Übrigen brachte weder er noch seine Rechtsvertretung vor, dass er deswegen nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.

 

Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

 

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in der Stadt Kabul in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in der Stadt Kabul möglich und auch zumutbar ist.

 

4.3.7. Im Ergebnis war daher die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

 

4.4. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

 

4.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

 

Gemäß § 57 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

4.4.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

 

4.4.3. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

4.4.4. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

4.4.5. Da der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich verfügt (der Cousin des Beschwerdeführers lebt in Wien, wobei er zu diesen keinen persönlichen Kontakt hat) ist ein Eingriff in sein Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK von vornherein auszuschließen. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher lediglich allenfalls in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

 

4.4.6. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

 

4.4.7. Im vorliegenden Fall hält sich der Beschwerdeführer seit seiner Antragstellung im September 2014 im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge seinen Antrag auf internationalen Schutz. Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47017/09).

 

Dem Beschwerdeführer ist zu Gute zu halten, dass er in Österreich Deutschkurse besucht hat, (obgleich noch keine Prüfung absolviert wurde) und die deutsche Sprache auf gutem Niveau beherrscht. Weiters berücksichtigt das Bundesverwaltungsgericht auch den Umstand, dass der Beschwerdeführer sich ehrenamtlich in einem Sozialmarkt und Kontakt zu Einheimischen geknüpft hat und diese auch weiter ausbauen konnte (sh Punkt 1.15). In der hier vorzunehmenden Interessenabwägung ist zugunsten des Beschwerdeführers daher jedenfalls zu berücksichtigen, dass er sich in der Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet um eine Integration, insbesondere in seiner jetzigen Heimatgemeinde XXXX in Niederösterreich, in Österreich aufrichtig bemüht zeigte.

 

Allerdings ist relativierend festzuhalten, dass der Zeitraum des Aufenthalts des Beschwerdeführers, in dem er die angeführten Integrationsschritte setzte, mit lediglich dreieinhalb Jahren im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/10/0479) als kurz zu werten ist. Für diesen Zeitraum hat der Beschwerdeführer zwar gute, jedoch nicht solch außergewöhnliche Integrationsleistungen erbracht, die in Anbetracht der relativ kurzen Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet für seinen Verbleib in Österreich ausschlagen würden.

 

Es ist nach wie vor von einer engen Bindung des Beschwerdeführers nach Afghanistan auszugehen, zumal dieser in Kontakt zu seiner Familie steht. Der Beschwerdeführer, der im Alter von ca. 19 Jahren nach Österreich reiste, verbrachte den Großteil seines Lebens in Afghanistan. Er wurde in Afghanistan sozialisiert und bestritt dort seinen Lebensunterhalt. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nach nunmehr insgesamt etwa vierjähriger Abwesenheit vom Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird.

 

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (z.B. VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

 

Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung privater Kontakte in Österreich ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet stets seines unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der als unbegründet abzuweisen war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347, 26.02.2004, 2004/21/0027, 27.04.2004, 2000/18/0257; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Festzuhalten ist auch, dass es dem Beschwerdeführer bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG auch nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861).

 

Diesen schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

 

4.4.8. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

4.4.9. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

 

4.4.10. Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 leg.cit. von Amts wegen zu erteilen.

 

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang gegeben.

 

4.4.11. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der vorliegenden Entscheidung verneint (vgl. Pkt. 4.3).

 

4.4.12. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestünde eine innerstaatliche Fluchtalternative. Dies entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der vorliegenden Entscheidung verneint (vgl. Pkt. 4.1 ).

 

4.4.13. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

4.5. Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher zulässig.

 

4.5.1. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg.cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 leg.cit. 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom BFA vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, jene Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist zur freiwilligen Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden (§ 55 Abs. 3 leg.cit.).

 

Da derartige Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt.

 

Da somit alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid auch in diesem Spruchpunkt als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN).

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