AlVG §25
AlVG §36a
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
Notstandshilfeverordnung §2
Notstandshilfeverordnung §6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W238.2241406.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas MAJOROS, Walfischgasse 12/3, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 28.12.2020, XXXX nach Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2021, XXXX , betreffend Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG und Rückforderung des unberechtigt Empfangenen in Höhe von € 2.232,00 gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerde-vorentscheidung bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (im Folgenden: AMS) vom 28.12.2020 wurde gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG die Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 2.232,00 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 zu viel aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe, da die Leistung aufgrund des Steuerbescheides ihres Partners für das Jahr 2018 neu bemessen worden sei. Das anrechenbare Einkommen ihres Partners übersteige die Notstandshilfe, weshalb diese zurückgefordert werde. Der Rückforderungsbetrag setze sich wie folgt zusammen: 75 Tage zu je € 29,76.
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie anhand des Bescheides nicht nachvollziehen könne, ob alle Freibeträge berücksichtigt worden seien. Neben der Freigrenze für ihren Lebensgefährten und ihr Kind seien ihre Schwangerschaft im gegenständlichen Zeitraum sowie die Abzahlung von Leasingraten in Höhe von ca. € 300,00 für seinen PKW zu berücksichtigen. Ihr Lebensgefährte sei selbständiger Maler und Anstreicher und benötige den PKW, um zu seinen Auftraggebern zu gelangen. Es handle sich daher um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Einkommens im Sinne der Richtlinie zur Freigrenzenerhöhung. Darüber hinaus sei die Partnereinkommensanrechnung mit 01.07.2018 weggefallen. Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
In einem ergänzenden Schriftsatz vom 27.01.2021 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie die Einkünfte ihres Lebensgefährten im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2018 vollständig gemeldet habe, ihr Anspruch auf Notstandshilfe ab 01.07.2018 aber nicht mehr der Partnereinkommensanrechnung unterliege, weil die gesetzliche Grundlage hierfür weggefallen sei. Ihr Lebensgefährte habe erst nach Wegfall der Partnereinkommensanrechnung ein höheres Einkommen erzielt. Die Berücksichtigung der Gesamteinkünfte laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 bei der Partnereinkommensanrechnung im ersten Halbjahr 2018 führe zu einer Schlechterstellung gegenüber jenen Notstandshilfebeziehern, deren Ehegatten/Lebensgefährten unselbständig erwerbstätig gewesen seien. In diesen Fällen sei nämlich die Höhe der Löhne/Gehälter ab 01.07.2018 unbeachtlich. Die Behörde hätte daher bei der Partnereinkommensanrechnung nur die Einkünfte im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2018 heranziehen dürfen.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.01.2021 wurde der Beschwerdeführerin die Rechtslage erläutert und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Die Beschwerdeführerin erstattete am 10.02.2021 eine Stellungahme, in der sie erneut die Berücksichtigung von Leasingraten für den PKW ihres Lebensgefährten thematisierte und ihr bisheriges Vorbringen wiederholte. Die mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.02.2021 eingeräumte Möglichkeit, sich erneut zum Sachverhalt zu äußern, nahm die Beschwerdeführerin nicht wahr.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 10.03.2021 wurde die Beschwerde gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach Feststellung des Sachverhalts und Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, dass das Einkommen des Partners nach den bis 30.06.2018 geltenden gesetzlichen Bestimmungen auf den Notstandshilfeanspruch des Arbeitslosen anzurechnen sei. Laut Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2018 habe ihr Lebensgefährte im Zeitraum Jänner bis Dezember 2018 aus selbständiger Tätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich € 1.933,67 erzielt. Freigrenzen seien für den Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, ihre Tochter und eine Schwangerschaft zu berücksichtigen. Die vom Lebensgefährten entrichteten Leasingsraten für einen PKW wurden von der belangten Behörde unter Verweis auf die Berücksichtigung dieser Ausgaben im Rahmen der betrieblichen Veranlagung im Steuerbescheid nicht als freigrenzenerhöhend anerkannt. Nach Anrechnung des Partnereinkommens ergebe sich kein Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin, weshalb die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 zur Gänze (75 Tagsätze zu € 29,76, das sind € 2.232,00) zurückzufordern sei. Die Verpflichtung zum Rückersatz der bezogenen Notstandshilfe bestehe verschuldensunabhängig. Im Übrigen bedeute der Wegfall der Partneranrechnung mit 01.07.2018 lediglich, dass das Einkommen in den Monaten August 2018 bis Dezember 2018 nicht mehr zur Anrechnung gelange. Mit dem Wegfall der Partneranrechnung am 01.07.2018 seien jedoch nicht die Grundsätze zur Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit geändert worden.
5. Die Beschwerdeführerin brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Darin führte sie erneut aus, dass die im ersten Halbjahr 2018 erzielten Einkünfte ihres Lebensgefährten in Folge Wegfalls der Partnereinkommensanrechnung ab 01.07.2018 kein anrechenbares Einkommen im Zeitraum vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 darstellen würden, zumal sonst der Zweck der Regelung unterlaufen würde.
6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 14.04.2021 vorgelegt.
7. Über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme vom 04.05.2021, in der sie bestätigte, dass die zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen bzw. Ausgangswerte und Berechnungen sowie die Ausübung der durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit ihres Partners im Jahr 2018 außer Streit stehen würden. In rechtlicher Hinsicht wurde gerügt, dass die belangte Behörde das gesamte Jahreseinkommen herangezogen habe, obwohl die Partnereinkommensanrechnung mit 01.07.2018 abgeschafft worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin bezog vom 04.09.2017 bis 01.04.2018 Arbeitslosengeld und vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 Notstandshilfe in Höhe von € 29,76 täglich. Ab 16.06.2018 bezog sie Wochengeld.
Die Beschwerdeführerin lebte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit XXXX . Im gemeinsamen Haushalt lebte eine 2008 geborene Tochter der Beschwerdeführerin. Im Jänner 2018 meldete die Beschwerdeführerin dem AMS eine Schwangerschaft.
Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin war im Jahr 2018 durchgehend selbständig erwerbstätig.
Er erzielte im Jahr 2018 laut rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid des zuständigen Finanzamtes vom 31.01.2020 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 25.333,98. Unter Berücksichtigung der Sonderausgaben (Pauschbetrag für Sonderausgaben in Höhe von € 60,00; Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 7 EStG in Höhe von € 48,00; außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 1.573,90 und Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind gemäß § 106a Abs. 1 EStG in Höhe von € 440,00) sowie der für das Jahr 2018 festgesetzten Einkommensteuer in Höhe von € 8,00 erzielte er ein Einkommen in Höhe von € 23.204,08 netto, d.h. rund € 1.933,67 monatlich (€ 23.204,08 / 12).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsaktes.
Das Bestehen einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft und die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides wurden von der Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren nicht bestritten. Die der Beschwerdevorentscheidung zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen bzw. Ausgangswerte und Berechnungen (Einkommen des Partners, gewährte Freigrenzen etc.) sowie die Ausübung einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit im Jahr 2018 wurden in der Stellungnahme vom 04.05.2021 ausdrücklich außer Streit gestellt.
Die Beschwerdeführerin trat ausschließlich der Rechtsansicht der belangten Behörde entgegen, wonach auch für Notstandshilfebezüge im Jahr 2018 bei einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit des Ehepartners/Lebensgefährten aus dessen Jahreseinkommen laut dem Einkommenssteuerbescheid durch Zwölftelung ein durchschnittliches (endgültiges) monatliches Einkommen zu errechnen und der Anrechnung bis zum 30.06.2018 zugrunde zu legen sei.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Maßgebliche Rechtslage:
Bei der Beurteilung, ob der Widerruf oder die Berichtigung einer zuerkannten Leistung nach § 24 Abs. 2 AlVG zulässig ist und ob eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen iSd § 25 Abs. 6 AlVG durchgesetzt werden kann, ist nach dem im Verwaltungsverfahren geltenden allgemeinen Grundsatz das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden (VwGH 04.05.1977, 898/75, VwSlg. 9315 A/1977). Die inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs oder der Berichtigung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist hingegen – entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung – nach der Rechtslage zu prüfen, die im Zeitraum der Gewährung der Leistung gegolten hat (VwGH 26.05.2004, 2001/08/0124 ua; 03.04.2019, Ra 2017/08/0067).
Gemäß § 79 Abs. 159 AlVG sind § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2017 mit 01.05.2017 in Kraft getreten und gelten, soweit Anträge auf Berichtigung oder Nachzahlung betroffen sind, für nach Ablauf des 30.04.2017 gestellte Anträge; auf vor dem 01.05.2017 gestellte Anträge sind § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 weiterhin in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2017 anzuwenden.
Gemäß § 79 Abs. 161 AlVG tritt § 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 157/2017 mit 01.07.2018 in Kraft und gilt für Zeiträume nach dem 31.06.2018. Für Zeiträume vor dem 01.07.2018 gilt § 36 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 bis 8 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2017 weiter.
3.2.1. Die Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung lauten wie folgt:
„Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes
§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs. 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.
(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.“
„§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.
…
(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 besteht nur, wenn eine solche innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum verfügt wird. Eine Verfügung zur Nachzahlung ist nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Wird eine Nachzahlung beantragt, so ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise.“
„Notstandshilfe
Voraussetzungen des Anspruches
§ 33. (1) Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, kann auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden.
(2) Notstandshilfe ist nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.
(3) Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.
(4) Notstandshilfe kann nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitslose innerhalb von fünf Jahren nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld um die Notstandshilfe bewirbt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 und gemäß § 81 Abs. 10.“
„Ausmaß
§ 36. (1) Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Richtlinien über das Vorliegen einer Notlage im Sinne des § 33 Abs. 3 zu erlassen. Vorbehaltlich einer Minderung des Anspruches durch anzurechnendes Einkommen beträgt das Ausmaß der täglichen Notstandshilfe:
1. 95 vH des Grundbetrages zuzüglich 95 vH des Ergänzungsbetrages des jeweils gebührenden täglichen Arbeitslosengeldes, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, wenn der tägliche Grundbetrag ein Dreißigstel des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, nicht übersteigt;
2. 92 vH des Grundbetrages des jeweils gebührenden täglichen Arbeitslosengeldes, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, in den übrigen Fällen, wobei 95 vH eines Dreißigstels des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, kaufmännisch gerundet auf einen Cent, nicht unterschritten werden dürfen;
zuzüglich gebühren Familienzuschläge gemäß § 20 AlVG, soweit dadurch die Obergrenze gemäß § 21 Abs. 5 nicht überschritten wird.
(2) Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des (der) mit dem (der) Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, Ehegattin, eingetragenen Partners, eingetragenen Partnerin, Lebensgefährten oder Lebensgefährtin zu berücksichtigen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort u. a.) wird der gemeinsame Haushalt nicht aufgelöst. Weiters sind unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze Bestimmungen darüber zu treffen, inwieweit für den Fall, daß das der Beurteilung zugrundeliegende Einkommen nicht ausreicht, um die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen sicherzustellen, Notstandshilfe unter Anrechnung des Einkommens mit einem Teilbetrag gewährt werden kann. Bei der Anrechnung von Notstandshilfe auf Notstandshilfe ist sicherzustellen, daß die Anrechnung nicht wechselseitig erfolgt. Wird an Stelle einer Notstandshilfe Krankengeld bezogen, so ist dieses nur anzurechnen, wenn auch die Notstandshilfe anzurechnen wäre.
(3) Im einzelnen ist bei der Erlassung der Richtlinien folgendes zu beachten:
A. Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen:
Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt.
B. Berücksichtigung des Einkommens des (der) Ehegatten, Ehegattin, eingetragenen Partners, eingetragenen Partnerin, Lebensgefährten oder Lebensgefährtin:
a) Vom Einkommen des Ehegatten, der Ehegattin, des eingetragenen Partners, der eingetragenen Partnerin, des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin ist bei der Anrechnung ein zur Bestreitung des Lebensunterhaltes notwendiger Betrag (Freibetrag) freizulassen, der nach der Größe der Familie verschieden bemessen werden kann. Eine Anrechnung von Einkommen des Ehegatten, der Ehegattin, des eingetragenen Partners, der eingetragenen Partnerin, des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin des (der) Arbeitslosen hat insoweit zu unterbleiben, als das Haushaltseinkommen durch die Einkommensanrechnung unter den für den Haushalt geltenden Mindeststandard fallen würde. Der Mindeststandard für zwei Personen entspricht dem kaufmännisch auf volle Euro gerundeten Betrag, der sich ergibt, wenn der Richtsatz gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG um den von einer Person, die eine Pension in dieser Höhe bezieht, jeweils einzubehaltenden Beitrag zur Krankenversicherung vermindert wird. Der Mindeststandard erhöht sich für jede im Haushalt lebende minderjährige Person, für die der (die) Arbeitslose oder die Person, deren Einkommen anzurechnen ist, Anspruch auf Familienbeihilfe hat, um einen kaufmännisch auf volle Euro gerundeten Betrag. Der Erhöhungsbetrag entspricht für die drei ältesten minderjährigen Personen jeweils 18 vH des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG und für jede weitere minderjährige Person jeweils 15 vH des Richtsatzes gemäß § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG, vermindert um den jeweils einzubehaltenden Beitrag zur Krankenversicherung. Der zu berücksichtigende tägliche Mindeststandard beträgt ein Dreißigstel des jeweiligen monatlichen Mindeststandards, kaufmännisch gerundet auf einen Cent.
…
(4) Wird Einkommen auf die Notstandshilfe angerechnet, so ist der anzurechnende Betrag kaufmännisch auf einen vollen Eurobetrag zu runden. Bei Besuch von Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen gewährte Beihilfen und andere Zuwendungen, die zur Abdeckung schulungsbedingter Mehraufwendungen dienen, sind nicht anzurechnen. Finanzielle Zuschüsse des Sozial- und Weiterbildungsfonds gemäß § 22c des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) sind auf die Notstandshilfe nicht anzurechnen.
(5) Eine Erhöhung der im Abs. 3 lit. B lit. a angeführten Freibeträge in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl. kann im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen. Der Freibetrag für die das anzurechnende Einkommen beziehende Person gemäß Abs. 3 lit. B lit. a ist um 80 € anzuheben, wenn dieser nicht gemäß Abs. 3 lit. B lit. b oder c zu erhöhen ist. Der Anhebungsbetrag ist jährlich, erstmals für das Jahr 2014, mit dem Anpassungsfaktor gemäß § 108f ASVG zu vervielfachen und kaufmännisch auf einen vollen Eurobetrag zu runden.
…“
„Einkommen
§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.
(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.
(3) Dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 sind die folgenden Beträge hinzuzurechnen:
1. Steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a und lit. e, Z 5 lit. a bis d, Z 8 bis 12, Z 22 bis 24 und Z 32 sowie § 29 Z 1 zweiter Satz EStG 1988;
2. die Beträge nach den §§ 10, 18 Abs. 6 und 7, 24 Abs. 4 und 41 Abs. 3 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;
3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973.
…
(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:
1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;
2. bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;
…
(7) Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln.“
„Allgemeine Bestimmungen
§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.“
3.2.2. Die bis 30.06.2018 in Kraft gestandenen – bezogen auf die Zeiträume des Widerrufs der Notstandshilfe – maßgeblichen Bestimmungen der Notstandshilfeverordnung konkretisieren die dargestellte Gesetzeslage.
Gemäß § 2 Abs. 1 Notstandshilfeverordnung liegt eine Notlage vor, wenn das Einkommen des Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeitslosen nicht ausreicht. Nach Abs. 2 der genannten Verordnungsbestimmung sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort uä.) wird der gemeinsame Haushalt nicht aufgelöst. Gleiches gilt, wenn der Arbeitslose die Hausgemeinschaft mit dem Ehepartner (Lebensgefährte bzw. der Lebensgefährtin) nur deshalb aufgegeben hat oder ihr ferngeblieben ist, um der Anrechnung des Einkommens zu entgehen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Notstandshilfeverordnung ist bei Heranziehung des Einkommens des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) des Arbeitslosen für die Beurteilung der Notlage wie folgt vorzugehen: Von dem Einkommen ist ein Betrag freizulassen, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes des Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) und der allenfalls von ihm zu versorgenden Familienmitglieder bestimmt ist (Freigrenze). Der die Freigrenze übersteigende Teil des Einkommens ist auf die Notstandshilfe anzurechnen.
Gemäß § 6 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung beträgt die Freigrenze pro Monat 430 Euro für den das Einkommen beziehenden Ehepartner (Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin) und die Hälfte dieses Betrages für jede Person, für deren Unterhalt der Ehepartner (Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin) auf Grund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt.
Der im § 6 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung genannte Betrag ist mit Wirkung ab 1. Jänner des Jahres 2002 und jedes darauf folgenden Jahres mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f ASVG) des jeweiligen Kalenderjahres zu vervielfachen und kaufmännisch auf einen vollen Eurobetrag zu runden (§ 7 Notstandshilfeverordnung).
Die Freigrenze beträgt gemäß § 6 Abs. 3 Notstandshilfeverordnung das Doppelte des jeweils maßgeblichen Betrages gemäß Abs. 2, wenn der Arbeitslose nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen (§ 18 Abs. 2 lit. b AlVG) oder länger erschöpft hat.
3.2.3. Im Jahr 2018 betrug die (einfache) Freigrenze € 657,00 für den das Einkommen beziehenden Ehepartner bzw. Lebensgefährten und € 285,50 für ein unterhaltsberechtigtes Kind.
Gemäß § 36a Abs. 3 lit. B lit. a AlVG iVm § 36 Abs. 5 AlVG kann eine Erhöhung der im Abs. 3 lit. B lit. a angeführten Freibeträge in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dgl. im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen.
Auf Grundlage des § 36 Abs. 5 AlVG legte das Arbeitsmarktservice Österreich Richtlinien für die Ermittlung der Einkommensanrechnung auf die Notstandshilfe (Freigrenzenerhöhung) fest.
Gemäß Punkt III.3. dieser Richtlinien ist die Freigrenze bei Schwangerschaft der Leistungsbezieherin oder der das Einkommen beziehenden Angehörigen (Ehegattin, Lebensgefährtin) bis zur Niederkunft um € 40,00 monatlich zu erhöhen.
3.3.1. Zur Berücksichtigung von Freigrenzen:
Seitens der belangten Behörde wurden in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen Freigrenzen für den Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, für das unterhaltsberechtigte Kind und für die damalige Schwangerschaft der Beschwerdeführerin gewährt.
Die noch im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Leasingsraten für einen PKW des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin wurden von der belangten Behörde zu Recht unter Verweis auf die Berücksichtigung dieser Ausgaben im Rahmen der betrieblichen Veranlagung im Steuerbescheid nicht als freigrenzenerhöhend anerkannt. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dies nicht mehr bestritten.
3.3.2. Zur Berechnung der gebührenden Notstandshilfe:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Widerruf bzw. die Berichtigung und die Rückforderung eines Notstandshilfebezuges an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden, wobei diese Regelung der Erleichterung des praktischen Vollzuges des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen dient (vgl. VwGH 18.02.2009; 2006/08/0033; 19.10.2011, 2008/08/0210; 19.10.2011, 2011/08/0223; 14.02.2013, 2010/08/0013; 14.03.2013, 2013/08/0022; 25.06.2013, 2013/08/0067; 29.01.2014, 2011/08/0321; 29.01.2014, 2013/08/0237; 29.01.2014, 2013/08/0270; 24.04.2014, Ro 2014/08/0062; 29.04.2015, Ro 2014/08/0030; 03.03.2016, Ro 2014/08/0010, je mwH). Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid nicht vorliegt, kommt eine endgültige Bemessung der Notstandshilfe (sohin auch deren Berichtigung bzw. Widerruf und die Rückforderung des Überbezuges) grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis VwGH 03.03.2016, Ro 2014/08/0010 mwH).
Für die Berechnung des auf die Notstandshilfe anzurechnenden Einkommens ist bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Bis zum Vorliegen eines Einkommensteuerbescheides hat die regionale Geschäftsstelle das vorläufige Einkommen anhand einer monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise festzustellen, wobei das Einkommen für mehrere Kalendermonate desselben Kalenderjahres zusammenzurechnen ist. Eine Zusammenrechnung mit Monaten eines früheren Kalenderjahres erfolgt daher nicht. Die endgültige Berechnung der Notstandshilfe erfolgt nach Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr des Leistungsbezuges mit der begünstigten Rückforderungsmöglichkeit des Überbezuges nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG (VwGH 11.12.2013, 2013/08/0200).
Vor dem Hintergrund, dass die Beurteilung der Einkommenslage „so aktuell und realistisch wie möglich erfolgen“ soll und der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 05.03.1998, G 284/97, VfSlg. 15.117) klarstellen wollte, dass „das Einkommen bzw. der Umsatz im Kalenderjahr des Leistungsbezuges maßgeblich“ ist (vgl. AB 1304 BlgNR 20. GP , 3), ist anzunehmen, dass auch bei der endgültigen Berechnung der Notstandshilfe lediglich Einkommen aus den Monaten dieses einen Kalenderjahres berücksichtigt werden soll.
Im Beschwerdefall liegt ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid des zuständigen Finanzamtes für das Jahr 2018 vor.
§ 36a Abs. 7 AlVG bestimmt, dass als monatliches Einkommen bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens gilt. Die Zwölftelung des sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Jahreseinkommens hat dann nicht Platz zu greifen, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit bloß vorübergehend ausgeübt wird (VwGH 20.02.2020, Ra 2019/08/0109 mwN).
Bei einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit kommt es auf die monatliche Einkommenssituation nach Zuflussgesichtspunkten, also auf die monatlichen Schwankungen, nicht an (VwGH 19.10.2011, 2008/08/0238 mwN).
Da seitens der Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren nicht bestritten wurde, dass ihr Lebensgefährte die seinen Einkünften zugrundeliegende Erwerbstätigkeit während des Jahres 2018 – trotz angeführtem geringerem Einkommen in der ersten Jahreshälfte – durchgehend ausübte, waren die jährliche Einkünfte gemäß § 36a Abs. 7 AlVG auf 12 Kalendermonate aufzuteilen.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Anrechnung des Partnereinkommens ab 01.07.2018 weggefallen ist:
Dem Einwand der Beschwerdeführerin, wonach die belangte Behörde bei der Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe nur die Einkünfte ihres Lebensgefährten im Zeitraum vom 01.01.2018 bis 30.06.2018 heranziehen hätte dürfen, ist zu entgegnen, dass zwar die Anrechnung des Partnereinkommens vom Gesetzgeber mit 01.07.2018 beseitigt wurde; gleichzeitig wurde jedoch angeordnet, dass die Anrechnung nach § 36 AlVG (in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2017) für Zeiträume vor dem 01.07.2018 weiterhin erfolgt (§ 79 Abs. 161 AlVG).
Seitens der belangten Behörde wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass die Grundsätze zur Ermittlung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit mit dem Wegfall der Anrechnung des Partnereinkommens ab 01.07.2018 nicht geändert wurden. Hätte der Gesetzgeber in Bezug auf den Wegfall der Anrechnung des Partnereinkommens eine abweichende Berechnung des Einkommens bei Vorliegen eines Einkommensteuerbescheides (für das Jahr 2018) für geboten erachtet, wäre jedoch eine entsprechende Regelung getroffen worden.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist § 36a Abs. 7 AlVG daher weder insoweit teleologisch zu reduzieren, als die Bestimmung nicht auf das nach dem 30.06.2018 bezogene Einkommen des Partners eines Notstandshilfebeziehers anzuwenden wäre, noch ist eine analoge Anwendung des zweiten Halbsatzes im ersten Satz dieser Bestimmung (betreffend die Ausübung einer nur vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit) auf Fälle einer durchgehend ausgeübten Erwerbstätigkeit geboten.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Berücksichtigung der Gesamteinkünfte laut Einkommensteuerbescheid bei der Partnereinkommensanrechnung im ersten Halbjahr 2018 führe zu einer Schlechterstellung gegenüber jenen Notstandshilfebeziehern, deren Partner unselbständig erwerbstätig gewesen seien, ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht eine unsachliche Ungleichbehandlung von selbständig und unselbständig Erwerbstätigen nicht zu erblicken vermag.
Die dem Gesetzgeber grundsätzlich zustehende Gestaltungsfreiheit ist durch das Gleichheitsgebot nicht derart beschränkt, dass es ihm verwehrt wäre, ähnliche Unterscheidungen wie im Einkommensteuerrecht – nämlich zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit – zu treffen. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat (z.B. VfSlg. 6533/1971, 6874/1972, 7041/1973, 7456/1974), verstößt die einkommensteuerrechtlich verschiedene Behandlung der Einkünfte von unselbständig und von selbständig Erwerbstätigen an sich nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (s. auch VfGH 16.12.1976, B 223/76; 28.06.1962, B 147/61).
Insoweit stößt auch die unterschiedliche Ermittlung des Einkommens einerseits von Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden (Vorlage des Einkommensteuerbescheides), und andererseits des Einkommens aus nicht selbständiger Arbeit (Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung) in § 36a Abs. 5 und 7 AlVG auf keine Bedenken.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht weder eine rechtswidrige Anwendung des § 36a Abs. 7 AlVG iVm § 36 AlVG idF BGBl. I Nr. 3/2013 durch die belangte Behörde zu erkennen vermag noch die von der Beschwerdeführerin relevierten Bedenken an der Sachlichkeit der Regelungen teilt.
Die Zwölftelung des im Jahr 2018 erzielten Einkommens bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit zur Berechnung des monatlichen Einkommens erweist sich somit als korrekt.
Konkret ergeben sich folgende Berechnungen:
Zeitraum 02.04.2018 bis 15.06.2018:
monatliches Nettoeinkommen € 1.933,67
abzüglich
Freigrenze € 657,00
Freigrenze für Kind € 285,50
Freigrenze Schwangerschaft € 40,00
anrechenbares Einkommen = € 951,17, sohin € 951 gerundet
Dies ergibt einen Anrechnungsbetrag von € 31,26 täglich (€ 951 x 12 Monate / 365 Tage).
Aufgrund der abgegebenen Erklärungen des Einkommens seitens des Lebensgefährten wurde der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 vorläufig Notstandshilfe in Höhe von € 29,76 täglich zuerkannt. Der tägliche Anrechnungsbetrag in Höhe von € 31,26 übersteigt jedoch den fiktiven Anspruch auf Notstandshilfe, sodass nach Anrechnung des Partnereinkommens kein Anspruch auf Notstandshilfe verbleibt.
Seit 01.09.2010 (Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung) hat eine Anrechnung des Partnereinkommens des Arbeitslosen insoweit zu unterbleiben, als das Haushaltseinkommen durch die Einkommensanrechnung unter den für den Haushalt geltenden Mindeststandard fallen würde.
Da das im Jahr 2018 monatlich erzielte Einkommen des Partners in Höhe von € 1.933,67 den im Jahr 2018 maßgeblichen Mindeststandardbetrag in Höhe von € 1.294,00 für Paare überschreitet, ist das Einkommen auf den Notstandshilfebezug der Beschwerdeführerin anzurechnen; es ergeben sich unter Berücksichtigung der bedarfsorientierten Mindestsicherung keine Änderungen.
3.3.3. Widerruf der Notstandshilfe:
Wenn die Zuerkennung der Notstandshilfe gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen (§ 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG).
Gegenständlich war wegen des auf Basis eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides geänderten anrechenbaren Einkommens des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin die Zuerkennung der Notstandshilfe für die Zeit vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 gesetzlich nicht begründet, weshalb die Notstandhilfe zu widerrufen war.
3.3.4. Zum Ersatz der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe:
Durch die Berichtigung der Notstandshilfe für die Zeit vom 02.04.2018 bis 15.06.2018 entstand ein Übergenuss von unberechtigt empfangenen Leistungen in Höhe von € 2.232,00 (75 Tage zu je € 29,76).
Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG iVm § 38 AlVG ist der Empfänger der Notstandshilfe bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG ist der Empfänger einer Leistung auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte (vgl. etwa VwGH 25.06.2013, 2013/08/0067; 29.01.2014, 2013/08/0270). In diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.
Im Beschwerdefall übersteigt der Rückforderungsbetrag nicht das erzielte Einkommen (vgl. dazu bereits oben die Höhe des täglich anrechenbaren Einkommens und der bezogenen Notstandshilfe), weshalb die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in der angegebenen Höhe zu Recht erfolgte.
Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
3.3.5. Absehen von einer Beschwerdeverhandlung
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Im Beschwerdefall war lediglich die – nicht als komplex zu bezeichnende – Rechtsfrage zu beurteilen, ob die Ermittlung des Partnereinkommens gemäß § 36 AlVG trotz Wegfalls der Anrechnung durch BGBl. I Nr. 157/2017 ab 01.07.2018 zu Recht unter Heranziehung des Einkommensteuerbescheides und Zwölftelung des im Jahr 2018 erzielten Jahreseinkommens im Sinne des unverändert gebliebenen § 36a Abs. 7 AlVG erfolgte. Gegen das Bestehen einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides, die durchgehende Ausübung der Erwerbstätigkeit oder die rechnerische Richtigkeit der Anrechnungsbeträge wendet sich die Beschwerde nicht. Dem Entfall der Verhandlung stehen daher – trotz ihrer Beantragung – im Ergebnis weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Das Fehlen einer Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den im Beschwerdefall präjudiziellen Gesetzesbestimmungen vermag die Zulässigkeit der Revision ebenfalls nicht zu begründen: Zwar kann der Verwaltungsgerichtshof dann, wenn ihm bei Behandlung einer Revision Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit genereller Rechtsnormen erwachsen, einen Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen (vgl. Art. 139 Abs. 1 Z 1 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 B-VG). Die Zulässigkeit einer Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG kann mit einer solchen Frage jedoch nicht begründet werden, weil sie selbst als Rechtsfrage eben nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache „zu lösen“ ist (vgl. VwGH 27.02.2015, Ra 2015/06/0009).
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